Mein Top-Tipp: Heimatroman der besonderen Art

Zwanzig Leseproben von zwanzig Autoren, die für den Deutschen Buchpreis 2025 vorgeschlagen wurden. Kostproben im handlichen Auswahlbändchen, darunter aus dem Roman Russische Spezialitäten von Dimitrij Kapitelman. Diese literarischen Spezialitäten machten neugierig. Drei Seiten, die ahnen ließen, dass das neueste Buch des 1986 in Kiew geborenen und seit 1994 in Deutschland lebenden Schriftstellers heiter, traurig und unterhaltend ist.  Mein Top-Tipp an der Lektüre der 183 Seiten: einfach lesen!

Gleich der Einstieg lässt Freude am geschriebenen Wort des in Berlin lebenden Autors aufkommen.: Der russische Wetterreporter warnt das russische Fernsehvolk. Und somit auch meine russisch fernsehvölkische Mutter. Die seit Jahren vom sichersten aller Ostdeutschlands aus an der russischen Welt teilnimmt, Leipzig.

Dmitrij Kapitelmans Roman trägt autobiografische Züge.  Im Mittelpunkt seine ukrainisch-stämmige Familie in Leipzig, deren politische Auffassungen sich widersprechen. Die Eltern. Die Mutter: Kettenraucherin, kyjiw-kompatibel geschminkt, also üppig, und mit der Gabe, Sterne vom Himmel zu pflücken. Der Vater: ambitioniert, tiefhängende Hose, schlaganfallgebeutelt, jüdisch und auf Du mit den toten Fischen in der Frischetheke. Die scheinen ihn nämlich unaufhörlich fröhlich anzuquasseln. Die Brüche in der Familie werden deutlich.

Die Mutter neigt zu pro-Putin-Haltungen, der Sohn positioniert sich klar gegen den Überfall auf sein Heimatland, die Ukraine.  Der Schriftsteller nutzt in den beiden Teilen des Romans – der eine spielt im Raum Leipzig, der andere in Kyjiw – seine Sprachkunst, die (Un-)Möglichkeit der Verständigung in Zeiten alter und neuer Kriege fast schon heiter, zärtlich und auch komisch aufzuschreiben. Sprachlich brillant.  Bittersüß und zutiefst politisch, nennt das der Hanser-Verlag, in dem der Roman erschien. Kein Widerspruch!

Die Familie aus Kyjiw verkauft in Kleinzschocher bei Leipzig im eigenen Magasin russische Spezialitäten. Wodka, Pelmeni, Kaviar, gezuckerte Kondensmilch, Flusskrebse in Tomatensauce, SIM-Karten, Matrosenshirts – und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl.  Jeden Tag kommt Genadij, der Mann mit seltsam kindlichen Knopfaugen, und jeden Tag der gleiche Dialog: Und was kostet das Eis heute dann? / Für Sie fünfzig Cent, Genadiji, / Nein, das ist zu wenig, ich gebe Ihnen einen Euro. Und jeden Tag zieht er mit einem Eis ab. Wobei Letzteres seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben ist.

Dimitrij Kapitelman © Paula Winkler

Die Mutter steht an der Seite Putins. Russische Propaganda glaubt sie aufs Wort, weshalb sie meint, dass an der aktuellen Lage der Ukraine nicht etwa Putin, sondern Selenski Schuld trägt.  Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Er konfrontiert die paranoiden Vorstellungen der Mutter mit der Realität. An der Grenze bewahrt ihn sein deutscher Pass, von den Grenzkontrolleuren zur ukrainischen Armee zwangsverpflichtet zu werden.

Ein Heimatroman der unerwarteten Art.

Dmitrij Kapitelman, 1986 in Kyjiw geboren, kam im Alter von acht Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Leipzig und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Heute arbeitet er als freier Journalist. 2016 erschien sein erstes, erfolgreiches Buch Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters, für das er den Klaus-Michael Kühne-Preis gewann. 2021 folgte Eine Formalie in Kiew, für das er mit dem Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag ausgezeichnet wurde.

Dmitrij Kapitelman: Russische Spezialitäten. Hanser-Verlag, Berlin 2025
ISBN 9783446282476. Gebunden, 192 Seiten, 23,00 EUR

Beim WE 11: Erst Fakten, dann Faktisches

Gebietskulisse von WE11 geringfügig verkleinert, sodass ein optischer Freihaltekorridor von 60 Grad zwischen den Teilflächen entsteht. Die orange Schraffur kennzeichnet das Vorranggebiet, wie es derzeit in der ersten Offenlage ist. Die grünen Flächen zeigen den aktuellen möglichen Stand der zweiten Offenlage.

Nochmals Windpark Großglattbach. Muss sein. Die Kommunalpartner müssten am besten wissen, wie und wann die Öffentlichkeit über solche Planungen zu informieren ist. Sie hätten schon Erfahrung. Hätten zwei Windkraftanlagen im Kreis Tuttlingen realisiert, eine im Ostalbkreis. Jetzt die vierte, und die wäre in Großglattbach. Also verlasse man sich auf die Tübinger Fachleute, hieß es ganz am Anfang, bei einer Klausurtagung des Aufsichtsrates der Stadtwerke Mühlacker. Inzwischen zweifle ich an der Richtigkeit dieser Annahme.

Entweder sind die Menschen in Großglattbach und Serres wissbegieriger als die anderen oder widerspenstiger als anderswo, jedenfalls werden Stadträte immer wieder angesprochen, beklagt wird die Funkstille. Selbst Befürworter sind irritiert, vermissen Informationen, eine Besichtigung des Geländes nd Gespräche. Zudem sei dies bei der Einwohnerversammlung im Mai 2023 zugesagt worden. Stimmt auch.

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Das Gefühl

Wie ein schwarzes Band - die neue Logistikhalle gleich neben dem Wohngebiet Eckenweiher. Entspricht aber dem Bebauungsplan. (Fotos: Günter Bächle)

Die Menschen im Eckenweiher erleben häufig das Gefühl, von der Stadt benachteiligt zu werden. Sie empfinden, dass ihre Interessen gegenüber den Belangen des angrenzenden großen Betriebs Mahle (früher Behr) zurückstehen müssen. Dieses Empfinden wurde verstärkt durch den Bau der Logistikhalle von Lang & Cie. Real Estate AG zwischen Osttangente und Siedlung im vergangenen Jahr (Nutzfläche:16.500 Quadratmeter für Porsche Logiostik GmbH) sowie der Zustimmung des Gemeinderats diese Woche zu einem Wohnheim für 80 Geflüchtete am Ende des Wallfahrtsweges - obwohl beides nichts miteinander zu tun haben. Mit dem Groß-Prfojekt Halle wurden sie auf dem linken Fuß erwischt, denn es gab vorab keine Informationen. Tatsächlich entspricht das Projekt ganz vom Bebauungsplan vom März 1982. Keine einzige  Befreiung war notwendig. Der B-Plan kam seinerzeit auch im öffentlichen Verfahren zustande.

Besonders groß ist die Sorge, dass die Eckenweiherstraße bis zur Osttangente verlängert und so zu einer Durchgangsstraße werden könnte – obwohl dies nie offiziell vorgesehen war. Diese Angst bekam vor rund sechs Jahren neuen Auftrieb, als die Stadt Mühlacker mehrere Hektar Wiesen zwischen dem letzten Haus und der Osttangente zu Gewerbebaulandpreisen erwarb. Es ist zu erwähnen, dass die CDU-Vertretung im Ausschuss, darunter auch ich, gegen diesen Kauf gestimmt haben. Letztlich schwor der Gemeinderat doch noch jeglichen Gewerbeplänen in diesem Bereich ab, wodurch diese Flächen zu den teuersten Wiesen der Stadt wurden. Dennoch entbindet das Viertel dies nicht grundsätzlich von der Übernahme gesellschaftlicher Aufgaben.

 

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Lienzingens "Pferchäcker" - das Schlusskapitel, sagt die Stadt, und wir wollen's hoffen

Zwischenstandsbericht zum Neubaugebiet „Pferchäcker“ in Lienzingen, steht über einer Mitteilung, die die Stadtverwaltung heute an den Gemeinderat als E-Mail verschickte. Wer in meinem Weblog das Stichwort Pferchäcker eingibt, erhält 28 Treffer - so lange dauert das Verfahren schon.

Die Stadt Mühlacker informiert über den Zwischenstand hinsichtlich der Entwicklung des Neubaugebiets „Pferchäcker“ im Stadtteil Lienzingen:

Das neue Baugebiet „Pferchäcker“ umfasst 61 Grundstücke für Einfamilien- und Doppelhäuser. Nach dem im Februar vom Gemeinderat gefassten Beschluss über den Bebauungsplan erfolgt derzeit die Finalisierung der Erschließungsplanung sowie die finale Abstimmung zwischen Erschließungsträger und den verantwortlichen Stellen der Stadtverwaltung. Parallel dazu wird der Abschluss des Umlegungsverfahrens zur Neuordnung der Grundstücksflächen vorbereitet. Der Beschluss des Umlegungsplans ist vor der Sommerpause Ende Juli 2025 eingeplant. 

Der Beginn der Erschließungsarbeiten soll schnellstmöglich nach der Sommerpause des Baugewerbes erfolgen. Spätestens im Oktober 2025 sollen die Bauarbeiten starten. Der Erschließungsträger rechnet aktuell mit einer Bauzeit von 17 Monaten bis zur vollständigen Fertigstellung der Erschließungsarbeiten. 

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Dranbleiben!

Der Scherbentalbach als Spielplatz: Die naturnahe Umgestaltung machte es möglich. (Fotos: Günter Bächle)

Eine der städtischen Maßnahmen aus dem ersten Sanierungsgebiet wird allgemein gelobt im Flecken: Der Dorfplatz vor der Kelter, der Bach davor – ein sehr schön gestalteter Ort der Zusammenkunft, so Kommentare bei der Befragung durch die Kommunalentwicklung als Vorbereitung für das neue, inzwischen angelaufene zweite Sanierungsgebiet Ortskern II Lienzingen. Ein gelungenes Projekt, auf das wir alle stolz sein können.

Und es sind gerade solche Anlässe wie das Maibaumstellen gestern Abend auf dem Areal, die begeistern (schon gar bei sommerlichem Wetter). Der renaturierte Scherbentalbach in diesem Bereich ist eine Attraktion für Kinder, das Element Wasser belebt. Die Kelter mit ihrem Vordach, 1922 als Dreschhalle gebaut (als solche letztmals 1955 genutzt), der gehfreundliche Pflasterbelag, die Großzügigkeit des Areals - alles stimmt.

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Was das neue Sanierungsgebiet Lienzingen II so einmalig macht

Fachwerkparade in der Herzenbühlstraße (Fotos: Günter Bächle)

Jetzt ist der Weg frei. Die vom Land Baden-Württemberg genehmigte Neuauflage des Sanierungsgebiets in Lienzingen kann anlaufen. Der Gemeinderat stimmte der Sanierungssatzung, der Abgrenzung und den Förderrichtlinien zu.  Erfreulich ist, dass die maximalen Fördersätze gegenüber 2018 um zehn Prozent erhöht wurden. Den Anstoß dazu gab dazu in der jüngsten Ratssitzung ein CDU-Antrag. Unsere Begründung: In den vergangenen sieben Jahren liefen die Baukosten den Sanierungsgeldern davon. Wir wollten wertmäßig auf das Niveau von 2018, die Verwaltung wollte gar keine Anhebung, doch der Gemeinderat verständigte sich, zehn Prozent draufzulegen. Manchmal ist der Spatz in der Hand mehr als die Taube auf dem Dach.

Im Sanierungsgebiet Ortskern II Lienzingen wohnen zirka 258 Einwohner auf einer Fläche von rund 10,3 Hektar. Das neue Sanierungsprogramm (aus dem Bund-Länder-Programm Sozialer Zusammenhalt) läuft bis 2033. Zunächst liegen 1,6 Millionen Euro im Fördertopf (60 Prozent vom Land und 40 Prozent von der Stadt). Doch schon jetzt rechnet die Kommunalentwicklung Baden-Württemberg (KE), von der Stadt beauftragter Sanierungsträger, im 93-seitigen Ergebnisbericht der vorbereitenden Untersuchungen vor: 4,4 Millionen Euro werden in den nächsten sieben Jahren notwendig sein. Wenn der Topf leer ist, wird vom Land auf Antrag der Kommune aufgestockt, was meist in Ein-Millionen-Schritten geschieht. Zudem laufen die Sanierungsgebiete länger als zunächst formal festgelegt (Ortskern I Lienzingen, von 2006 bis 2022, ursprünglich bis 2014).

Was dieses Sanierungsgebiet so einmalig macht: Lienzingen verfügt über eine Vielzahl von sehenswerten Fachwerkbauten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Der historische Ortskern ist umrahmt von Hausgärten, die eine ortsnahe Grünzone bilden. Zusammen mit dem Scherbentalbach und dem Schmiebach stellen sie eine Zäsur zu der südlich und östlich angrenzenden neueren Bebauung dar. Mit 40 Prozent ist der Anteil der Kulturdenkmale außergewöhnlich hoch, gilt als Markenzeichen des Dorfkerns, der als Etterdorf unter Schutz steht. 

Um die Mitwirkungsbereitschaft sowie Wünsche und Anregungen der Gebäudeeigentümer im Untersuchungsgebiet zu erfragen, wurden im August 2024 insgesamt 119 Fragebögen an die Eigentümer verschickt. Außerdem durfte auch online an der Befragung teilgenommen werden. 42 konnten ausgewertet werden.

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Wären blank wie N.

Die Chance wollte ich dann doch nutzen, wenn die Junge Union Enzkreis/Pforzheim schon einen älteren Unionisten wie mich zum Besuch beim Spezialisten für die Entwicklung und Fertigung von Anlagen für Papier- und Kartonmaschinen einlädt: der Bellmer GmbH mit Sitz in Niefern-Öschelbronn. Aber nicht ins Stamm-, sondern ins Zweigwerk Enzberg. Das lässt Erinnerungen wach werden, wie 2011 Mühlackers Gemeinderat und Stadtverwaltung just bei Bellmer zeigten, dass sie zum schnellen Handeln und Entscheiden durchaus in der Lage sind. 

Produktionshalle bei Bellmers Werk in Enzberg

Die drei Brüder Erich, Martin und Philipp Kolmar - und somit die sechste Generation - leiten das weltweit rund 900 Beschäftigte zählende Unternehmen. Das 1842 und damit sechs Jahre vor der ersten deutschen Revolution somit der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 gegründete Familienunternehmen ist breit aufgestellt. Wie genau, berichtete Donata Kolmar, mit der schon die siebte Generation mit Verantwortung in der Bellmer-Gruppe trägt.

Dies war für die Jungen der Union einen eigenen Termin Wert. In der Einladung wurden erste Fragen formuliert. Wie fühlt es sich an, als junge Frau Führungsverantwortung in einem global agierenden Unternehmen zu übernehmen? Welche Herausforderungen bringt das mit sich – insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten?  Ein lockeres Gespräch mit anschließender Betriebsführung durch das Hightech-Maschinenbauunternehmen.

Wo das Werk Enzberg steht, waren vormals der Victoria-Fußballplatz, ein aufgelassenes Möbelhaus und das Firmengebäude von Automobilzulieferer Horst Bernecker, der inzwischen die Produktion in einen Neubau im Mühlacker Gewerbegebiet Waldäcker verlagert hatte.  Und nun lohnt sich der kleine Gedankensprung: Hätte es die Waldäcker nicht gegeben, wäre Bernecker heute nicht mehr in Mühlacker (Pforzheims Bürgermeister klopfte schon an die Tür).  

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Skurriles, Kurioses, Rares, Komisches - die kurzen Nachrichten in den Lienzinger Protokollbüchern auch ein Stück Dorf-Geschichte

Ja, die Protokolle über die Beratungen des Gemeinderates der selbstständigen Kommune Lienzingen lassen einen nicht selten schmunzeln. Dinge gab's, die gibt es heute nicht mehr und die muten jetzt als skurril oder kurios an. Über einige wird hier gebloggt. Die Sammlung erhebt nicht den Anspruch auf Vollzähligkeit. Vor allem aber, sie blieb quasi im Ur-Zustand, die - hier kursiv gestellten - Texte sind weder nachträglich redigiert noch der aktuellen Rechtschreibung oder neue politischen Normen angepasst worden.  

Das waren noch Zeiten, als die Gemeinden sich noch um die Fortpflanzung von Rindviechern kümmerte. Den Lust-Verlust durch künstliche Besamung gab es noch nicht. Vatertierhaltung nannte sich dies. Um den Farren kümmerte sich seinerzeit Landwirt und Gemeinderat Eberhard Pfullinger. Am 4. September 1959 befasste sich der Lienzinger Gemeinderat mit einem Schreiben des Tierzuchtamtes Ludwigsburg:

Das Tierzuchtamt Ludwigsburg hält die bisher gewährten Verpflegungsgelder für die Vatertierhaltung zu nieder. Es ist der Auffassung, daß dem Tierhalter durch eine entsprechende Erhöhung die Voraussetzung für eine bessere Haltung und Pflege der Tiere geschaffen werden kann und schlägt ein jährliches Verpflegungsgeld von ca. 1000.-- DM je Farren vor. Weiter bemerkt es, daß die Aufwendungen der Gemeindeverwaltung für die Bullenhaltung im höchsten Maße werteschaffend sei und daher zu den Grundsätzen der Sparsamkeit durchaus nicht im Widerspruch stehe Zu der Frage der Neufestsetzung des Pflegegeldes meinte der Vorsitzende, daß neben der Erhöhung des Pflegegeldes die Schaffung eines geeigneten Farrenstalles ebenso notwendig sei. Letzteres müsse allerdings wegen der laufenden grösseren Bauvorhaben in der Gemeinde zurückgestellt werden.

Nach weiterer Beratung fasste der Gemeinderat den Beschluss, Das Verpflegungsgeld je Farren mit Wirkung vom 1. Oktober 1959 an auf 900 DM einschließlich des Wertes der Farrengrundstücke (pro Farren 100 DM = 300 DM) festzusetzen. (STAM, Li B 325, S. 289)

Dazu passt der Eintrag ins Protokollbuch des Rats unter dem Datum vom 30. Juni 1949 über höchst wichtige Aufgaben eines Ratsmitgliedes:

Am Samstag, den 2.7.49 vorm. um 8 Uhr findet in Vaihingen/Enz eine staatl. Bezirksrinderviehschau statt. Da die Gemeinde selbst einen Farren zur Prämierung bringt, sollte eine Abordnung dorthin gesandt werden. Der Bürgermeister, die Gemeinderäte Bonnet und Rommel sind verhindert. Die Gemeinderäte Häcker und Roos werden deshalb an deren Stelle die Gemeinde vertreten.


Lienzinger Geschichte(n); meine lokale Web-Serie zur Nachkriegshistorie unseres Dorfes, bis 1975 selbstständige Kommune, heute Stadtteil von Mühlacker. Aus Protokollen und Akten, aber auch aus Gesprächen zusammengetragen. Der Stoff mancher Geschichten reicht aber auch weiter zurück. Lienzingen, ein selbstbewusstes Dorf.


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Anno 1948: Baulinie am Brühlsträßchen - Doch die Bauwollenden wollten mehr als dem Bürgermeister notwendig erschien

(Thema Wohnungsbau 2/2)

Flächenverbrauch, Flächenfraß - die Worte waren den Menschen in den Jahren nach der Befreiung 1945 fremd. Wohnungsnot - das war das höchst aktuelle Wort der damaligen Zeit. Und das größte Problem, das es zu lösen galt. So findet sich in den, im Stadtarchiv Mühlacker liegenden Akten der selbstständigen Gemeinde Lienzingen ein Protokoll der Ratssitzung vom 30. November 1948 mit der Signatur Li B 323, Seite 125.

Ortsbauplan für Lienzingen aus 1939 von der Beratungsstelle des Innenministeriums Württemberg in Stuttgart im Entwurf 1:500. Zentraler Vorschlag: Ein Wohngebiet Brühl und die Bebauung des Gebiets nach dem jetzigen Ortsrand beidseits der heutigen Knittlinger Straße. Der Krieg verhinderte die Umsetzung der Planung, auf die die Württembergische Heimstätte schon spekulierte (Quelle: STAM, Li A 72)

Der erste Punkt der Tagesordnung: Bereitstellung von Baugelände. Bürgermeister Richard Allmendinger berichtete den acht Ratsmitgliedern von einer Bürgerversammlung fünf Tage zuvor über die Zukunftsaufgaben der Kommune, insbesondere über die Möglichkeiten und Aussichten bezüglich der Planung und Schaffung von Bauplätzen. Nach einer regen Aussprache sei von der versammelten Bürgerschaft eine Art Resolution gefasst worden, in der die Ausdehnung des Baugeländes an der Brühlstraße bis zum Grundstück Ott und von dort in westlicher Richtung bis zur Umgehungsstraße und Kohlplatte gefordert werde. 

Bei genauer und sachgemäßer Prüfung der vorliegenden Verhältnisse erscheine die Forderung ihre volle Berechtigung zu haben, sagte Allmendinger, seit einem Jahr im Amt. Aber er hielt es für fraglich, dass die zuständigen Stellen die Ausweitung des Baugeländes in solchem Ausmaß genehmigen. Dabei verfügte die knapp 1000 Einwohner zählende Kommune zumindest schon über ein Instrument, auf das sie nun zurückgreifen konnte und um das andere sie beneideten:  Der Baulinienplan, am 21. Januar 1930 vom Oberamt in Maulbronn besiegelt und damit in Kraft gesetzt, war zuvor in Lienzingens Gemeinderat diskutiert und beraten worden. In der öffentlichen Bekanntmachung vom 19. November 1929 - angeschlagen & durch Ausruf - steht, dass der Entwurf zur Einsichtnahme eine Woche lang auf dem Rathaus öffentlich ausliege. Bürgermeister Karl Brodbeck (im Amt 1920 bis 1945) verwies auf die Zustimmung des Gemeinderats vom 12. November 1929 zur Baulinie am Brühlsträßchen.

Ein Ausschnitt aus dem Ortslinienplan von 1930 für das so genannte Brühlsträßchen (Quelle: STAM, Li A 72)

Als ein größeres Projekt erwies sich dann Jahre später der Ortsbauplan. Die zuständige Beratungsstelle beim Württembergischen Innenministerium legte einen Entwurf im Maßstab 1:500 vor, für den sie der Kommune 120 Reichsmark berechnete, und sandte diesen am 7. August 1939 dem Bürgermeister der Gemeinde Lienzingen. Es handelte sich um das Gebiet westlich des Ortsweges Nummer 1 und südlich des Feldweges Nummer 171. Das Ministerium riet dazu, diesen Plan nur abschnittsweise jeweils entsprechend dem tatsächlich vorhandenen Baubedürfnis in dem dortigen Gebiet festzustellen und den vom Landmesser zu fertigenden Teilplan vor seiner Fertigstellung uns noch einmal zur Begutachtung vorzulegen.

Eine Lichtpause, so die Beratungsstelle an Bürgermeister Brodbeck, erhalte die Württembergische Heimstätte, die unseres Wissens eine Siedlung in diesem Gebiet plane.

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Turbo-Tempo im Lienzingen von 1868: Baugenehmigung nach nur zwei Wochen für Pfullingers Schnapsbrennerei, und das noch gebührenfrei

Lienzingen, Spindelgasse 1: Einst wurde darin Schnaps gebrannt. Unbekannt ist, ob es um 1868 die einzige Anlage in dem 900-Einwohner-Ort war (Foto: Günter Bächle)

Ein virtueller Streifzug durch die Bestände des Landesarchivs Baden-Würtemberg fördert immer wieder kleine lokalgeschichtliche Raritäten ans Licht der Öffentlichkeit. So findet sich im Fundus des dem Landesarchivs nachgeordneten Staatarchivs Ludwigsburg, dort in den Bauakten aus den Jahren 1834 bis 1938, Nachakten sogar bis 1965, des Oberamtes Maulbronn, das 1938 im Landkreis Vaihingen an der Enz aufging,  eine höchst interessantes Stück aus Lienzingen. In dem Büschel 434 mit der Signatur F 183 III verbirgt sich ein Bauantrag aus den Jahren 1868/69 des Bauers Gottlob Pfullinger, der sein Waschhaus mit Holzremise zur Schnapsbrennerei umwandeln wollte. Das Gebäude steht heute noch, jedoch die Destillationsanlage mitsamt Brennrechten sind längst Geschichte.

Heute mutet das Fachwerkhäusle, das an der Einmündung der Spindelgasse in die Knittlinger Straße steht, leicht marode an. Ein Fall für das Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen von Stadt und Land. Ein beträchtlicher Teil der Außenwände versteckt sich hinter prächtigen Efeu-Teppichen. Der Abstand zu dem Nachbarhaus – jetzt Knittlinger Straße 15 – ist minimal, hat dorthin keine Fenster oder sonstige Öffnungen, somit besteht eine geschlossene Front, die die Helligkeit für die Angrenzer mindert. Ihr Blick endet am durchgängigen Mauerwerk. Durchaus zu vermuten wäre, dass der in der Form eines Kuchenstückes verlaufende und noch nicht sanierte Schuppen zur „15“ gehört. Ein Irrtum. Eigentümer ist Reinhard Pfullinger, Chef von Hotel und Restaurant zum Nachtwächter, Landwirt, Wengerter und Jagdpächter. Sein stattliches Anwesen schließt, durch die Gasse getrennt, nach Westen an.

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