Jeden Monat: 29 Pfennig für eine „4 M längere (Telefon-)Schnur“
Fünfzig, sechzig, ja fast siebzig Jahre zurück. Die Anfänge: das erste Telefon, das erste Auto, das erste Sparbuch, der erste Posten. Gesammelt finden sich in den inzwischen aus- und aufgeräumten Kruschtel-Kisten aus meinem Keller die Zeitzeugen aus Papier, jetzt geordnet und ordentlich abgelegt. Eine Zeitreise retour mit manchem Déjà-vu-Erlebnis und der erneuten Erkenntnis, dass früher nicht alles besser war.
Das erste Telefon: Das war noch ein Aufwand, als eine Behörde das Telefon brachte und sie auch das staatliche Monopol darauf hatte. Mein erster Telefonanschluss im Juni 1971, damals in der Lienzinger Brühlstraße 190 mit der Rufnummer 3771, die ich heute noch habe. 90 Mark einmalige Anschlussgebühr, 26 Mark und 40 Pfennig als monatliche Grundgebühr für den Hauptanschluss, zuzüglich monatlich 29 Pfennig für eine „4 M längere Schnur“ steht in der (Gebühren-)„Aufstellung über die Fernmeldeeinrichtung“ des Fernmeldeamtes Heilbronn vom 15. Juni 1971. Beigefügt: Ein 20-seitiges Heft, dessen Titelseite der Bundesadler schmückt - die „Bestimmungen über Fernsprech-Hauptanschlüsse (Auszug aus der Fernsprechordnung, Ausgabe Januar 1967)“.
Geduld ist notwendig: 11. Januar 1971 stelle ich den Antrag - Nr. 50/1416 - für Hauptanschlüsse im Ortsnetz Mühlacker. Bestätigungskarte des Fernmeldebezirks Mühlacker über den Eingang des Antrags am 12. Januar 1971. Dann herrscht Funkstille, deshalb mahne ich am 4. März 1971 die Erledigung an. Am 7. Mai 1971 erhalte ich vom Fernmeldeamt Heilbronn den Text über den Eintrags ins „AFeB“, dem allgemeinen Fernmeldebuch, auch kurz Telefonbuch genannt. Immerhin.
Da warte ich noch auf den weißen Apparat. Denn am 19. März 1971 lässt der Fernmeldebezirk Mühlacker wissen: Der Fernsprechanschluss könne zur Zeit nicht hergestellt werden, da die dafür vorgesehenen Rufnummern bereits vergeben seien. Zuerst müssten die technischen Einrichtungen bei der Wahlvermittlungsstelle Mühlacker erweitert werden. Das geschehe voraussichtlich im Juni 1971. Dann komme ich tatsächlich zum Zug.
Erinnert mich aktuell an den zu schleppenden Ausbau des Breitbandnetzes. Déjà-vu-Erlebnis. Und da träumen manche noch vom staatlichen Monopol. Irrational!
Das erste Sparbuch: Es war von der Mühlacker Bank, die in den sechziger Jahren eine stundenweise besetzte kleine Filiale in der heutigen Knittlinger Straße 14 in Lienzingen, dem ehemaligen Lädle von Marie Schrodt, unterhielt. Stolz wie Bolle war ich, auch wenn die aufs Sparbuch eingezahlten Beträge immer nur klein waren. Mehr Pfennige denn Mark. Die Mühlacker Bank ist längst Vergangenheit - zuerst 1980 fusioniert mit der Rosswager Bank, dann aufgegangen in weiteren Zusammenschlüssen bis jetzt zur VR Bank Neckar/Enz mit Sitz in Bönnigheim. Längst Genosse bin ich, die „Satzung der Mühlacker Bank eG“ fiel mir jetzt wieder in die Hände - gedruckt von Rainer F. Milchraum in der Dürrmenzer Moltkestraße, den Umschlag in Orange gehalten. Auch ein Stück Stadtgeschichte.
Lienzinger Bankengeschichte
Reiner Schmollinger arbeitete die interessante Lienzinger Bankengeschichte für unser Heimatbuch (2016, Verlag Regionalkultur, S. 154 ff) auf. Der 1891 gegründete Darlehenskassenverein Lienzingen schloss sich am 29. April 1960 mit der Genossenschaftsbank Mühlacker zusammen, die sich später in „Mühlacker Bank“ umbenannte. Bis 2001 unterhielt sie eine Zweigstelle in Lienzingen, zuletzt in der Friedenstraße, der dortige Geldautomat wurde einige Jahre später ersatzlos abgebaut. Seitdem ist in unserem Ort nur noch die Sparkasse Pforzheim Calw mit Filiale und Bankomat präsent.
Das erste Amt: „Kinder lieben Schneiderbücher“ – das gilt seit fast 100 Jahren. Und galt schon 1963/64 als wir in Lienzingen unseren Schneiderbuchclub gründeten. Noch heute verwendet der Verlag das Logo mit dem geklotzten „S“. Eher bescheiden scheint die Mitgliederzahl gewesen zu sein, denn die neun Funktionen im Klub teilten sich nach der Wahl vom 10. Juli 1963 drei Mitglieder: Roland Straub (damals schon ein Aktivposten) und Albrecht Selinger (leider viel zu früh verstorben). Clubleiter, Schriftführer und - man höre! - Sitzungsführer in einem war ich. Wir trafen uns gefühlsmäßig meist unter freiem Himmel, hatten zusammen etwa 100 Schneiderbücherei, hielten Kontakt zum Schneiderbuchklub in Montevideo in Uruguay. In den von der Zentrale des Schneiderbuchclubs in München zusammengestellten Club-Nachrichten schrieb ich (Ausgabe Nr. 45 vom 23. Oktober 1964) über meine „Ostzonenreise“ (Schmölln) und appellierte an alle Clubs: „Sendet das ganze Jahr Geschenke in die Zone.“ Klingt wie aus der alten Welt, als kleine Päckchen nach „drüben“ gingen.
Frühe Leseförderung
Wie lange der Schneiderbuchclub in dem 1200 Einwohner zählenden Ort Lienzingen bestand, lässt sich nicht klären. Von Dauer kann er nicht gewesen sein. Leseförderung nennen Verlage heute solche Aktionen. Der Kinderbuchverlag wurde 1913 in Berlin von Franz Schneider senior gegründet und blieb im Familienbesitz, bis er 1985 an die dänische Mediengruppe Egmont verkauft wurde. Seit September 2006 ist Schneiderbuch eine von fünf Marken der Egmont Verlagsgesellschaften mbH in Köln. Dies sei zur Abrundung noch hinzugefügt.
Das erste Auto: ein Renault 4, als Gebrauchtwagen erstanden in der Pfalz. Der mit der Pistolenschaltung. 1280 ccm Hubraum, zugelassen 4.10.1971, laut Bescheid des Finanzamtes Mühlacker mit der Steuernummer 52/1; 49,60 Mark Kfz-Steuer pro Vierteljahr. Amtliches Kennzeichen: VAI - CR 1.
Ein Schmankerl unter meinen Fundstücken: Ein undatiertes Foto, das ich freilich nur als Kopie habe: Strahlend, in kurzen Hosen, mit langen Strümpfen, mit leicht zusammengekniffenen Augen lächelnd, stehe ich da (der links). Fröhlich auch der Junge und das Mädchen daneben, nur der Bub (?) im schicken Kinderwagen schaut leicht missmutig drei. Von rechts: Klaus und Gisela Frick, Roland Straub und Günter Bächle.
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