Sammeln, stapeln, staunen! Persönliche Hitparade der Karten und Briefe zum Fest
Die gesamte Weihnachtspost zu lesen und anzuschauen, gehört sich allein schon aus Respekt vor denen, die an einen denken, Motive heraussuchen, texten und diese Zeitdokumente auf den Weg zum Adressaten bringen – entweder herkömmlich per Briefträger oder befördert auf elektronischem Weg. Design und Inhalt sind häufig zu interessant, um das gedruckte oder digitale Produkt kurzerhand zu entsorgen. Mein System: Sammeln, stapeln, staunen! Mal früher, mal später, doch spätestens um den Dreikönigstag. Diesmal bin ich früher dran. Wie schon 2020 hier ein Jahreskehraus 2021 mit den besten Stücken. Geschichten, die hinter und in Karten stecken.
Hier die Top 6 der schönsten Weihnachtskarten und -briefe, die eintrafen. Und ein paar Extra-Prachtstücke. Sie alle faszinierten mich besonders, teilweise auch ihrer lokalen Note wegen.
Meine Hitliste:
Top 1:
Von Mädchen und Jungen der Grundschule Großglattbach, ganz in Rot, mit einem kleinen Wolle-Nestchen und vier Sternchen drauf, liebevoll gestaltet. Liebevoll auch der Wunsch an die Empfänger: Ein wunderschönes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 2022, voller Gesundheit, glücklicher Augenblicke, Zufriedenheit und guter Laune.
Top 2:
Ebenfalls mit heiterer Note der rothaarige Weihnachtsmann - Haare, die ihm steil zu Berge stehen. Ein Glückwunschbringer, der elektrisiert. Eine besonders ungewöhnliche Weihnachts- und Neujahrskarte, verschickt von den Stadtwerken Mühlacker (SWM). Übrigens: Die originelle Idee entwickelten Kinder aus Lienzingen vom städtischen Kindergarten Schneckenhaus an der Ringstraße. Dass sich der kommunale Entsorger dafür entschied, diesen bunten Schneemann mit ungewöhnlicher Aufgabe zu seinem Festtagsboten zu machen, spricht für die Stadtwerke – wiewohl ich als Lienzinger zugegebenermaßen in diesem Punkt befangen sind.
Top 3:
Mit Köpfchen gestaltet die Galerie der Köpfe der Volkshochschule Mühlacker. Alle, die dafür sorgen, dass es rund läuft mit Veranstaltungen, Seminaren und Theater zum Wohle ihrer Kunden (und in Corona-Zeiten auch von Menschen, die sich impfen lassen). Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll. Mit diesen Goethe-Worten grüßen Nicole Bessler, Dr. Martina Terp-Schunter, Corinna Mondon, Diana Schmitt, Thomas Bott, Petra Schmidt, Andrea Schutte, Christiane Langthaler und Majke Scheible (von oben links).
Top 4:
Die heiligen drei Könige, die das Jesuskind in der Krippe bestaunen. Zu Papier gebracht mit einem offenkundigen Augenzwinkern des (unbekannten) Zeichners, aufgeklappt im Innenteil das Bibelzitat aus Jesaja 9,5: Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Versandt von Manuel Hagel, Chef der CDU im baden-württembergischen Landtag.
Top 5:
Post von Calws Landrat Helmut Riegger – mit einem ungewöhnlichen Waldbild, so ungewöhnlich wie der Schreiber selbst. Ein Innovationsbündel. Und dazu passt auch der Satz von Mahatma Gandhi auf Blatt 2: Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun. Das steht exakt für Riegger: 2022 rollt erstmals die Hermann-Hesse-Bahn, gleichzeitig werden zwei Kliniken ge- und die Breitbandversorgung zügig ausgebaut. Und wenn sich Unternehmen im Kreis ansiedeln oder bestehende erweitern wollen, können sie auf den vollen Einsatz des Kreischefs rechnen.
Top 6:
Ein Christbaum der anderen Art. Für das Titelmotiv Das ganze Leben der Fotografin Tetyana Soares (Ich fotografiere echte Menschen, Kinder und Familien im wirklichen Leben) entschied sich die Keppler-Stiftung, der das Mehrgenerationenhaus an der Erlenbachstraße in Mühlacker gehört. Statt den üblichen Grüßen und Glückwünschen ein nachdenkliches Stück Prosa unter dem Titel Weihnachtsbräuche.
Auch Weihnachten steht im Wandel der Zeit: Anleitungen zu selbstgemachten Tannenbäumen, Spieleabend mit der Familie via Zoom und veganer Gänsebraten (ja, richtig gelesen). Neue Rituale entstehen. Und das ist auch gut so, wenn es ökologisch nachhaltig ist und man Freude am Ausprobieren hat. (…) Ob mit einem Bio-Baum, dem traditionellen Kartoffelsalat oder ganz ohne: die spirituelle Weihnachtserfahrung beginnt schließlich in der individuellen Stille.
Extra-Platz 1:
Weihnachtsgrüße als Brief mit dem Paradies, dem Eingangsbereich des Klosters Maulbronn, fotografisch erfasst und ins Grau-Silbrige getaucht. Unter dem Oscar-Wilde-Zitat Gesundheit ist die erste Pflicht im Leben bringt Bürgermeister Andreas Felchle zu Papier, was ihn umtreibt. Seit Jahren erhalte ich als Kreisrat des Schultheißen-Post zu Weihnachten und Jahreswechsel. Sie zu lesen, lohnt sich immer, ist jedenfalls ein Genuss. Der Bürgermeister mit klaren Aussagen, deutlichen Ansagen. Keiner, der als Schultes nur den Moderator spielt, sondern klar Position bezieht. Nein, man muss seine Meinung nicht voll teilen, aber darüber nachzudenken lohnt sich allemal. So muss Weihnachtspost sein. Und deshalb hier die neueste im Original:
Oscar Wilde hat diesen Satz wohl vor allem darauf bezogen, dass jede(r) von uns sich kümmern muss um den eigenen Körper, die eigene Psyche: Ernährung, Bewegung, Aktiv-Sein, aber auch Verschnaufen… In diesen Tagen gewinnt die Gesundheits-Pflicht aber noch viel weitergehende Bedeutung: „Corona“ wütet unter uns – nichts ist naheliegender als Sich-kümmern-um-die-eigene-Gesundheit. Es kommt aber die Verpflichtung hinzu, sich ebenso für die Gesundheit und das Leben anderer einzusetzen – als soziales Wesen, als dem Gemeinwohl verschriebener Demokrat, als gläubiger Mensch, als Mitbürger. Aus dieser selbstverständlichen Verpflichtung muss offenbar gesetzlich bestimmte (Impf-)Pflicht werden in einer Gesellschaft, die zunehmend Über-Individualisten, Rechthaber, Egoisten … an den Tag bringt. Immer, aber besonders in der Adventszeit so bedauerlich, dass „Miteinander“ verloren geht, gesunder Menschenverstand rasant schwindet. Gesund ist das nicht.
Und unsere eine Welt ist es längst auch nicht mehr. Wenn wir alle künftig nicht grundlegend anders handeln und leben, wird der wunderbare blaue Planet, die klimakranke Erde zur tödlichen Gefahr – für uns! Schwierige, ja schwere Zeiten. Und doch: Wir sind weiterhin unserer „Gesundheit“ Schmied! Das Hoffnungs-Licht des Weihnachtsfestes leuchtet auch 2021. Wenn „Mensch“ wirklich will, schafft er (fast) alles – auch 2022.
Extra-Platz 2:
Die drei Ampelmännchen und Ampelfrauchen aus dem Landratsamt Enzkreis wünschen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start im Jahr 2022. Sie heißen Sabine Burkard, Stefanie Frey und Jürgen Hörstmann – das Trio der Pressestelle und dem Europa-Büro ist vor allem bei den Medien als Auskunftsgeber gefragt und gefordert. Die Drei aus der vierten Etage pflegen ihren Hang zu Heiterkeit und Komödie in der meist letzten Pressemitteilung des Jahres. So auch diesmal wieder. Sie greifen auf humorvolle Art die neue politische Farbpalette in Berlin gerne (!) auf und erfinden ihren ganz persönlichen Nutri-Scores. Daran könne der Nährwert ihrer Presse-Kost künftig ganz einfach abgelesen werden.
Es gelte dabei der Satz des Lyrikers Ernst R. Hauschka: Wo der Tellerrand die Grenze des Denkens markiert, hilft auch die richtige Ernährung nichts (...) die treffende Beschreibung eines Phänomens unserer Zeit, dem wir ganz entschieden mit dem demokratischen Mittel der Information entgegentreten wollen.
Sie wollen auch im nächsten Jahr jede Menge Energie einsetzen, um den Medien – gerne auch à la carte – eine schmackhafte Voll- oder Beikost zu liefern; stets angereichert – ist zu lesen - mit nahrhaften, aber wenig ballaststoffreichen und daher gut verträglichen Inhaltsstoffen von Vitamin A über O wie Omikron 3-Fettsäuren und S wie Sättigungs- und andere Beilagen bis Z wie Zuckerberg-frei, damit Sie das Enzkreis-Geschehen weiterhin mit einer guten Prise Humor (der ja das Salz in der Suppe ist) oder gelegentlich auch bissigen Kommentaren betrachten und begleiten können. Greifen Sie daher gerne zu (und auf uns zurück) und bleiben Sie gesund und munter!
Dass sie aber nicht immer selbst kochen dürfen, was sie anderen vorsetzen, wissen die Insider. Denn Zutaten, Gewürze, also der Schärfegrad, bestimmen andere, die selbst nicht kochen, sondern kochen lassen – Landrat und Dezernenten.
Sonderpunkte:
Zur Abrundung des Ganzen (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit dieser Geschichten, die hinter Grußkarten stecken) ein paar Zitate aus eben diesen:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt – von Mahatma Gandhi, ausgesandt von der PZ und ihren Redaktionsmitgliedern Mark Klimanski und Lisa Belle
Der Zauber der Hoffnung kennt unendlich viele Lichter, die sich nicht löschen lassen – Zitate von Monika Minder im Weihnachtsbrief des Vorstandes der Sparkasse Pforzheim Calw
Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter/Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer/Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht – Zitat von Lothar Zenetti, entliehen vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirchenbezirke im Enzkreis.
Die Leidenschaft des Gerhard Reusch: Grüße mit Raritäten
Diesmal ein ausgesprochen persönlicher Schlusspunkt der Karten-Schau. Den steuert Gerhard Reusch aus Aschaffenburg bei mit seinem einzigartigen (gedruckten) Kunstwerk. Eine Rarität, die auch bei mir Freude, Überraschung, Vergnügen und Nachdenklichkeit gleichermaßen auslöst. Eine Kunstform, die der Freund und Kollege entwickelte. Gerhard Reusch und ich waren von 1969 bis 1971 Volontär in der Redaktion der Pforzheimer Zeitung, er wechselte dann als Redakteur nach Aschaffenburg (lag näher seiner Westerwälder Heimat), ich nach Ludwigsburg. Die Freundschaft blieb, wir gründeten unsere Familien, sind beide inzwischen über 70, seit einigen Jahren im Ruhestand. Während ich als neue Aufgabe die Ortsgeschichte von Lienzingen entdeckte, zog er mit seinem Fotoapparat los, erfand die Baum-Fotografie. Der 72-jährige fotografiert Bäume, Rinde und Totholz – heraus kommen verblüffende Bilder, die aussehen wie surreale Gemälde.
Zwei Zitate dazu:
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den gelernten Redakteur, der sich inzwischen mehr als Fotograf sieht und gesehen wird: Umfangreiches Kameraequipment schleppt er nicht mit sich. Ihm genügen eine schon ältere Spiegelreflexkamera und eine neuere Kompaktkamera, beide von Nikon, für seine Fotoarbeiten. Auf Zubehör wie etwa Filter verzichtet er ganz. Die Borke der Bäume, oft Birken oder Platanen, bietet, bedingt durch Witterungseinflüsse, Pilzbefall und den Zahn der Zeit, Effekte genug.
In seiner Weihnachts- und Neujahrskarte zitiert Reusch den großartigen Dichter Rainer Maria Rilke und schlägt damit die Brücke zu seiner Kunst: Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und mit wie viel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart. Die erwachsenen Menschen, die Geschäfte und Sorgen haben und sich mit lauter Kleinigkeiten quälen, verlieren allmählich ganz den Blick für diese Reichtümer, welche die Kinder, wenn sie aufmerksam und gut sind, bald bemerken und mit dem ganzen Herzen lieben.
Das sagt Rilke. Und die Worte passen zu Reusch und seiner Leidenschaft.
Ihm und den anderen wünsche ich frohe Festtage, ein gutes neues Jahr, Gesundheit. Seid behütet.
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