Die Bodenfrage wird zur Schlüsselfrage - Eine Studie - Was ist für Mühlacker tauglich?
Die Diagnose der Experten von Difu: Flächenreserven vieler Städte und Gemeinden sind nahezu aufgebraucht. Angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums werden jedoch dringend geeignete Grundstücke benötigt, allein um den Bedarf an Kitas, Schulen, Bildungseinrichtungen und vor allem für die soziale Wohnraumversorgung zu sichern. Die weiterhin steigenden Bodenpreise führen dazu, dass auch die Finanzierung solch zentraler Aufgaben der Daseinsvorsorge zunehmend schwieriger wird, heißt es weiter in einer Untersuchung.
Zitat: Dies betrifft zunächst Kommunen und Staat – letztendlich wird es jedoch von allen zu zahlen sein: Verbraucher, Nutzer, Steuerzahler. Damit wird Die Bodenfrage zur Schlüsselfrage für eine nachhaltige, am Wohl der Allgemeinheit ausgerichtete Entwicklung der Städte und Gemeinden.
Was ist die Difu?
Eine der wichtigsten Ideen-Schmieden für Kommunen ist das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu). Nicht alle seiner Ratschläge lässt sich auf eine Kommune mit 26.000 Einwohner anwenden. Aber manches schon. Zum Beispiel aus der Studie zur Bodenpolitik. Was ist für Mühlacker tauglich?
Dazu die Antwort aus dem Rathaus. Die Bodenpolitik ist für die Sicherung der stadtentwicklungspolitischen Handlungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung, schreibt Bürgermeister Winfried Abicht zu den Möglichkeiten, einzelne Ergebnisse einer Studie auf Mühlacker herunterzubrechen. Darin warnen die Wissenschaftler vor einem Ausverkauf des kommunalen Liegenschaftsvermögens. Ganz im Gegenteil - das sei als Grundlage für künftige Entwicklungen und Generationen zu erhalten und zu erweitern.
Die Städte brauchen die Trumpfkarte des Bodenbesitzes angesichts der anhaltenden Dynamik auf den Immobilienmärkten, so die Difu, bei der auch die Stadt Mühlacker Mitglied ist, die sich auch an einem wissenschaftlichen Projekt beteiligte zum Thema Migration. Die Stadtverwaltung fasst in ihrer Antwort auf meine Gemeinderatsanfrage die zentralen Ergebnisse der Studie und den aktuellen Stand in der Stadt Mühlacker sowie mögliche Entwicklungsansätze zusammen, die aus Sicht der Stadtverwaltung auf ihre konkrete Anwendbarkeit unter den Bedingungen der Stadt Mühlacker geprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden könnten.
Schwerpunkte in der Stellungnahme der Stadtverwaltung sind Flächenerwerb, Bevorratung, die Vergabe von Bauland und das Erbbaurecht.
Strategischer Grunderwerb binde langfristig kommunale Haushaltsmittel und stehe damit in unmittelbarer Konkurrenz zu konkret zur Realisierung anstehenden Projekten, heißt es in der Antwort. Es bedürfe deshalb eines hohen Maßes an Ausgabendisziplin, angesichts zur Realisierung anstehender Projekte wie Kindergartenbauten, Schulsanierungen oder Stadthallenplanungen diese zurückzustellen und vorhandenes Geld in erst langfristig bedeutsame Grundstücksbevorratung zu investieren. Ob dies bei aller Sinnhaftigkeit eines strategischen Flächenerwerbs politisch durchgehalten wird ist zu hinterfragen.
Vier unterschiedliche Ankaufsvarianten
Die Studie weise darauf hin, dass ohne langfristig ausgelegten, kontinuierlichen und systematischen Ankauf von Flächen die Kommunen erhebliche Gestaltungsspielräume verlieren würden. Unterschieden werde hierbei zwischen vier verschiedenen Ankaufszwecken: Ankauf von Grundstücken für einen konkreten Fachbedarf (Bestellerprinzip), zu Zwecken der Baulandentwicklung (Baulandmodell - Zwischenerwerb), Ankauf von Schlüsselgrundstücken oder ganzen Arealen zur Innenentwicklung und zum Stadtumbau sowie zum Aufbau einer langfristigen Flächenreserve (Flächenbevorratung).
Vor diesem Hintergrund bewähre sich ein revolvierender Mitteleinsatz, bei dem Erlöse aus Grundstücksverkäufen nicht als allgemeine Haushaltsmittel verwendet, sondern im Sinne eines Grundstücksfonds wieder in neue Grundstücke reinvestiert werden. Dabei müsse eine unmittelbare Reinvestition nicht die wirtschaftlich sinnvollste Lösung sein. Vielmehr sei eine antizyklische Erwerbspolitik anzustreben, die echte Zyklen mit Phasen zeitweise hoher Zinsen und geringer Baulandnachfrage voraussetze. Hinzu komme, dass in wirtschaftlichen Abschwung-Phasen die Finanzausstattung der Kommunen ebenfalls leide. Die Difu-Studie schlägt als Instrument einen finanziell unabhängigen Bodenfonds vor, der außerhalb des Haushalts im Sinne eines zweckgebundenen Sondervermögens eine dauerhaft angemessene Kapitalausstattung sicherstellt.
Mühlacker ErschließungsträgermodellWiederum das Baulandmodell wird angewendet, um Grundstücke möglichst langfristig und vor allem noch entwicklungsunbeeinflusst zu erwerben und dann als Baugebiet zu entwickeln, so Abicht. Die zugrundeliegende Zielsetzung ist, mit der Wertdifferenz die Kosten der Gebietsentwicklung vollständig auffangen zu können, so dass die Baugebietsentwicklung als solche keiner öffentlichen Gelder bedarf. Dieses Ziel sei in gleicher Weise über Erschließungsträgerschaften erreichbar, die wesentlich geringere Risiken aufweisen und eine geringere Kapitalbindung bewirken. Auch weitergehende Ziele wie Baugebote, energetische Standards und andere könnten im Rahmen der Erschließungsträgerschaft über städtebauliche Verträge abgebildet werden. Aus Sicht der Verwaltung liegen die Vorteile hier beim in Mühlacker eingeführten Erschließungsträgermodell.
Der Bürgermeister nennt die Ziegelei ein klassisches Beispiel für Flächenerwerb im Rahmen der Innenentwicklung. Sie sei aufgrund hoher Unsicherheiten bei der Reaktivierung von Brachflächen mit den dort üblichen Risiken verbunden, doch diese könnten beschränkt werden. Zugleich zeige das Beispiel Ziegelei, und ebenso das Areal Goldshalde, dass auf diesem Wege – allerdings in der Regel unter erheblichem Mitteleinsatz - städtebauliche Ziele wirksam verfolgt werden könnten.
Diese Formen des Grunderwerbs könnten im Wesentlichen nur privatrechtlich umgesetzt werden. Das Vorkaufsrecht der Kommune setze enge Voraussetzungen, die einem strategischen und damit in der Regel langfristigen Flächenerwerb entgegenstünden. Die Stadt könne beim Verkauf von Grundstücken erhöhte Anforderungen an die Käufer stellen, die über die Festsetzungen in einem Bebauungsplan hinausgehen. So sei seit Jahren ein Baugebot innerhalb kurzer Frist Bestandteil des Kaufvertrags, um die dauerhafte spekulative Vorhaltung nicht bebauten Baulands (Baulücken) zu verhindern. Denkbar wäre auch, an den Energieverbrauch des zu erstellenden Gebäudes erhöhte Anforderungen zu stellen, also zum Beispiel KfW70- oder KfW55-Standard zu fordern oder bei Geschossbauten den Verkauf an eine Barrierefreiheit aller Wohnungen oder einen bestimmten Anteil geförderten Wohnungsbaus zu knüpfen. Nicht zuletzt könne bei der Vergabe größerer Flächen in Teillosen auch ein Teil der Grundstücke exklusiv für bestimmte Nachfragegruppen, zum Beispiel Genossenschaften, Baugemeinschaften, Generationenkonzepte, integrative Projekte, Senioren-WGs, … vorgesehen werden, listet die Stadtverwaltung auf.
Wiederbebauung des Bijouteriegeländes nach Punkten
Anstelle von Vergabevoraussetzungen könnten die Vergabe-Kriterien auch in einen Wettbewerb der Ideen gegeben werden. Der von den Bewerbern eingereichte Bebauungsvorschlag werde auf Basis einer zuvor veröffentlichten Matrix bewertet. Die höchste Punktzahl erhalte den Zuschlag.
Die Konzeptvergabe sei darüber hinaus auch für nicht oder schwer quantifizierbare Kriterien wie die Qualität der Architektur offen. Im Zuge der Wiederbebauung des Bijouteriegeländes in Dürrmenz wurde erstmalig eine Konzeptvergabe angewendet: Die Auswahl des Käufers erfolgte auf Basis eines eingereichten Entwurfs und nicht auf Basis eines Höchstpreisgebots. Im konkreten Fall war dies den Rahmenbedingungen der Landesförderung im Zuge der Sanierung geschuldet. Im Regelfall sei eine solche Vorgehensweise beim individuellen Bau von Einfamilienhäusern eher unüblich. Anders bei Geschosswohnungsbauten oder ganzen Quartieren, die von einem Bauträger errichtet werden: Hier biete sich eine Vergabe nach dem Bestgebotsprinzip an, die Kriterien wie Barrierefreiheit, energetische Sparsamkeit, städtebauliche Qualität und anderes als Kriterien in die Vergabe einbezieht.
Mietpreisbindungen durch Erbpacht sichern
Neben einer Verstetigung von Einnahmen könnten durch Erbpachtverträge kommunale Interessen wie zum Beispiel Mietpreisbindungen dauerhaft gesichert werden. Das Grundvermögen bleibe erhalten, Grundstückswertzuwächse flössen der Kommune zu und der Immobilienmarkt werde – allerdings erst bei Anwendung in der Breite – gedämpft.
Ein sprödes Thema, das aber wichtig ist für die Entwicklung einer Kommune. Der Vergleich mit der Difu-Studie zeigt, dass Mühlacker in einzelnen Bereichen der Bodenpolitik zukunftsträchtig aufgestellt ist. Anregungen aus der Wissenschaft sollten darauf untersucht werden, ob sie für die eigene Gemeinde passgenau sind. Erfreulich, dass dies die Stadtverwaltung vorhat.
Für Mehrwissenwollende zum Herunterladen:
Difu-Studie Bodenpolitik SV_Bodenpolitik_Bunzel_u.a..pdf
Antwort auf Gemeinderatsanfrage S21-006-23-60_-_Difu-Studie_-_Bodenpolitik_wird_fuer_Kommunen_zum_Schluesselinstrument_der_Stadtentwicklung_003.pdf
Update zu weiteren Difu-Themen:
10. 02. 2021: Kommunen mit Klimaschutzkonzepten
12. 02. 2012: Zitterpartie bei den Kommunalfinanzen
11. 05. 2021: Jahresrückblick Difu 2020 Difu_Jahresrueckblick_2020_Broschuere.pdf
12. 05. 2021: Nachhaltigkeitsbemühungen der Kommunen stark variieren
Info: Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut - mit einem weiteren Standort in Köln - bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
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