Mehr Transparenz, bitte

Pressestatement der Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP zur Nominierung des gemeinsamen Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten, Christian Wulff, heute, von links Horst Seehofer, Angela Merkel, Christian Wulff, Guido Westerwelle. Copyright: CDU

Okay, in drei Tagen einen Nachfolge-Kandidaten für den überraschend zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler zu präsentieren, ist eine Leistung, die in unsere schnelllebige Zeit passt. Christian Wulff soll nun unser aller Präsident werden. Allerdings konnte dem Zuschauer der Berliner Bewerber-Suche ganz schwindlig werden, so schnell wechselten die Favoriten. Wer die elektronischen Medien verfolgte, sah gestern Abend schon das Damen-Doppel von der Leyen und Merkel an des Staates Spitze. Doch kaum war der heutige Tag erst einige Stunden alt, liefen schon die ersten Feeds durch die Twitter-Welt, die Bundesarbeitsministerin sei aus dem Rennen. Plötzlich war Wulff da. Und am Abend verkündeten die Vorsitzenden von CDU, CSU und FDP, der niedersächsische Ministerpräsident sei ihrer aller Kandidat. Und versuchten dabei den Eindruck zu vermitteln, als sei dieser dies schon immer gewesen.

Man merke sich: Transparenz ist bei Personalentscheidungen für Spitzenpositionen nicht gefragt. Kein Wort darüber, was letztlich die ausschlaggebenden Gründe für Wulff waren. Demokratie lebt doch von Offenheit. Da ist die Personalauswahl auf lokaler Ebene auch für die Bürger durchschaubarer als die in der Bundeshauptstadt. Haben die da oben in Berlin Angst, die Offenlegung eines politischen Abwägungsprozesses würde ihnen als Schwäche ausgelegt? Ist es denn besser, dass nun wieder nach Herzenslust spekuliert wird, ob die Bloggerwelt die "Zensurursula" verhinderte, ob man neben Merkel nicht noch eine zweite Protestantin an der Staatsspitze wollte oder ob zwei Frauen ganz vorne manchen Männern einfach zu viel Weiblichkeit war?

So wird eben nicht mit offenen Karten gespielt. Verkündet wird nur das Ergebnis, aber nicht der Weg dazu. Doch: Was gab den Ausschlag? Nicht nur mich würde das interessieren. Das Pressestatement von Merkel, Seehofer und Westerwelle war zu dünn. Wir sind nur noch das Publikum im Saal, das der Verkündung dessen beiwohnt, was hinter den Kulissen ausgemauschelt wurde.

Aber so geht es ja nicht nur dem staunenden Volk. Oder haben Sie in den vergangenen Tagen etwas von den Bundestagsfraktionen gehört? Nein! Die hat niemand gefragt, wen sie wollen. Ausgemacht haben alles die Parteichefs und die Ministerpräsidenten der Union. Weshalb haben wir dann so viele Bundestagsabgeordneten? Zum Abnicken jener Entscheidungen, die ihnen vorgesetzt wurden. Nur noch formal sind die Vertreter dann in der Bundesversammlung erforderlich. Aber hier unterscheiden sich Union, Freidemokraten und Sozialdemokraten nicht.

Zurück zu Wulff. Er hatte ja selbst von sich einst gesagt, nicht kanzlertauglich zu sein. Aber präsidententauglich ist er wohl schon. Nur: Wen nimmt die Union eigentlich, wenn Merkel womöglich auch noch irgendwann hin schmeißen muss? Mögliche Thronanwärter sind kaltgestellt oder ausrangiert, haben wie Koch resigniert. Dabei kommt es bei der CDU doch immer auf den Kanzler an. Ob da Mappus wieder schneller ran muss als ihm lieb ist? Nur mal so gefragt . . .


Die Karriere eines Themas - die Blogger begannen damit

Der Rücktritt von Horst Köhler ist nicht nur der erste Rücktritt eines Bundespräsidenten mit sofortiger Wirkung, sondern auch ein Rücktritt unter maßgeblicher Blog-Beteiligung. Das schreibt Carta, der Blog von Robin Meyer-Lucht, Politikwissenschaftler und Journalist. Eine interessante Darstellung über die Karriere des Themas - Handelswege und militärischer Einsatz - aus dem Köhler-Interview mit dem Deutschlandradio Kultur vom 22. Mai, das heute letztlich zum Rücktritt führte. Zuerst transportierten die Blogger die später vom Bundespräsidialamt klar gestellte Bemerkung, erst später griffen die herkömmlichen Medien den Punkt auf. Köhlers Rücktritt ist damit zugleich auch ein Lehrstück von der steigenden Bedeutung von Blogs für die politische Öffentlichkeit.

Trotzdem: Weshalb gleich der Abschied? Auch Worte eines Bundespräsidenten dürfen kritisiert werden. Allerdings muss dabei immer auch der Respekt vor dem höchsten Amt im Staate gewahrt werden. Aber nicht jede Kritik ist respektlos. Ihn allerdings gleich als Horst Lübke zu apostrophieren, wie es Trittin von den Grünen getan hat, war unverschämt. Rülke hat heute dazu getwittert und zurecht von Brunnenvergiftern geschrieben.


Staatsgläubigkeit als erstes Gebot?

"Für Enteignung" stand am Freitag über einem Leserbrief im Mühlacker Tagblatt. Ganz flott meinte eine Dame aus Ötisheim-Schönenberg, sie sei für die Enteignung und Verstaatlichung der Banken und der Monopole - unter der Bestimmung der arbeitenden Menschen.

Ich greife an den Kopf und frage mich, ob das mit der DDR so gut ausgegangen war. Und ob Beamte die besseren Unternehmer sind. Erstaunliches fördert die Finanzkrise zutage. Der Staat als guter Hort. Staatsgläubigkeit als erstes Gebot.

Aber was soll man von einer Leserbriefschreiberin schon erwarten, wenn die Linke einen Mann als Bundespräsidenten nominiert, der rundum meint, die Bundesrepublik sei keine Demokratie - und sich dafür die Zuneigung der Rechten holt.

Die Extreme verknüpfen sich. Da war doch schon mal was in der deutschen Geschichte...