Das unerwartete Zünglein an der Waage

Die neue, höchst brisante politische Formation im Kreistag ging in der politischen Debatte und in den lokalen Medien weitgehend unter. Denn die Erfahrung in der letzten Kreistagssitzung des Jahres 2024 zeigte erstmals glasklar eines: Wenn sich FWV, SPD und AfD einig sind, geht nichts anderes mehr – da können CDU, Grüne und FDP wedeln und argumentieren, wie sie wollen. Fast ein halbes Jahr nach den Kommunalwahlen lassen Freie Wähler und Sozialdemokraten der AfD die Rolle des Züngleins an der Waage. FWV und SPD nahmen das billigend in Kauf, zumindest bei den Entscheidungen über die so genannte Streichliste.

 

Beton-Politik der erschreckenden Art. Gemeinsam gaben sie den Kurs aus, die Streich-Liste des Landrats dürfe vom Kreistag nicht mehr geöffnet werden. Die Warnung v vor der Büchse der Pandora. Basta-Politik frei nach Schröder, Gerhard, Ex-Kanzler. Erschreckend ist vor allem eines: eine Koalition, die den demokratischen Diskurs verhinderte, indem sie abweichende Anträge gemeinsam niederstimmten, um nicht einmal ein Komma zu verändern gegenüber dem Landratspapier. Die Zeche bezahlten die VHS Mühlacker und der Jugendring Enzkreis mit seiner nun torpedierten Jugendfreizeitstätte.  Diese Wertung richtet sich nicht gegen die AfD, für die diese Rolle unerwartet kam und in die sie schnell schlüpfte. Kritik müssen sich Freie Wähler und Sozialdemokraten gefallen lassen, die ihnen dieses Spielchen erlaubten, die sie zum Waagscheißer machte. Ausgerechnet die SPD und ihr neuer Vorsitzender Helge Viehweg, Bürgermeister zu Straubenhardt. Und das in einer Zeit, in der die Genossinnen und Genossen national die AfD als Partei sehen, die außerhalb des demokratischen Spektrums steht.

Nichts mehr vom Kurs gegen die Rechtsaußen, den Viehweg immer wieder einforderte in der ersten Amtsperiode der AfD (2019-2024). Da ähnelten seine Attacken gegen die Rechtsaußen im Saal eher der Aufforderung, spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Der Fairness halber sei angefügt, dass drei Kreisräte den Kurs nicht mitmachten: Ulrich Hagenbuch (FWV) sowie Jürgen Metzger und Hans Vester (beide SPD). Vor der Sitzung auf diese Koalitionsvariante angesprochen, entlockte dem sozialdemokratischen Anführer nur ein mildes Lächeln. Er wusste, was er tat. Und das macht die Sache noch schlimmer.

Und FW-Sprecher Werner Henle? Er leibt es, Parteien eine auszuwischen. Aber das wissen wir. 

Nachgezogenes - Das hätte eine Haushaltsrede sein können

Kommunalfinanzen unter Wasser. Da überrascht die besorgte Frage nicht: Was können wir uns in den nächsten Jahren noch leisten? Dies löste auch in der CDU-Kreistagsfraktion eine kontroverse Debatte aus, denn der Kreishaushalt 2025 weist – bei aller Solidität, für die der oberste Finanz-Mann des Enzkreises, Frank Stephan, steht - beträchtliche Risiken auf. Diese Risiken tragen wir gemeinsam.  

Zu vier Lastenpaketen in der gebotenen Kürze die Position der CDU-Fraktion: Kliniken, Behinderteneingliederung, Soziales und ÖPNV.

Enzkreis-Kliniken in Mühlacker von der grünen Seite her (Foto: RKH)

Das steigende Defizit der Enzkreis-Kliniken bereitet Sorgen. Die CDU-Fraktion beantragte eine gesonderte Sitzung des Kreistags zur Stärkung der kommunalen Trägerschaft der Krankenhäuser. Das Defizit aus dem laufenden Betrieb verdoppelt sich innert zwei Jahren und wird 2025 voraussichtlich bei 12,5 Millionen liegen. Hinzu kommen noch gut vier Millionen Euro aus der Kreiskasse aufzubringender Kapitaldienst für Darlehen, in den vergangenen Jahrzehnten aufgenommen für Investitionen.  Vergessen wir bei allem Klagen nicht, dass wir froh waren, in der Corona-Pandemie ausreichend Klinikplätz gehabt zu haben. Die CDU sieht die Kliniken als großen Pluspunkt für die Menschen im Landkreis. Die Häuser in Mühlacker und Neuenbürg dürfen wir uns auch etwas kosten lassen. Wir wollen keine Gewinne machen, haben als Zielmarke ein Prozent Kreisumlage – wären derzeit 3,5 Millionen Euro – als Defizit aus dem laufenden Betrieb.

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Wo ein Wille...

bwshuttle in Ellmendingen - ein Hauch von Londoner Taxi.

Im Enzkreis ging das On-Demand-Angebot zwischen Remchingen und Keltern bereits im Dezember 2023 in Betrieb; nun sind hier die ersten Fahrzeuge im gelb-weiß-grauen Landesdesign unterwegs. Die bwshuttles sind vollständig in das ÖPNV-System integriert: Das heißt, sie sind an Bahnhöfen sowie Bus-, Tram- oder S-Bahnhaltestellen angebunden, von wo es sonst ohne eigenes Auto nicht weitergehen würde. Außerdem können Fahrgäste ihr gültiges ÖPNV-Ticket nutzen (Fahrscheine der Verkehrsverbünde, Tickets des bwtarifs, D-Ticket oder Ähnliches); in manchen Fällen ist ein kleiner Zuschlag notwendig. Buchbar sind die bwshuttles bei Bedarf per App oder Telefon.

Geht doch. Auch im Landkreis Freudenstadt. Um die Mobilitätsgarantie auf die Räder zu stellen, verfolgt der Landkreis einen innovativen, bundesweit einmaligen Ansatz: anders als andere Regionen wird auf die Dienste von Fremdanbietern verzichtet. Stattdessen wurden mit der zusätzlich benötigten Verkehrsleistung hiesige Taxi-Unternehmen beauftragt, die bereits vorhandenes Personal und ihren Fuhrpark einsetzen können. Die Fahrt mit dem ÖPNV-Taxi ist preislich sehr attraktiv. Weil das ÖPNV-Taxi ein Angebot des ÖPNV ist, richtet sich der  Fahrpreis nach der Anzahl der befahrenen Tarifzonen. Bei der Vorstellung der bwshuttles kam ich ins Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeuiter im Freudenstädter Landratsamt. 

Der Abholer

Was wir dringend benötigen in Mühlacker: den ÖPNV-Anschluss von Wohngebieten, Zubringer zu den Hauptbuslinien. Doch hier bewegt sich nichts, trotz Beschlüssen des Gemeinderates. Es stockt und hakt. Zugegeben: Die Stadtverwaltung ist personell nicht auf ein großes Nahverkehrspaket ausgerichtet und die Stadtwerke, da führt leidenschaftlich ein einziger ÖPNV-Fachmann das Stadtbus-Geschäft. Und die Unternehmensspitze? 

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Von der Amtsversammlung zum Kreistag - Dürrmenz-Mühlacker die eigene Sparkasse und dem Lienzinger Schultes den Aktuarjob in Schmie verwehrt

Die Württemberger hatten den Badenern eines voraus: Sie waren beim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung viel schneller. Doch auch in Württemberg gab es immer wieder Versuche, die Freiheiten der Städte und Gemeinden zu reduzieren. Bis der erste Wilhelm, der Reformer und der Württemberger zweiter König, 1816 diese Rechte ausbaute. Das wirkt sich bis heute aus - den Amtsversammlungen folgten die Kreistage. Beispiel: das Oberamt Maulbronn. Spurensuche

Amtsversammlung Mitte Juli 1915: Jede Gemeinde schickte mindestens einen Vertreter, die größeren je zwei, Dürrmenz-Mühlacker 9 (Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Ludwigsburg)

Alles begann mit den Oberämtern und einem König, der viel von der kommunalen Selbstverwaltung hielt. Daraus entstand eine Erfolgsgeschichte. Nicht der Egoismus der einzelnen Städte und Gemeinden zählt, sondern das Wir: gemeinsame Aufgaben sollen gemeinsam gelöst werden. Zum Beispiel die Suche nach Aktuaren - inzwischen aus der Mode gekommen. Die Zeiten und Aufgaben wandeln sich, die Idee bleibt.

Bewerber-Aufruf steht über der Stellenanzeige in der Maulbronner Tageszeitung Bürgerfreund. Das Königliche Oberamt  sucht  Verwaltungshilfsbeamte. Zu besetzen ist die Stelle eines besonderen Rechnungsverständigen für den Verwaltungsbezirk Schmie zum folgenden Dezember, entscheiden werde die Amtsversammlung.  Die Annonce erschien im November 1907.

Lienzinger Geschichte(n) – ein neuer Beitrag in meiner Internetserie. Kreistage - wer hat sie erfunden? Was ist ein Aktuar? Welche Stellenbeschreibung passt zu einem Rechnungsverständigen?  Was hat es mit dem Verwaltungsbezirk Schmie auf sich? Wie war Lienzingen auf Kreisebene vertreten? Der Amtsschaden als das Maß der Dinge? War Lienzingens Schultheiß nicht ausgelastet? Warum scheiterte der Versuch, einen eigenen Mühlacker Sparkassen-Weg zu beschreiten? Und andere spannende Themen aus einer mehr als 200jährigen Geschichte - von der Amtsversammlung zum Kreistag gibt es nicht nur Fragen, sondern auch Antworten. 

Ins Heute übertragen, würde sich das so lesen: Das Landratsamt Enzkreis (stünde für Oberamt) sucht einen Verwaltungsaktuar/ Gemeindefachbediensteten (für besonderen Rechnungsverständigen) und die Entscheidung trifft der Kreistag (für Amtsversammlung). Wäre gänzlich unvorstellbar! Die Gemeinderäte würden sich vom Landkreis keinen Bediensteten vor die Nase setzen lassen. Wenn eine solche Suche überhaupt noch notwendig wäre – ein ganz und gar fiktiver Fall, denn nichts spricht für den Bedarf an einem Aktuar.

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Tempo, Torf und Türen

Eine Blog-Pause? In den vergangenen Wochen schon. Eigentlich ungewollt, aber letztlich doch den Terminen geschuldet. Verursacher: Kommunalwahlen – zuerst Kandidierende suchen, dann Nominierung, Listen einreichen und peinlichst auf den letzten bürokratischen Haken achten, Flyer … Daneben noch das normale Sitzungspensum, Bürgeranliegen - und etwas Privates soll es auch noch geben. So blogge ich heute eher über das, was war und/oder noch läuft.

Die digitale Bürgerbeteiligung geht in die nächste Runde. Hier dazu mehr

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Das Schicksal unserer (Ur-) Großväter - Tagebücher, Regimenter und die Somme

Nun hielt sie es also im Lesesaal der Uni-Bibliothek in Händen, das Buch aus der Reihe der Erinnerungsblätter deutscher Regimenter – in ihrem Fall Band 251 – für das 149. Infanterie-Regiment.

Einer von 1250 Bänden Kriegsgeschichte 1914-1918

Tatsächlich ist der Band extrem aufschlussreich, schreibt die Bonnerin in einer Mail an mich. Beide sind wir, wenn auch getrennt, auf der Suche nach Quellen über das Schicksal des jeweiligen Großvaters, beide fielen im Ersten Weltkrieg an der Somme. Bei ihrer Internet-Recherche stieß sie auf die Blog-Beiträge über meine Forschung nach den Umständen des Todes meines Opas Gotthilf Schrodt. Der Gipser aus Schützingen fiel Mitte September 1916 im fast selben Gebiet und in der gleichen Zeit wie der Urgroßvater der Unbekannten aus Bonn. Unsere Suchfelder ähneln sich.

Die Erinnerungsblätter beschreiben nahezu jeden Schritt eines Regiments von Beginn des Krieges 1914 bis zum Ende 1918. Jede Zuordnung, jeden Transport, jede Schlacht. Interessant hier ist in ihren Augen auch, dass die Wege mit dem Zug und teilweise mit Kraftfahrzeugen genau angegeben werden.

Dabei kam sie dann endlich auf eine andere Zuordnung für den September 1916, als sie  bislang über GenWiki herausbekommen hatte. Zitat: Dort ist die Unterstellung etwas unpräzise nur bei Kriegsbeginn aufgeführt, schreibt sie.

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Längst nicht mehr die grüne Sparkasse: Die Stadt und der Forst - Beispiel Mühlacker

Einen Arbeitskreis Wald des Gemeinderats von Mühlacker, drei Stellen für Forstarbeit und im September 2023 bestellt: ein Forstschlepper mit funkferngesteuerter Anbauseilwinde und Rückekran für den Forstbetrieb der Stadt zum Preis von 385.683 Euro, nach monatelangem Hin-und-her zwischen zwei Fachämtern, im September 2023 bestellt bei der Firma Kotschenreuther Forst- und Landtechnik GmbH & Co. KG, 96349 Steinwiesen. Die Kommune und der Forst, ein interessantes Kapitel, wie sich jetzt auch einer Pressemitteilung des Enzkreises zu entnehmen lässt. 

Angelegte Tümpel sollen lange genug Wasser halten, um Tieren auch über längere Dürrephasen im Sommer einen Lebensraum zu bieten.

Mit Hilfe dieses Forstschleppers, der voraussichtlich im Frühjahr 2025 geliefert wird, könne man in Mühlacker künftig Holz vermehrt in Eigenregie aus dem Wald befördern, lobt das Kreisforstamt. Damit sei man bei der Holzernte noch flexibler und könne schonender auf die Witterung und empfindliche Waldböden Rücksicht nehmen. Möglich gemacht habe dies der Gemeinderat von Mühlacker, der sich damit zum Erhalt des Waldes und zu seinen vielfältigen Ökosystemleistungen bekannt hat, loben Wald-Experten aus dem Landratsamt in Pforzheim. 

Doch der durch Hitze gestresste Wald, das Waldsterben - die Sache bleibt aktuell

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