Was das neue Sanierungsgebiet Lienzingen II so einmalig macht

Fachwerkparade in der Herzenbühlstraße (Fotos: Günter Bächle)

Jetzt ist der Weg frei. Die vom Land Baden-Württemberg genehmigte Neuauflage des Sanierungsgebiets in Lienzingen kann anlaufen. Der Gemeinderat stimmte der Sanierungssatzung, der Abgrenzung und den Förderrichtlinien zu.  Erfreulich ist, dass die maximalen Fördersätze gegenüber 2018 um zehn Prozent erhöht wurden. Den Anstoß dazu gab dazu in der jüngsten Ratssitzung ein CDU-Antrag. Unsere Begründung: In den vergangenen sieben Jahren liefen die Baukosten den Sanierungsgeldern davon. Wir wollten wertmäßig auf das Niveau von 2018, die Verwaltung wollte gar keine Anhebung, doch der Gemeinderat verständigte sich, zehn Prozent draufzulegen. Manchmal ist der Spatz in der Hand mehr als die Taube auf dem Dach.

Im Sanierungsgebiet Ortskern II Lienzingen wohnen zirka 258 Einwohner auf einer Fläche von rund 10,3 Hektar. Das neue Sanierungsprogramm (aus dem Bund-Länder-Programm Sozialer Zusammenhalt) läuft bis 2033. Zunächst liegen 1,6 Millionen Euro im Fördertopf (60 Prozent vom Land und 40 Prozent von der Stadt). Doch schon jetzt rechnet die Kommunalentwicklung Baden-Württemberg (KE), von der Stadt beauftragter Sanierungsträger, im 93-seitigen Ergebnisbericht der vorbereitenden Untersuchungen vor: 4,4 Millionen Euro werden in den nächsten sieben Jahren notwendig sein. Wenn der Topf leer ist, wird vom Land auf Antrag der Kommune aufgestockt, was meist in Ein-Millionen-Schritten geschieht. Zudem laufen die Sanierungsgebiete länger als zunächst formal festgelegt (Ortskern I Lienzingen, von 2006 bis 2022, ursprünglich bis 2014).

Was dieses Sanierungsgebiet so einmalig macht: Lienzingen verfügt über eine Vielzahl von sehenswerten Fachwerkbauten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Der historische Ortskern ist umrahmt von Hausgärten, die eine ortsnahe Grünzone bilden. Zusammen mit dem Scherbentalbach und dem Schmiebach stellen sie eine Zäsur zu der südlich und östlich angrenzenden neueren Bebauung dar. Mit 40 Prozent ist der Anteil der Kulturdenkmale außergewöhnlich hoch, gilt als Markenzeichen des Dorfkerns, der als Etterdorf unter Schutz steht. 

Um die Mitwirkungsbereitschaft sowie Wünsche und Anregungen der Gebäudeeigentümer im Untersuchungsgebiet zu erfragen, wurden im August 2024 insgesamt 119 Fragebögen an die Eigentümer verschickt. Außerdem durfte auch online an der Befragung teilgenommen werden. 42 konnten ausgewertet werden.

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Anno 1948: Baulinie am Brühlsträßchen - Doch die Bauwollenden wollten mehr als dem Bürgermeister notwendig erschien

(Thema Wohnungsbau 2/2)

Flächenverbrauch, Flächenfraß - die Worte waren den Menschen in den Jahren nach der Befreiung 1945 fremd. Wohnungsnot - das war das höchst aktuelle Wort der damaligen Zeit. Und das größte Problem, das es zu lösen galt. So findet sich in den, im Stadtarchiv Mühlacker liegenden Akten der selbstständigen Gemeinde Lienzingen ein Protokoll der Ratssitzung vom 30. November 1948 mit der Signatur Li B 323, Seite 125.

Ortsbauplan für Lienzingen aus 1939 von der Beratungsstelle des Innenministeriums Württemberg in Stuttgart im Entwurf 1:500. Zentraler Vorschlag: Ein Wohngebiet Brühl und die Bebauung des Gebiets nach dem jetzigen Ortsrand beidseits der heutigen Knittlinger Straße. Der Krieg verhinderte die Umsetzung der Planung, auf die die Württembergische Heimstätte schon spekulierte (Quelle: STAM, Li A 72)

Der erste Punkt der Tagesordnung: Bereitstellung von Baugelände. Bürgermeister Richard Allmendinger berichtete den acht Ratsmitgliedern von einer Bürgerversammlung fünf Tage zuvor über die Zukunftsaufgaben der Kommune, insbesondere über die Möglichkeiten und Aussichten bezüglich der Planung und Schaffung von Bauplätzen. Nach einer regen Aussprache sei von der versammelten Bürgerschaft eine Art Resolution gefasst worden, in der die Ausdehnung des Baugeländes an der Brühlstraße bis zum Grundstück Ott und von dort in westlicher Richtung bis zur Umgehungsstraße und Kohlplatte gefordert werde. 

Bei genauer und sachgemäßer Prüfung der vorliegenden Verhältnisse erscheine die Forderung ihre volle Berechtigung zu haben, sagte Allmendinger, seit einem Jahr im Amt. Aber er hielt es für fraglich, dass die zuständigen Stellen die Ausweitung des Baugeländes in solchem Ausmaß genehmigen. Dabei verfügte die knapp 1000 Einwohner zählende Kommune zumindest schon über ein Instrument, auf das sie nun zurückgreifen konnte und um das andere sie beneideten:  Der Baulinienplan, am 21. Januar 1930 vom Oberamt in Maulbronn besiegelt und damit in Kraft gesetzt, war zuvor in Lienzingens Gemeinderat diskutiert und beraten worden. In der öffentlichen Bekanntmachung vom 19. November 1929 - angeschlagen & durch Ausruf - steht, dass der Entwurf zur Einsichtnahme eine Woche lang auf dem Rathaus öffentlich ausliege. Bürgermeister Karl Brodbeck (im Amt 1920 bis 1945) verwies auf die Zustimmung des Gemeinderats vom 12. November 1929 zur Baulinie am Brühlsträßchen.

Ein Ausschnitt aus dem Ortslinienplan von 1930 für das so genannte Brühlsträßchen (Quelle: STAM, Li A 72)

Als ein größeres Projekt erwies sich dann Jahre später der Ortsbauplan. Die zuständige Beratungsstelle beim Württembergischen Innenministerium legte einen Entwurf im Maßstab 1:500 vor, für den sie der Kommune 120 Reichsmark berechnete, und sandte diesen am 7. August 1939 dem Bürgermeister der Gemeinde Lienzingen. Es handelte sich um das Gebiet westlich des Ortsweges Nummer 1 und südlich des Feldweges Nummer 171. Das Ministerium riet dazu, diesen Plan nur abschnittsweise jeweils entsprechend dem tatsächlich vorhandenen Baubedürfnis in dem dortigen Gebiet festzustellen und den vom Landmesser zu fertigenden Teilplan vor seiner Fertigstellung uns noch einmal zur Begutachtung vorzulegen.

Eine Lichtpause, so die Beratungsstelle an Bürgermeister Brodbeck, erhalte die Württembergische Heimstätte, die unseres Wissens eine Siedlung in diesem Gebiet plane.

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Turbo-Tempo im Lienzingen von 1868: Baugenehmigung nach nur zwei Wochen für Pfullingers Schnapsbrennerei, und das noch gebührenfrei

Lienzingen, Spindelgasse 1: Einst wurde darin Schnaps gebrannt. Unbekannt ist, ob es um 1868 die einzige Anlage in dem 900-Einwohner-Ort war (Foto: Günter Bächle)

Ein virtueller Streifzug durch die Bestände des Landesarchivs Baden-Würtemberg fördert immer wieder kleine lokalgeschichtliche Raritäten ans Licht der Öffentlichkeit. So findet sich im Fundus des dem Landesarchivs nachgeordneten Staatarchivs Ludwigsburg, dort in den Bauakten aus den Jahren 1834 bis 1938, Nachakten sogar bis 1965, des Oberamtes Maulbronn, das 1938 im Landkreis Vaihingen an der Enz aufging,  eine höchst interessantes Stück aus Lienzingen. In dem Büschel 434 mit der Signatur F 183 III verbirgt sich ein Bauantrag aus den Jahren 1868/69 des Bauers Gottlob Pfullinger, der sein Waschhaus mit Holzremise zur Schnapsbrennerei umwandeln wollte. Das Gebäude steht heute noch, jedoch die Destillationsanlage mitsamt Brennrechten sind längst Geschichte.

Heute mutet das Fachwerkhäusle, das an der Einmündung der Spindelgasse in die Knittlinger Straße steht, leicht marode an. Ein Fall für das Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen von Stadt und Land. Ein beträchtlicher Teil der Außenwände versteckt sich hinter prächtigen Efeu-Teppichen. Der Abstand zu dem Nachbarhaus – jetzt Knittlinger Straße 15 – ist minimal, hat dorthin keine Fenster oder sonstige Öffnungen, somit besteht eine geschlossene Front, die die Helligkeit für die Angrenzer mindert. Ihr Blick endet am durchgängigen Mauerwerk. Durchaus zu vermuten wäre, dass der in der Form eines Kuchenstückes verlaufende und noch nicht sanierte Schuppen zur „15“ gehört. Ein Irrtum. Eigentümer ist Reinhard Pfullinger, Chef von Hotel und Restaurant zum Nachtwächter, Landwirt, Wengerter und Jagdpächter. Sein stattliches Anwesen schließt, durch die Gasse getrennt, nach Westen an.

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Volkstrauertag 2024 - was zu sagen war

Vor 80 Jahren, im Jahr 1944, kam es zu drei zentralen Ereignissen im Zweiten Weltkrieg: zur Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni, zum Warschauer Aufstand am 1. August - der bewaffnete Widerstand der Polnischen Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer - zum gescheiterten Attentat der Widerstandsgruppe um Oberst Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944. Diese Ereignisse markieren entscheidende Wendepunkte, die die bevorstehende Niederlage des nationalsozialistischen Terrorregimes ankündigten. Gleichzeitig erinnern wir in diesem Jahr an den 110. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges. Diese Jahrestage bieten uns die Gelegenheit, unser Bewusstsein und Verständnis für die Auswirkungen dieser Ereignisse auf unsere heutige Zeit zu vertiefen und uns zu sensibilisieren.

Deutschland hat im Zuge beider Weltkriege unermessliches Leid über Europa und die Welt gebracht, insbesondere durch die systematische Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden – ein Verbrechen, das nicht nur niemals vergessen, sondern auch niemals wieder geschehen darf. Umso entsetzlicher ist das Anwachsen antisemitischer Umtriebe in unserem Land. Am 3. Januar 1996 proklamierte Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (der 2005 von den Vereinten Nationen zum offiziellen Holocaust-Gedenktag erklärt wurde). Bei seiner Proklamation führte der Bundespräsident aus: Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.

Aus meiner Rede zum heutigen Volkstrauertag vor dem Ehrenmal auf dem Lienzinnger Friedhof. Hier in der gesamten Länge: Volkstrauertag_2024_Lie.pdf

Sie wackeln nicht, sie zittern nicht

Unter den Augen der Dichterfürsten Goethe und Schiller. (Foto: Günter Bächle)

Allein das Programm wiegt schwerer als viele andere. 200 Seiten mit Geschichten, Portraits, Hintergründe, Termine, auf Deutsch und Englisch.  Ein who is who der Kulturwelt, gilt das Kunstfest Weimar doch als eines der renommiertesten und vielfältigsten Kulturfestivals in Deutschland, organisiert von einem nur knapp zehnköpfigen Team unter dem Dach des Deutschen Nationaltheaters und der Staatskapelle Thüringen in Weimar. Welch eine Leistung! 

Das Festival - laut Veranstaltern größte zeitgenössische Kunstschau in Ostdeutschland - dauert diesmal vom 20. August bis 8. September 2024. Mehr als 140 (oder 160?) Veranstaltungen aus zehn Sparten stehen auf dem Programm - darunter 22 Ur- und Erstaufführungen. Allein das Eröffnungsprogramm am ersten Tag ist nicht stressfrei. Ach so, da war ja auch noch das …

Für die Demokratie plakatiert (Foto: Thomas Müller)

Ich erlaube mir zwei Tage Festival. Zum ersten Mal. Bedaure, dass es danach schon heimwärts geht. Aber zwei Tage lassen einen beeindruckt sein, auch vom Mut der Festival-Macher. Sie wackeln nicht, sie zittern nicht! Es ist nicht die Zeit der Leisetreter, klare Kante ist gefragt. Unter dem Eindruck der bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen begann das Kunstfest, das in diesem Jahr einen besonders starken politischen Anspruch hat. Wir versuchen, mit unserem Programm die Narrative von der extremen Rechten zu konterkarieren und wollen die Vielfalt feiern, die wir bedroht sehen, sagte Festival-Leiter Rolf C. Hemke auch im ZDF-Morgenmagazin. Hemke: Es geht um die Verfasstheit unserer Zivilgesellschaft und die Fragen danach, ob wir weiter eine lebendige Erinnerungskultur haben, ob wir den Feminismus weiterbefördern, wie wir zur Zuwanderung und zur Inklusion von Menschen mit Handicaps stehen. Der 52-jährige gebürtige Kölner ist seit 2018 Chef des Kunstfestes.

Tanz, Konzert, Schauspiel, Kunst, Diskurs, Musiktheater, Performance, Literatur und Film ein buntes, bildungsakzentuiertes und künstlerisch hochambitioniertes Programm. Die Eröffnung fand mit vielen Gästen aus Politik, Wissenschaft und Kultur statt – im Bauhaus Museum, in der Herderkirche, auf dem Theaterplatz mit dem Schiller-/Goethe-Denkmal und in der Redoute des Deutschen Nationaltheaters. 

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Happy-End am Spottenberg – Eine Lienzinger Geschichte, auch wenn sie zunächst  in Sachsen spielte

Alllein die Briefe von Magda an Arno boten allemal den Stoff, aus dem sich Dramen entwickeln können: Enttäuschung, Eifersucht, Eitelkeit. In Hass umgeschlagene Liebe, wobei die Anwürfe eher einseitig  blieben – sie Furie, er verständnisvoller Ex-Partner. Rache einer Reutlingerin, mit der sich 1959 sogar der Bundesminister des Innern befassen musste. Letztlich spitzte sich alles auf den Vorwurf von ihr zu, er habe sich vom Staat finanzielle Wiedergutmachung erschlichen. Doch der angebliche Skandal verebbte sozusagen auf dem Dienstwege, ohne die Öffentlichkeit zu erreichen. Teil der spannenden Vita von Arno F.,  dem Flüchtling aus Sachsen, der 1957 in Lienzingen  zugezogen war. Ein Stück deutscher, aber auch arg persönlicher Geschichte eines Menschen, der seine letzten Lebensjahre am Spottenberg genoss, weitgehend unbemerkt von den Menschen im Dorf da unten.

Blick vom Spottenberg auf Lienzingen (Foto: Günter Bächle, 2020)

Als Lienzinger Geschichte reicht die Handlung allemal.  Nicht nur, weil mein Jugendfreund Roland Straub und seine Familie die westlichen Nachbarn von Arno am heutigen Schönblickweg waren. Wir Buben schauten öfters bei dem älteren und noblen Herrn und seiner Frau vorbei und hörten ihm fasziniert zu, wenn er zum Beispiel über Briefmarken sprach. Denn er hatte, wie wir meinten, eine Sammlung, die zurecht groß genannt werden durfte. Dass er kein Schwabe war, das registrierten wir durchaus. Arno kam aus Sachsen.

Jüngst stieß ich im Staatsarchiv Ludwigsburg auf den Namen. Da war sie da, die  Neugier. Hinter der Signatur EK 350 II  Bü 1283 verbarg sich der  Wiedergutmachungsfall Arno Fritzsch, Stadtrat a.D., (14a)  Lienzingen/ Mühlacker/Württemberg. Was ist über ihn noch bekannt? Recherchen führten mich auf die Webseite der SPD Limbach-Oberfrohna, mit 26.000 Einwohnern Große Kreisstadt im Freistaat Sachsen, mit Mühlacker durchaus vergleichbar.  Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des 1871 gegründeten SPD-Ortsvereines Limbach arbeiteten Genossen die Geschichte auf, stellten sie ins Internet. Fritzsch schrieb seine Erinnerungen im Jahr 1952, überarbeitete sie dann zehn Jahre später. Sie erschienen nach seinem Tod in der Reihe Aus unserer Heimatgeschichte, herausgegeben von Dr. Schnurrbusch, veröffentlicht im Eigenverlag des Herausgebers in Limbach-Oberfrohna im Jahr 1996. Arno  Fritzschs Memoiren geben ein plastisches Bild der Lebensumstände unserer Vorfahren, schreibt der Herausgeber der Schriftenreihe.

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Gedenken, Trauer und viel Kommerz - Der D-Day und die Freiheit

Zugegeben, die Ortsnamen sagten mir zuvor nichts. Außer, dass die Siedlungen in Küstennähe, des Zusatzes sur Mer wegen, zu vermuten sind. Doch Longues-sur-Mer, Colleville-sur-Mer, Courseulles-sur-Mer sowie Arromanches-les-Bains auf der französischen Seite des Ärmelkanals stehen für mehr: Als Synonyme für die Befreiung Europas vom Hitler-Totalitarismus -  Anlandestellen der Alliierten an der normannischen Küste am D-Day. Spurensuche. Ein Jahr vor dem nächsten großen Jubiläum, den 80-Jahr-Gedenkfeiern, sind wir drei Tage lang an einigen der Schauplätze an der normannischen Atlantikküste unterwegs und stoßen auf eine nicht immer einfach Erinnerungskultur - zwischen Gedenken, Trauer und Kommerz.

Reste des künstlichen Hafens am Strand von Arromanches-les-Bains, der Anlandestelle der US-Army im Morgengrauen des 6. Juni 1944. Heute Touristenattraktion. (Fotos: Günter Bächle).

Fünf Jahre nach Kriegsende geboren, nur die Freiheit und den Frieden in Europa kennend, sind diese Ereignisse für meinen Jahrgang nur mehr Themen in Geschichtsbüchern, Museen und Gedenkstunden. Doch die - rein theoretische - Frage drängt sich auf: Was wäre geschehen, wäre die Umsetzung der Idee der künstlichen Häfen vor den Küstenorten der Normandie gescheitert

D-Day als Souvenir vermarktet - eine Bild-Kombo

Hier, mit dem Kriegseintritt der Alliierten begann, dass die Menschen in unserer Heimat - etwa zehn Monate später als Folge des Kampfes gegen Nazi-Deutschland - endlich dem heiß ersehneten Frieden näher kamen. Ohne auf große Widerstände zu stoßen, besetzten alliierte Truppen am 6. April Maulbronn und Ötisheim, anderntags folgten Schmie und Lienzingen. Mit dem Einmarsch französischer und US-amerikanischer Truppen endete zwischen dem 27. März und dem 30. April 1945 in Württemberg, Baden und Hohenzollern der Zweite Weltkrieg – noch vor der offiziellen, bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs am 8. Mai 1945. Ich erinnere mich an einen Besuch im Kapitulationsmuseum in Reims im Jahr 2018. Dort werden an den Wänden raumhohe Landkarten Europas mit den Transportwegen der Alliierten gezeigt - riesige, zugleich kleinteilig gehaltene Landkarten, so dass selbst Lienzingen, Mühlacker, Dürrmenz (gesondert!), Schmie und Schönenberg eingezeichnet sind. 

Ehemaliger deutscher Bunker. Über der normannischen Küste bei Longues-sur-Mer.
In 1a-Lage, was den Ausblick betrifft: einer der Bunker oberhalb der Atlantikküste

Auf normannischem Boden startete die größte Militäraktion der Geschichte, deren Auswirkungen bis ins letzte Dorf des Kontinents zu spüren waren. So eng hängen die geschichtlichen Abläufe zusammen. Wer von einem der Bänke am Uferweg, dem Quai du Canada, von Arromanches auf Ufer und Meer blickt, sieht noch Reste eines der beiden künstlichen Häfen. Die Frage drängt sich auf, wie diese militärische Operation logistisch verkraftet wurde - der kleine Ort mit seinen engen Straßen und Gassen. Inzwischen lebt der 465-Seelen-Ort vom Tourismus, jener von der Erinnerung an den D-Day.

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