Sender: Galgenfrist für den Mühlacker Gemeinderat

Der farblose Briefkopf: Botschaft aus dem Wirtschaftsministerium - auch SWR-Manager und OB als Absender

Gestern erhielt ich eine Mail aus dem Vorzimmer des Mühlacker OB. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Der angefügte Brief „an die sehr geehrten Damen und Herren Stadträten“ indessen erstaunte mich dann doch. Ein gemeinsames Schreiben zum Schicksal der langen Nadel.  Fällen oder nicht fällen, das ist hier die Frage. Nicht fällen sagen die drei Herren, die dieses vierseitige Schreiben unterzeichnet haben und die dafür plädieren, alle sollten an einem Strang ziehen und sich für den Erhalt dieses Kulturdenkmals einsetzen. Das Trio:    

Just, dass unser OB den Schulterschluss mit den beiden anderen Würdenträgern sucht, ließ mich doch ratlos zurück. Was soll das? Er müsste nur einen Antrag im Gemeinderat stellen. Nur: Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats erteilte ihm am 1. Oktober den Verhandlungsauftrag wegen des 7 ha großen Grundstückes mit dem stillgelegten Mittelwellen-Sender und einer Halle mit dem SWR zu reden sowie wegen der Gründung einer Sender Mühlacker Stiftung. Dass uns bis jetzt keine Ergebnisse vorliegen, ist der Zeit geschuldet. Doch wie sollen wir prüfen, abwägen und dann entscheiden, wenn bis jetzt nicht einmal klar ist, ob eine Versicherung bereit ist, das mit 273 Metern höchste Bauwerk Baden-Württembergs in ihre Bücher zu nehmen?

Der SWR hatte mehrmals verlangt, der Kaufvertrag mit der Stadt müsse spätestens am 31. Oktober 2019 abgeschlossen und notariell beurkundet sein. Ansonsten nehme  der SWR das Genehmigungsverfahren für den Abbruch wieder auf. Dazu bringt das Briefeschreiber-Trio eine neue Botschaft: Eine verlängerte Galgenfrist für den Gemeinderat. Er soll bis 7. November über das Kaufangebot des SWR entscheiden, bei Zustimmung müsse der Vertrag bis Mitte Dezember 2019 abgeschlossen sein.

Eine Passage lässt aufhorchen: Der Sendemast sei zurzeit seiner Errichtung das höchste Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland gewesen, und auch die anerkannte „Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland“ habe sich im September 2019 mit dem Sendemast befasst. Dieser Stahlrohrmast – ein Meisterstück deutscher Ingenieurkunst und herausragendes technisches Kulturdenkmal auf dem Senderhang in Mühlacker – werde vielleicht bald der letzte seiner Art in Deutschland sein.

Da kann einem Betrachter der Dinge schnell der Gedanke kommen, der SWR ahne seine Niederlage vor dem Kadi in einer zu erwartenden juristischen Auseinandersetzung um seinen Abbruchantrag und wolle deshalb das Gelände samt langer Nadel schnell noch für 550.000 Euro an die Stadt Mühlacker loswerden. 

Machen wir hier einen Schnitt. Beim Sender kann es nicht schnell genug gehen, aber andere Projekte bleiben liegen, kommen nicht voran. Der Vorentwurf für den Bebauungsplan „Pferchäcker“ in Lienzingen war im Dezember 2016 vom Gemeinderat beschlossen worden - bis die Verwaltung ins Verfahren einstieg, vergingen zwei Jahre und zehn Monate. Ähnlich beim Ersatzbau für den Friedrich-Münch-Kindergartens - der Geduldsfaden kann einem reissen. Oder die neue Stadthalle - der Beschluss des Gemeinderats vom Februar 2019 interessiert die Verwaltung nicht, jedenfalls macht sie keine Anstalten, die Aufträge umzusetzen. Oder das verquere Vorgehen bei der Einführung des papierlosen Gemeinderats. Dass nicht nur wir von der CDU-Fraktion höchst unzufrieden sind, zeigte sich diese Woche bei unserer gemeinsamen Sitzung  mit den Kolleg/innen der LMU.

Zurück zum Sender. Dass es schon am 27. und  30. Juli 2019 ein Gespräch gab, wie in dem brieflichen Appell steht, ist neu und fehlte auch in der Sachdarstellung zur VA-Sitzung am 1. Oktober. Nach den damals vorgelegten Unterlagen liefen die neuerlichen Kontakte einschließlich Gesprächen erst Ende August 2019 an. 

Ich weiß, es ist nicht sachgerecht, aber wie sollen wir sonst ein Zeichen des Protestes setzen? Beim Sender soll alles rasch vorangehen, bei wichtigen Entscheidungen tritt die Verwaltung auf der Stelle, bremst den Gemeinderat aus. Stoppen wir das Sender-Spielchen und lehnen den Kauf ab. 

Ach, geht ja garnicht. Bis jetzt liegt nur ein Brief vor, aber kein Antrag. 

Hier noch als PS ein paar Auszüge aus dem Schreiben an die Mühlacker Stadträte:

Durch das am 29. August 2019 erfolgte Angebot des SWR, das Sendergelände der Stadt Mühlacker zum Kauf anzubieten, haben sich die Möglichkeiten zum langfristigen Erhalt des Senders erhöht, da nicht nur eine weitere Lösungsoption hinzukommt, sondern eventuell auf der Fläche Einnahmen generiert werden könnten. Mit Einnahmen könnten Kosten für das Kulturdenkmal zumindest in Teilen bestritten werden. Die Stadt hat auch am 30. Juli 2019 in dem Gespräch im Wirtschaftsministerium Interesse am Erwerb des Sendergeländes geäußert. 

(...)

Wir möchten Sie mit diesem Schreiben um Ihre Unterstützung im Sinne einer zügigen Befassung und Entscheidungsfindung bitten. Seit der Einstellung des Sendebetriebs hat der SWR rund 190.000 Euro für Erneuerungen, Reparaturen, Inspektionen, Prüfungen und Wartungen verausgabt (ohne interne Personal- und Verwaltungskosten). Wegen notwendiger Maßnahmen am Sendemast, die nur bei weiterem Erhalt erforderlich sind, bittet der SWR möglichst zeitnah bis zum 7. November 2019 um eine verbindliche Aussage im Hinblick auf sein Kaufangebot für das Sendergelände.

(...)

Zu den erforderlichen Erhaltungskosten für das Kulturdenkmal selbst bestehen deutliche Abweichungen hinsichtlich zu erwartender Beträge. Der SWR veranschlagt rund 3,45 Millionen Euro, die Landesdenkmalpflege geht vor dem Hintergrund eines Ende 2018 beauftragten Gutachtens von rund 1,12 Millionen Euro aus. Die jährlichen Bauunterhalts- kosten (ohne Instandhaltungsrücklagen) für den Sendemast werden seitens des SWR mit rund 52.000 Euro, seitens des Gutachters mit 23.500 Euro kalkuliert. Die Abweichungen der Beträge für einmalige bzw. auf bis zu 20 Jahre angelegte Erhaltungsmaßnahmen sind insbesondere auf unterschiedliche Einschätzungen zum Sicherheitskonzept und damit verbundene Umbaumaßnahmen am Sendemast zurückzuführen.

(...)

Gerne stellen wir dar, welche Fördermöglichkeiten für den Erhalt des Kulturdenkmals Sendemast in Betracht kommen können: So wären unter dem Vorbehalt entsprechender Haushaltsmittel und Förderentscheidungen Zuwendungen aus dem Denkmalförderprogramm des Landes möglich. Durch eine Stiftung in Mühlacker einzuwerben wären des Weiteren Fördermittel bei der Denkmalstiftung Baden-Württemberg, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM). Hierfür wurden bereits Vorgespräche geführt.

(...)

Wir würden es sehr begrüßen, wenn in den kommenden Wochen alle Beteiligten die einmalige Chance nutzen und mit dem gemeinsamen Ziel des Denkmalerhalts – auch in Verbindung mit den Möglichkeiten, die das gesamte Gelände für die Stadt Mühlacker bietet – eine gemeinsame Lösung finden würden.

(...)

Für potenzielle Zuschussgeber, insbesondere auch auf Bundesebene, werden nach unserer Einschätzung ein bürgerschaftliches Engagement und das gemeinsame Ziehen aller Entscheidungsträger am Strang des Denkmalerhalts wichtige Punkte für positive Förderentscheidungen sein. Der Sendemast war zur Zeit seiner Errichtung das höchste Bauwerk der Bundesrepublik Deutschland, und auch die anerkannte „Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland“ hat sich im September 2019 mit dem Sendemast befasst. Dieser Stahlrohrmast – ein Meisterstück deutscher Ingenieurkunst und herausragendes technisches Kulturdenkmal auf dem Senderhang in Mühlacker – wird vielleicht bald der letzte seiner Art in Deutschland sein.

Der seit rund 70 Jahren bestehende Sendemast würde bei seinem Erhalt als Kulturdenkmal und Landmarke weiterhin ein Stück Heimatgeschichte darstellen und für viele Bürgerinnen und Bürger in Mühlacker und seiner Region identitätsstiftend sein. Er wäre sicherlich mit einem etwa dazugehörenden Radiomuseum ein touristischer Magnet, nicht zuletzt aber auch durch Ihren persönlichen Einsatz vor Ort ein Markenzeichen für das hohe Gut der Denkmalpflege in Baden-Württemberg.

(...)

Auch die Stadt Mühlacker bzw. eine zu gründende Stiftung hätte einen Eigenanteil zur Gesamtfinanzierung als Förderbedingung zu leisten. Entsprechende Spendenaufrufe böten sich hier an.

Sollten sich die notwendigen Erhaltungskosten für den Sendemast im engeren Rahmen dessen bewegen, welchen das der Landesdenkmalpflege und der Stadt Mühlacker vorliegende Gutachten vorgezeichnet hat, wäre nach unserer Einschätzung ein Erhalt des  technischen Kulturdenkmals Sender Mühlacker auf einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren in greifbare Nähe gerückt, vorausgesetzt ein Versicherer trägt alle Maßnahmen mit.

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