Auch Dorf kann Kultur - Lienzingen mit einem der wenigen Männerchöre in der Region

Er ist einer der Positivposten in unserem Dorf. Eine Rarität auch im regionalen Kulturleben. Denn der MGV Freundschaft Lienzingen gilt als einer der wenigen reinen Männerchöre in der Gegend. Der Chor setzt sich derzeit aus etwa 20 Sängern aus Lienzingen und Umgebung zusammen. Auf seiner Webseite listet der MGV sein Repertoire auf: von der traditionellen Literatur bis hin zur modernen internationalen Chormusik. Damit bestreitet er das Jahr über klassische Konzerte, Weihnachtssingen, Serenaden-Konzerte, als auch lockere musikalische Veranstaltungen. Gut vorbereitet und organisiert, Gags bei den Auftritten, Überraschendes und Neues, ein buntes Repertoire.

MGV in der Frauenkirche: weißes Hemd, rote Hosentäger und Strohhüte extra zu den vier Barbershop-Songs aus dem Süden der USA.

Heute bewies der Chor erneut, dass er für eine Laiengruppe viel draufhat. Die Menschen warteten offenbar auf ein neues Highlight, fieberten ihm entgegen. Gut ist, was gefällt. So wie mir geht es auch anderen.

"Auch Dorf kann Kultur - Lienzingen mit einem der wenigen Männerchöre in der Region" vollständig lesen

Wieder Maibaum!

Und wieder Maibaum! Das halbe Dorf war heute beim Maibaumstellen auf den Beinen. Wetter: gut. Stimmung: noch besser. Freude: Spitze! Der Lienzinger Maibaum, auf den der Männergesangverein Freundschaft (MGV) sozusagen das Patent hat, gehört inzwischen zur Ortstradition.

Da steht er nun, der 21. Lienzinger Maibaum.

 

"Wieder Maibaum!" vollständig lesen

Einen Einundzwanziger beim Onkel Gustav

Einer seiner vielen Stationen in Maulbronn. Im Jahr 1923, in sonnigen Herbsttagen, hielt sich ein 39-jähriger Redakteur und Dozent an der Hochschule für Politik in Berlin wieder einmal in dem Oberamtsstädtchen auf. Maulbronn war ihm ans Herz gewachsen, dem liberalen Politiker Theodor Heuss. Ein Jahr später rückte der Politiker in den Deutschen Reichstag ein.

Der Mann aus dem Zabergäu, in Brackenheim groß geworden, verband die Lust an der Politik mit der Lust an der Poesie. Er schaffte ein enormes Redner-Pensum pro Tag, hielt seine Eindrücke auf dem Papier fest, schuf so literarische Genussstücke. Eines davon fiel mir vor mehr als einem halben Jahrhundert in die Hände. Seinerzeit entstand daraus ein Beitrag für das Württembergische Abendblatt, erschienen in der Ausgabe vom 27. August 1970. Er ist das Kernstück der heutigen Geschichte.

Für Maulbronn hatte er viel übrig. Das zeigen seine Aufzeichnungen über die Spaziergänge im Städtle, am Elfingerberg, auf der Reichshalde. Beides auch Lagen, auf denen – welch Glück nicht nur für ihn! - Reben wachsen, Trauben gedeihen. Der Politiker und Poet rühmte diese Produkte aus den Weinbergen. Er wusste um die guten Tropfen. Der spätere Bundespräsident widmete sich bei seinem Besuch in den Herbsttagen 1923 dem Kloster, im zwölften Jahrhundert von Zisterzienser-Mönchen gegründet.  In seinen Erinnerungen, mit Herbsttagen in Maulbronn betitelt, führte er über den Wein in die Landschaft ein.

In einer milden Sonne zum See hinab

Theodor Heuss’ Herbsttage erschienen im Jahr 1959 im Tübinger Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins im Rahmen des 309-seitigen Bandes Von Ort zu Ort, Wanderungen mit Stift und Feder.  Einfühlsam sein Stil, keiner der versucht, auf der Glatze noch Locken zu drehen. So schildert Theodor Heuss zuerst die wein- und wasserspendende Umgebung von Maulbronn.

Aber den Eilfinger Berg stiegen wir in einer milden Sonne zum See hinab, zwischen den Rebstöcken, in einiger Sorge, dass Regen und Sonne an den Trauben noch ihr gutes Werk tun.

Theodor Heuss 1924 - Foto aus dem Abgeordnetenausweises des Reichstags

Ein paar Hundert Meter weiter liegt die Reichshälde. Und wir grüßten sie dankbar; sie ist nicht ganz so berühmt, und von ihrem Gewächs gab’s in der behaglichen Wirtsstube beim Onkel Gustav einen Einundzwanziger. Der Eilfinger aus diesem gesegneten Jahr ist weggetrunken. oder, schnöde genug, da einer göttlichen Gabe dies geschehen darf, zur Kapitalanlage verwandelt: in ein paar Häusern und Kellern bewahrt man ihn noch als feierliche Familienlegende. Über den Reichshäldener haben sie keine Gedichte gemacht, er wird auch nicht etikettiert; deshalb blieb einiges für uns davon übrig.

Seltsame Geister

Der Redakteur schreibt von seltsamen Geistern, die sich in dieser Ecke Württembergs, die zum nördlichen Schwarzwald guckt und in den badischen Kraichgau ihre Hügel laufen lässt, nach Bretten und Bruchsal begegnen. Theodor Heuss zeigt sich als ein profunder Weinkenner, der die Maulbronner Gegend richtig einstuft: Sie ist dem eigentlichen Weinland schon etwas entrückt; aber mit einer letzten Anstrengung haben es die schwäbischen Weine hier erreicht, flaschenreif zu werden und ihre Spitze zu finden. Die wichtigste Weinlage sei Krongut mit pfleglichster Behandlung gewesen: In einer liebenswürdigen Bewegung habe die junge Republik sie dem letzten König bei der Finanzauseinandersetzung zum Familiengut geschlagen. Also der heutigen Hofkammer.

"Einen Einundzwanziger beim Onkel Gustav" vollständig lesen

Wie das Dorf zur zweiten Schule kam: Zoff mit dem Pfarrer, streitbarer Schultheiß, ein Klassenteiler von 90 und die Blutegel-Pleite

Die räumliche Nähe zu Kirche und Pfarrhaus, genügend Platz für das freistehende Gebäude, ein Viehstall,  weitere bildungsferne Nutzungen unter den Geschossen mit den Klassenzimmern und der Lehrerwohnung, so ein Holzlager und eine Futterkammer. Entscheidende Kriterien, die beim Schulbau im Lienzingen des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts gefordert waren. Doch bis zur Entscheidung erlebte das Dorf einen heftigen Streit ums Projekt mit mächtigen Beteiligten aus Knittlingen, Maulbronn, Ludwigsburg und Stuttgart. Eine ganze Behördenhierarchie mischte kräftig mit. Und die evangelische Kirche immer dabei. Lienzingen als Beispiel für lokale Entscheider vor mehr als 150 Jahren.

Bestandsaufnahme 1836, colorierter Plan des Mühlacker Geometers Schneider über das Gebiet rund um die Kirchenburg als Grundlage für Gespräche zur Lösung des Raummangels der Schule im heutigen Gebäude Kirchenburggasse 14. (Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Signatur StAL FL 20-18_Bü 503)

Wann bauten die Lienzinger ihr zweites Schulhaus? Jenes mit der prägnanten Zwillingstreppe zur heutigen Kirchenburggasse hin – die leider inzwischen amputiert ist. Falsch ist jedenfalls das Jahr 1835, das in der amtlichen Beschreibung des Oberamtes Maulbronn steht.  Damals stritten sich die Lienzinger noch, ob es eine Erweiterung im Bestand sein darf oder eine ganz neue Schule. In der dicken Bauakte im Staatsarchiv Ludwigsburg fehlen ausgerechnet zu Baubeginn und Arbeiten die exakten Daten. Also lässt sich das Jahr nur erraten. Und da ist selbst ein sonst ungeliebter nörgelnder Schornsteinfeger als Zeit-Zeuge willkommen.

Ein weiteres schönes Archivstück, auch von Geometer Schneider 1836 gezeichnet: Der dritte der von Abele vorgeschlagenen vier Standorte einer neuen Schule, hier an der Staatsstraße nach Maulbronn (heute Knittlinger Straße) auf einem der Gärten rechts oder links. Vorteil: „gesunde Lage“. Nachteile: zu weit weg von Kirche und Pfarrhaus, Unruhe der Landstraße bei Kriegszeiten.

Wunderschön sind die handgezeichneten Pläne in den Bauakten aus dem Landesarchiv Baden-Württemberg, über den heutigen Bereich Kirchenburggasse und Kirchenburg, anno 1836 angefertigt von Geometer Schneider aus Mühlacker für Kreisbaurat Abel, der die Aufgabe von Oberamt und Gemeinde hatte, einen Bauplatz für eine neue Schule zu „ermitteln“. Abel habe sich bereits am 29. Mai 1835 abends nach Lienzingen begeben.

In meiner Blog-Serie Lienzinger Geschichte(n) ein weiteres Kapitel: Der Schulbaustreit

Ein Aktenpaket im Staatsarchiv Ludwigsburg erweist sich als unerschöpfliche Quelle der Recherche über die Art und Weise der seinerzeitigen Abwägung unterschiedlicher Varianten, die  durchaus als effizient bezeichnet werden kann, möglicherweise effizienter als heutzutage. Zu finden ist die Kladde im Landesarchiv Baden-Württemberg unter der Signatur StAL FL 20-18_Bü 503 (Bl. 131 bis 183, Jahre 1834/39, von insgesamt knapp 200 Dokumenten zur Lienzinger Schule -  reichend bis zum Jahr 1960 mit dem Programm der Einweihung des dann dritten Schulgebäudes).  "Wie das Dorf zur zweiten Schule kam: Zoff mit dem Pfarrer, streitbarer Schultheiß, ein Klassenteiler von 90 und die Blutegel-Pleite " vollständig lesen

Bretonische Notizen: Granit, Schiefer und zwei Kamine als First-Endpunkte

Die Bretonen stellen mit ungefähr 3,27 Millionen etwa fünf  Prozent der Einwohner Frankreichs und als sollte es genau so sein, stehen ihnen mit der Fläche der Bretagne von etwa 34.000 km²  auch etwa fünf Prozent der Gesamtfläche Frankreichs als Lebensraum zur Verfügung. Den gestalteten sie nach ihrer kulturellen Identität – deutlich zu sehen auch an ihren Häusern.

Häuser wie aufgeschnitten, aber mit dem obligatorischen Kamin-Abschluss (Foto: Günter Bächle, 2022, Plomodiern)

Die Wohnhäuser, architektonisch vielfältig,  aber sich doch stark ähnelnd. Das steht nicht im Widerspruch zueinander. Für den Ähnlichkeitsfaktor sorgt ein typisch bretonisches Planungselement, die beidseits den First begrenzenden Kamine.

Typisch bretonisch.

Selbst erst jüngst entstandene Gebäude schließen mit den, den First leicht überragenden  Quadraten ab, die zumindest aussehen wie Schornsteine.  Das Bretonen-Haus-Konzept beinhaltet jedoch mehr gemeinsame Elemente: Granitwände, Schieferdächer, eine südliche Ausrichtung, um die Sonne zu genießen. 

Typische Merkmale bretonischer Architektur sind also die Verwendung von Granit, Rundbögen über der Tür, Kamine an den Seiten sowie weiße Sprossenfenster.

"Bretonische Notizen: Granit, Schiefer und zwei Kamine als First-Endpunkte" vollständig lesen

Fertig im Unfertigen: Das Erbe des James de Kerjégu und der Bankierstochter aus Karlsruhe

Künstlerin von Trévarez im Jahr 2022:  Raija Jokinen  aus Finnland. Sie arbeitet mit Ästen, Blättern, Wurzeln und Naturfasern. Die Finnin stellt mit viel Feingefühl Skulpturen her, teils durchlässige, sehr filigrane, einzigartige Körper. Dabei geht es ihr immer um den Bezug von Mensch und Natur, wird sie im ARTE Journal zitiert.

Einband an Einband: Büchersammlung in der Schlossbibliothek

Trévarezrez ist ein besonderer  Ort in der Bretagne. Ein Ort, der auch beim wiederholten Besuch trotz  eines schon vertrauten  räumlichen und baulichen festen Rahmens immer Neues bietet, deshalb immer aufs Neue begeistern kann.

Die Ostfassade des Schlosses (Fotos: Günter Bächle, 2022)

Als da sind:

  • Der Park verwandelt sich, je nach Jahreszeit (für die Kamelienblüte kamen wir diesmal wieder zu spät). Ihre Blütezeiten folgen aufeinander: die Kamelien von November bis April, die Rhododendren im April und Mai (Nationalsammlung), Hortensien und Fuchsien im Sommer. 
  • Noch vorhandene Kriegsschäden im Schloss wie im sogenannten Großen Saal werden – zu meiner Überraschung beim dritten Besuch dieses Jahres - wohl dauerhaft bleiben, konserviert,  ein daneben positioniertes  vergrößertes Originalfoto zeigt dem Betrachter, wie just dieser Bereich aussah, als er noch heil war.  Motto: fertig im Unfertigen. 
  • Die Künstler wechseln jährlich, positionieren ihre Werke konzentriert im Marstall, aber auch  an anderen Stellen auf dem sonstigen Areal.
  • Ein Geschichts-, Kultur- und Naturquarier. 
"Fertig im Unfertigen: Das Erbe des James de Kerjégu und der Bankierstochter aus Karlsruhe" vollständig lesen

Das unscheinbare Herzenhäusle und sein nun gelüftetes Geheimnis

Das Rätsel gelöst, das letzte Kapitel geschrieben, die Dokumentation des Mittelalterarchäologen Tilmann Marstaller der Öffentlichkeit vorgestellt - am Ort des Objekts, das im Februar 2022 der Spitzhacke zum Opfer fiel, und auf dessen Spuren sich der Forscher begab. Es ist die überraschende Geschichte des unscheinbar wirkenden Taglöhnerhauses in Lienzingen. Laut seiner bauhistorischer Kurzuntersuchung steht nun endgültig fest: Das so genannte Herzenhäusle ist nicht erst in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden, wie manche in Lienzingen mutmaßten, sondern ging laut Anfang des Jahres vorgenommener dendrochronologischer Datierung aus einem 1828 erbauten Nebengebäude hervor - einem Heuhaus.

Bei der Vorstellung der Dokumentation zum Herzenhäusle mit Stadtarchivarin Marlis Lippik, Tilmann Marstaller (Zweiter von links) und Amtsleiter Konrad Teufel von der Stadt Mühlacker (rechts). Hinter dem Zaun stand bis Februar 2022 das Objekt der Forschung.

Für die darin dann anno1848 eingerichtete Hafnerwerkstatt bot sich das deutlich vom Ort abgerückte Gebäude mit der größten Grundstücksfläche aller Häuser des Dorfes an, denn der Brennofen des Töpfers hätte durch überspringendes Feuer in der dichten Bebauung höchste Brandgefahr bedeutet. Die Nutzung als Wohnhaus lässt sich von 1863 an belegen. Ein einstöckiges Bauwerk, das sich wegzuducken schien, zu Beginn des 20. Jahrhunderts modernisiert, nach Osten erweitert und neu eingedeckt, so Tilmann Marstaller. Wäre das Gebäude nicht in einem derart desolaten Bauzustand geraten, es hätte in seiner praktikablen Bauaufteilung mit geräumiger Stube, Küche und Nebenraum mit den Tiny-houses von heute konkurrieren können, schreibt der Bauforscher (Seite 9). 

Die Aufteilung - Vorgängerin des heutigen Tiny houses? (Quelle: Dokumentation Marstaller, S. 7)

Eine Dokumentation über ein unscheinbares, marodes Gebäude mit der Adresse Friedenstraße 26/1 oder 26a, jetzt vorgestellt am Platz, auf dem es bis im Frühjahr stand. Die Stadt Mühlacker, seit 2018 Eigentümerin, ließ es notgedrungen platt machen, gerade weil es so heruntergekommen war. Auf meine Bitte als Stadtrat hin machten Oberbürgermeister Schneider und Baubürgermeister Abicht jedoch vorher den Weg frei, um das Häusle  dokumentieren zu können.

"Das unscheinbare Herzenhäusle und sein nun gelüftetes Geheimnis " vollständig lesen