Die Wochen(rück)schau

Kein Flüchtlingstourismus, auch keine Asylantenbesichtigung. Doch auch wenn die vorläufige Unterbringung von Asylsuchenden eine staatliche Aufgabe ist und somit der staatliche Teil des Landratsamtes im Auftrag des Landes Baden-Württemberg handelt: Die Suche nach den vier Wänden und einem Dach überm Kopf, die Folgen für die Infrastruktur wie Schulen und Kindergärten haben längst die Kreis- und Kommunalpolitik erreicht. Da ist es sinnvoll, Flüchtlingsunterkünfte nicht nur aus der Zeitung zu kennen. Zusammen mit der CDU-Fraktion im Kreistag informierte ich mich gestern in Neulingen-Göbrichen über eine Unterkunft, die aus einem Großraumzelt sowie mehreren Funktionscontainern besteht. Dort leben derzeit 90 Menschen aus fünf Ländern, vor allem Syrer, Irakis und Afghanen, vor allem Familien. Sozialdezernentin Katja Kreeb, Neulingens Bürgermeister Michael Schmidt und Mitarbeiter des ehrenamtlichen Betreuerkreises waren Gesprächspartner.
Zurück nach Göbrichen: Einen 24-Stunden-Sicherheitsdienst kann auch dazu beitragen, Konflikte rechtzeitig zu entschärfen. Der Enzkreis muss für seine Flüchtlingsunterkünfte mehr Hausmeister und Heimleiter anstellen, kündigt die Sozialdezernentin im Gespräch mit der Fraktion an. Dafür finde man auch noch geeignete Leute. Dagegen bekomme man für die vom Kreistag schon bewilligten zusätzlichen Stellen für Sozialpädagogen und Verwaltungsmitarbeiter für den Asylbereich nur schwer Personal. Der Arbeitsmarkt sei wie leergefegt.
"90 Flüchtlinge im Göbricher Großzelt - ein Besuch" vollständig lesen
Röckinger und Kurz schreiben aus schierer Not an Unterkünften. Zuletzt lehnte der Gemeinderat von Neuenbürg einen Standort zur Flüchtlingsunterbringung ab. Die Suche geht weiter - zum Beispiel in Ötisheim und Illingen, aber auch allgemein auf dem Wohnungsmarkt. Gleichzeitig soll auf die Aufstellung von weiteren Zelten verzichtet werden. Zurecht verlangt der Deutsche Landkreistag wirksame Maßnahmen zur Zugangsbegrenzung. Gleichzeitig relativiert heute DIE WELT die Hoffnung mancher (Wirtschafts-)Verbände auf Flüchtlinge als neue Fachkräfte. Und die Politik? Die Bundesregierung, getragen von einer selten so breiten Mehrheit im Bundestag, könnte handeln. Die Parteien der Großen Koalition verständigten sich im November auf das Asylpaket II, doch dann brach wieder Streit aus und nichts geschah. Heute räumte die Koalition die Stolpersteine aus dem Weg und will die notwendigen Gesetze im Februar 2016 (!) durchs Parlament bringen. Endlich! Das wird die Nagelprobe sein für die Handlungsfähigkeit des Kabinetts Merkel. Die Bürger erwarten, dass gehandelt wird. Wir im Kreistag beklagen, dass bisher die Taten zulange auf sich warten ließen. Deshalb traf die CDU-Kreistagsfraktion Enzkreis Anfang Dezember 2015 in Mühlacker-Lienzingen zu einem Krisengespräch mit Gunther Krichbaum als Vertreter des Wahlkreises in Berlin zusammen - doch das Unbehagen blieb bei uns Kreisräten vor allem gegenüber der Hoffnung auf eine europäische Lösung des größten Problems seit 1945. Ich bin dafür, dass politisch Verfolgte Asyl genießen, aber das heißt nicht, dass wir alle, die auf ein besseres Leben hoffen, aufnehmen. Das schaffen wir nicht. Deshalb unterstütze ich den dringenden Mahnbrief aus dem Landratsamt an die Abgeordneten. Und hoffe inständig, dass die Kanzlerin ihre Ankündigung umsetzt, die Flüchtlingszahlen spürbar zu reduzieren. Nichts anderes wollen wir. Aber hier muss Berlin liefern. Rasch!