Enzkreis-Kliniken im Minus, Landkreis legt drauf - Pforzheimer Helios im Plus und die Aktionäre freuen sich

Das lässt Kreispolitiker aufhorchen: Das privatisierte Helios-Klinikum Pforzheim schloss das Jahr 2021 mit einem Gewinn von 5,6 Millionen Euro ab, die Enzkreis-Kliniken (EKK) mit einem Verlust in exakt selbiger Höhe. Die CDU im Kreistag betreibt Ursachenforschung und fordert, der Gesetzgeber müsse kommunale Träger vom einschnürenden Korsett befreien, die drei Landkreise hätten die Entscheidungswege innerhalb ihres Kliniken-Verbundes zu straffen.

Genauer hinschauen lohnt. Lieber als kommunaler Träger etwas drauflegen und so den wirtschaftlichen Druck mildern - oder auch an die Aktionäre beim Konzern denken und auf Gewinn aus sein? Mir ist die erste Variante lieber.

Kliniken Mühlacker - eines der drei und mit 170 Betten größte Enzkreis-Krankenhaus. (Fotos: RKh Gesundheit)

Andere Krankenhausträger wie Calw und Reutlingen schrieben 2021 ein noch schlechteres Ergebnis als die Enzkreis-Kliniken, die mit einem Defizit von 5,6 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb statt projektierter 4,5 Millionen Euro abschlossen, erklärt die CDU-Kreistagsfraktion Enzkreis. Das sei aber ein schlechter Trost. Zusätzlich übernehme der Enzkreis den Kapitaldienst von 3,3 Millionen Euro aus Darlehen für Bauinvestitionen der Kliniken – bezahle also zusammen fast neun Millionen Euro für das vergangene Jahr, zu finanzieren über den Kreisetat und damit im Wesentlichen aus der von den 28 Städten und Gemeinden an den Landkreis zu tragenden Umlage. 

Die CDU-Kreisräte bekannten sich schon immer dazu, dass uns unsere Kliniken etwas Wert sein müssen, wir deshalb nicht von einem Überschuss oder einer Schwarzen Null ausgehen, sondern bereit sind, auch im vertretbarem Rahmen draufzulegen. Eine Position, die ich seit Jahren für die Fraktion als deren Vorsitzender und gleichzeitig einer der beiden stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzender der EKK verfechte. 2004 gehörte ich zu jenen im Kreistag, die den Verkauf der Krankenhäuser an einen Konzern verhinderten.  

Doch was ist vertretbar?  Im Gespräch sind immer wieder ein Punkt Kreisumlage, also nach aktuellem Stand knapp drei Millionen Euro im Jahr. Diesem Ziel kam das Unternehmen 2020 mit einem Minus von 3,2 Millionen Euro schon deutlich näher. Den Hauptgrund für die Verschlechterung im Jahr darauf sehen die Verantwortlichen  in der Corona-Pandemie. Auch im zweiten Corona-Jahr seien die EKK nicht ausreichend für die erbrachten Vorhalte- und Versorgungsleistungen vom Bund  vergütet worden. 

Zwar seien 2021 trotz Krise rund 20 000 Patienten in den beiden Akutkrankenhäusern Mühlacker und Neuenbürg sowie in der Geriatrischen Klinik in Mühlacker stationär und ambulant versorgt worden, trotzdem habe es beim Fehlbetrag wieder einen Ausrutscher nach oben gegeben. Wir dürfen das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Hier ist sich die Union mit anderen Fraktionen des Kreistags, aber auch mit RKH-Geschäftsführer Professor Dr. Jörg Martin einig, wie sich in den jüngsten Beratungen zeigten.

Krankenhaus Neuenbürg

Allerdings kämen kritische Rückfragen besonders aus jenen Kommunen im Enzkreis, für die aus räumlichen Gründen und traditionell der Klinik-Standort Pforzheim, Leonberg oder in der Stadt Karlsruhe näher sei, die aber für die kommunalen Häuser in Mühlacker und Neuenbürg mit bezahlen müssten. In diesem Zusammenhang verwies mein christdemokratisches Kreistagsmitglied Luca Prayon, Bürgermeister von Remchingen, auf eine im Pforzheimer Gemeinderat behandelte Vorlage, wonach das zum Fresenius-Konzern gehörende Helios-Klinikum in Pforzheim 2021 einen Gewinn von 5,6 Millionen ausweist. Aber auch innerhalb der Regionalen Kliniken Holding Gesundheit (RKH) mit den Kliniken in den Landkreisen Ludwigsburg, Enz und Karlsruhe stehen andere besser da als die RKH-Häuser im Enzkreis. 

Es sei nicht das erste Mal, sondern eher schon die Regel, dass Bretten und Bruchsal schwarze Zahlen schreiben, so die CDU-Fraktion. Die Kliniken des Landkreises Karlsruhe im RKH-Verbund hätten 2021 drei Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Da stecke zwar ein Einmaleffekt mit einem Grundstücksverkauf drin, aber auch schon eine rote Null täte der EKK und dem Enzkreis gut.  Was macht Karlsruhe besser? Ich habe als Aufsichtsratsmitglied von EKK und RKH diese Frage schon mehrmals gestellt, eher mit bisher bescheidenem Erfolg. Die beiden Häuser des Kreises Karlsruhe (Bretten und Bruchsal) bilden ein gemeinsames Plankrankenhaus, was als wirtschaftlicher Vorteil bezeichnet wird. Auf meine Bitte hin wurde ein solches Konstrukt auch für die Häuser des Enzkreises untersucht, allerdings mit negativem Ergebnis.

Die so konträren Ergebnisse 2021  veranlassten die CDU-Fraktion zu einer Anfrage an die Holding-Spitze. Axel Hechenberger, kaufmännischer Direktor der RKH, antwortete, dass die Jahresergebnisse 2021 kaum vergleichbar sind. Teilweise seien die Corona-Hilfen in voller Höhe in das Ergebnis gebucht. Ich halte unsere Vorgehensweise, die  Aufteilung auf 2021/2022 inklusiv einer angemessenen Risikovorsorge für richtiger. Die Enzkreis-Kliniken, wie auch andere Häuser, die in 2019 keine hohen Fallzahlen hatten, seien in der Corona-Phase bestraft worden, so Hechenberger. Die Ausgleiche würden immer über den Unterschied 2019 zu 2020 beziehungsweise  2021 ermittelt.

Bedeute, wenn in 2019 schon weniger Patienten behandelt worden seien, sei der Unterschied zum Pandemie-Jahr gering, und damit der Ausgleich. Hechenberger: Das ist natürlich nicht sachgerecht, da in den Pandemie-Jahren alle notwendigen Versorgungen erbracht wurden. Die Enzkreis-Kliniken würden trotz Krise und außergewöhnlichen Arbeitsbedingungen finanziell sanktioniert.

Die Erfolgsfaktoren von bundesweit agierende Klinikketten, wie zum Beispiel Helios, die die kommunale RKH nicht in dieser Dimension haben könne, seien  nach seinem Wissensstand – so Hechenberger - Einkaufskonditionen über den Konzern, konsequente Zentralisierung bundesweit und Fremdvergabe, Umsatzsteuer-Organschaft zum Beispiel im Helios/Fresenius-Konzern und damit Zugriff auf deren  Produktpalette ohne Umsatzsteuer übertreffe die Möglichkeiten der RKH bei weitem. Das betreffe zum Beispiel auch Medizintechnik. Teilweise würden Investitionen gar nicht ausgeschrieben und bewusst auf Förderung verzichtet, das sei schneller und  teilweise tatsächlich günstiger. Aber die kommunalen Träger seien dazu verpflichtet.

Wir verfolgen auch diese Erfolgsfaktoren, aber natürlich in viel geringerer Dimension. Teilweise haben wir die Option gar nicht, so Hechenberger in seiner Antwort. Zudem seien private Klinikträger  – die Gründe seien vielschichtig -  meist schneller in der Entscheidungsfindung. Als Beispiel dient das alte Schwesternwohngebäude in Mühlacker. Beim Privaten wäre die Teilfläche schon entwickelt und verkauft worden, so seine rein betriebswirtschaftliche Würdigung, der ich ausdrücklich zustimme. Auch bei der Realisierung des Gesundheitscampus am Krankenhaus Mühlacker geht es mir zu langsam. Notwendig ist bei der anstehenden Struktur- und Aufgabenreform der seit 17 Jahren bestehenden RKH die Entscheidungswege zu verkürzen. 

Gleichzeitig muss der Gesetzgeber die rechtlichen Fesseln für kommunale Gesellschaften lockern, wenn sie wie die Kliniken im Wettbewerb  stehen. Sie dürfen nicht schlechter gestellt werden wie die von Konzernen. Denn Kommune kann Krankenhaus, wenn man sie lässt.

Eigene Klinik: die Geriatrie in Mühlacker.

Uns so sieht ein Pforzheimer Kommunalpolitiker die Lage: Ich kann nur sagen, dass es ein (finanzieller) Glücksfall für die Stadt ist, dass das ehemalige Städtische nahezu privatisiert wurde. Wir halten zwar noch 5,1% am Klinikum. Die Professionalität und die Vorteile des Klinikverbundes mit ca. 80 Standorten, die Helios bietet, wäre als kommunales Krankenhaus niemals abbildbar gewesen. Klar gibt es immer wieder Kritik, in Form von Vorwürfen, dass das Krankenhaus zu sehr auf Wirtschaftlichkeit getrimmt werde, dass die Daseinsvorsorge perspektivisch gefährdet werden könnte. Auf diese Aspekte muss ohne Zweifel stadtpolitisch geachtet werden… aber die haushaltärischen Vorteile für uns Stadt überwiegen unzweifelhaft. Die Stadt wäre niemals in der Lage gewesen, weit über 100 Mio. in die Sanierung und Ertüchtigung des Standortes zu investieren.

Meine Meinung: 

Dem will ich keineswegs widersprechen. Unter haushälterischen Gesichtspunkten schon gar nicht.   Ich behaupte auch nicht, es gäbe nur den kommunalen als einzig richtigen Weg.

Für mich gehören Kliniken zur kommunalen Daseinsfürsorge, die ich nicht unter den Gesichtspunkten des Marktes und der Rendite sehe. Wie verkehrt die Welt gelegentlich ist, zeigte sich 2004: Im Enzkreis verhinderten CDU und FWV den Verkauf der Häuser, SPD und Grüne waren dafür. In der Stadt votierten bei der Entscheidung die Lager gerade umgekehrt - so gesehen stimmten in der Stadt die Fraktionen lehrbuchmäßig ab. Mein Hauptargument damals gegen den Verkauf: Die Aktionäre wollen auch etwas verdienen, das verschärft den wirtschaftlichen Druck auf Patienengten und Personal.

Übrigens: Fresenius schüttete 2021 pro Aktie eine Dividende von 0,92 Euro aus. Der Gewinn betrug 1,87 Milliarden Euro. Die müssen erst erwirtschaftet werden - auch von Helios in Pforzheim. 

Dazu passt ein Beitrag aus der ZEIT zum Thema Helios:  Helios, die größte private Krankenhauskette in Deutschland, baut Stellen für medizinisches Personal ab und nutzt gleichzeitig schlau die Corona-Staatshilfen. Die ZEIT weiter:

Aber auch bei der Helios-Zentrale verbleibt der Gewinn nicht einfach, er fließt weiter in die Bücher von Fresenius. Der Gesundheitskonzern, zu dessen Geschäftsfeldern neben Krankenhäusern auch Medizintechnik gehört, meldete für das vergangene Jahr ein Ergebnis von insgesamt 4,6 Milliarden Euro vor Steuern. Vorstandschef Stephan Sturm sagt, man habe 2020 gut gemeistert. Er untertreibt – und verwöhnt die Aktionäre, indem er die höchste Dividende ankündigt, die Fresenius jemals ausgeschüttet hat. Fast eine halbe Milliarde Euro sollen es insgesamt sein.

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