Lienzinger Geschichte(n): Bauen, um zu dreschen - Stress wegen kommunalem Serviceangebot
Was dem Mühlacker Gemeinderat über Jahre der Mühlehof, war den Ratsmitgliedern der bis 1975 selbstständigen Gemeinde Lienzingen bis 1966 die Dreschhalle. Kein anderes Projekt zog sich 20 Jahre lang wie ein roter Faden durch die Sitzungsprotokolle: Lienzingens Dreschhallen-Geschichte ist lang und trotzdem spannend. Für die seinerzeitigen Protagonisten brachte sie Stress. Was heute nicht mehr viele wissen: Die drei Hallen stehen noch. Eine lässt durch ihren länglichen typischen Entlüftungsdachaufsatz und den Feldscheunen-Charakter den einstigen Zweck erahnen. Die Adresse: Brühlstraße 34, seit 1966 Lienzinger Betriebsstätte des Bauunternehmens Straub. Die andere ist - auch für mich überraschend - der Kelter-Vorbau an der Zaisersweiherstraße, vor 100 Jahren gebaut, um darin zu dreschen. Zudem ist an der Raithstraße eine ehemals private Dreschhalle zu einer "normalen" Scheune mutiert.
Ende der sechziger Jahre kamen Dreschmaschinen und damit auch -hallen außer Mode. Bei den Dreschmaschinen karrten die Bauern ihr geschnittenes und dann noch auf dem Acker zu Garben gebundenes Getreide an, um die Körner in der meist scheunenähnlichen Halle maschinell herausschlagen zu lassen. Sie mussten das dabei vom Halm gelöste Korn anschließend genauso zu ihrem Hof abtransportieren wie die nun ährenlosen Strohballen. Mehrere Arbeitsgänge, die Zeit und Nerven kosteten. Dagegen erledigen Mähdrescher fast alles schon auf dem Feld, bieten somit mehr Komfort und ein Rund-um-Sorglos-Paket.
Lienzingen, ein Bauerndorf: Noch 1950 erfasste die Gemeindestatistik unter 537 Erwerbspersonen 249 in der Landwirtschaft Tätige, damit 46 Prozent. Der gravierende Wandel zeigt sich daran, dass es 1961 noch 15 Prozent waren, zehn Jahre später gut fünf Prozent. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe schrumpfte in dieser Zeit von 155 auf 41, mit zwei bis fünf Hektar Fläche von 63 auf 6, die Betriebe mit mehr als 20 Hektar stiegen von Null auf fünf. Zeichen der Konzentration. (Konrad Dussel, „Lienzingen“, Ortsbuch, 2016, Verlag Regionalkultur, S. 204 ff) Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg gibt in der amtlichen Agrarstruktur-Statistik für 2016 noch sieben Betriebe an, davon fünf mit 50 und mehr Hektar Fläche, zwei mit zwei bis fünf Hektar.
Kelter um Dreschhalle erweitert
Eine Dreschhalle war demnach noch in den fünfziger und beginnenden sechziger Jahren ein für Lienzingen wichtiges kommunalpolitisches Thema. Ein Dauer-Brenner. Und zuvor erst recht. Die Geschichte des maschinellen Dreschens an einem zentralen Ort beginnt denn auch schon nach dem Ersten Weltkrieg. 1919 liefen die Vorarbeiten für den Bau der ersten kommunalen Dreschhalle an: Am 16. Juli schrieb Lienzingens Schultheiß Adolf Fallscheer dem Baumeister des Oberamts
Maulbronn, Aeckerle, wegen der notwendigen Genehmigung eines Grundstücksgeschäftes mit der Forstdirektion Stuttgart, das Voraussetzung dafür war, die Kelter für eine solche Halle zu erweitern. Schon drei Tage später ging die Zustimmung der Behörde im Rathaus ein.
Im Juli 1921 legte die Gemeinde Lienzingen ein Baugesuch „betreffs Erbauung einer Dreschhalle“ am Ortsweg (heute Zaisersweiherstraße) als elf Meter breiter und 10,50 Meter langer Vorbau an der Kelter vor, gefertigt von Architekt Aeckerle, unterschrieben vom 1920 eingesetzten neuen Schultheiß Karl Brodbeck. Sein Vorgänger hatte schon Angebote eingeholt, darunter vom Gemeinde-Verband Elektrizitätswerk Enzberg (später EVS), das am 11. Juni 1919 einen Drehstrom-Motor fürs Dreschen mit 15 PS für 3900 Mark, mit 17 PS für 4270 Mark offerierte, freilich ohne Installation. Ein Motor offener Bauart mit Schleifringanker Aluminiumwicklung, mit normaler Riemenscheibe samt Anlasser für Volllastenlauf (Quelle. Stadtarchiv Mühlacker, STAM, Li A 8, Li A 79/36).
Landwirt Rueß baut später
Eine privat betriebene Dreschhalle baute zu Beginn der dreißiger Jahr der Dreschmaschinenbesitzer und Landwirt Josef Rueß aus Lienzingen am Feldweg Nummer 23 (heute Raithstraße) auf der Parzelle Nummer 1329/1 des Karl und Otto Stahl. Am 31. Juli 1932 stellte ihm die Gemeinde Lienzingen die Genehmigung gegen eine Gebühr von 12 Reichsmark aus. Besondere Auflage: Die Umfassungswände seien durchweg mit Bretterverschalung auszuführen, welche mit Deckleisten zu versehen seien. Bei einer Baukontrolle im September 1932 beanstandete der Mitarbeiter des Oberamtes Maulbronn, dass die vollständige Verschalung noch fehle und setzte eine Frist bis 1. Oktober 1932. Das Gebäude steht heute noch und wird als Scheune genutzt (Quellen: Stadtarchiv Mühlacker, Li A 80/19).
Wo die Lienzinger heute Feste feiern
Unter dem Vordach der Kelter, das die Lienzinger heutzutage bei Festen schätzen, wurde also in der Erntezeit das Getreide maschinell gedroschen. Sehr zum Ärger der Nachbarn auf der gegenüber liegenden Straßenseite, weshalb der Betrieb 1941 eingestellt werden sollte. Doch das blieb Theorie.
So 1955. Anlieger alarmierten wegen der Lärm- und Staubbelastung das Staatliche Gesundheitsamt Mühlacker, als die Gemeinde für die Erntesaison 1955 dort aus der Not heraus mangels Alternativen das Dreschen erlaubte. Worauf der Amtsarzt das Landratsamt Vaihingen/Enz am 17. August 1955 aufforderte, die Gemeinde Lienzingen anzuweisen, künftig den Dreschbetrieb dort nicht mehr zuzulassen, auch nicht als Notlösung. Für die Verlegung des Dreschbetriebs im Jahr 1955 sei es zu spät, doch die aktuelle Belästigung sei zu reduzieren durch eine weitgehende Abschirmung mit einer hohen Plane zur Straße hin, schrieb der Mediziner. Zudem solle während der Anlieferungs- und Öffnungszeit der angrenzenden Milchsammelstelle der Dreschbetrieb ruhen.
Für 100 Mark Pacht
In einem Schreiben vom 8. Juli 1955 hatte Nachbar Emil Hafner den Bürgermeister wissen lassen, er lege Einspruch gegen das Aufstellen einer Dreschmaschine vor der Kelter ein und behalte sich eine zivilrechtliche Klage vor. Trotzdem genehmigte der Gemeinderat am 7. August 1955 dem örtlichen Drescher Albert Ölschläger gegen eine Pauschalmiete von 100 Mark und bei strengen Auflagen - unter anderem eine vollständige Abschirmung zur Straße hin - den Betrieb seiner Dreschmaschine unterm Keltervorbau und ordnete gleichzeitig an, er müsse nach Ende der Dreschzeit die Halle räumen, zumal sich dort auch die Viehwaage befand. Unterstützung gab es für diesen Beschluss durch 50 Lienzinger mit ihrer Unterschrift auf einer dafür ausgelegten Liste, denn die wohl zuvor angedachte Nutzung des Bierkellers lehnten sie ab, der sei völlig ungeeignet.
Kräftig unter Druck
Der Dreschhallen-Krimi kann beginnen. So ganz kräftig unter - auch behördlichen - Druck geraten, handelte die Gemeinde und baute 1956, rechtzeitig vor der Erntesaison. Bis zuletzt hatte Lienzingens Bürgermeister Richard Allmendinger auf ein Projekt gesetzt, das entweder privat oder von einer Nutzergemeinschaft realisiert werden sollte. Denn schon im Mai 1948 reichte der örtliche Landwirt und Dreschmaschinenbesitzer Albert Ölschläger ein Baugesuch ein, das am 1. Juli 1948 vom Landratsamt Vaihingen/Enz genehmigt wurde. Nach den Plänen des Mühlacker Architekten Otto Bernecker sollte auf der Parzelle Nummer 4478 eine Dreschhalle entstehen und damit gegenüber der späteren und heute noch stehenden gemeindeeigenen Halle (heute Brühlstraße 34). Ein verschalter Fachwerkbau auf Betonpostamenten und mit Ziegeldach für 12.000 Reichsmark. Eine extra gefertigte Liste über den Holzbedarf ergab 32,4 Kubikmeter, was rund 52 Festmeter ausmachte (STAM, Li A 81/15). Ein Blick ins Protokoll der Sitzung des Gemeinderats von Lienzingen am 28. April 1948 verrät den Grund: Der Gemeinderat beschloss, wegen der Dringlichkeit des Projekts - Ölschläger war die dato angemietete private Halle gekündigt worden - beim Forstamt zu beantragen, einen Sondereinschlag zur Gewinnung des Bauholzes für das private Projekt zu beantragen. Nachdem sich Ö. so große Mühe gegeben habe, werde ihm die Kommune „jede mögliche Hilfe“ zuteil werden lassen (STAM, Li B 323, S. 86f).
Probleme durch Währungsreform
In der Sitzung am 1. Juli 1948 bekräftigte das Ortsparlament die absolute Dringlichkeit des Vorhabens erneut, wenn auch infolge der Währungsreform in finanzieller Hinsicht gewisse Schwierigkeiten entstünden (STAM, Li B 323, S. 95). Als sich der Rat am 8. Juli 1948 wieder zusammenfand, stand das Thema als Punkt 1 erneut auf der Tagesordnung, nachdem durch die Währungsreform die Gemeinde ihren gesamten Kapitalbestand verloren habe genauso wie der Bauinteressent selbst und nicht gesagt werden könne, ob der Lastenausgleich eine volle Entschädigung bringe. Zweifel tauchten auf, ob der Landwirt bei dieser Lage genügend Barmittel aufbringen könne, so dass möglicherweise die Gemeinde selbst bauen müsse. „Keinesfalls dürfe es aber soweit kommen, dass in einigen Jahren zwei Dreschhallen erstehen.“ (STAM, Li B 323, S. 98). Am 4. November 1949 beschloss der Gemeinderat eine Bürgerversammlung zu diesem heißen Thema (STAM, Li B 323, S. 201).
Baugenehmigung für Ö. verlängert
Die Umsetzung der Pläne blieb aus, so dass Ölschläger im Mai 1950 um eine Verlängerung der Baugenehmigung eingab. Denn nach dem Tod seiner Mutter, der Übernahme des elterlichen Anwesens und der Auszahlung des Erbes seiner Brüder sei
es ihm finanziell nicht mehr möglich gewesen, „die Erstellung der Dreschhalle durchzuführen". Die Kreisverwaltung verlängerte die Genehmigung. Doch schon im Januar 1950 pochte der Bürgermeister auf Klarheit: „Sie werden daher aufgefordert, sich bis spätestens nächsten Samstag dahingehend zu äußern, ob Sie ernstlich gewillt sind, die Dreschhalle selbst zu bauen und wie Sie sich die Finanzierung vorstellen“, schrieb ihm Allmendinger am 17. Januar 1950. Die von den Grundeigentümern geforderten Kaufpreise wolle und könne die Gemeinde nicht bezahlen, da sie diese Preise als unverantwortlich ansehe (STAM, Li A 81/15). Gleiches machte Ölschläger als Gast bei der Gemeinderatssitzung am 27. Januar 1950 für sein geplantes Dreschhallen-Gelände geltend. Die beiden Eigentümer wollten 1,50 Mark für den Quadratmeter. Schließlich einigte sich das Gremium darauf, der potenzielle Bauherr solle weiter verhandeln und wenn sich kein befriedigendes Ergebnis erzielen lasse, den Bau um ein Jahr verschieben (STAM, Li B 324, S. 5). Bei der Bürgerversammlung im Anschluss an eine Zusammenkunft der Weingärtner war der vorgesehene Standort auf Zustimmung gestoßen (STAM, Li B 324, S. 4 f).
Die Suche geht weiter
Im Protokoll der Sitzung vom 6. Mai 1955 drehten sich Bericht des Bürgermeisters und Diskussion um die Erkenntnis, dass ein Ersatz für die Dreschhalle im Kelter-Vorbau höchst dringend, bisher aber immer wieder an der Platzfrage oder an der mangelhaften Initiative des Dreschmaschinenbesitzers gescheitert sei. Am Ende war klar: Die Suche nach einem geeigneten, finanziell vertretbaren Gelände geht weiter. Das glaubten Bürgermeister, Gemeinderat und Dreschmaschinenbesitzer im Juli 1955 gefunden zu haben: der Platz an der heutigen Schelmenwaldstraße gegenüber der Feldscheune Bonnet (STAM, Li B 325, S.37). Doch auch damit scheiterten sie. Vier Tage nach der Ratssitzung, bei der man sich am Ziel wähnte, gab es in einer erneuten Zusammenkunft des Gemeinderats am 25. Juli 1955 den Rückschlag zu vermelden: Die angrenzende Gärtnerei habe Einspruch erhoben, führe gesundheitliche und hygienische Gründe an. Der Gemeinderat gab die Hoffnung auf, die Halle noch bis zur Ernte 1955 realisieren zu können und wolle bis zur eventuell notwendig werdenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Pläne zurückstellen (STAM, Li B 325, S. 41).
Dreimal im August 1955
Gleich zweimal innerhalb von sieben Tagen - am 3. und 7. - traf sich der Gemeinderat im August 1955. Die Entscheidung vom 3. August, auf dem Festplatz (in Verlängerung der heutigen Neuwiesenstraße) eine Notdreschhalle von der Gemeinde aus zu
errichten, rief den Widerstand von Ö. und einer ganzen Reihe "kleinbäuerlicher Betriebe" (Allmendinger) hervor. Sie forderten, "in diesem Jahre in der an der Kelter angebauten Halle (das Dreschen) zu genehmigen", was der Rat am 7. August "angesichts der bevorstehenden Ernte" billigte, und zwar in Kenntnis der Ablehnung durch die Nachbarn und im Wissen, dass gleich neben der Kelter die Milchsammelstelle steht, weshalb er auch einige Auflagen in seinen Beschluss einbaute. So sei zum Einfassen der Auswürfe der Dreschmaschine, Grieß genannt, ein passender Raum an geeigneter Stelle aufzubauen und das Material unverzüglich abzufahren (STAM, Li B 325, S. 42).
"Fast zu Tätlichkeiten geführt"
Der Konflikt mit den Anwohnern auf der anderen Seite der Zaisersweiherstraße war damit vorprogrammiert. Emil Hafner und Karl Müller werden im Protokoll der dritten Ratssitzung im August 1955 - dem 24. - namentlich als Einsprechende genannt. Extra wegen dieses Streites fuhr eine Kommission des Landratsamtes Vaihingen nach Lienzingen, ließ aber den Notbetrieb
an der Kelter zu, weil für die aktuelle Ernte keine andere Möglichkeit bestehe. In Anwesenheit von Landrat Dr. Friedrich Kuhnle gerieten Hafner und Ölschläger aneinander. Es sei zu einer scharfen Auseinandersetzung gekommen, bei der es an unüberlegten und übertriebenen Vorwürfen nicht gemangelt habe, die fast zu Tätlichkeiten geführt hätten, ist im Ratsprotokoll zu lesen. Die Bürgervertreter beschlossen, den Dreschbetrieb an der Kelter nicht länger als bis zum 31. August 1955 zuzulassen (STAM, Li B 325, S. 43).
Barzahlung bei Bauplatzkauf
Damit war klar: Die Gemeinde musste eine Dreschhalle bauen. Der Bürgermeister kaufte das Grundstück Parzelle Nummer 4479 in den Schelmenäckern und bezahlte in bar 820 Mark für 12 ar und 67 qm. Der Gemeinderat billigte am 2. September 1955 den Handel (STAM, Li B 325, S. 46). Der angrenzende Auffüllplatz wurde einbezogen und so reichte das Areal für die geplante Dreschhalle, so dass der Gemeinderat am 9. November 1955 dafür votierte (STAM, Li B 325, S. 59).
Der Kommune blieb nichts anderes übrg, als selbst in das Projekt zu investieren. Bürgermeister Allmendinger beklagte in der Ratssitzung vom 10. Januar 1956, eigentlich könne das nicht die alleinige Aufgabe der Gemeinde sein. Zweckmäßig wäre seiner Meinung nach die Bildung einer Dreschgemeinschaft, wenn sich nicht noch zuguterletzt die örtliche Darlehenskasse dafür hergebe. Leider werde wahrscheinlich weder das eine noch das andere möglich werden, erkannte der Schultes richtigerweise.
Allmendinger sagte, bedauerlicherweise fehle es in Lienzingen an dem so nötigen Gemeinschaftsgedanken wie auch an dem Zusammengehörigkeitsgefühl. So bleibe der Gemeindeverwaltung nichts anderes übrig, als die Dreschhalle aus Mitteln der Gemeinde zu erstellen und zu versuchen, sie noch für andere Zwecke nutzbar zu machen (STAM, Li B 325, S. 66).
Bis zur Ernte 1956 fertig
Der Gemeinderat beauftragte am 3. Februar 1956 Architekt Jakob Buck aus Mühlacker mit Planung, Bauleitung und Prüfung der Kostenvoranschläge (STAM, Li B 325, S. 73). Sein Kostenvoranschlag: 18.905 Mark, abgerechnet etwa 24.400 Mark. Für das Grundstück bezahlte die Gemeinde eine Mark pro Quadratmeter. Nun ging es Schlag auf Schlag. Schon am 24. Februar stimmten die Bürgervertreter der Variante 2 von zwei Planentwürfen zu, die der Dreschhalle in Großglattbach ähnlich sah. Aus Kostengründen sollte nur die Westseite verschalt werden (STAM, Li B 325, S. 75). Das Landratsamt Vaihingen genehmigte den Bau im April. Die ersten Arbeiten vergab der Rat am 15. Juni, überwiegend an örtliche Handwerker (STAM, Li B 325, S. 97).
Gleichzeitig regelte das Gremium am 13. Juli die Vermietung der Dreschhalle. Nachdem Ö. ein für die Gemeinde "unzumutbares" Angebot abgegeben hatte, schaltete der Bürgermeister eine Annonce im Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Die Rechnung, Ö. werde dann bereit sein, eine moderne Dreschmaschine in die Halle zu stellen, ging nicht auf. Den Zuschlag bekam bei insgesamt fünf Angeboten letztlich Josef Pehnl aus Talheim im Kreis Heilbronn mit einer "neuzeitlichen Maschine" gegen 550 Mark Miete und 19 Mark Arbeitspreis pro Stunde (STAM, Li B 325, S. 99). Zur Ernte-Saison 1956 erfüllte sich der Wunsch der Lienzinger Getreidebauern: Die Dreschhalle war fertig!
Nicht nur gedroschen wurde in der Halle, winters übten darin bald auch die Fußballer des FVL einmal wöchentlich. In frostigen Nächten durfte Unternehmer Kleebauer darin seinen Lastzug oder Anhänger unterstellen. Beides genehmigte der Rat am 12. Oktober 1956 (STAM, Li B 325, S. 112). Doch für den Bürgermeister hörte der Ärger nicht auf. Unzufrieden mit dem ersten Pächter, suchte die Gemeinde für 1957 einen neuen. Albert Ölschläger kam zum Zuge für 500 Mark Pacht. 1958 ebenso, aber bei einer Reduzierung der Pacht auf 200 Mark, denn die neue Konkurrenz der Mähdrescher machte sich schon bemerkbar (GR 31. Oktober 1958 (STAM, Li B 325,S. 235f).Zoff gab es 1959, wie dem Protokoll der Ratssitzung vom 23. Juli 1959 zu entnehmen ist. Ölschläger nahm trotz mehrerer Aufforderungen durch den Bürgermeister den Dreschbetrieb in der neuen Halle in der aktuellen Saison nicht auf. Anscheinend habe er die Absicht, nur in den Scheunen zu dreschen, kleine Landwirte würden damit benachteiligt, so Allmendinger. Der Rat setzte Ö. eine Frist: Bis 27. Juli 1959 habe er den Betrieb in der Dreschhalle wieder aufzunehmen, andernfalls müsse er die Halle räumen (STAM, Li B 325, S. 280). Im Herbst 1959 verpachtete der Gemeinderat (30. Oktober 1959) die Halle an das örtliche Transportunternehmen Rose Weitbrecht für 150 Mark im Jahr (STAM, Li B 325, S. 300).
Spät dran
Nach nur vier Jahren zeigte sich, dass Lienzingen (zu) spät dran war mit seiner Dreschhalle. Im April 1962 beauftragte der Bürgermeister den Architekten E. Wolfgang Müller aus Mühlacker mit einer Werteinschätzung für die Immobilie im hinteren Brühl. Das Ergebnis: 12.000 Mark. Der Gemeinderat legte am 18. Mai 1962 den Verkaufspreis auf 25.000 Mark fest. (STAM, Li B 326, S. 150). Erste Interessenten am Kauf oder an der neu zu vergebenden Pacht meldeten sich. Zunächst vermietete die Kommune für 30 Mark pro Monat an die Maurermeister Max Schmollinger und Waldemar Straub. Zudem durften für drei Mark monatlich die Fuhrunternehmer Schade und Widmann ihre Fahrzeuge seitlich der Halle abstellen.
Schließlich ließ der Gemeinderat im Dezember 1965 die Halle öffentlich versteigern. Beim zweiten Termin, am 26. Januar 1966, erhielt den Zuschlag der örtliche Maurermeister Waldemar Straub zu dem von ihm angebotenen Preis von 35.500 Mark (beim ersten Termin bot der Bauunternehmer 30.700 Mark). Der Gemeinderat stimmte am 1. Februar zu (STAM, Li B 326, S. 67). die Zustimmung des Landratsamtes war reine Formsache.
Damit endete das Kapitel Dreschhalle. Was blieb, ist der Vorbau an der Kelter, beliebt als trockener Platz zum Sitzen, Stehen und Feiern. Ein stattlicher Lagerraum für ein Bauunternehmen. Und ein ganzer Packen von Schriftstücken im Stadtarchiv Mühlacker. Ach ja, unterm Strich machte die selbstständige Gemeinde Lienzingen, dank ihres pfiffigen Bürgermeisters, einen Gewinn in harter Mark.
Die Dreschhalle Ölschläger wurde nie gebaut.
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