Überlassen wir das Jammern doch den anderen

  • Der auf drei Säulen stehende „Konzern Stadt Mühlacker“ stärkt die öffentliche Infrastruktur 2024 mit Investitionen von zusammen rund 48 Millionen Euro
  • Erst in dieser Gesamtschau wird klar, was in Mühlacker läuft. 2024 weitaus mehr als ein Blick in das gelbe Zahlenbuch mit dem Titel „Haushalt der Stadt Mühlacker 2024“ vermuten lässt.

Rätselfrage: Wieviel Millionen investiert 2024 die Stadt Mühlacker ohne den normalen Unterhaltungsaufwand?

Stolze 19,79 Millionen Euro laut erster Kurzinformation der Verwaltung bei der Einbringung des Etatentwurfes Anfang Dezember 2023. Als da vorgesehen sind:  Zuschuss für den Ausbau des Gruppenraums Kindergarten St. Andreas in Dürrmenz, Sanierung der Wendler-Grundschule in Lomersheim, Fahrzeuge für Bauhof und Feuerwehr, Löschwasser-Zisternen, Ortskernsanierungen Mühlhausen, Quartier Enzstraße/Waldenserstraße und Lomersheim, letztere verbunden mit der grundlegenden Sanierung der Mehrzweckhalle Lomersheim, Ausbau und Erneuerung von Gemeindestraßen, Hochwasserschutz, Erwerb von Grundstücken. Von den 19,7 Millionen Euro fließen 3,5 Millionen als Kapitaleinlage an die Stadtwerke Mühlacker GmbH und die Stadtbau GmbH – doch dem geneigten Leser erschließt sich der Zweck auf den ersten Blick nicht.

Macht netto 16,79 Millionen „echter“ städtischer Investitionen, von der Verwaltung zu verschaffen.

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Wohnbaracke auf freiem Feld brachte das ganze Dorf in Rage - Fast zehn Jahre schwelte der Konflikt um Schwarzbau

Ein heikler Fall der Lienzinger Nachkriegsgeschichte. Ein eigentlich trauriger Fall zudem, selbst wenn die Vorgänge um eine Holzbaracke im Jahr 1958 beim Festumzug anlässlich der Lienzinger Heimattage für Heiterkeit sorgten. Denn heftig Applaus spendeten die Zuschauer dem spöttisch, verzerrenden, also satirisch gemeinten Zigeunerwagen. Das Gefährt hatte damit seinen Namen weg. Jedoch fehlte der Geschichte nicht eine gewisse Ironie. Denn Ideengeber Gustav Mayer, ganz vorne mit dabei auf dem zwecks Gaudi umgerüsteten und von einem Pferd gezogenen Heuwagen, spielte damit auf die im Ort heftig umstrittene Ansiedlung einer Sinti-Familie an.

Beim Umzug anlässlich der Tage der Heimat in Lienzingen am 6. Juli 1958: Gerhard Schmollinger und Hans Rieger im Vordergrund, Hans Bäzner, Gustav Mayer sowie Josef Windpassinger mit ihrem „Zigeunerwagen“. Eine viel beklatschte Parodie auf die Ansiedlung einer Sinti-Familie jenseits der Bundesstraße 35. (Foto: Gerhard Schwab/aus Sammlung Stadtarchiv)

Aber selbiger Mayer war es, der die ganze (Siedlungs-)Geschichte im Jahr zuvor selbst auslöste. Denn er hatte der Groß-Familie zwei Äcker mit zusammen 14 Ar in den Langen Halden und damit im reinsten Außenbereich verkauft, auf dem sie ihr Wohnheim aus Holz errichteten. Daraus entwickelte sich ein Dauerärgernis für die Behörden. Der Schwarzbau bescherte somit sowohl der Gemeinde als auch dem Landkreis Vaihingen für etliche Jahre ein Problem. Ein unmöglicher Schandfleck durch eine Zigeunersiedlung unmittelbar an der B 35 sei entstanden, zitierte der Historiker Konrad Dussel aus den im Stadtarchiv Mühlacker (STAM) aufbewahrten Akten in seinem Beitrag für das  Ortsbuch von Lienzingen 2016 (S. 220 f).

Dieses ungewöhnliche Stück Heimatgeschichte erklärt auch, weshalb im Gewann Ob der Furtbrücke, südlich des Rennweges, unterhalb des Ortes Schmie, heute eine kleine Siedlung steht, die eigentlich dort nicht sein dürfte.

Immerhin fast zehn Jahre lang beschäftigte eine Frage regelmäßig und gleichermaßen den Lienzinger Gemeinderat und das Vaihinger Landratsamt: Was tun mit den Sinti? Anführer der Sippe, wie der Bürgermeister sie zu apostrophieren pflegte, war Kaspar Kreuz, untersetzt, mit weiten Jackets, spitzbübisch bis bauernschlau. Sicherlich kein Heiliger wie jener Kasper, der zu den drei Weisen aus dem Morgenland gehörte, auf jeden Fall aber gut katholisch. Der Familienverband war zwar seit 1926 in Mühlacker und Lomersheim daheim, aber dann doch wieder nicht daheim. Denn der Weg vom fahrenden zum sesshaft werdenden Volk blieb ihnen meist verwehrt.  So fackelte Kaspar nicht lange und schuf Fakten – allerdings in Lienzingen. Das war 1957, friedlich schiedlich beigelegt wurde der Fall 1966.

Lienzinger Geschichte(n), meine lokale Web-Serie zur Nachkriegshistorie unseres Dorfes, bis 1975 selbstständige Kommune, heute Stadtteil von Mühlacker. Aus Protokollen und Akten, aber auch aus Gesprächen: Die Sinti-Familie und ihr schmerzhafter Versuch, in Lienzingen eine Heimat zu finden.

Kaspar Kreuz handelte mit altem Eisen und betagten Autos, kümmerte sich nicht um die bei solchen Geschäften notwendige amtliche Genehmigung seines Kaufs der Parzelle Nummer 4053/2 in den Hälden, formal landwirtschaftliche Fläche, weshalb zuvörderst eine Bodenverkehrsgenehmigung durchs Landwirtschaftsamt Vaihingen hätte beantragt werden müssen. Einen Bauantrag für die geplante Baracke auf der Ackerland-Parzelle 4053/2 im Rathaus einzureichen, kam ihm nicht in den Sinn, er handelte einfach – so wie es in jener Zeit des Wiederaufbaus  auch mancher Schultes tat, ohne lange zu fragen, was später ihren Rechtsnachfolgern auf die Füße fallen sollte. Sie mussten dann reparieren.  

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Immer wieder Stadtmitte: Genügend Zündstoff, der den Meinungsstreit entfacht, und die Gemüter erhitzt

Umstritten war sie von Anfang an die Neugestaltung unserer Stadtmitte. Sie löste ein Für und Wider in der Bürgerschaft und lange, manchmal auch hitzige Debatten im Gemeinderat aus.

Grußworte nach der Errichtung des Rathauses als letztem Baustein des neuen Stadtzentrums Mühlacker: Rolf Leo (SPD, damals) und Günter Bächle (CDU, immer noch) anno 1990

Zwei Sätze, die die aktuelle kommunalpolitische Diskussion um die Neue Mitte für Mühlacker auf den Punkt bringen. Sie treffen voll zu auf die Sitzung des Gemeinderates am vergangenen Dienstag. Auf der Tagesordnung: Varianten und (Gegen-)Positionen rund um Stadthalle und Stadthaus – ausgehend vom Vorschlag des Stuttgarter Architekten Bernd Reiser.

Nein! Dieser Passus ist nicht über den aktuellen Diskurs geschrieben worden, sondern vor 33 Jahren. Er ist ewig gültig. ist für mich ein Déjà-vu-Erlebnis. Die beiden Sätze beschreiben tatsächlich die Entwicklung zwischen 1970 und 1990, die zur gänzlich neuen Stadtmitte führte. Vor allem aber brachte sie 1990 ein Stadtrat zu Papier, der damals wie heute zu den Wortführern im Mühlacker Stadtparlament gehört: Rolf Leo – mit dem kleinen Unterschied, dass der langjährige Realschullehrer vor drei Jahrzehnten die SPD-Fraktion anführte, inzwischen die Gruppe der Freien Wähler. Der andere bin ich: Beide zogen wir 1975 in den Gemeinderat ein, ich sitze durchgängig seit 1984 der CDU-Fraktion vor.

Wie der Zufall es so will, fiel mir vor einiger Zeit eine bunte Broschüre in die Hände. Titel: Ein schöner Tag. Das 60-seitige Heft, erschienen 1990, anlässlich der Einweihung des Schlusspunktes der Stadtkernsanierung, dem neuen Rathaus, zusammengestellt und herausgegeben von der Stadtverwaltung. Eine Bilanz, auf die Mühlacker durchaus stolz sein konnte. Um diese zu bewerten, waren auch die vier Gemeinderatsfraktionen aufgerufen, sich in je einem Grußwort zu äußern. Zumindest in der ersten Auflage, in der zweiten 1992 fielen diese Beiträge dem Rotstift zum Opfer.

Also erinnerte Genosse Leo an den Streit: Sollte die Kelter abgebrochen, ein Theater- und Konzertsaal mitten im Zentrum gebaut und wie die B 10 künftig durch die Stadt geführt werden? Der Architektenwettbewerb für den Rathausbau, Wettbewerbe zur Platzgestaltung, Grünordnungs- und Bebauungspläne: sie alle boten genügend Zündstoff, der den Meinungsstreit entfachte, und die Gemüter erhitzte.

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Wie wir mit Ausnahmen den Umweltschutz aushebeln und die Ausgleichsmaßnahmen vergessen

Wie viel ist Natur wert? Der Fall der Alten Ziegelei in Mühlacker zeigt, dass eine naturschutz- und planungsrechtliche Einschätzung des Naturwertes nicht trivial ist.

Eine von mehreren Ausgleichsmaßnahmen in den Waldäckern und im Aischbühl in Mühlacker: Neues Zuhause für Zauneidechsen.

Aktuell gilt: Unter der Annahme, dass ein Eingriff in den Naturhaushalt ausgeglichen werden kann, sind Eingriffe unter Umständen genehmigungsfähig. Die Bewertung liegt in der Bauleitplanung im Ermessensspielraum von Gemeinderat und Verwaltung, zunehmend auch bei den Gerichten.

Eingriffshierarchie und Wert der Natur

Am Anfang der Eingriffshierarchie steht immer das Gebot der Vermeidung und Minimierung. Erst dann folgt das Ausgleichsgebot (Kompensation). Ein Ausgleich muss im räumlichen und funktionalen Zusammenhang zum Eingriff stehen. Die letzte Möglichkeit stellen Ersatzmaßnahmen dar, die nicht im räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen, aber qualitativ gleichwertig sein müssen. Ein großes Problem stellt dabei die Bewertung dar.

Was ist die Natur wert, die wir zerstören? Was für Arten kommen vor? Wie wirkt sich der Verlust auf die Gebiete drum herum aus? Und wie bewerten wir den sogenannten Time-lag? Beispielsweise können gewachsene Strukturen und alte Bäume nicht in wenigen Jahren und Jahrzehnten (Time-lag) kompensiert werden. 

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Von der Ersparungs-Classe bis zum Stabilitätsanker - Wider die Trägheit

Polit-Prominenz im Achterpack. Ein solches Erlebnis gibt es nicht alle Tage. Diese Woche schon, und zwar an zwei Tagen in den Hallen 19/20 der Messe Hannover ' bei dem alle drei Jahre stattfindenden Deutschen Sparkassentag. Zwar waren die eher an Gartenstühlchen erinnernden Sitzgelegenheiten alles andere als angenehm, doch der Bequemlichkeitsverlust erschien in diesem Fall hinnehmbar als Preis für das Programm:  Zu hören und zu sehen nacheinander einen Ministerpräsidenten, einen Ex- Bundespräsidenten, den Kanzler, seinen Vizekanzler, den Oppositionsführer, den Bundesfinanzminister, nicht zuletzt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), eine russische Bürgerrechtlerin nebst Professor aus Chicago.

Altbundespräsident Joachim Gauck im Gespräch mit ZDF-Mann Claus Kleber.

An die 2700 Menschen beim 27. Deutschen Sparkassentag, darunter Vorstandsmitglieder und Verwaltungsräte. Die Arena-Bestuhlung lässt wenig Zwischenraum, ordnet jedem Besucher einen festen Sitzblock zu, getrennt durch versetzte Treppen. Inklusion ist anders. Doch sie erlaubt einen Einzug wie bei einem Boxkampf. Moderatorin Gundula Gause als Arena-Sprecherin schaltet in den Laut-Modus um, was ihr in Maßen gelingt:  Wir begrüßen den Kanzler!  Die Menschen stehen auf wie auf kollektivem Geheiß, klatschen, doch von den oberen Seitenrängen lässt sich Olaf Scholz in dem ihm folgenden Menschenpulk kaum erkennen. Anderntags bei Christian Lindner ist es nicht viel besser, die hochgewachsene Christine Lagarde ragt da schon eher heraus. Den Dreien nur lassen die Veranstalter des Kongresses dieses Spektakel angedeihen. Die anderen Redner finden sich ohne Tam-Tam in der ersten Reihe

Kanzler Scholz

ein. Sie betreten die Halle durch den Seiteneingang, nicht durch die hohle Gasse, in der Mitte.

1778 die erste Sparkasse gegründet

Wer bei den Sparkassen spricht, in dessen Rede ist auch Sparkasse drin. Fast alle Redner boten einen mehr oder minder kleinen Werbeblock für die mehr als 330 deutschen Sparkassen. Die Kette von Herausforderungen verunsichert die Menschen. Sie brauchen Stabilitätsanker. Das gilt für die Politik. Aber nicht nur: Die Sparkassen sind gesellschaftlicher Stabilitätsanker erster Güte – wir brauchen Sie in dieser Rolle! Worte von Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen. 200 Jahre alt wird dieses Jahr die Sparkasse Hannover. Der Bundeskanzler reklamierte Hamburg als Ort der ältesten, 240 Jahre alten Sparkasse.

Gauck bestätigte: Die Sparkassenidee ist nicht an der Leine, sondern an der Elbe entstanden. Bereits 1778 sei auf Initiative der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg die Ersparungs-Classe gegründet worden. Sie ist – so zitiere er kurz aus der damaligen Satzung – zum Nutzen geringer fleißiger Personen beiderlei Geschlechts, als Dienstboten, Tagelöhner, Handarbeiter, Seeleute, errichtet, um ihnen die Gelegenheit zu bieten, auch bei Kleinigkeiten etwas zurückzulegen und ihren sauer erworbenen Not- und Brautpfennig sicher zu einigen Zinsen belegen zu können, wobei man hoffet, dass sie diese ihnen verschaffte Bequemlichkeit sich zur Aufmunterung gereichen lassen mögen, um durch Fleiß und Sparsamkeit dem Staate nützlich und wichtig zu werden.

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Das spart Lienzingen ein kleines Baugebiet auf der grünen Wiese: 4,7 Millionen Euro von Land und Stadt für einen vitalen Ortskern

Lienzingens historischer Ortskern mit seinen gut erhaltenen mittelalterlichen Strukturen gelte als ein  Sonderfall gerade bei jenen Stellen der Landesverwaltung in Karlsruhe und Stuttgart, die sich mit Sanierungsprogrammen beschäftigen und zu deren Beritt der 2100 Einwohner zählende Stadtteil Mühlackers gehört. Das sagte jüngst eine Expertin in puncto Sanierungen.

Lienzingens Sanierungsgeschichte liefert Stoff für mehrere Infotafeln. Hier im großen Saal des Rathauses Mühlacker, 21. März 2023

Lienzingen, der Sonderfall, der  nicht mit den üblichen Maßstäben zu messen sei. Das zeigte sich auch, als Bund und Länder 50 Jahre Städtebauförderung feierten. Zu den 50 Musterbeispielen aus Baden-Württemberg gehörten Lienzingen und seine 85 Kulturdenkmale. Fazit des Landes: Mit Hilfe der Städtebauförderung konnte das historische Ortsbild erhalten und die vorhandenen Strukturen zeitgemäß weiterentwickelt werden.

Und weiter lobt das Land unser Dorf:

Der Stadtteil Lienzingen in Mühlacker mit seinem dörflichen Charakter besteht aus einem fast geschlossenen Scheunengürtel mit zahlreichen Fachwerkhäusern. Mit Hilfe der Städtebauförderung konnte diese historische Ortsanlage erhalten und zahlreiche denkmalpflegerisch wertvolle Gebäude modernisiert werden. Funktionslose Scheunen konnten umgenutzt und rückwärtige Bereiche erschlossen werden. Auch viele Gassen und Wege, Grünflächen sowie der Vorplatz der Festhalle wurden neugestaltet. Das Rathaus sowie die Kelter wurden saniert; im Rathaus ist nun das Heimatmuseum untergebracht. Zwischen 2008 und 2011 wurde zudem im Rahmen des Bund-Länder-Programms Investitionspakt energetische Modernisierung sozialer Infrastruktur die Festhalle energetisch und baulich saniert.

Grün gleich private Maßnahmen 2006/22, rot öffentliche Maßnahmen - alles im Sanierungsprogramm, 60 Prozent des Geldes vom Land, 40 Prozent von der Stadt Mühlacker. . . (Plan: KE)

Der Sonderfall sei hoch angesiedelt, wird erzählt. Der Sonderfall beschäftigte diese Woche auch den Gemeinderat.

Ein Programm der guten Taten.

Eine Gebäudesanierung, zumal bei einem Kulturdenkmal, kostet häufig beträchtliche Summen. Gut, dass Land und Bund einen Teil der finanziellen Lasten mittragen, einmal über Zuschüsse aus den gemeinsamen  Modernisierungsprogrammen mit den Kommunen, zum anderen über zehn Jahre durch erhöhte steuerliche Abschreibungssätze für die Hauseigentümer.  Auch wenn an den Immobilienbesitzern trotzdem eine erkleckliche Summe hängen bleibt - diese Art der Subventionen durch die öffentliche Hand hilft wenigstens tragen. Ohne solche Hilfen wären manche Häuser im historischen Ortskern von Lienzingen nicht zu Schmuckstücken herausgeputzt worden wie es seit 2006 der Fall ist. Lienzingen steht auf der Liste der erfolgreichen Sanierungsgebiete unter anderem mit der Bahnstadt in Heidelberg, der Bodan-Werft in Kressbronn am Bodensee und dem Dörfle in Karlsruhe.

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Damit Jugend und Lehrer aus den unmöglichen Verhältnissen rauskommen

Als Zehnjähriger und Drittklässler war ich mittendrin im Geschehen, als Lienzingen Ende Oktober 1960 sein drittes Schulgebäude in fast vier Jahrhunderten einweihte. Der Abschied von dem steinernen Haus in der heutigen Kirchenburggasse und der Umzug in das neue Domizil Dr.-Otto-Schneider/Ecke Friedrich-Münch-Straße (damals Mühlweg) rührte und berührte uns schon.

29. Oktober 1960: Kinder und Lehrer ziehen um vom alten ins neue Schulhaus. Foto mit Lehrer Wilhelm Wagner (Hintergrund, vor der Treppe) und Schulleiter Karl Kießling (vorne links). (Soweit nichts anderes vermerkt, alle Smlg Gerhard Schwab, STAM).

Es war ein doppelter Einschnitt, zumindest in meinen Erinnerungen – in der alten Schule verpassten die Lehrer uns schon einmal schmerzhafte Tatzen mit dem Stock auf die Hand oder wir mussten, den Oberkörper nach vorne geneigt, Hiebe auf den Po als Strafe hinnehmen. Wahrscheinlich glich es gefühlt eher einem Zufall, dass der Abschied von der alten Schule auch für Lienzingens Pädagogen dem Abschied von der körperlichen Züchtigung durch Lehrer und somit von einer längst überholten Erziehungsmethode gleichkam. Denn ich war durchaus gelegentlich Kandidat für eine Prügelstrafe – mein erstes Zusammentreffen mit einem Zeigestock, in diesem Fall von Pfarrer Gerhard Schwab  zweckentfremdet, passierte schon in der ersten Klasse im Religionsunterricht. Der Holzstab ging auf meinem Allerwertesten in die Brüche. Offiziell abgeschafft wurde die Prügelstrafe in Baden-Württemberg erst 1973.

Die 1960 errichtete Grundschule (damals noch Volksschule) mit der Erweiterung in den Jahren 1995 und 1996. Hier beim Schulfest 2011 (Foto: G. Bächle)

Indessen: Der 950-Seelen-Ort feierte am 29. und 30. Oktober 1960 mit viel Musik, Spielen und Reden seine neue Schule. Klassiker wie Beethoven und Mozart, eingängige Volks- und Handwerkerlieder – ein Potpourri der beliebten Melodien, extra zusammengestellt für ein fröhliches Dorffest. Die Euphorie über das offizielle Festprogramm hielt sich bei manchen Schülern, so auch bei mir, in Grenzen, weil wir Schüler gesangmäßig ganz schön gefordert waren. Bei fast jedem zweiten der 16 Programmpunkte stand auf dem Blatt: Gesang der Schüler. Eine ähnlich tragende Rolle hatte allenfalls noch der Gesangverein.  Die Eltern hatten uns zu diesem besonderen Anlass in den Sonntagsstaat gesteckt, denn eine Weihe des neuen Hauses geschah schließlich nicht alle Tage – in diesem Fall genau 33 Jahre nach den ersten Plänen für ein Schulhaus, die noch auf einem Standort auf dem Gelände der heutigen Gärtnerei Mannhardt basierten, und nie realisiert worden waren.

Lienzinger Geschichte(n), letztes Kapitel der Schulbaugeschichte von 1874 bis 1961. Diesmal dreht sich alles um den 1960 eingeweihten Schulneubau. Quellen: die Akten des Landesarchivs Baden-Württemberg (StAL FL 20-18_Bü 503) und des Stadtarchivs Mühlacker (STAM) sowie dessen Ausschnittsammlung der lokalen Zeitungen.

Statt im Südwesten des Dorfes stand die neue Schule nun im Südosten. In die Hände der Kommunalpolitiker spielte dabei ein Erbe, Erben und die Gemeinde, die auf just jenes spekulierte. Das Grundstück für den realisierten Schulbau gehörte vormals Ingenieur Dr. Otto Schneider (1877 – 1952), gleichzeitig Namensgeber der hinter der Schule auf den Eichert hoch führenden neuen Straße. Seine Erben verkauften 1953 den gesamten Immobilien- und Grundbesitz der Gemeinde, darunter auch das Stück an der Ecke Mühlweg (heute Friedrich-Münch-Straße). Die Familie Schneider stand in Lienzingen für die Bierherstellung von zirka 1850 bis 1920. Doch Filius Otto hatte mit dem Brauen nichts im Sinn, er studierte und baute eine Maschinenbaufirma in Ludwigsburg auf, deren Chef er war. Seine Familie zog weg, als er noch Kind war.

 

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