Le Schorle - Unzweifelhaft französisches Produkt, kein schwäbisches? Diese und andere neue Erkenntnisse aus der Bretagne
Das siebte Mal Bretagne. Heute am frühen Abend Heimfahrt von Trévarezrez im Landesinneren, oberhalb der Gemeinde Saint-Goazec. Das Bretonen-Land zeigt sich endlich wieder von seiner gewohnten, seiner typischen Seite.
Jetzt: 18 Grad, bewölkt, Nieselregen, etwas diesig das Wetter, stattliche Viehherden auf den Weiden entlang der Straße, die auch einen Blick auf sich ziehen. Landwirtschaft überall. Zwei Drittel der Bevölkerung der Bretagne sind in der Landwirtschaft tätig. Nimmt man das des Pro-Kopf-Einkommen als Grundlage, liegen die Einwohner der westlichsten Region im Nord-Vergleich der Regionen Frankreichs auf dem letzten Platz.
Doch in den ersten beiden Ferienwochen war die Optik der Gegend in und um das schon vertraute Plomodiern, trotz malerisch aufgereihter runder Riesen-Strohballen, weniger von der bäuerlichen Seite geprägt. In diesen Tagen war es irgendwie ein anderes Bretonen-Land. Da blieb einem bei fast 37° Celsius beinahe der Atem stehen. Der kürzeste Weg führte zum Zufluchtsort Strand.
Ergo, kein Tourenplan nach dem Motto: Was haben wir nach einem halben Dutzend Ferien an der Atlantikküste noch nicht gesehen. Vor drei Jahren fiel mein Bretagne-Tagebuch insofern umfangreicher aus. Zwölf vor zwei Jahren fiel mein Bretagne-Tagebuch insofern umfangreicher aus. Zwölf Teile.
Diesmal: In der ersten Zeit, mehr als die Hälfte, fast jeden Tag am Strand von Saint Nic, dem Nachbarort. Immer mit dem Strohhut, 2014 auf der Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd gekauft, unverwüstlich, noch gut in Form. Das schöne Stück. Dann ein zusammen klappbarer Sitz wie bei Anglers. Die Aufenthalte in Sand und Wasser sind diesmal zeitlich länger, da stört auch nicht, fünfmal umzuziehen, wenn sich die Flut naht. Fünf Rückzieher, fast schon unterhaltsam, lustig. Aber ansonsten: Viel zu heiß. Klimawandel strapaziert auch in der Bretagne.
Aber diese echt sommerlichen Tage garantieren auch die berühmten Abend Sonnenuntergänge wie aus dem Bilderbuch. Mit Handy oder Kamera auf der Terrasse in Startposition. Abendsonne, breit, kräftig, farbig, die sind gepostet bei Facebook und Co. Eausgesprochen erfolgreich. Neidvoll schauen die Daheimgebliebenen sie an, setzen Likes, lassen ein Ahhh! oder Ohhh! dem Mund entfahren. Und auf den am Handy gefertigten Ansichtskarten mit der eigenen Note, digital erfasst dank App, daheim vom Briefträger real zugestellt. Leider sind die Übertragungsraten hier nicht immer gut, die Geduld wird strapaziert.
Trotzdem es war irgendwie anders. Bretagne und der Klimawandel? Nehmen wir einfach hin, dass auch die Hitze manche begeistert, andere eben nicht. Ich jedenfalls habe nichts gegen den guten Wechsel: Afrika-Sonne und Bretagne-Kühle. Sonst bleibt nur noch Grönland oder das Schwitzen daheim.
Heute fast eine Stunde von Schloss und Park Trévarezrez zum Feriendomizil. Ach, wie haben sie uns gefehlt: Die kleinen französischen Landstraßen, über die TomTom uns heute wieder schickt. Ist das nun ein gehobener Feldweg und trotzdem für eine Straße gehalten wie die Fuchsensteige in Mühlacker oder eine nieder klassifizierte Verbindung von einem Ort zum nächsten, meist einzelnen Gehöften, Weilern, kleinsten Dörfern? Jedenfalls schmal, so dass einem möglichst kein Gegenverkehr entgegen kommen sollte, weil es sonst arg knapp wird. Die Einheimischen, intime Kenner dieser Zeugnisse einfacher Kunst von Straßenbau, hängen einem fast auf dem Heck, weil ihnen alles so langsam geht, das schleichende Etwas als Verkehrshindernis betrachtend. Da hilft nur zur Seite fahren, stoppen und überholen lassen. Der Überholer ward bald nicht mehr gesehen.
Aber wie jedes Jahr irgendwie wenig deutsche Urlauber in der Bretagne. Vielleicht täusche ich mich. Nebenan auf dem Parkplatz vor dem Discounter steht ein Fahrzeug mit M für München. So etwas hat Seltenheitswert, deutsche Kennzeichen sind rar. Ein anderes Auto mit PF für Pforzheim an der Küste. Im Lokal drei Tischnachbarn mit unüberhörbar schwäbischem Akzent. Täusche ich mich? Die Statistik hat Lü chen.
Der Grund dafür, dass Deutsch Fehlanzeige ist?
Zum Beispiel in der größten und wahrlich auch schönsten Buchhandlung von Quemper. Auf allen drei Etagen zum Beispiel kein einziges Buch in deutscher Sprache, nicht einmal ein Reiseführer durch die Stadt, immerhin Hauptstadt von Finistère, nix über die Bretagne, und selbst in den Ecken mit ausländischer Literatur, übersetzt ins Französische, fehlen deutsche Poeten ganz. Bretonisch, französisch, vereinzelt auch englisch.
Deutsche Texte zur Erläuterung für Besucher aus dem östlichen Nachbarland? Fehlanzeige auch heute wieder beim Besuch in Schloss und Park Trévarezrez. Bretonisch, französisch, englisch, einmal sogar polnisch. Dabei gehört zur Geschichte des Schlosses ein Karlsruher Bankier. 1892 beschloss James de Kerjégu, das Schloss von Trevarez in die Höhe ziehen zu lassen. Eine riesige Baustelle seinerzeit: 54 Firmen arbeiteten dort fast 14 Jahre lang. Die Kosten beliefen sich auf fast 5 Millionen Franken Gold (etwa 18 Millionen Euro).
Bauherr der Diplomat und Politiker, in Trévarez-Saint-Goazec in einer alten bretonischen Familie geboren, heiratete James 1883 Fanny Laure von Haber aus Karlruhe, Tochter des badischen Bankiers Baron Samuel Arthur von Haber. Der Vater des Schloss-Erbauers, François-Marie Jacques de Kerjégu, war Mitglied der Abgeordnetenkammer und später Senator; zwei seiner Onkel waren ebenfalls Abgeordnete. James selbst amtierte als Vorsitzender des Finistére-Generalrats.
Irgendwie 12 Stunden Distanz zu Baden-Württemberg Sorgen. Aber halt! Im Café gleich beim Eingangsbereich steht le Schorle zum Verkauf – Geschmacksrichtung Apfel, Orange, Rhabarber, Citrus, Johannisbeere. Nein, es kein bretonisches Produkt, Firmenname und Sitz erstaunen: Les Filles De l'Ouest SAS, Hauptsitz: 4 Rue Caulaincourt, 75018 Paris. Mädchen des Ostens.
Auf derenWebseite finde ich später eine doch überraschende Behauptung: Ein unzweifelhaft französisches Produkt, kein schwäbisches. Le Schorle“ entstammt einem französischen Ausdruck, der im 18. Jahrhundert von den Hugenotten nach Deutschland eingeführt wurde und „Immer lieben“ bedeuten würde . Die Franzosen benutzten es als Toast, indem sie ihren mit Sprudelwasser gemischten Wein mischten.
Eine tolle Anerkennung für die erste französische Schorle! Das Culinary College wurde von 15 großen Köchen der französischen Gastronomie gegründet. Exzellenz ist unsere treibende Kraft, um die besten Früchte auszuwählen und gesunde und köstliche Rezepte zu kreieren! 2020 verlieh die illustre Runde das Zertifikat Quality Artisan Producer.
Lassen wir es so stehen, gönnen auch unseren französischen Freunden ein Schorle.
Überhaupt,das Essen, das Trinken, das Genießen: Das ist quasi Grundlage des Erfolgs eines wundernbaren Marktes, den wir eigentlich dieses Mal erst richtig entdeckten. Der in Plomodiern - ein Ort mit gut 2000 Einwohner, so viel wie Lienzingen. Zwölf Stunden Fahrt liegen dazwischen, sonst würde sich ein gelegentlicher Abstecher zum Freitagsmarkt dieser bretonischen Gemeinde lohnen. Er hat es in sich: bunt, prächtig, vielfältig, lecker. Alles im Schatten der Ortskirche. Doch auch Textilien, ein Korbmacher. Ich erstehe einen Korb aus Weiden, mit zweigeteiltem Deckel. 50 Euro. Finde, das geht.
Ausladend die Obst-, Getränke-, Käse- und Gemüsestände. Der Olivenhändler spricht nicht deutsch, ich nicht französisch. Ich brauche erst Übersetzungshilfe, als es um zwei Worte geht: Die Wurst scharf oder nicht scharf, dito die Oliven. Was heißt scharf in der jeweils anderen Sprache? Eine junge Frau hilft mit ihren Sprachkenntnissen. Doch die eingelegten Knoblauchzehen hatte ich für irgendwie groß geratene Bohnen gehalten. Ich lasse eine kleine Portion nachlegen, nachdem der freundliches Mann mit dem Dreitagesbart andeutete, diese seien gut fürs Herz. Daheim erst ward mir die Sache klar geworden, als die Familie spöttelte, ob ich alle vertreiben wolle… der Geruchsschreck hielt sich jedoch in Grenzen. Und die Zehen, eingelegt, schmeckten. Nachschub erwünscht.
Jedesmal mindestens einmal dort: In der Crêperie de St Côme, 1974 von Marie Christine Le Droff gegründet. In dem alten restaurierten Bauernhaus gleich neben der Kirche sind Stühle und Tische eng gestellt, davor auf der Terrasse gibt es ihm wahrsten Sinne des Wortes mehr Luft. In der Küche stehen zwei Absolventen des Titels des Crêpe-Herstellers. Sie wollen die bretonische Tradition der Zubereitung von Crêpes bewahren, was ihnen nachweislich gelingt. Traditionell oder süß. Pfannkuchen, die sich auch kunstvoll formen lassen, wie mir überraschend klar wurde - wie eine Tüte, darin Eis & Co. Abbrechen, nicht schneiden - der Unterschied ist wichtig zum Genuß.
(Fortsetzung folgt.)
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