Wie es zum 30-km/h-Limit auf der B10 kam:  Zählen Gesundheit oder kürzere Fahrzeiten?

30 km/h wegen Luftreinhaltung an der B 10 (Stuttgarter Straße) in Mühlacker. Foto: Günter Bächle

Wer will es bestreiten: Tempo 30 auf einer Bundesstraße ist gewöhnungsbedürftig, selbst wenn sie – wie in unserem Fall – nur auf dem Teilstück einer Ortsdurchfahrt gilt. So auf der Stuttgarter Straße, einem innerörtlichen Abschnitt der B10 in Mühlacker. Kontroverse Debatten im Netz, hartnäckige Kritik eines Dürrmenzer Autofahrers an der CDU-Fraktion im Gemeinderat wegen deren Ja zu dieser Anordnung. Zitat aus einem seiner Facebook-Posts: Lienzingen auf der engen Durchfahrt mit parkenden Autos konnte man nur 50 fahren. Da macht ja 30 Sinn! Doch eine zweispurige Bundesstraße ohne Staus, Unfälle, Schulen, Altersheime auf 30 zu reduzieren, ist völlig irre. Wenn es nicht so ernst wäre, könnten Sie damit in den Comedy Club. Die CDU-Bundestagsfraktion hat einstimmig! Gegen dieses Gesetz gestimmt. Sie in Mühlacker stimmen für das genaue Gegenteil wie Ihre Bundestagsfraktion... Ohne Worte.

Gleichzeitig befragte das Mühlacker Tagblatt Anwohner der Stuttgarter Straße, ob nach ihrem Eindruck Tempo 30 und der bereits eingebaute Flüsterasphalt den von ihnen wahrgenommenen Lärm reduzierte. Zumindest jene, die antworteten, bejahten dies. Trotzdem wird dies die Gegner von 30 km/h auf der B10 wenig beeindrucken. Dabei lohnt es sich, auf den Ausgangspunkt zurückzugehen.

Nicht aus verkehrsrechtlichen Gründen legte die Stadt dieses Limit fest, sondern um die Ergebnisse der dritten Runde des Lärmaktionsplanes umzusetzen. Kein Schnellschuss war es, sondern zuerst wurden zu den Vorschlägen des von der Stadt beauftragten Fachbüros die Behörden angehört, dann die lokale Öffentlichkeit. Das war 2021.

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Gestatten, in Vertretung

Nichts Neues? Immer noch im Urlaub? Der letzte Beitrag vom 18. August? Ging dem Blogger der Stoff aus? Nein! Nichts von alledem. Die Ruhe im elektronischen Tagebuch lässt sich erklären. Am Tag nach 24 mal 24 Stunden Frankreich erwartete mich als Stadtrat eine, wenn auch ungleich reizvolle Aufgabe: Für 16 Tage der Chef im Rathaus von Mühlacker zu sein. Der Oberbürgermeister im Krankenstand, der einzige hauptamtliche Beigeordnete im Urlaub, da musste der erste ehrenamtliche Stellvertreter ran. Nichts Neues für mich, doch nur an maximal fünf Tagen am Stück wurde ich als Vize in der Vergangenheit angefordert, doch diesmal ging es dreimal so lange. Im Oktober folgt eine weitere Vertretungswoche. Ungewöhnlich sicherlich, aber durchaus erfolgreich, was auch im Ehrenamt an der Stadtspitze geleistet werden kann. Tage voller Arbeit für einen Pensionär, so als stehe man noch im Berufsleben.

Mühlacker und Lienzingen stechen heraus. Zusatznamen auf den Ortsschildern. Neben der Mühlacker Vertretung Innenminister Thomas Strobl. (Foto: Ph. Schad)

Einem Stellvertreter obliegen alle Rechte und Pflichten eines (Ober-)Bürgermeisters. Deshalb ist es ratsam, diese Aufgabe ernst zu nehmen. Ich will mir nicht nachsagen lassen, nur den Grüß Gott-Onkel gespielt zu haben. Sitzungen zu leiten wie die von Ältestenrat, Amtsleiterrunde oder gemeinderätlichem Verwaltungsausschusses gehörten genauso dazu wie eine Eilentscheidung über den Kauf von Wohncontainern über 92.000 Euro – zuerst genutzt als Umkleideräume für TSV Phönix Lomersheim, dann von Flüchtlingen.

Aber auch Überraschendes: Handwerker auf der Walz, die überraschend in der Tür zum OB-Zimmer stehen. Was ist zu tun? Die Kämmerin weiß Bescheid. Also auf zur Stadtkasse. Der Pressebericht aus dem Rathaus anderntags wird häufig und gern gelesen. Ich werde häufiger darauf angesprochen als auf das Radhaus. Überhaupt: Wer genau hinschaut, findet interessante Themen für die kommunale Öffentlichkeitsarbeit.

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Happy-End am Spottenberg – Eine Lienzinger Geschichte, auch wenn sie zunächst  in Sachsen spielte

Alllein die Briefe von Magda an Arno boten allemal den Stoff, aus dem sich Dramen entwickeln können: Enttäuschung, Eifersucht, Eitelkeit. In Hass umgeschlagene Liebe, wobei die Anwürfe eher einseitig  blieben – sie Furie, er verständnisvoller Ex-Partner. Rache einer Reutlingerin, mit der sich 1959 sogar der Bundesminister des Innern befassen musste. Letztlich spitzte sich alles auf den Vorwurf von ihr zu, er habe sich vom Staat finanzielle Wiedergutmachung erschlichen. Doch der angebliche Skandal verebbte sozusagen auf dem Dienstwege, ohne die Öffentlichkeit zu erreichen. Teil der spannenden Vita von Arno F.,  dem Flüchtling aus Sachsen, der 1957 in Lienzingen  zugezogen war. Ein Stück deutscher, aber auch arg persönlicher Geschichte eines Menschen, der seine letzten Lebensjahre am Spottenberg genoss, weitgehend unbemerkt von den Menschen im Dorf da unten.

Blick vom Spottenberg auf Lienzingen (Foto: Günter Bächle, 2020)

Als Lienzinger Geschichte reicht die Handlung allemal.  Nicht nur, weil mein Jugendfreund Roland Straub und seine Familie die westlichen Nachbarn von Arno am heutigen Schönblickweg waren. Wir Buben schauten öfters bei dem älteren und noblen Herrn und seiner Frau vorbei und hörten ihm fasziniert zu, wenn er zum Beispiel über Briefmarken sprach. Denn er hatte, wie wir meinten, eine Sammlung, die zurecht groß genannt werden durfte. Dass er kein Schwabe war, das registrierten wir durchaus. Arno kam aus Sachsen.

Jüngst stieß ich im Staatsarchiv Ludwigsburg auf den Namen. Da war sie da, die  Neugier. Hinter der Signatur EK 350 II  Bü 1283 verbarg sich der  Wiedergutmachungsfall Arno Fritzsch, Stadtrat a.D., (14a)  Lienzingen/ Mühlacker/Württemberg. Was ist über ihn noch bekannt? Recherchen führten mich auf die Webseite der SPD Limbach-Oberfrohna, mit 26.000 Einwohnern Große Kreisstadt im Freistaat Sachsen, mit Mühlacker durchaus vergleichbar.  Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des 1871 gegründeten SPD-Ortsvereines Limbach arbeiteten Genossen die Geschichte auf, stellten sie ins Internet. Fritzsch schrieb seine Erinnerungen im Jahr 1952, überarbeitete sie dann zehn Jahre später. Sie erschienen nach seinem Tod in der Reihe Aus unserer Heimatgeschichte, herausgegeben von Dr. Schnurrbusch, veröffentlicht im Eigenverlag des Herausgebers in Limbach-Oberfrohna im Jahr 1996. Arno  Fritzschs Memoiren geben ein plastisches Bild der Lebensumstände unserer Vorfahren, schreibt der Herausgeber der Schriftenreihe.

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13b in Mühlacker war eher die Entdeckung der Langsamkeit

Hier Juristen-Lyrik, genauer: Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu einem Urteil über den 2017 vom Bundestag befristet eingeführten Paragrafen 13b des Baugesetzbuches. Der viel gerühmte Beschleungigungsparagraf für Bebauungspläne, um schneller auf Wohnraummangel reagieren zu können. Der ist nämlich nun null und nichtig, weil nicht mit dem Europarecht vereinbar. Betroffen ist davon auch der Bebauungsplan Pferchäcker in Lienzingen (ebenso Bauerngewand in Mühlhausen und Südlich der Hartfeldschule in Enzberg). Jetzt, nachdem in den Pferchäckern alle Gerundstückseigentümer zugestimmt haben und es einen entscheidenden Ruck nach vorne hätte geben können, hauen die Richter die Bremse rein. Jedenfalls hat die Entscheidung von Leipzig Auswirkungen auf  Lienzingen.  

Die Stadtverwaltung rechnet mit einer Verzögerung um drei bis sechs Monate – unter der Voraussetzung, dass sich trotz des zu erwartenden Ansturms ein Fachbüro finden lässt, das die notwendigen zusätzlichen Untersuchungen zeitnah vorlegen kann. Der zusätzlich geforderte ökologische Ausgleich sei dank des prall gefüllten Ökokontos der Stadt kein Problem. Zum Glück hatte die Stadt - obwohl nach dem Paragrafen 13b nicht notwendig - eine freiwillige frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit am Verfahren angesetzt. Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit, die Behörden und der Naturschutz in allen drei Fällen schon früh ins Verfahren eingebunden worden waren, spart jetzt doch etwas Zeit - sie hätte sonst nachgeholt werden müssen mit allen Folgen.

Jedoch eines bringe ich nicht zusammen: Was war bei der Anwendung von 13b bei den Pferchäckern schnell(er)?  Bereits in den Einwohnerversammlungen im Stadtteil Lienzingen in den Jahren 2015 und 2019 präsentierte die Verwaltung den ewig selben Vorentwurf. So steht im Protokoll der Einwohnerversammlung vom März 2015, das Thema Neues Baugebiet Pferchäcker werde in der Gemeinderatssitzung vom 24. März 2015 beraten. So lange Verfahrensdauern sind, bei allen zugestandenen Schwierigkeiten, nicht akzeptabel. 13b in Mühlacker war eher die Entdeckung der Langsamkeit. Schnell geht anders.

Im Rettungsdienst kommt es auf die Minute an - RTW in Lienzingen stationiert - Zum Vorteil für östlichen Enzkreis

Die Kreisverwaltung bewertet die Unterbringung des Rettungstransportwagens  (RTW) der Malteser in Lienzingen als positiv, da dieser bei Notfällen die Eintreffzeiten in Teilbereichen des nordöstlichen Enzkreises verkürzt hat. Das unterstreicht Landrat Bastian Rosenau in einem Antwortschreiben auf meine Fragen. Den Anlass lieferte hatte die Debatte im Mühlacker Gemeinderat zur derzeit nur provisorischen Unterbringung des RTW an der Friedrich-Münch-Straße. 

1. Welche Auswirkungen hat das Urteil für das Rettungsdienstwesen im Enzkreis?
Bislang hat das Urteil keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Bereichsausschusses für den Rettungsdienst für den Rettungsdienstbereich Pforzheim-Enzkreis. Die Hilfsfrist ist im Rettungsdienstgesetz festgelegt und wurde dort nicht geändert.

2. Wie reagiert der Bereichsausschuss?
Der Bereichsausschuss für den Rettungsdienst setzt weiterhin die beschlossenen Maßnahmen zur Erreichung der gesetzlichen Hilfsfrist um, ein Beispiel dafür ist die Vorhalteerweiterung an der Rettungswache Lienzingen auf 24-Stunden-Betrieb.
Eine Änderung des Bereichsplans im Rettungsdienstbereich Pforzheim-Enzkreis steht in Folge des aktuellen VGH-Urteils derzeit nicht an.
Im Umgang mit dem neu gefassten Rettungsdienstplan, dessen § 6 (Hilfsfristregelung) aktuell vom VGH für unwirksam erklärt worden ist, wartet der Bereichsausschuss auf Anweisungen durch das Innenministerium.

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Wie wir mit Ausnahmen den Umweltschutz aushebeln und die Ausgleichsmaßnahmen vergessen

Wie viel ist Natur wert? Der Fall der Alten Ziegelei in Mühlacker zeigt, dass eine naturschutz- und planungsrechtliche Einschätzung des Naturwertes nicht trivial ist.

Eine von mehreren Ausgleichsmaßnahmen in den Waldäckern und im Aischbühl in Mühlacker: Neues Zuhause für Zauneidechsen.

Aktuell gilt: Unter der Annahme, dass ein Eingriff in den Naturhaushalt ausgeglichen werden kann, sind Eingriffe unter Umständen genehmigungsfähig. Die Bewertung liegt in der Bauleitplanung im Ermessensspielraum von Gemeinderat und Verwaltung, zunehmend auch bei den Gerichten.

Eingriffshierarchie und Wert der Natur

Am Anfang der Eingriffshierarchie steht immer das Gebot der Vermeidung und Minimierung. Erst dann folgt das Ausgleichsgebot (Kompensation). Ein Ausgleich muss im räumlichen und funktionalen Zusammenhang zum Eingriff stehen. Die letzte Möglichkeit stellen Ersatzmaßnahmen dar, die nicht im räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen, aber qualitativ gleichwertig sein müssen. Ein großes Problem stellt dabei die Bewertung dar.

Was ist die Natur wert, die wir zerstören? Was für Arten kommen vor? Wie wirkt sich der Verlust auf die Gebiete drum herum aus? Und wie bewerten wir den sogenannten Time-lag? Beispielsweise können gewachsene Strukturen und alte Bäume nicht in wenigen Jahren und Jahrzehnten (Time-lag) kompensiert werden. 

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Winzig ganz groß

Die Kleinausgabe eines Hauses – das so genannte Tiny House – unterscheidet sich baurechtlich nicht von einem großen Haus, schreibt die Stadtverwaltung auf meine Gemeinderatsanfrage. Nicht nur die geplante Tiny-Siedlung auf dem Senderareal in Mühlacker interessiert viele Menschen stark.

Kann so sein, muss aber nicht so sein.

Es besteht eine grundsätzliche Nachfrage, wie dieses Beispiel zeigt. Ein Post, auf den ich vor einiger Zeit stieß:  Ich bin auf der Suche nach einem Platz für ein Tiny Haus möglichst in Lienzingen. Kein Bauwagen, sondern ein sogenanntes Modulhaus, zirka 50 Quadratmeter Wohnfläche. Das Grundstück sollte ungefähr 150 Quadratmeter sein. Denkbar wäre auch ein Teil eines Gartens. Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand einen Tipp geben könnte, wo ich nachfragen kann.

Ein Trend zum Kleinen, zum Winzigen. zum Minimalistischen. 

Die Einschätzung des Baurechtsamtes der Stadt Mühlacker: Baurechtlich ist ein Tiny House ein ganz normales Haus, dessen Genehmigungsfähigkeit sich nach den Festsetzungen des Bebauungsplans beziehungsweise im unbeplanten Innenbereich nach der Umgebungsbebauung und nach dem Bauordnungsrecht richtet. Es müsse also zum Beispiel innerhalb des Baufensters gebaut werden, die gesetzlichen Dämmstandards seien einzuhalten. Nicht zulässig sei ein Tiny House in einem nicht überbaubaren Teil des Grundstücks. Es habe auch nicht wie beispielsweise eine Garage ein Abstandsflächenprivileg, es dürfe also nicht im Grenzabstand errichtet werden.

Die weitere Botschaft aus dem Rathaus:

Die Bebauungspläne in Mühlacker setzen im Regelfall keine Mindestgröße von Gebäuden fest, so dass das Baurecht einem Gebäude, das (auch wesentlich) kleiner als zulässig gebaut wird, zunächst nicht entgegensteht. Kritisch könne im Einzelfall die Dachform sein, weil häufig Satteldach festgesetzt sei, viele Tiny Houses aber ein Flachdach hätten. Die Stadtverwaltung könne sich hier durchaus vorstellen, im konkreten Einzelfall Befreiungen von der zulässigen Dachform zu erteilen, da es sich im bebauten Umfeld schon aufgrund der geringeren Kubatur und meist eingeschossigen Höhe um einen untergeordneten (tiny!) Baukörper handle, der das Umfeld städtebaulich nicht prägen werde. Dies insbesondere dann, wenn es sich bei dem Bauvorhaben um eine Maßnahme der Nachverdichtung auf einer nicht für übliche Wohnhäuser geeigneten Fläche handle, das Projekt folglich dem schonenden Umgang mit Grund und Boden diene.

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