Sachsen, Thüringen und die Folgen für die Union

Eine Portion Häme lässt sich angesichts der Koalitionshoppelei des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer nicht vermeiden. Im Wahlkampf stellte der Christdemokrat den harmlosen Grünen den Stuhl vor die Türe der Regierungszentrale. Und jetzt muss er sich wohl oder übel gar auf ein Bündnis mit der früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Plattform in der PdS /Linke und jetzigen BSW-Chefin, Sarah Wagenknecht, einlassen. Das wäre wie Feuer und Wasser. Wenn es nicht so traurig wäre, man müsste lachen.

Erinnern wir uns, wie es ist, wenn neue Kräfte an den Tisch der Macht streben. Wie war es dereinst bei der Union, als die Grünen zur politischen Kraft wurden. Ein Ruf wie Donnerhall rollte durch die lokalen Verbände der Union: Schwarz-Grün ist Teufelszeug. Und jetzt die Wagenknechte - Sarah, die schrecklich Knallrote, die Putin-Verharmloserin, die Spalterin. Noch ist offen, ob es zum Bündnis zwischen CDU und BSW inhaltlich reicht, aber die Kernfrage stellt sich schon: Wie glaubwürdig ist die CDU, wenn am Ende eine Verbindung mit dem BSW steht? Oder ist eine solche Frage obsolet angesichts solcher dramatischen Wahlergebnisse wie denen vom 1. September 2024? Müssen alle Beteiligte nur neu denken, wie ein Kommentator in den ARD-Tagetehemn sagte? - thüringerisch eben. In dem Freistaat leistet die Linke seit Jahren gute Regierungsarbeit, zudem mit dem Vorzeige-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, und trotzdem besteht formal der Unvereinbarkeitsbeschluss der Christdemokraten gegenüber der Linken als Nachfolgepartei der SED. Die Falle schnappte zu. 

Letztlich bleiben zwei Pfade. Entweder die Union steht zu ihren politischen Grundsätzen, verhandelt bei aller notwendigen Kompromissfähigkeit aus ihnen heraus reale Politik in die Koalitionsverträge hinein, bleibt also glaubwürdig – steht jedoch am Ende mit leeren Händen da und ohne Ministerposten, wenn die anderen nicht mitspielen. Oder: Sie folgt Kretschmers Aussage, am Schlechtesten sei es, keine Regierung zu haben, worin ihm durchaus zuzustimmen ist. Aber seine Botschaft, Sachsen zuerst, ist nobel gemeint. Doch was fällt hinten runter? Christdemokratische Überzeugungen womöglich? Das wäre der Pfad zur politischen Beliebigkeit.

Wäre es nicht konsequent, auf Unvereinbarkeitsbeschlüsse oder gar Brandmauern zu verzichten? Nennen wir das doch klare Grenzen oder rote Linien. Dass Björn Höcke, der Faschist, nie und nimmer in Frage kommt für ein Bündnis mit der Union, der Partei des Widerstandes gegen Hitler, ist sicher wie das Amen in  der Kirche. Wenn die AfD wirklich in die Regierungsverantwortung will, muss sie die braune Last abwerfen. Die AfD ohne Höcke & Co, das wäre wohl eine stinknormale demokratische, streng rechts der Mitte positionierte konservative Partei. Sie wäre auch ein ernsthafter Gesprächspartner, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten. Sachthemen in den Mittelpunkt zu rücken, so wie Im Kreistag des Enzkreises! (bä)

„Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“

"Außer Corona gibt es auch noch Friede und Freude in Gottes freier Natur."

Nach der Krise wird es nicht mehr so sein wie vor der Krise. Ein beliebter Satz, immer wieder aufpoliert. Die Worte fallen einem ein bei der weltweiten Inflation des  Corona-Virus. Wir kennen sie. Sie wiederholen sich. Die Menschen hörten diese Ankündigung  auch in der weltweiten Finanzkrise 2008/2009.

Als sich zeigte, dass den Zeitungen die Abonnenten wegbrechen und keine packende Gegenstrategie zu erkennen war, begann auch der Verleger der Tageszeitung damit seinerzeit seine Rede in der Betriebsversammlung. Quasi als ummäntelte  Aufforderung, sich rechtzeitig an den Abbau von Wohlstand zu gewöhnen. Deregulierung, Kürzungen bei den Tarifverträgen, Stellenabau - die Begründung für Sozialabbau. Die Botschaft: Nach der Krise werden viele weniger erhalten. Schon fällt der Satz in der aktuellen Corona-Krise. Vorbereitung auf Einschnitte, die dann doch nicht kommen?

Stimmt: Schon verändert sich manches. Vielfältig. Zum Glück, nicht unbedingt zum Schlechteren. Das Vertrauen in die Bundesregierung, in die Kanzlerin, in die CDU, in Spahn, ja selbst in Söder wächst sprunghaft. Die Verkünder der Merkeldämmerung sind stumm geworden. Ist ja durchaus berechtigt: Politiker, die handeln und nicht lange diskutieren, wenn schwere Zeiten am Horizont aufziehen, schätzt der Wähler. Merkel könnte 2021 wieder antreten. Wäre mir ganz lieb, denn sie schafft Vertrauen, beruhigt, nimmt Stress weg. Der Merkel-Effekt ist ein Vertrauenseffekt.

Kehrtwende

Einen solchen erleben auch die Tageszeitungen. Nicht mehr das Geschimpfe von der Lügen-Presse, der sture Glauben an die Meldungen in den sozialen Medien, die sich als Fake-News erweisen,  bestimmen das Bild - in einer Krisenzeit suchen die Menschen nach Verlässlichkeit, wollen Vertrauen. Selbst Trump wird immer häufiger eingeholt von den Realitäten, die seine eigenen Wahrheiten als Lügen entlarven.

Von der Krise profitieren auch die Tageszeitungen. Corona-Pandemie steigert das Bedürfnis nach vertrauenswürdigen Informationen, meldet der Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV). Schließlich geht es um einen selbst. In der vergangenen Woche (16.-22.03.) haben demnach mehr als zwei Drittel (67,1 Prozent) der deutschsprachigen Bevölkerung  von  16 Jahren an auf die Informationsangebote der Zeitungen im Web zugegriffen. Ende Januar lag die wöchentliche Reichweite noch bei 50,1 Prozent, das bedeutet ein Plus von 34 Prozent, zeigt eine aktuelle ZMG-Auswertung der AGOF daily digital facts.

Gerade regionale Nachrichten und Informationen zur Situation in der Heimat erweisen sich für die Menschen im Moment essenziell. Das dokumentieren auch die erheblich gestiegenen Zugriffe auf die Webseiten der regionalen Abonnementzeitungen. Sie sind das am stärksten nachgefragte digitale Zeitungsangebot und erreichten in der vergangenen Woche 57,3 Prozent der Bevölkerung. Das entspricht 39,4 Millionen Nutzern und einem Zuwachs von 52,8 Prozent seit Januar. - Update 20. Mai 2020

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