Sender-Aus am Dienstag? Man kann das wollen, muss es aber nicht

Die ungleichen Brüder

Zwischen den Polen. Gegensätzlicher geht es nicht mehr. Ich bin gegen den Erhalt des Mühlacker Sender und bitte Sie in diesem Sinne abzustimmen, schrieb mir heute ein Lienzinger. Und vom Senderhang meldete sich ein Bürger mit der conträren Bitte: Als Stadtrat meines Vertrauens möchte ich Sie um Unterstützung für den Erhalt des Senders bitten. Die Senderdebatte spaltet die Stadt, den Gemeinderat, ja auch Fraktionen. Für welchen Antrag ich auch die Hand heben werde, Lob und Tadel gleichermaßen sind mir gewiss. Und allen anderen im Mühlacker Gemeinderat auch, egal wie sie votieren. Ich entscheide nach sachlichen Gesichtspunkten und wie ich es verantworten kann für unsere  Stadt und ihre Einwohner.

Eine abschließende Meinung der CDU-Fraktion muss sich noch herausbilden. Wir waren für den Auftrag an die Verwaltung, mit SWR und Land zu verhandeln, die Ergebnisse dem Gemeinderat vorzulegen, diese zu bewerten und dann zu entscheiden. Der Verhandlungsauftrag des Verwaltungsausschusses an den OB Anfang Oktober 2019 fiel übrigens einstimmig (!) aus, also auch mit den Stimmen der Freien Wähler. Bis jetzt sind nicht alle Fragen beantwortet. Es ist nur fair, alle offenen Fragen zu klären, bis es zum Schwur im Januar 2020 kommt. Den SWR für dringende Arbeiten in einer Höhe von 60.000 Euro durch die Stadt freizustellen, kann ich als Zwischenstepp mitgehen. Der SWR will ja nicht reparieren, sondern abbrechen. Er darf die Rundfunkgebühren nur fürs Programm-Machen verwenden, nicht für Kulturdenkmale, so sein Hauptargument für den Abriss-Antrag.

Was aktuell den Diskurs zusätzlich erschwert, sind die Projekte, die bei einzelnen in der Favoritenrolle logieren (die er/sie durch den Sende- und Landkauf erschwert sieht), Dazu gab es Hiobsbotschaften mit Millionen-Bedarf für Brückensanierungen und den Bildungscampus im Lindach. Jedes Projekt wird gegen den Sender ausgespielt, obwohl bei einem Verzicht auf das Kaufpaket nicht annähernd so viel Mittel frei würden wie für die konkurrierenden Vorhaben nötig sind. Der selbst aufgeschwungene Kauf-Gegner - passt ihm gerade ins politische Ränkespiel - erweckt den Eindruck, als lasse sich ohne Sender leichter ein neues Schulhaus bauen oder die alte Bahnbrücke sanieren. Die Größenordnungen werden krass verzerrt!

Mein Eindruck: Zahlen schwirren durch die Diskussionen, die mehr Spekulation sind denn Realität. Meine Zwischenbilanz nach den bisherigen Beratungen und Gesprächen:

Kaufpreis: 550.000 Euro einmalig, dafür als Gegenwert 7 ha Land in exponierter Lage (mit Verwertungsmöglichkeiten für künftige Generationen, also vorausschauende Grundstückspolitik), Sender und Halle mit 3800 Quadratmetern, die möglicherweise auch für Veranstaltungen genutzt werden könnte (Beispiel: Heinzelmann-Halle, als Kulturstätte einfach aber beliebt bei der Gartenschau 2015)

Laufende Unterhaltung: laut Verwaltung 20.000 Euro p.a. Soll die Stiftung Sender Mühlacker übernehmen. Stifter Stadt (Einlage 23.000 Euro), HAV, Förderverein Sender, Verschönerungsverein, zudem Möglichkeit für Spender. Stadt garantiert den Unterschiedsbetrag zu 20.000 Euro, falls die Ausschüttungen der Stiftung geringer ausfallen als der notwendige Betrag. Geschäftsführung der Stiftung läge bei der Sparkasse Pforzheim Calw, die Gründung könnte rasch vollzogen werden

Generalsanierung stillgelegter Sender (alle ca. 20 Jahre): Hier gibt es noch Klärungsbedarf. Das Landesdenkmalamt hält 1,2 Millionen Euro für realistisch, da der Sender „ruht“. Der SWR nannte einmal 3,5 Millionen Euro, berechnet nach den Vorgaben für einen noch aktiven Sender aufgrund der Anforderungen der ARD. Bei den 1,2 Millionen Euro müsste die Stadt 200.000 Euro übernehmen, möglicherweise aufzuteilen in zwei Haushaltsjahre. Den größten Teil würden  Landesdenkmalamt, Denkmalstiftungen etc. tragen (mündliche Zusage des Vertreters des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg beim Gespräch im Rathaus Mühlacker bezüglich Denkmalamt und Unterstützung bei den Stiftungen). In diesem Zusammenhang stehen auch der Versicherungsschutz und die Haftung. Meine Entscheidung über das Gesamtpaket hängt von den Ergebnissen der weiteren Untersuchungen ab. Sie sollen bis Januar 2020 vorliegen.

Das war einer der Punkte des  Gesprächs am 29. November 2019 im kleinen Saal des Mühlacker Rathauses, das konstruktiv verlief, nachdem zuvor der Gesprächsfaden fast abgebrochen worden war. Teilnehmer: OB, BM, Amtsleiter, Vertreter SWR, Wirtschaftsministerium und Landesdenkmalamt, Fraktionsvertreter. Bis Januar 2020 soll der Entwurf des Kaufvertrags vorliegen, Entscheidung spätestens Ende Januar 2020. Sozusagen die allerletzte Galgenfrist. Aktuell stehen Arbeiten von 60.000 Euro an - der Gemeinderat soll am 10. Dezember 2019 beschließen, dass er die Kosten dem SWR erstattet, falls es nicht zum Kauf mit der Stadt kommt. Wichtig: Die Stadt bekäme im Vertrag Rücktrittsklauseln für den Fall, dass eine Voraussetzung für den Kauf nicht eintritt. 19_Spitzengespraech_Sender_neu.pdf

Wir sollten nicht vergessen, dass der SWR den Sender vor der Gartenschau 2015 abbrechen wollte, dies aber auf Bitten der Stadt nicht getan hat. In gutem Glauben, dass er den Abriss nach der Gartenschau genehmigt erhält. Dann nahm bei uns die Sender-Diskussion Fahrt auf. Der SWR fühlte sich hereingelegt, erledigte in der Hoffnung auf den Doch-noch-Abbruch gerade die notwendigsten Arbeiten. Die Arbeiten für 60.000 Euro seien dringend. Der SWR will eine Garantie, wenn wir im Januar doch nicht den Kauf beschließen, dass wir ihm dann den Betrag ersetzen. Wir erkaufen uns so Zeit, um alle offenen Punkte zu klären. Dann kommt es zum Schwur. Wenn der Antrag am Dienstag abgelehnt wird, erneuert der SWR anderntags den Abbruchantrag.

Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums sagte Ende November in der Runde im Rathaus, der Abbruchantrag werde durchgehen sowohl beim Regierungspräsidium als auch bei Gericht. Das zeige die bisherige Erfahrung. Ergo: Wer den Sender erhalten will, kann und darf nicht auf den SWR setzen. Letztlich entscheidet der Mühlacker Gemeinderat über sein Schicksal. Der Sendemast war zurzeit seiner Errichtung das höchste Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland gewesen, und auch die anerkannte „Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland“ hat sich im September 2019 mit dem Sendemast befasst: Dieser Stahlrohrmast – ein Meisterstück deutscher Ingenieurkunst und herausragendes technisches Kulturdenkmal auf dem Senderhang in Mühlacker – werde vielleicht bald der letzte seiner Art in Deutschland sein. Wir sind ein und derselbe Jahrgang: 1950.

Wenn am Dienstag bereits die reine Garantie für 60.000 Euro abgelehnt werden würde, dann wäre er schon mal weg, der Sender als Identitätsstifter passé, das mit 273 Metern höchste Bauwerk Baden-Württembergs und Mühlacker Markenzeichen Vergangenheit.

Man kann das wollen, muss es aber nicht.

2019-12-04_GR_Top2_Vorlage1_SWR.pdf

Mühlacker ohne Sender - undenkbar (2013)

 

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