Spurensuche an der Somme. Die Fortsetzung. Post aus Rostock und Bonn

Enkel und Urenkel auf der Suche nach den Spuren ihrer Großväter oder Urgroßväter. Insgesamt dienten im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite etwa 13,25 Millionen Mann. Jede zweite Familie trauerte um einen Gefallenen, litt mit Verletzten im ersten industriell geführten Krieg. Die größte  Materialschlacht, der größte Stellungskrieg. 2014, somit 100 Jahre nach Ausbruch des Krieges, wuchs das Interesse am Schicksal von Opa oder Uropa. Es ist ungebrochen. Zweimal bloggte ich zu diesem traurigen Kapitel unserer (Familien-)Geschichte.

In jenem Monat, in dem mein Großvater fiel: Aus dem Tagebuch des württembergischen Infanterie-Regiments 120

Da war mein Onkel Wilhelm Bächle (1891-1918), vor allem aber mein Großvater Gotthilf Schrodt (1887-1916).  Zufällig stieß ich auf einer Porträttafel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Schützinger auf sein Bild, mit Uniformmütze, veröffentlicht im Jahrbuch des Enzkreises. Er starb am 15. September 1916, somit 34 Jahre vor meiner Geburt, im Schützengraben bei Berny-en-Santerre – seine Tochter Emilie Gertrud (1916-1998), meine Mutter, war damals gerade dreieinhalb Wochen alt. Sterbliche Überreste, die bestattet werden konnten, gab es nicht. Er verbrannte im Schützengraben bei lebendigem Leib. Eines der Millionen Opfer des Ersten Weltkrieges. 

Das Dorf Berny-en-Santerre dezimiert (Foto 2023: Günter Bächle)

Berny-en-Santerre, zehn Kilometer von Péronne entfernt. Denn dort verlief an seinem Todestag die Front zwischen deutschen und französischen Heeren, wie der Tagebucheintrag seiner Kompanie belegt. Heute heißt das: nördlich des Autobahnkreuzes A1/A29 und südöstlich der Autobahn 1. Hier tobte um den 15. und 16. September 1916 die Schlacht um Berny. Am 17. September rückte die 10. französische Armee in das kleine Dorf ein und befreite es von den Besatzern, nahm 1400 deutsche Soldaten gefangen.

Sechs Jahrzehnte brauchte es, bis ich mich aufraffte, sein Schicksal vor Ort zu erforschen. Ziel war die Picardie. An einem Samstag im Juli 2023 fuhr ich nach Berny-en-Santerre, eine Mini-Gemeinde im Norden Frankreichs, zugehörig dem Département Somme in der Region Hauts-de-France (Region Oberfrankreich), die wiederum unter anderem an Belgien und die Normandie grenzt.

Somit Ende Juli 2023. Erstmals auf den Spuren meines Großvaters in Frankreich. Leicht ratlos zunächst, aber auch neugierig, stehe ich an einem Juli-Samstag des Jahres 2023 in dem winzigen französischen Dorf. Es zählt 155 Einwohner, unterhält zwei Kriegerdenkmale und eine ungewöhnliche Informationstafel am Rande der einzigen Durchfahrtsstraße. So begann mein Text darüber  in meinen Lienzinger Geschichte(n) am 10. August 2023.

Den las nach Monaten - das Internet ist schließlich grenzenlos öffentlich - ebenfalls ein Suchender, so dass mich am 2. Januar 2024 Post aus Rostock erreichte.

Andreas Hallier schrieb in seiner Mail:

Mit höchstem Interesse habe ich Ihren Blog gelesen, ihn erst kürzlich gefunden – bei der Google-Suche mit der Wortkombination Schlacht an der Somme/Berny en Santerre.

Mein Urgroßvater ist dort gefallen, 12 Tage vor Ihrem Großvater. Ich war mehrfach in Berny en Santerre und habe auf dem Acker die lehmige, schwere Erde gefühlt. Das von Ihnen beschriebene Gefühl - so weit weg und doch ganz nah, das kenne ich auch. Scherben, leere Patronenhülsen, verbeulte Blechteile, der ganze Acker zeugt vom Irrsinn des Krieges.

Meinen Urgroßvater hat man nie mit Namen beerdigt, vielleicht wurde er auch unter den 1500 namenlos bestatteten Deutschen in St. Quentin beerdigt. So vielleicht auch Ihr Großvater.

Wo war der Großvater im Krieg schwimmen? (Sammlung Hallier)

Ich betreibe mehr oder weniger intensiv Ahnenforschung, jedoch die Geschichte meines Urgroßvaters, eines einfachen Schuhmachers, das ist schon echt bedrückend. So bin ich auf der Suche nach seinem Leben. Bis zu seinem Tod war er drei Jahre an der Somme. Wo hat er gelebt, wo war die Einheit stationiert? Wo war er schwimmen (siehe Foto)? Fünf Kilometer östlich von Berny en Santerre schlängelt sich die Somme. Irgendwo dort.

Ich will vielleicht dieses Jahr zum Militärarchiv nach Freiburg. Dort weiterforschen.  Meine Frage an Sie: Welche Quellen können Sie mir weiterempfehlen? Das Archiv in Stuttgart betrifft doch eher baden-württembergische Quellen, oder? Haben Sie Kenntnis zum Stationierungsort Ihres Großvaters?

Was für ein Wahnsinn, ein Ur- Ur- Ur-Hallier, gebürtiger Franzose und Teil der Napoleonischen Besetzung von Rostock um 1800, hat keine Ambitionen zurückzugehen, bleibt in Rostock und sein Ur- oder Ur-Urenkel muss nach Frankreich in den Krieg. Nie, nie wieder!

Mein Urgroßvater war im November 1914 schon eingezogen. Hier die einzige Info: IX. Armeekorps, Kriegsbekleidungsamt Altona/Hamburg. Da habe ich mich heute mal drangesetzt und auch etwas gefunden. Sieht auf der Online-Seite eher nach Verwaltung aus, mal sehen. Da zurzeit nicht so viel los ist, werde ich wohl gleich die Tage mich auf den Weg machen.

Feldpostkarte nach Rostock.

Oh, jetzt habe ich wieder damit angefangen und dann hält es einen nicht mehr. Ich denke, das geht Ihnen auch so.

Antwort aus Lienzingen, 2. Januar 2024:

Im Landesarchiv Baden-Württemberg liegen tatsächlich weitgehend nur Unterlagen der Soldaten aus dem Königreich Württemberg beziehungsweise dem Großherzogtum Baden. Schlüssel zur Einheit war der Name der Einheit, der mein Großvater zugeteilt war. Über diese müsste sich das Tagebuch der Einheit ermitteln lassen. Diese Unterlagen müssten dann im Archiv des Bundeslandes sein, in dessen heutigem Gebiet die Einheit verortet war. Auch mein Onkel fiel im Ersten Weltkrieg - er war aus Baden, seine Unterlagen sind beim Generallandesarchiv in Karlsruhe. Mein Großvater stammte aus Württemberg - hier wurden wir im Hauptstaatsarchiv Stuttgart fündig. Beide Archive gehören zum Landesarchiv Baden-Württemberg.

Dann meine Frage nach den Halliers und Napoleon: Wie kamen denn Ihre Vorfahren nach Rostock? Außerdem: Grüße nach Bad Doberan. Unsere Familie war/ist begeisterte Ostsee-Urlauber: 2 x Dars, 13 x Rügen. Aber jetzt sind die Kinder groß...

Antwort aus Rostock, 2. Januar:

Ach, gefühlt sind wir schon immer hier, in und um Rostock. Auf Adress CD's der 90'er Jahre waren 90 % der etwa 100 Hallier's in Deutschland hier ansässig. Im Pariser Telefonbuch nehmen die Hallier's mehrere Seiten ein, so wie hier Meier und Müller. Früher war ich immer von den Hugenotten ausgegangen, doch die wurden durch Preußen im Brandenburgischen angesiedelt. Dann brachte mich ein Freund auf die Idee mit Napoleon und siehe da, das passt, bin noch nicht ganz durch mit dem Nachweis aber Tendenz ja.

Das älteste Familienfoto ist von 1893. Da war der 1916 in Berny-en-Santerre  gefallene Wilhelm Bernhard Christian Hallier gerade einmal 10 Jahre alt.

Hallier ist es ja nicht allein, da ist noch mein Urgroßvater ein Schiffszimmermann, Wilhem Ahrens, 1904 als 14-jähriger Lehrling bis nach Madagaskar gesegelt, ich habe noch seinen Atlas mit all den Eintragungen und kann mich noch erinnern, wie ich auf seinem Schoß saß und er mit uns Papierschiffchen aus Zeitungen gebastelt hat. Ich habe mehrere Hundert Personen in meinem Ahnenbereich, wobei es sich nicht um die pure Person handelt, sondern auch rundherum um das Leben und die Querverbindungen. Wir sind glücklicherweise nicht ausgebombt worden, es ist alles erhalten. Unser ältestes Familienfoto ist von 1893, da war mein Urgroßvater, der 1916 in Berny-en-Santerre  gefallene Wilhelm Bernhard Christian Hallier gerade mal 10 Jahre alt.

Das Foto zeigt die ganze Familie, auch seinen Bruder und die Eltern - das wären dann meine Ur-Ur Großeltern einer der väterlichen Achsen.  Ansonsten liegt der Ursprung der weiteren Achsen in Pommern, Ostpreußen, Schlesien

Wenn man das alles weiß, dann lässt es einen kaum mehr los. Jetzt da es etwas ruhiger wird im Arbeitsleben, als Selbständiger mit Ende 50 muss man keine Großprojekte mehr stemmen, so finde ich jetzt die nötige Zeit.

Auch unsere Kinder sind aus dem Haus. Wir machen zwar keinen Urlaub an der Ostsee, da fahren wir mal so hin - Danke für die Grüße. Wir sind eigentlich überall zuhause, nehmen uns Zeit für Land und Leute. Hin und wieder sind wir in Ihrer entfernteren Gegend, in Dettingen/Teck und Lenningen. Da habe ich 2 Cousinen, Onkel (1955 aus Rostock weg) und Tante sind gerade 2018 gestorben. Oh, wie die Zeit rennt.

Somit grüßen Sie auch Baden-Württemberg mit all seinen tollen Ecken - u.v.a. Blautopf, Uracher Wasserfall - ständig ein Reinfall - nie Wasser, Sigmaringen, die Burgen, die Automuseen, das Technikmuseum Sinsheim (ist das noch BW?) ...

Ah, ich habe morgen Termin im Staatsarchiv Hamburg - ich halte Sie auf dem Laufenden. Sorry, jetzt habe ich Sie aber vollgetextet.

Nach dem Besuch im Staatsarchiv Hamburg

Nur ganz kurz: es war enttäuschend. Statt dem erwarteten Schiebewagen mit einem Haufen Kartons (1904 - 1923, das klingt nach etwas) erwartete mich ein nur ein winziger Ordner mit etwa 30 Blatt über alltägliche Dinge, Feuerlöschschläuche und Auflösung des Bekleidungsamtes des IX-Armeekorpses in Hamburg. 80% der Bestände seinen den Bombardements des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen.

Nun bleibt das Militärarchiv in Freiburg

6. Februar 2024, Post aus Bonn (U.M.):

Vielen Dank, dass ich Ihren interessanten Artikel zur Spurensuche an der Somme lesen konnte. Wirklich sehr spannend geschrieben. Sie haben wirklich viel herausbekommen, ich werde ein paar Ihrer Wege auch einmal probieren.

Und offensichtlich berührt Sie dieser völlig unsinnige frühe Tod Ihres Großvaters auch sehr.

Ich bin seit kurzer Zeit in der Recherche nach meinem Urgroßvater, der am 27.9.16 an der Somme gefallen ist (Jahrgang 1882). Aber außer seinem „gefallen“ in den Verlustlisten bin ich noch nicht viel weiter voran gekommen. Ich kenne die Nummer seines Infanterie-Regiments – aber finde nur sehr wenig zu diesem Regiment.

Hier habe ich eine ganz konkrete Frage, wie sind Sie an die Kriegsstammrolle des Regiments  herangekommen? Wo kann man so etwas einsehen?

Tatsächlich plane ich, im Sommer ebenfalls die Somme-Gegend zu besuchen, Ihr Artikel hat mich dazu noch etwas mehr inspiriert, als ich es schon war.

Gerade in Zeiten wie diesen – wo uns die Kriege wieder einmal so entsetzlich näherrücken und bedrücken – scheint mir eine Befassung gerade auch mit dem Ersten Weltkrieg wirklich sinnvoll.

Viele Grüße, U.M., Bonn

Auf meine Hinweise auf Recherche-Wege die Antwort:

Vielen Dank für den Hinweis. Der Urgroßvater war aus Rheinland-Pfalz, ich probiere es dort einmal. Das Infanterie-Regiment meines Urgroßvaters war allerdings in Schneidemühl zugeordnet (hinter Stettin) – heutiges Polen. (war wohl ein preußisches Regiment). Ich vermute, dass es schwierig wird, dort etwas zu finden.

Wenn ich mir die Gefallenen aus dem Regiment in den Verlustlisten mit Ihren Geburtsorten ansehe, dann waren diese Soldaten quer verteilt aus allen heutigen Bundesländern inclusive der Abschnitte im heutigen Polen.

Nochmals in die Recherche

Feldpost von Wilhelm Hallier

Post aus Rostock und Bonn – die Briefe lösen weiteres Recherche-Fieber aus. Einmal über das Schicksal meines Großvaters Gotthilf Schrodt aus unserem Nachbarort Schützingen, zum anderen über meinen Onkel Wilhelm Bächle aus dem Süd-Schwarzwald.

Status: tot. Was sich leicht makaber anhört, ist nur eines der Suchkriterien in den inzwischen digitalisierten Verlustlisten  aus dem Ersten Weltkrieg. Es handelt sich um die offiziellen Mitteilungen über Tote, Verwundete, Vermisste und Gefangene, die in zeitungsähnlicher Form erschienen sind. Dass die 31.000 Seiten online nach Namen durchsucht werden können, ist einer Initiative des Vereins für Computergenealogie zu verdanken. Über 8,5 Millionen Datensätze wurden erschlossen und zur Nachforschung nutzbar gemacht unter wiki.genealogy.net/Verlustlisten_Erster_Weltkrieg/Projekt.

Hier findet sich mein Großvater Gotthilf Schrodt aus Schützingen im Oberamt Maulbronn, Liste Württemberg 502, Seite 16510 und auf der Seite 10563  Onkel Wilhelm Bächle aus Neustadt im Schwarzwald.  Liste: Preußen 395, Infanterie-Regiment 175. Status: verwundet. Eintrag 3. Dezember 1915.

Allerdings klafft im Dokumentenbestand eine gewaltige Lücke, schrieb Die Welt. Bei der Zerstörung des Heeresarchivs in Potsdam im Jahr 1945 wurden unter anderem die Akten der Preußischen Armee vernichtet, die den Großteil der deutschen Truppen im Ersten Weltkrieg stellte. Darunter waren auch die Personalakten der Soldaten. Deutlich besser sei die Datenlage für Angehörige der Streitkräfte aus Bayern, Sachsen und Württemberg sowie für die badischen Truppen innerhalb der preußischen Armee. Ansprechpartner: die Archive in München, Leipzig, Stuttgart und Karlsruhe.

Aus dem Tagebuch des Regiments meines Großvaters

Ob nun Ahnenforschung oder schlicht Spurensuche nach dem Großvater oder Urgroßvater – das Interesse nahm deutlich zu. Doch genau hinzuschauen lohnt sich! 

Exemplarisch die Suche nach Spuren in den Archiven meines Onkels Wilhelm:

Bei den Verlustlisten erscheint nur der Eintrag vom 3. Dezember 1915 über seine Verwundung. Doch die Online-Suche beim Landesarchiv Baden-Württemberg fördert den Eintrag in 233 Nummer 52160 des Badischen Staatsministeriums - Abschnitt Ordensverleihungen und Kriegsauszeichnungen, Erster Weltkrieg, 1917 – zu Tage. Wilhelm Bächle, geboren am 8. Mai 1881, wurde 1917 vom Großherzog Badens in Karlsruhe die silberne militärische Karl-Friedrich-Verdienstmedaille und die  silberne Verdienstmedaille am Bande der militärischen Karl-Friedrich-Verdienstmedaille verliehen.

Online ist (noch) nicht alles. Leider. Die Online-Ausbeute wächst mit zunehmender Digitalisierung der Bestände, doch zur erfolgreichen Recherche ist auch immer noch die schriftliche Anfrage bei den Archiven anzuraten – auf gut Glück. Zum Beispiel beim Generallandesarchiv Baden in Karlsruhe.  Dort gibt es neuere Bestände (von zirka 1800 an) des XIV. Badischen Armeekorps. Doch (noch) nicht für alle steht das Findbuch im Internet. Es handelt sich um die Akten der Armeeabteilung B (früher Gaede). Der Aktenbestand enthält auch die Überlieferung des Kommandos der militärischen Schutzmannschaft in Mühlhausen (vormals kaiserliche Polizeidirektion Mühlhausen). Neben dem Schriftgut zur allgemeinen internen Verwaltung einer militärischen Großeinheit, ihren Gefechten und Bewegungen, der Organisation des Nachschubs und der Gewährleistung der permanenten Kampfbereitschaft des Verbandes sind vor allem die Unterlagen zur Geschichte des Reichslandes Elsass-Lothringen im 1. Weltkrieg interessant.

Mein Großvater Gotthilf Schrodt blieb verbrannt zurück

Besonders nennenswert sind die Aktengruppen über die militärischen Operationen, die Kampfhandlungen, die Kriegsgliederung, die Personalangelegenheiten, die Kriegstagebücher, die Militärjustizangelegenheiten sowie die Schutzhaft- und Personalakten des Kommandos der militärischen Schutzmannschaft in Mühlhausen, so die Inhaltsangabe des Archivs.

Der Antwortbrief aus Karlsruhe schaffte Klarheit. Unter den 1178 Akten ist die mit der Signatur 456 C Nummer 1984 über:

Bächle, Wilhelm, Fabrikarbeiter, ledig, katholisch. Vater: Dyonis, Mutter: Berta Bächle. Mein Onkel, von dem ich nicht einmal ein Bild habe. In den Beständen der Personalverwaltung des XIV. Badischen Armeekorps findet sich eine Beschreibung: Grösse 1 m 65, Gestalt mittel, Kinn gew[öhnlich], Nase gew[öhnlich], Mund gew[öhnlich], Haar blond, kl[einer] Schnurrbart, Tätowierung beide Arme. 

Am 15. September 1916 lag fortwährendes feindliches Feuer auf dem Regimentsabschnitt. An diesem Tag kam Gotthilf Schrodt aus Schützingen im Feld ums Leben (aus dem Tagebuch des Regiments)

Wilhelm war von Oktober 1911 bis September 1913 Reservist. Vom Kriegsausbruch im August 1914 bis kurz vor dem Friedensschluss 1918 kämpfte der einzige Bruder meines Vaters Johann auf vielen Schlachtfeldern im Westen, zuerst als Gefreiter, dann in den beiden letzten Kriegsjahren als  Unteroffizier, seit 25. Juni 1918 als Sergeant.  Im Felde gefallen am 4. Oktober 1918 bei Sommerance durch a.g. [?] Kopf. Wegen der Gefechtslage konnte Beerdigung nicht erfolgen. Anerkannt: Im Felde, den 17. Oktober 1918 Leutnant u[nd] Komp[anie] Führer. Soweit der Eintrag. Es ist zu vermuten, dass er bei Abwehrkämpfen zwischen Argonnen und Maas fiel, die den ganzen Oktober 1918 über den Einsatz der 52. Infanterie-Division bestimmten. Die Division war ein selbstständig operierender Großverband des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg – eine Kriegsdivision (Quelle: GenWiki).

Offizier voraus - hinkend, mit verletztem Bein

Seine Tragik: Am Tag, als Wilhelm Bächle fiel, schickte der neue Reichskanzler Max von Baden ein Ersuchen um Waffenstillstand an den US-Präsidenten, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich zogen nach.  Fünf Wochen nach meines Onkels Tod, am 12. November 1981, räumten die deutschen Soldaten die Stellung, traten den Marsch in die Heimat an. Wilhelms einzelne Stationen im Ersten Weltkrieg sind in den Unterlagen fein säuberlich vermerkt (siehe früherer Blog-Beitrag).

Wilhelm Bächle, das war das große Vorbild für seinen Bruder Johann (1899-1964), meinem Vater.  Wilhelm war am 15. Dezember 1917  mit dem Eisernen Kreuz (EK) II ausgezeichnet worden, dann im Dezember 1917 mit der Badischen Silbernen Verdienstmedaille am Bande,  am 10. Juli 1918 folgte das Verwundeten-Abzeichen schwarz für 1 x mutige Verwundung. Als ich 1950 zur Welt kam, war es meinem Vater wichtig, dass ich den Vornamen Wilhelm erhielt, wenn schließlich  sozusagen dem Rufnamen Günter nur nachgeordnet, was meine Mutter Emilie (1916-1998) durchsetzte. Sonst wäre ich der Willi gewesen.

Es scheint, dass unser tapferes Verhalten dem Feind die Angriffslust genommen hat

Und hier diente mein Großvater Gotthilf, der Gipsermeister:  Im Königlich württembergischen  Reserve-Infanterie-Regiment Nummer 120, Anfang August 1914 aufgestellt in Stuttgart, Leonberg und Esslingen. Das Königreich setzte damit den Mobilmachungsplan aus Berlin um. Neben dem ins Feld rückenden Regiment entstand noch ein Ersatz-Bataillon und ein Rekruten-Depot. Das Regiment bestand bis Anfang 1919. Exakt mit der Mobilmachung trat Gotthilf Schrodt - am 5. August 1914 – in das Infanterie-Regiment ein, das vom 8. April bis 16. Dezember 1916  bei Reims und an der Somme: Justine und Nogent, Becelaere, an der Ancre und südlich Valenciennes kämpfte.

Genaue Einblicke in den Alltag gibt das 1920 in der Chr. Belsersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, erschienene Tagebuch „Das Württembergische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 120 im Weltkrieg 1914–1918“. Darin wird auch die Lage in jenen Tagen beschrieben, in denen mein Großvater fiel. Das Tagebuch kann online gelesen und auch heruntergeladen werden

Württembergs König Wilhelm II. gratuliert dem Regiment Nummer 120 - doch 900 Mann waren gefallen

 

 

 

 

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