Noch 'n Kapitel aus dem Bilderbuch der Sanierung im Etterdorf

Fenster, in die alten Balken eingepasst (Fotos: Günter Bächle)

Ein weiteres Musterbeispiel für gelungene Sanierung lässt sich jetzt im Etterdorf Lienzingen bestaunen. Die fast 500 Jahre alte Scheune von Friedenstraße 3 dient jetzt Wohnzwecken. Bei einem Rundgang mit Veronika Jung zeigen sich die Besucher begeistert. Was sich aus einem unscheinbaren Gebäude alles machen lässt. In unserem Ort häufen sich die exemplarischen Fälle der Denkmalerhaltung. Wie aus dem Bilderbuch finden sich Anschauungs-, Lern- und Begreif-Objekte. Familie Jung sagt selbst: Denkmalschutz, Brandschutz sowie Baurecht und Wünsche nach modernem Wohnambiente in Einklang gebracht worden. So ist’s.

Wohnzimmerfenster der besonderen Art

Über eineinhalb Jahre haben die Jungs liebevoll die denkmalgeschützte Scheune aus dem Jahr 1562 saniert und zu einem modernen Wohnraum umgenutzt. Der Initiative für das Bauvorhaben ging der Wunsch voraus, bereits versiegelte Flächen zu nutzen, den Ortskern zu beleben und nachhaltig zu bauen. Die Familie Jung demonstrierte auf eindrucksvolle Weise, wie man die Aspekte Denkmalschutz, Brandschutz sowie Baurecht und Wünsche nach modernem Wohnambiente in Einklang bringt – eine nicht immer einfache Aufgabe, wie sich bei der Besichtigung gezeigt hat. Etterdorf zu sein, bedeutet auch Verpflichtung für die Stadt, sich entsprechend zu engagieren.

Das Ergebnis sei ein einzigartiges Wohnambiente mit nachhaltigen ökologischen Baustoffen, bei dem dennoch die uralte Substanz erhalten werden konnte. Familie Jung kann nur empfehlen, die bestehenden Möglichkeiten in den Ortskernen zu nutzen und appelliert an die öffentliche Hand, Bauherren, insbesondere junge Familien, die solche Projekte angehen, sowohl finanziell als auch durch den Abbau von übertriebenen bürokratischen Anforderungen zu unterstützen. Nur so könnten die ehrgeizigen ökologischen Ziele der Landes- und Bundesregierung im Bereich Bauen und Wohnen erreicht werden.

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Skurriles, Kurioses, Rares, Komisches - die kurzen Nachrichten in den Lienzinger Protokollbüchern auch ein Stück Dorf-Geschichte

Ja, die Protokolle über die Beratungen des Gemeinderates der selbstständigen Kommune Lienzingen lassen einen nicht selten schmunzeln. Dinge gab's, die gibt es heute nicht mehr und die muten jetzt als skurril oder kurios an. Über einige wird hier gebloggt. Die Sammlung erhebt nicht den Anspruch auf Vollzähligkeit. Vor allem aber, sie blieb quasi im Ur-Zustand, die - hier kursiv gestellten - Texte sind weder nachträglich redigiert noch der aktuellen Rechtschreibung oder neue politischen Normen angepasst worden.  

Das waren noch Zeiten, als die Gemeinden sich noch um die Fortpflanzung von Rindviechern kümmerte. Den Lust-Verlust durch künstliche Besamung gab es noch nicht. Vatertierhaltung nannte sich dies. Um den Farren kümmerte sich seinerzeit Landwirt und Gemeinderat Eberhard Pfullinger. Am 4. September 1959 befasste sich der Lienzinger Gemeinderat mit einem Schreiben des Tierzuchtamtes Ludwigsburg:

Das Tierzuchtamt Ludwigsburg hält die bisher gewährten Verpflegungsgelder für die Vatertierhaltung zu nieder. Es ist der Auffassung, daß dem Tierhalter durch eine entsprechende Erhöhung die Voraussetzung für eine bessere Haltung und Pflege der Tiere geschaffen werden kann und schlägt ein jährliches Verpflegungsgeld von ca. 1000.-- DM je Farren vor. Weiter bemerkt es, daß die Aufwendungen der Gemeindeverwaltung für die Bullenhaltung im höchsten Maße werteschaffend sei und daher zu den Grundsätzen der Sparsamkeit durchaus nicht im Widerspruch stehe Zu der Frage der Neufestsetzung des Pflegegeldes meinte der Vorsitzende, daß neben der Erhöhung des Pflegegeldes die Schaffung eines geeigneten Farrenstalles ebenso notwendig sei. Letzteres müsse allerdings wegen der laufenden grösseren Bauvorhaben in der Gemeinde zurückgestellt werden.

Nach weiterer Beratung fasste der Gemeinderat den Beschluss, Das Verpflegungsgeld je Farren mit Wirkung vom 1. Oktober 1959 an auf 900 DM einschließlich des Wertes der Farrengrundstücke (pro Farren 100 DM = 300 DM) festzusetzen. (STAM, Li B 325, S. 289)

Dazu passt der Eintrag ins Protokollbuch des Rats unter dem Datum vom 30. Juni 1949 über höchst wichtige Aufgaben eines Ratsmitgliedes:

Am Samstag, den 2.7.49 vorm. um 8 Uhr findet in Vaihingen/Enz eine staatl. Bezirksrinderviehschau statt. Da die Gemeinde selbst einen Farren zur Prämierung bringt, sollte eine Abordnung dorthin gesandt werden. Der Bürgermeister, die Gemeinderäte Bonnet und Rommel sind verhindert. Die Gemeinderäte Häcker und Roos werden deshalb an deren Stelle die Gemeinde vertreten.


Lienzinger Geschichte(n); meine lokale Web-Serie zur Nachkriegshistorie unseres Dorfes, bis 1975 selbstständige Kommune, heute Stadtteil von Mühlacker. Aus Protokollen und Akten, aber auch aus Gesprächen zusammengetragen. Der Stoff mancher Geschichten reicht aber auch weiter zurück. Lienzingen, ein selbstbewusstes Dorf.


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Dreier-Gruppe im Schnee mit Dame und zwei Hunden sowie andere Glückwünsche zum Fest

Zweimal schon lieferte ich die Fleißarbeit hier im Blog ab: Die Hitliste der schönsten Weihnachtskarten und der besten Sinnsprüche, die mich vor dem Fest und dem neuen Jahr erreichten. Eigentlich schade, dass die Karten zuerst einige Tage in Position auf einem Tisch oder dem Kachelofen-Vorsprung gebracht werden, um dann im Altpapier zu verschwinden. Einige haben es verdient, gewürdigt und hier gelistet zu werden.

Die Krippe als Kulisse für die schönsten Karten zu Weihnachten und neuem Jahr

Zum Beispiel jene, die vor unserer Familien-Krippe in Position gestellt wurden, um fotografiert zu werden – begonnen rechts mit dem zarten, bunten Tannenbaum, gemalt von Benita und dann der Schülerarbeit mit Wasserfarben und Salzkristallen, kunstvoll gefertigt von den Klassen 10 des Theodor-Heuss-Gymnasiums Mühlacker.

Ebenfalls in der Spitzengruppe steht für mich jedes Jahr die Karte der Volkshochschule Mühlacker. Das VHS-Team gestaltet seit Jahren seine Glückwunschkarten immer sehr liebevoll. Diesmal auch wieder. Begeistern kann der Synonym-Kasten, mit dem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Reverenz erwiesen wird.

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Anno 1948: Baulinie am Brühlsträßchen - Doch die Bauwollenden wollten mehr als dem Bürgermeister notwendig erschien

(Thema Wohnungsbau 2/2)

Flächenverbrauch, Flächenfraß - die Worte waren den Menschen in den Jahren nach der Befreiung 1945 fremd. Wohnungsnot - das war das höchst aktuelle Wort der damaligen Zeit. Und das größte Problem, das es zu lösen galt. So findet sich in den, im Stadtarchiv Mühlacker liegenden Akten der selbstständigen Gemeinde Lienzingen ein Protokoll der Ratssitzung vom 30. November 1948 mit der Signatur Li B 323, Seite 125.

Ortsbauplan für Lienzingen aus 1939 von der Beratungsstelle des Innenministeriums Württemberg in Stuttgart im Entwurf 1:500. Zentraler Vorschlag: Ein Wohngebiet Brühl und die Bebauung des Gebiets nach dem jetzigen Ortsrand beidseits der heutigen Knittlinger Straße. Der Krieg verhinderte die Umsetzung der Planung, auf die die Württembergische Heimstätte schon spekulierte (Quelle: STAM, Li A 72)

Der erste Punkt der Tagesordnung: Bereitstellung von Baugelände. Bürgermeister Richard Allmendinger berichtete den acht Ratsmitgliedern von einer Bürgerversammlung fünf Tage zuvor über die Zukunftsaufgaben der Kommune, insbesondere über die Möglichkeiten und Aussichten bezüglich der Planung und Schaffung von Bauplätzen. Nach einer regen Aussprache sei von der versammelten Bürgerschaft eine Art Resolution gefasst worden, in der die Ausdehnung des Baugeländes an der Brühlstraße bis zum Grundstück Ott und von dort in westlicher Richtung bis zur Umgehungsstraße und Kohlplatte gefordert werde. 

Bei genauer und sachgemäßer Prüfung der vorliegenden Verhältnisse erscheine die Forderung ihre volle Berechtigung zu haben, sagte Allmendinger, seit einem Jahr im Amt. Aber er hielt es für fraglich, dass die zuständigen Stellen die Ausweitung des Baugeländes in solchem Ausmaß genehmigen. Dabei verfügte die knapp 1000 Einwohner zählende Kommune zumindest schon über ein Instrument, auf das sie nun zurückgreifen konnte und um das andere sie beneideten:  Der Baulinienplan, am 21. Januar 1930 vom Oberamt in Maulbronn besiegelt und damit in Kraft gesetzt, war zuvor in Lienzingens Gemeinderat diskutiert und beraten worden. In der öffentlichen Bekanntmachung vom 19. November 1929 - angeschlagen & durch Ausruf - steht, dass der Entwurf zur Einsichtnahme eine Woche lang auf dem Rathaus öffentlich ausliege. Bürgermeister Karl Brodbeck (im Amt 1920 bis 1945) verwies auf die Zustimmung des Gemeinderats vom 12. November 1929 zur Baulinie am Brühlsträßchen.

Ein Ausschnitt aus dem Ortslinienplan von 1930 für das so genannte Brühlsträßchen (Quelle: STAM, Li A 72)

Als ein größeres Projekt erwies sich dann Jahre später der Ortsbauplan. Die zuständige Beratungsstelle beim Württembergischen Innenministerium legte einen Entwurf im Maßstab 1:500 vor, für den sie der Kommune 120 Reichsmark berechnete, und sandte diesen am 7. August 1939 dem Bürgermeister der Gemeinde Lienzingen. Es handelte sich um das Gebiet westlich des Ortsweges Nummer 1 und südlich des Feldweges Nummer 171. Das Ministerium riet dazu, diesen Plan nur abschnittsweise jeweils entsprechend dem tatsächlich vorhandenen Baubedürfnis in dem dortigen Gebiet festzustellen und den vom Landmesser zu fertigenden Teilplan vor seiner Fertigstellung uns noch einmal zur Begutachtung vorzulegen.

Eine Lichtpause, so die Beratungsstelle an Bürgermeister Brodbeck, erhalte die Württembergische Heimstätte, die unseres Wissens eine Siedlung in diesem Gebiet plane.

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Das unerwartete Zünglein an der Waage

Die neue, höchst brisante politische Formation im Kreistag ging in der politischen Debatte und in den lokalen Medien weitgehend unter. Denn die Erfahrung in der letzten Kreistagssitzung des Jahres 2024 zeigte erstmals glasklar eines: Wenn sich FWV, SPD und AfD einig sind, geht nichts anderes mehr – da können CDU, Grüne und FDP wedeln und argumentieren, wie sie wollen. Fast ein halbes Jahr nach den Kommunalwahlen lassen Freie Wähler und Sozialdemokraten der AfD die Rolle des Züngleins an der Waage. FWV und SPD nahmen das billigend in Kauf, zumindest bei den Entscheidungen über die so genannte Streichliste.

 

Beton-Politik der erschreckenden Art. Gemeinsam gaben sie den Kurs aus, die Streich-Liste des Landrats dürfe vom Kreistag nicht mehr geöffnet werden. Die Warnung v vor der Büchse der Pandora. Basta-Politik frei nach Schröder, Gerhard, Ex-Kanzler. Erschreckend ist vor allem eines: eine Koalition, die den demokratischen Diskurs verhinderte, indem sie abweichende Anträge gemeinsam niederstimmten, um nicht einmal ein Komma zu verändern gegenüber dem Landratspapier. Die Zeche bezahlten die VHS Mühlacker und der Jugendring Enzkreis mit seiner nun torpedierten Jugendfreizeitstätte.  Diese Wertung richtet sich nicht gegen die AfD, für die diese Rolle unerwartet kam und in die sie schnell schlüpfte. Kritik müssen sich Freie Wähler und Sozialdemokraten gefallen lassen, die ihnen dieses Spielchen erlaubten, die sie zum Waagscheißer machte. Ausgerechnet die SPD und ihr neuer Vorsitzender Helge Viehweg, Bürgermeister zu Straubenhardt. Und das in einer Zeit, in der die Genossinnen und Genossen national die AfD als Partei sehen, die außerhalb des demokratischen Spektrums steht.

Nichts mehr vom Kurs gegen die Rechtsaußen, den Viehweg immer wieder einforderte in der ersten Amtsperiode der AfD (2019-2024). Da ähnelten seine Attacken gegen die Rechtsaußen im Saal eher der Aufforderung, spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Der Fairness halber sei angefügt, dass drei Kreisräte den Kurs nicht mitmachten: Ulrich Hagenbuch (FWV) sowie Jürgen Metzger und Hans Vester (beide SPD). Vor der Sitzung auf diese Koalitionsvariante angesprochen, entlockte dem sozialdemokratischen Anführer nur ein mildes Lächeln. Er wusste, was er tat. Und das macht die Sache noch schlimmer.

Und FW-Sprecher Werner Henle? Er leibt es, Parteien eine auszuwischen. Aber das wissen wir. 

Turbo-Tempo im Lienzingen von 1868: Baugenehmigung nach nur zwei Wochen für Pfullingers Schnapsbrennerei, und das noch gebührenfrei

Lienzingen, Spindelgasse 1: Einst wurde darin Schnaps gebrannt. Unbekannt ist, ob es um 1868 die einzige Anlage in dem 900-Einwohner-Ort war (Foto: Günter Bächle)

Ein virtueller Streifzug durch die Bestände des Landesarchivs Baden-Würtemberg fördert immer wieder kleine lokalgeschichtliche Raritäten ans Licht der Öffentlichkeit. So findet sich im Fundus des dem Landesarchivs nachgeordneten Staatarchivs Ludwigsburg, dort in den Bauakten aus den Jahren 1834 bis 1938, Nachakten sogar bis 1965, des Oberamtes Maulbronn, das 1938 im Landkreis Vaihingen an der Enz aufging,  eine höchst interessantes Stück aus Lienzingen. In dem Büschel 434 mit der Signatur F 183 III verbirgt sich ein Bauantrag aus den Jahren 1868/69 des Bauers Gottlob Pfullinger, der sein Waschhaus mit Holzremise zur Schnapsbrennerei umwandeln wollte. Das Gebäude steht heute noch, jedoch die Destillationsanlage mitsamt Brennrechten sind längst Geschichte.

Heute mutet das Fachwerkhäusle, das an der Einmündung der Spindelgasse in die Knittlinger Straße steht, leicht marode an. Ein Fall für das Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen von Stadt und Land. Ein beträchtlicher Teil der Außenwände versteckt sich hinter prächtigen Efeu-Teppichen. Der Abstand zu dem Nachbarhaus – jetzt Knittlinger Straße 15 – ist minimal, hat dorthin keine Fenster oder sonstige Öffnungen, somit besteht eine geschlossene Front, die die Helligkeit für die Angrenzer mindert. Ihr Blick endet am durchgängigen Mauerwerk. Durchaus zu vermuten wäre, dass der in der Form eines Kuchenstückes verlaufende und noch nicht sanierte Schuppen zur „15“ gehört. Ein Irrtum. Eigentümer ist Reinhard Pfullinger, Chef von Hotel und Restaurant zum Nachtwächter, Landwirt, Wengerter und Jagdpächter. Sein stattliches Anwesen schließt, durch die Gasse getrennt, nach Westen an.

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Stadt: Gestaltungsbeirat schafft keine zusätzliche Bürokratie

Nicht die Arbeit des Gestaltungsbeirats führt zu weiterer Bürokratie beim Bauen - einen gewichtigen Bestandteil der Regelung im deutschen Bauwesen bilden Vorgaben, die durch die Bauwirtschaft selbst erarbeitet werden. Das ist die Kernaussage der Stadtverwaltung Mühlacker in ihrer Antwort an mich auf meine Gemeinderatsanfrage. 

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