Umstrittenes Kinderfest, Notstandsarbeiten, Naturalien statt Geld und andere kleinere Lienzinger Geschichte(n)
Lienzinger Geschichte(n). Skurriles, Ungewöhnliches, Vergessenes, Kleinigkeiten - all dies findet auch, wer in den sechs Protokollbüchern der Sitzungen des Gemeinderates von Lienzingen stöbert. Sie umfassen die Zeit von 1944 bis 1975, dem Jahr der Zwangseingemeindung nach Mühlacker. Manchmal frischen sie einem das Gedächtnis auf (ach ja, das gab es ja auch mal). Oder überraschen den Leser zum Beispiel mit einer Bestellung von Büromöbeln für die, wie es heißt, Kanzlei des Rathauses anno 1948, verraten Genaueres über das "Verabreichen von Essen" bei der Schuleinweihung 1960. Die so genannten Niederschriften und das Themen- beziehungsweise Namensregister in den Bänden verfasste seit 1946 Richard Allmendinger, der letzte Bürgermeister von Lienzingen. Pflichtschuldigst und genau. Freilich: Mit der Sitzungseinladung den Räten zugestellte Beratungsvorlagen waren damals noch unbekannt.
Der Tausch: Holz gegen Schränke
- Gemeinderatssitzung (GR) am 28. April 1948, § 8, Büromöbel für die Kanzlei des Rathauses:
Der noch neue Schultes Allmendinger berichtete, die Einrichtung der Rathauskanzlei sei im Gegensatz zu anderen Behördenbüros sehr primitiv und die zweckmäßige Unterbringung der Akten mache oft Schwierigkeiten, was sich auf ein fortschrittliches Arbeiten benachteiligend auswirke. Die Nürtinger Firma Linder habe angeboten, zwei Reihenschränke zu liefern - eine Art Tauschgeschäft, denn die Hälfte der Kosten bezahlte die Gemeinde in Form von Schnittholz aus Tanne. „Mit der Bereitstellung des Holzes wird der Bürgermeister beauftragt“, beschlossen die Räte. Preise werden zwar nicht genannt, aber zumindest ein Teil der anderen Hälfte, in Reichsmark zu bezahlen, entnahm die Gemeinde einer Stiftung des Mühlacker Fabrikanten Friedrich Münch, späterer Ehrenbürger von Lienzingen (Stadtarchiv Mühlacker, STAM, Li B 323, S. 86).
Notstandsarbeiten ans Landratsamt Vaihingen gemeldet
- GR am 1. Juli 1948, § 2, Vorbereitung von Notstandsarbeiten:
Der achtköpfige Gemeinderat und der Bürgermeister beobachteten sorgenvoll die Folgen der Währungsreform. Die nunmehr erfolgte Geldneuordnung werde wohl in absehbarer Zeit eine Arbeitslosigkeit zur Folge haben, steht im Protokoll. Das württembergisch-badische Innenministerium appellierte in einem Erlass vom 12. Juni 1948 an die Kommunen, sich zu wappnen und rechtzeitig „nötigenfalls“ geeignete Notstandsarbeiten zu melden. Der Bürgermeister berichtete dem Landratsamt Vaihingen an der Enz über die beiden Vorschläge des Lienzinger Ratskollegiums: Die in den Kriegsjahren eingestellten Bauarbeiten an der Umgehungsstraße für Lienzingen (heute B35) sollten wieder aufgenommen werden. Dadurch würde nun endlich die sehr gefährliche rechtwinklige Kurve im Dorf wegfallen und die bei Glatteis sehr störende Steigung in Richtung Maulbronn erreicht werden. Eine weitere Idee: Etwa 30 Mann hätten viereinhalb Monate Arbeit beim Scherbentalweg, der vom Ort aus in gerader Richtung bis zum Katzenwald ausgebaut werden könnte, auch wenn sich dieser Weg noch in privater Hand befinde. Die Gemeinde vermöge die Kosten von 12.000 Mark allerdings ohne finanzielle staatliche Unterstützung nicht aufzubringen (STAM, Li B 323, S. 95).
Geheime Abstimmung über ein Kinderfest
- GR am 26. September 1958, § 4, Abhaltung eines Kinderfestes im Jahr 1959:
Dass selbst ein Kinderfest zum kommunalpolitischen Streitpunkt werden konnte, der in geheimer Abstimmung entschieden werden musste, zeigte sich in dieser Sitzung. Sechs Räte votierten im geheimen Verfahren für den Antrag des Fußballvereines Lienzingen, anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereines 1959 ein Kinderfest der Gemeinde zu organisieren. Drei Räte schrieben Nein auf den Stimmzettel. Das bedeutete eine Niederlage für Schulleiter Karl Kießling, der sich mit Vehemenz gegen ein Kinderfest wehrte. Die Lehrer bräuchten in der Regel vier Wochen Vorbereitungszeit für ein Kinderfest, sagte er vor den Ratsmitgliedern. In dieser Zeit könne ein normaler Unterricht nicht gewährleistet werden. Der Stundenplan, so wird es im Ratsprotokoll zitiert, sei so ausgefüllt, das wenig Zeit übrig bleibe für Aufgaben, die nicht in ihr Gebiet gehören. Zudem sah er auch „gewisse Gefahren für die heranreifende Jugend“. Zudem habe es 1958 anlässlich der Heimattage ein Kinderfest gegeben, schließlich stehe auch die Einweihung des Kindergartens sowie das Richtfest an der Volksschule an. Sein Appell gegen Feste „in rascher Folge“ verhallte ungehört (STAM, Li B 325, S. 228).
Erstklässler durften singen
Der Bürgermeister besprach auch anstehende Einweihungen mit den inzwischen zehn Bürgervertretern, so in der Ratssitzung vom 24. April 1959 in § 8 die des Kindergartens. Das Gremium legte den Termin auf den 23. Mai 1959 um 14 Uhr fest. Ich erinnere mich an den Sommertag, an dem das neue „Kinderschüle“ dann feierlich in Betrieb ging. Denn wir Erstklässler der Volksschule durften die Feier gesanglich begleiten (STAM, Li B 325, S. 265).
Um eine weitere Einweihung ging es am 27. September 1960 (STAM, Li B 326, S. 57), nämlich die der Volksschule, terminiert auf 15. Oktober 1960 um 15 Uhr. Allerdings gingen die Innenausbauarbeiten wegen Überlastung des Bauhandwerkers nur mühsam voran, doch Architekt Jakob Buck aus Mühlacker versicherte, diesen Termin einhalten zu können, protokollierte Bürgermeister Allmendinger. Selbst das Essen regelte der Gemeinderat: Es werde nach der offziellen Feier, die an der alten Schule begann und im Hof der neuen Schule mit anschließender Besichtigung endete, "im Gasthaus Adler (heute Bäckerei Schmid) an die geladenen Gäste verabreicht". Mit der Organisation der Feier beauftragten die Räte den Bürgermeister "im Benehmen mit der Schulleitung".
Christbäume für vier Mark
- GR 22. November 1963, § 4:
Ein für die Lienzinger höchst erfreulicher Beschluss: Heuer könnten wieder Christbäume im Gemeindewald eingehauen werden, berichtete der Gemeindeforstwart, worauf der Gemeinderat die Preise festlegte. Vier Mark für einen großen, drei Mark für einen mittleren und zwei Mark für einen kleinen Baum. "An Auswärtige sollen keine Christbäume abgegeben werden" (STAM, Li B 326., S. 239).
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