Die Kreisverwaltung und ihre gezielte Informationspolitik

Das Landratsamt lässt sich ungern stören
Der immense Informationsvorsprung der Verwaltung ohne Teilhabe der Bürger birgt immer die Gefahr, dass die Bürger sich nur als beliebig gesteuerte Objekte fühlen. Das schrieb schon 2006 der damalige Bremer  Landesbeauftragte für den Datenschutz, Sven Holst. Aber auch gewählte Vertreter der Bürger bewegen sich mit der Verwaltung nicht immer auf Augenhöhe, denn  die Verwaltung hat gegenüber der Politik oft einen Informationsvorsprung - andererseits verfügt sie bei der Umsetzung der vorgegebenen politischen Ziele traditionell über weitgehende Entscheidungsfreiheiten. So Rafael Häcki im Blog Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht. Er beleuchtet zwar den Informationsvorspung der eidgenössischen Verwaltung, doch bestehen viele Parallelen zu unserem Land.  haushaltssteuerung.de, eine Internetplattform der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft, sieht die Aufgabe der Verwaltung in der  Politikvorbereitungsfunktion, die der Entscheidungsunterstützung der Politik diene. Doch wann setzt diese Vorbereitungsfunktion ein?  Die Verwaltung liefere der Politik Informationen. "Die Verwaltung nimmt damit selbst eine quasi-politische Funktion wahr, denn die Selektion der Informationen an sich, die an die Politik gereicht werden, ist bereits Politik. Hierbei verfügt die Verwaltung regelmäßig über einen Informationsvorsprung gegenüber der Politik, den sie aus ihrer Vollzugstätigkeit gewinnt." Ein etwas sperriger Text, aber er bringt es auf den Punkt: Verwaltung steuert über ihre Informationspolitik die Gremien. Drei Beispiele aus dem Enzkreis: 
  • Die Verwaltung startete ein Interessensbekundungsverfahren unter freien Trägern zur Schaffung weiterer Werkstattplätze für seelisch kranke Menschen, legte die Kriterien der Entscheidung fest und nahm eine erste Auswahl vor. Obwohl die Vergabe in die Zuständigkeit des Kreistags fällt, stellte die Verwaltung allein schon durch eigenmächtige Vorgabe der Kriterien die Weichen, ohne den Kreistag einzubeziehen, der zufällig durch Informationen aus dem Kreis der freien Träger von dem Verfahren erfuhr.
  • 2016 sprach die Kreisverwaltung einige Monate lang mit der Stadtverwaltung Pforzheim über eine finanzielle Beteiligung des Enzkreises am geplanten Zentrum für Präzisionstechnik an der Hochschule Pforzheim. Erst durch die öffentlichen Beratungen im Gemeinderat von Pforzheim erfuhr der Kreistag davon, der sich dann allein schon durch die Nicht-Information mit der Entscheidung schwer tat. Die Verwaltung erzeugte Druck, indem sie behauptete, das Zeitfenster für eine Entscheidung schließe sich noch vor Weihnachten 2016  in puncto Antragstellung bei der  L-Bank (es ist ein mit EU-Mittteln gefördertes Projekt). Das Fenster blieb dann doch noch fast sechs Monate offen. Und zur letzten Frist Ende Mai 2017 gibt es nun doch noch eine allerletzte Frist bis Juli 2017, weil die Stadt Pforzheim ihren finanziellen Anteil nicht darstellen kann. Was alles geht, wenn die Verwaltung will. Der Kreistag entschied am 6. April 2017 - innerhalb der letzten Frist, die sich dann doch als die vorletzte erwies. Der Kreistag als Spielball des Zeitdrucks  nach Verwaltungsansage?
  • Im vergangenen Oktober klopfte die Kreisverwaltung beim Regierungspräsidium Karlsruhe wegen einer eventuellen Fusion der beiden Kreisberufsschulen in Mühlacker an. Obwohl der Kreistag erst 2014 einen Schulentwicklungsplan verabschiedet hat, der von weiterhin zwei selbstständigen Schulen (kaufmännisch/gewerblich) ausging, blieb der Kreistag außen vor (wie zumindst eine der beiden Schulen auch). Nach gut fünf Monaten erreichten die Informationen eher zufällig die Gremien. Der Landrat versucht nun, das in die öffentliche Debatte geratene Thema wieder einzufangen und spricht von einer ergebnisoffenen Prüfung. Zweifel sind erlaubt. Wie schreibt Häcki? Die Selektion der Informationen an sich, die an die Politik gereicht werden, ist bereits Politik. Oder ganz banal: Nimmt die Verwaltung den eigenen Schulentwicklugsplan nicht ernst? Schulentwicklung_berufliche_Schulen_Anlage_A_-_B_-_C.pdf
Gerade diese Erfahrungen mit der Selektionspolitik der Kreisverwaltung müssen  dazu führen, dass der Kreistag sich wehrt und wenn dies nur darin besteht, einen Antrag ins Aus zu schicken. Bis die Verwaltungsspitze verinnerlicht, dass die von den Bürgern gewählten Vertreter von Anfang an einzubeziehen sind. Dann wäre es eine Politik auf Augenhöhe. Die Nachteile durch den Informationsvorsprung der Verwaltung würden zwar nicht beseitig, aber etwas entschärft. Das Primat der Politik muss hergestellt werden. Weder Bürger noch ihre Vertreter sollen sich nur als beliebig gesteuerte Objekte fühlen. 

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