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Als der Hirsch-Saal die Gemeindehalle war - und andere Geschichten rund um das Fachwerkhaus, das 2025 seit 300 Jahren steht

2023: Mit besonderer Note: rundum mit Hölzer verkleidetes Nebenzimmers des Hirsch. Für die Täfelung sind mehrere Holzarten verwendet worden, wie der Lienzinger Revierförster Bernd Obermeier feststellte. (Fotos: Antonia Bächle)

Der Lienzinger Hirsch, Gastwirtschaft mit viel Seele, noch größerem Charme, langer Tradition, vor allem mit einer fast 300-jährigen Geschichte. Ein stattlicher Fachwerkbau eines hierzulande seltenen Gebäudetyps, den eines Dreiseitgehöfts. Baujahr: 1725. Ein höchst seltenes Jubiläum, das 2025 gefeiert werden kann. In all diesen Jahren blieb das Anwesen an der heutigen Knittlinger Straße/Ecke Herzenbühlstraße durchweg in Familienbesitz. Schmidgall, Lindauer, Scheuerle, Geißler…  

Im Jahr 2023: Werbung vor dem Fachwerk in doppeltem Sinne (Foto: Antonia Bächle)
Etwa 80 Jahre früher: zum Hirsch mit Blick auf den späteren Nachtwächter (aus der Sammlung Familie Geißler)

Lange war das Lokal – nach meiner Erinnerung - der Lieblingstreff der Lienzinger Honoratioren, die seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts vor allem im holzgetäfelten Nebenzimmer den Trollinger oder Lemberger, vielleicht auch einen Silvaner vom heimischen Eichelberg schlotzten, davor ein Bier. Gestandene Mannsbilder, selten in weiblicher Begleitung, gönnten sich eine deftige Vesper oder einen Rostbraten, um hernach geruhsam die Zigarren-Kringel in die Luft steigen zu lassen.  Dabei ließ sich trefflich debattieren, die neueste Sau rhetorisch durch das Dorf treiben.

Doch noch vor der Eingemeindung von Lienzingen im Juli 1975 nach Mühlacker setzte ein Wandel ein.

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Zwang, Überzeugung, Opportunismus? Von Mitläufern und Minderbelasteten im Dorf

Kommunale Selbstverwaltung adieu. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verloren die Bürgerinnen und Bürger ihr Recht, Bürgermeister und Gemeinderat zu bestimmen. Nicht einmal Kommunalwahlen sah der NS-Staat vor.  Die Partei bestimmte den Kurs der Gemeinde, setzte die Entscheidungsträger ein. Auch in Lienzingen. Doch so ganz auf Linie ließen sich in dem 700-Einwohner-Dorf nicht alle bringen. Es bedurfte eines mehr oder minder sanften Drucks, um alle vier Ratsmitglieder zu Parteigenossen zu machen. Nach 1945 mussten sie sich deshalb vor der Spruchkammer verteidigen. Die Akten sind dick. Beispiele aus unserem Ort - darunter von zwei sozialdemokratischen Kommunalpolitikern die sich plötzlich bei den Nazis einreihten.

Bürgermeister Jakob Straub, zweiter Lienzinger Nachkriegsbürgermeister (1945 bis1947), und seine Gemeinderäte ergreifen Partei für Emil Geißler im Spruchkammerverfahren (Repro Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 902/23)

Die Vorgeschichte zum Einordnen der lokalen Personal- und Parteipolitik beginnt mit der Machtergreifung der Hitler-Bewegung. Durch das im Frühjahr 1933 vom Reichstag verabschiedete Ermächtigungsgesetz schaltete sich der Reichstag – gegen den bewundernswerten Widerstand der SPD-Fraktion - als Gesetzgebungsorgan selbst aus, siedelte alle Macht bei der Regierung an. Diese Gleichschaltung nach dem Führerprinzip reichte von Berlin bis zum kleinsten Dorf im Reich. Und so klein war Lienzingen nun auch wieder nicht.  Die letzte freie Gemeinderatswahl fand 1931 statt, die erste nach dem Krieg 1946.


Mehrere Beiträge der Online-Serie Lienzinger Geschichte(n) befassten sich mit Karl Brodbeck. Aber gab es in den Machtstrukturen des Dorfes noch andere Machthabende? Dazu vor allem Akten im Staatsarchiv Ludwigsburg - Teil des Landesarchivs Baden-Württemberg - ausgewertet und die Ergebnisse hier präsentiert (Signatur EL 902/23).


Im April 1933 waren die Gemeinderatsmandate erstmals nicht wie von 1919 an vom Volk vergeben, sondern von den Nationalsozialisten zugeteilt worden – dabei orientiert am Ergebnis der Reichstagswahl im März 1933: In Lienzingen vier für die NSDAP und von der benannt (Paul Gaupp, Gustav Kontzi, Gottlob Pfullinger und Josef Ruess, letzterer zuvor Sozialdemokrat), zwei für den Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot und dem Bauern- und Weingärtnerbund, beide ebenfalls rechtsstehend (Karl Schneider und Richard Geißler). 

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470 Jahre Schulgeschichte oder Den Bogen von Hans Brodbeck bis Anja Rapp gespannt

Ein Stück Schulgeschichte unseres Dorfes, gestrafft aufgearbeitet zum jetzigen Rektorenwechsel. Dank meiner Lienzinger Geschichte(n). Spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts besteht die Schule in Lienzingen. Jedenfalls wird in einem Synodenprotokoll von 1581 als Schulmeister ein Hans Brodbeck genannt. Er war zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alt. Versah er davor seine ganze Dienstzeit als Lehrer in Lienzingen, musste die Gründung der Schule schon vor 1553 Jahre erfolgt sein.

Die neue Schulleiterin: Anja Rapp (links)

Brodbeck gilt als der erste Lehrer und Schulleiter in unserem Dorf. Hier also ein Stück der Schulgeschichte von Lienzingen: 470 Jahre von Brodbeck bis Anja Rapp, der jetzt eingesetzten Rektorin. Was für eine Zeit.

Lienzingen gehörte zu den 150 Pionier-Dörfern im Herzogtum Württemberg, die  zwischen der Reformation - 1535 - und vor der von Herzog Christoph (1515-1568) anno 1559  erlassenen Großen Kirchenordnung eine eigene Schule gründeten.  Der Ort dürfte schneller gewesen sein als zum Beispiel Mühlhausen an der Enz, das einstige freie Reichsdorf. Die Schule wurde im Zuge der Reformation - wie in den umliegenden württembergischen Dörfern – eingeführt. Als ältester Lehrer in Mühlhausen ist Johann Ludwig Reiß 1641-1656 bekannt. Wir erinnern uns: Brodbeck unterrichtete mindestens schon anno 1581, Reiß 1641 – knapp 60 Jahre später.

Zurück nach Lienzingen. Drei Schulgebäude in fünf Jahrhunderten, somit drei Standorte. Die erste Schule entstand wohl 1561 auf dem Platz der heutigen Kirchenburggasse 14 (deshalb alte Schule, jetzt Café Kirchenburg), wurde 1739 saniert. Anno 1837 ließ die Kommune, einige Schritte weiter, heute Kirchenburggasse 15, das zweite errichten - das Steinhaus. Es wurde genutzt bis 1960. Seitdem wird unterrichtet in der heutigen Schule an der Ecke Friedrich-Münch-Straße/Dr.-Otto-Schneider-Straße, von der Stadt Mühlacker 1995/96 für 2,71 Millionen Euro um vier Klassenräume erweitert.

Wagen wir aus dem heutigen Anlass - der Feier zur Amtseinsetzung von Anja Rapp - auch einen Blick zurück in die Schulträger-Geschichte. Wenn wir die Lienzinger Schulbaugeschichte anschauen und mit heutigen Gemeinderatsdebatten vergleichen, so kommt uns manches bekannt vor.

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Damit Jugend und Lehrer aus den unmöglichen Verhältnissen rauskommen

Als Zehnjähriger und Drittklässler war ich mittendrin im Geschehen, als Lienzingen Ende Oktober 1960 sein drittes Schulgebäude in fast vier Jahrhunderten einweihte. Der Abschied von dem steinernen Haus in der heutigen Kirchenburggasse und der Umzug in das neue Domizil Dr.-Otto-Schneider/Ecke Friedrich-Münch-Straße (damals Mühlweg) rührte und berührte uns schon.

29. Oktober 1960: Kinder und Lehrer ziehen um vom alten ins neue Schulhaus. Foto mit Lehrer Wilhelm Wagner (Hintergrund, vor der Treppe) und Schulleiter Karl Kießling (vorne links). (Soweit nichts anderes vermerkt, alle Smlg Gerhard Schwab, STAM).

Es war ein doppelter Einschnitt, zumindest in meinen Erinnerungen – in der alten Schule verpassten die Lehrer uns schon einmal schmerzhafte Tatzen mit dem Stock auf die Hand oder wir mussten, den Oberkörper nach vorne geneigt, Hiebe auf den Po als Strafe hinnehmen. Wahrscheinlich glich es gefühlt eher einem Zufall, dass der Abschied von der alten Schule auch für Lienzingens Pädagogen dem Abschied von der körperlichen Züchtigung durch Lehrer und somit von einer längst überholten Erziehungsmethode gleichkam. Denn ich war durchaus gelegentlich Kandidat für eine Prügelstrafe – mein erstes Zusammentreffen mit einem Zeigestock, in diesem Fall von Pfarrer Gerhard Schwab  zweckentfremdet, passierte schon in der ersten Klasse im Religionsunterricht. Der Holzstab ging auf meinem Allerwertesten in die Brüche. Offiziell abgeschafft wurde die Prügelstrafe in Baden-Württemberg erst 1973.

Die 1960 errichtete Grundschule (damals noch Volksschule) mit der Erweiterung in den Jahren 1995 und 1996. Hier beim Schulfest 2011 (Foto: G. Bächle)

Indessen: Der 950-Seelen-Ort feierte am 29. und 30. Oktober 1960 mit viel Musik, Spielen und Reden seine neue Schule. Klassiker wie Beethoven und Mozart, eingängige Volks- und Handwerkerlieder – ein Potpourri der beliebten Melodien, extra zusammengestellt für ein fröhliches Dorffest. Die Euphorie über das offizielle Festprogramm hielt sich bei manchen Schülern, so auch bei mir, in Grenzen, weil wir Schüler gesangmäßig ganz schön gefordert waren. Bei fast jedem zweiten der 16 Programmpunkte stand auf dem Blatt: Gesang der Schüler. Eine ähnlich tragende Rolle hatte allenfalls noch der Gesangverein.  Die Eltern hatten uns zu diesem besonderen Anlass in den Sonntagsstaat gesteckt, denn eine Weihe des neuen Hauses geschah schließlich nicht alle Tage – in diesem Fall genau 33 Jahre nach den ersten Plänen für ein Schulhaus, die noch auf einem Standort auf dem Gelände der heutigen Gärtnerei Mannhardt basierten, und nie realisiert worden waren.

Lienzinger Geschichte(n), letztes Kapitel der Schulbaugeschichte von 1874 bis 1961. Diesmal dreht sich alles um den 1960 eingeweihten Schulneubau. Quellen: die Akten des Landesarchivs Baden-Württemberg (StAL FL 20-18_Bü 503) und des Stadtarchivs Mühlacker (STAM) sowie dessen Ausschnittsammlung der lokalen Zeitungen.

Statt im Südwesten des Dorfes stand die neue Schule nun im Südosten. In die Hände der Kommunalpolitiker spielte dabei ein Erbe, Erben und die Gemeinde, die auf just jenes spekulierte. Das Grundstück für den realisierten Schulbau gehörte vormals Ingenieur Dr. Otto Schneider (1877 – 1952), gleichzeitig Namensgeber der hinter der Schule auf den Eichert hoch führenden neuen Straße. Seine Erben verkauften 1953 den gesamten Immobilien- und Grundbesitz der Gemeinde, darunter auch das Stück an der Ecke Mühlweg (heute Friedrich-Münch-Straße). Die Familie Schneider stand in Lienzingen für die Bierherstellung von zirka 1850 bis 1920. Doch Filius Otto hatte mit dem Brauen nichts im Sinn, er studierte und baute eine Maschinenbaufirma in Ludwigsburg auf, deren Chef er war. Seine Familie zog weg, als er noch Kind war.

 

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Lienzinger Schul-Halle-Kombi: Wünsche in glücklicher Weise erfüllt, aber nie umgesetzt

Wir müssen gestehen, wir haben tatsächlich das zweitschlechteste Schulgebäude im Kreis, schrieb am 14. Mai 1937 Lienzingens Bürgermeister Karl Brodbeck in einem Brief, adressiert - via Landrat in Maulbronn – an die Ministerial-Abteilung für Volksschulen in Stuttgart. Im Betreff: Gesuch um Verwilligung eines Staatsbeitrags, als Anlage drei Lage- und Baupläne sowie zwei Kostenvoranschläge. Er wirkte mit seinen Schilderungen so überzeugend, dass die Ministerialbeamten das später noch steigerten: Das schlechteste Schulgebäude im Kreis sei es, hieß es in einem Schreiben im Jahr 1938 zur Finanzierung eines Neubaues. Trotzdem: Erst 1960 gab es Ersatz.

Die Planung des Stuttgarter Architekten Fritz Müller 1937 für Lienzingen mit seinen 750 Einwohnern: Ein lang gestreckter Kombi-Bau aus Schule und Turnhalle, ein Lehrerwohnhaus (links) und das HJ-Heim (rechts). Der ganze Plansatz liegt im Stadtarchiv Mühlacker.
Gleiches Areal, unterschiedliche Nutzung: In den Nachkriegsjahren entstand auf der jetzigen Fläche mit Gewächshäusern ein florierender Gartenbaubetrieb (Robert, dann Günter und nun Jenny Mannhardt): Doch 1937/38 wollte die 750-Einwohner-Gemeinde Lienzingen dort ein Schul- und Sportzentrum schaffen - doch außer Spesen nichts gewesen.

Gut drei Wochen nach dem Gesuch reichte der Schultes den Finanzierungsplan nach für eine neue Schule, eine Turnhalle und eine Lehrer-Wohnung sowie ein Heim für die Hitlerjugend. Die gesamten Kosten von 100.098 Reichsmark sollten finanziert werden aus einem Zuschuss des Landes Württemberg mit 60.000 RM, verfügbarem Restvermögen von 15.000 RM sowie 25.000 RM Erlös aus einem außerordentlichen Holzhieb von 1000 Festmetern.

Einen Standort für das neue Schul- und Sportzentrum hatte Brodbeck schon ausgeguckt, ein Grundstück am südwestlichen Rand des Dorfes: Dort, wo heute die Gärtnerei Mannhardt steht und einst das 1889 abgebrannte Schafhaus stand. Bei den jetzigen Gewächshäusern am Weg war ein kleiner See zur Schafstränke. Das 43 Ar große Grundstück grenzte westlich an den Vizinalweg Nummer 4 (heute Schelmenwaldstraße), östlich an den Feldweg Nummer 2. Das Schulgebäude sah der Architekt in Nord-Süd-Richtung vor,  ganz im hinteren Teil des Areals und somit das Ortsbild nicht störend, allerdings hätte eine Zufahrt geschaffen werden müssen.

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Infolgedessen herrscht des Öfteren übler Geruch in der Lehrer Küchen - Dem Schultheiß stank's - Schülerabtritt-Streit nach 35 Jahren beigelegt

Anrüchiges als Stoff für einen langwierigen Streit zwischen Behörden: die Schülerabtritte. Er entwickelte sich zur (fast) unendlichen Geschichte. Denn die 1870 verschärften, vor allem der Gesundheit der jungen Menschen dienenden Vorschriften durch die königliche Regierung in Stuttgart  entsprachen dem gewachsenen Interesse des Staates an guter Bildung für gesunde Kinder – und das ging über die reinen Rahmenbedingungen für den Unterricht in den Volksschulen hinaus wie zum Beispiel der Klassenteiler.

1912 verschickte Ansichtskarte mit der Lienzinger Schule. Vorderseite. Heute Kirchenburggasse 15, aus der Sammlung Walter Appenzeller, Keltern

Da erwies sich plötzlich die angeblich nicht zumutbare Toilette im Schulgebäude als kritischer Punkt. Das lokale Fallbeispiel aus der Akte StAL FL 20-18_Bü 503 des Landesarchives Baden-Württemberg sowie der des Stadtarchivs Mühlacker Li A 79/745, eingebettet in eine Landesbeschreibung von 1916 unter anderem über das Volksschulwesen in Württemberg. Denn die Gemeinde Lienzingen trafen die Folgen erstmals 1889, ausgerechnet an dem erst 1867 errichteten Schulgebäude (heute Kirchenburggasse 15).

Der Konflikt zwischen Kommune und Staat um das, was heutzutage in der politischen Debatte mit der Frage umschrieben wird: Wie hoch darf der Standard sein? Und wer bezahlt ihn – der ihn vorgegeben, demnach bestellt hat, oder die, denen er verordnet wurde?

Hand-Skizze zum Baugesuch der Gemeinde Lienzingen betreffend die Erstellung eines Schülerabtrittschuppen auf Parzelle Nummer 16 hinter dem Schulgebäude Nummer 77und 78. Anerkannt: Lienzingen, 13.Juli 1925, für die Gemeinde Schultheiß Brodbeck, seit 1920 in Lienzingen im Amt (alle Dokumente und Pläne zum Bauantrag für den WC-Schuppen: Stadtarchiv Mühlacker, Bauakte, Li A 79/45)

Aufschluss über den gerade losgetretenen Streit ergibt sich aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung in Verwaltungssachen vom 6. April 1889. Demnach sollten die Schüler-Toiletten vergrößert oder womöglich außerhalb des Hauses verlegt werden. Doch die Kommune sträubte sich heftig dagegen. Kein Argument war ihr zu schade oder zu wundersam, um die Forderung abzubiegen. Die 170 bis 180 Kinder könnten doch in der Pause heim aufs Klo – sie taten dies offensichtlich teilweise auch. Es wird wohl schon seinen Grund gehabt haben, warum die vorhandenen Abtritte kaum genutzt wurden. Erst 1925 war es soweit – 36 Jahre nach der ersten Beanstandung. Es entstand der Schülerabtrittschuppen auf Parzelle Nummer 16 hinter dem Schulgebäude Nummer 77 und 78, so steht es in der Baugenehmigung, geplant vom Mühlacker Ortsbaumeister Aeckerle. Eine Konstruktion aus Bretterwänden, mit Ziegeln eingedeckt, links acht abgeteilte Plätze für Mädchen, rechts drei Schüsselplätze und ein Pissoir für die Jungen.

Ein Beispiel, wie Fürsorge der Schulbehörden für die Mädchen und Jungen zum kommunalpolitischen Zankapfel im Königreich Württemberg werden konnte.

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Schultheiß, Sparkässler, Kirchenaufseher, Aktuar: Die vielen Rollen des Karl Brodbeck

16. Mai 1926: Nach Jahren der Diskussion über die Gestaltung wird das Lienzinger Kriegerdenkmal eingeweiht. Vorne, mit Zylinder, Bürgermeister Karl Brodbeck (STAM, 14-07 Li).

Menschenfreund und -helfer, Pedant und Pfennigfuchser, Visionär und Dynamiker, saumseliger Bürokrat, Hohenloher oder Lienzinger, Konservativer oder Hitlerianer? Karl Brodbeck (1886 bis 1967) lässt Fragen zurück - von jedem etwas oder nur ein Mensch, der Widrigkeiten des Lebens umschiffte, sich durchschlängelte in einer schwierigen Zeit? Denn sie war voller Widersprüche.  Die Antwort ist differenziert. Pauschale Urteile wären fehl am Platz. Sein Tun scheint völlig unauffällig sachorientiert gewesen zu sein. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten überstand er nicht nur unbeschadet, seine kommissarische (Neben-)Tätigkeit in Zaisersweiher wurde auch in eine reguläre umgewandelt. Dieses Bild des Bürgermeisters, das der Historiker Konrad Dussel im 2016 erschienenen Ortsbuch Lienzingen zeichnet, wird zumindest durch die Sammlung von amtlichen Schreiben, Protokollen und Aktenvermerken gestützt (S. 172 f).

Lienzinger Geschichte(n). - Der Vierteiler über Karl Brodbeck und seine Ära:  innerhalb meiner Blog-Serie über die neuere Ortsgeschichte der bis 1975 selbstständigen Gemeinde das Portrait (3/4)

Was sich als Quelle zu solcher Urteilsbildung anbietet, sind vor allem die Akten aus Stadtarchiv Mühlacker (STAM) und Staatsarchiv Ludwigsburg (StAL FL 20--18 I_Bü 73 und E 180 II_Bü 3968). Er setzte sich beispielsweise dafür ein, die wirtschaftliche Lage der Menschen in dem Bauerndorf zu verbessern – unter anderem durch eine Dreschhalle und mehr Weinbauflächen.

Eine der ersten Taten nach dem Amtsantritt Ende 1920: Brodbeck setztdie Pläne seines Vorgängers Adolf Fallscheer um: Ein Vorbau bei der Kelter soll dort den Bauern das Dreschen von Getreide ermöglichen (Foto: Antonia Bächle, 2021)

Im Juli 1921 legte die Gemeinde Lienzingen ein Baugesuch betreffs Erbauung einer Dreschhalle am Ortsweg (heute Zaisersweiherstraße) als elf Meter breiter und 10,50 Meter langer Vorbau an der Kelter vor, gefertigt von Architekt Aeckerle, unterschrieben vom 1920 eingesetzten neuen Schultheiß Karl Brodbeck. Sein Vorgänger hatte schon Angebote eingeholt, der neue Bürgermeister bestellte beim Gemeinde-Verband Elektrizitätswerk Enzberg (später EVS) einen Drehstrom-Motor fürs Dreschen. Brodbeck setzte die Pläne um und deshalb hat Lienzingen den Luxus eines großzügig überdachten Vorplatzes an der Kelter (STAM, Li A 8, Li A 79/36).

Von 28 Hektar im Jahr 1930 auf 31 Hektar 1935 vergrößerten die Wengerter ihre Rebflächen (heute 16,6 Hektar). An zahlreichen Weinberghäuschen am Eichelberg ist als Baujahr 1933 eingemeißelt. Da ging offensichtlich viel.

Der Schultes bestellte höchstpersönlich Rebstöcke und verteilte die Setzlinge an die Wengerter, schrieb Annoncen und Werbetexte, warb gleichermaßen für das Lienzinger Best-Produkt und die gute Verkehrsanbindung: Postauto von Mühlacker, Weinberge in nur günstigen Südlagen, gute Tischweine (Schiller- und Rotwein).

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