Der Enzkreis und sein Sozialetat: Neue Klagelieder zu alten Melodien

Was blieb von den Vorteilen der Verlagerung der Zuständigkeiten von Land (Sonderbehörden) und Landeswohlfahrtsverbänden im Jahr 2005 auf die Landkreise?  Finanziell entlasten! So lautete seinerzeit die Botschaft aus Stuttgart. Doch, jetzt Jahre später, werden vor Ort die alten Klagelieder angestimmt wie weiland vor dieser Verwaltungsreform. Legte sich der Hebel um oder war er trotz Verlagerung in der alten Position geblieben und niemand hat es gemerkt? Ist dies systemimmanent?

Mein Griff zu einer Ausgabe der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 4. Dezember 1973, Seite 3, offenbart: In fast 50 Jahren nichts Neues! Mehr als die Hälfte aller Mittel sind für Sozialausgaben bestimmt, titelte der Kollege Winfried Simonis  über die Mitgliederversammlung des Landkreistages Baden-Württemberg im Ratskeller zu Ludwigsburg. Das seinerzeitige Klagelied. In einer Entschließung wehrten sich die Landkreise, immer neue Lasten zu übernehmen, so zum Beispiel die Kindergartenbeiträge.

Der Landkreistag Baden-Württemberg tagte Anfang Dezember 1973 im Ludwigsburger Ratskeller: Der am 4. Dezember 1973 in der Ludwigsburger Kreiszeitung erschienene Bericht darüber erinnert an ähnliche Klagen von heute

Die Landkreise forderten vom Bund eine Entlastung von den kostenintensiven Leistungen für Behinderte im Rahmen eines Bundesbehindertengesetzes. Wie? Was? Das Gesetz liegt nach schwerer Geburt seit 2016 vor, die Beschwerden bleiben. Man reibt sich die Augen: 2023 nichts Neues. Der Landrat des Enzkreises und der Sprecher der Bürgermeister im Enzkreis schicken einen Brandbrief an den Kanzler. Kein weiter so! Die Belastungsgrenze sei erreicht. 

2022/23: Die aktuelle Diskussionen im Kreistag zum Haushaltsplan 2023 um die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und die Finanzierbarkeit der Hilfen über 2023 hinaus sind berechtigt und notwendig. Schon gar als zentraler Kritikpunkt der bürokratische Aufwand, der viel Geld verschlingt, das wiederum nicht direkt beim behinderten Menschen ankommt, Genauso wie die Frage der Beteiligung des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS) an Pflegesatz-Verhandlungen mit Einrichtungsträgern im Auftrag und an Stelle des Enzkreises, wobei auf die Schreiben des Caritasverbandes Pforzheim an die Fraktionen des Kreistags zu verweisen ist, der sich wünscht, dass die Kreisverwaltung statt des KVJS selbst am Verhandlungstisch sitzt und der Kommunalverband künftig maximal eine beratende Funktion übernimmt. 

Mehrmals wies ich in den Debatten auch im Sozial- und Kulturausschuss des Kreistags daraufhin, dass 2004 den Gremien die Auflösung der beiden Landeswohlfahrtsverbände (LWV) Württemberg-Hohenzollern und Baden von den Landräten schmackhaft gemacht worden sei mit der Ankündigung, die Entscheidungen würden dann vor Ort durch Kreistag und -verwaltung getroffen, die Gremien hätten eine wirksamere Steuerungsmöglichkeit auch hinsichtlich der Kosten.  Wenn wir die aktuelle Diskussion verfolgen, entsteht der Eindruck, als seien wir bei der Eingliederungshilfe ganz und gar nicht in der Steuerungsposition.

Manchmal hilft die Suche im Archiv. Die ganze Geschichte: 

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Liebe Kritiker, aufmerken und die Kurve kriegen: Stadt ist nicht der Sender-Käufer

Der Sender bleibt stehen und wird zum Privatier. Eine bessere Entwicklung hätte uns nicht passieren können. Gleich zwei Frauen, die im Land in der politischen Verantwortung stehen, sagen mehr oder minder offen, sich  über die Rettung des mit 273 Meter höchsten Bauwerks von Bade-Württemberg zu freuen - obwohl ihre Behörden es waren, die dem SWR den Weg frei für den Abbruch machen wollten: Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und die Karlsruher Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder. Fragen wir nicht, wie das zu verstehen und zu verbinden ist - offen den Abbruch zu genehmigen, im Stillen auf den Erhalt zu hoffen. Nachtreten gilt nicht.

Die Ministerin verkündete ihre Zufriedenheit am Verkauf an eine Investorengruppe per Pressemitteilung, die Regierungspräsidentin antwortete jetzt mir auf eine E-Mail, geschrieben von meinem Gemeinderatskollegen Klemens Köberle (LMU) und mir, mit der wir die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Sender schilderten und ein Eingreifen des Regierungspräsidiums Karlsruhe forderten, damit der SWR den Sender nicht abreiße, nachdem die Sprengung schon terminiert war.

Die Chefin des RP: Das Regierungspräsidium war mit dem Sachverhalt als höhere Denkmalschutzbehörde befasst und hat nach langer und intensiver Prüfung am 05.03.2020 das Widerspruchsverfahren mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides abgeschlossen. Mit dieser Entscheidung wurde die denkmalrechtliche Genehmigung für den Abriss des Kulturdenkmales erteilt. Sowohl im Hinblick auf das Verfahren wie auch im Hinblick auf die getroffene Entscheidung teile ich die von Ihnen geäußerten Zweifel am Rechtsstaat und einer geordneten Verwaltung nicht. 

Wir hatten in unserer Entscheidung darauf hingewiesen, dass diese weiteren Verhandlungen  nicht entgegensteht. Ob und unter welchen Umständen eine Veräußerung erfolgt, liegt jedoch außerhalb des Einflussbereiches des Regierungspräsidiums Karlsruhe.Ich freue mich daher darüber, dass die sich nun abzeichnende Übernahme des Sendergeländes durch eine private Investorengruppe den Erhalt des Senders zu ermöglichen scheint.

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Hello, Herzenssache: Bürger präsentieren ihre Zukunftsprojekte

Tee für alle, die eines der Bürgerprojekte vorgestellt haben

Der Name hört sich zwar schrecklich fachchinesisch an, doch in der Sache taugt das, was er bezeichnen will, als Anstoß für lokale Mitmach-Aktionen: Das integrierte kommunale Managementverfahren „Familienfreundliche, bürgeraktive & demografiesensible Kommune“. Ein Landesprojekt, gemeinsam von FaFo (Familienforschung) Baden-Württemberg sowie dem Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) auf den Markt der Möglichkeiten gebracht, 2016/17 von der Stadt Mühlacker genutzt. Klar ist: Die Sache klappte. Das zeigte sich heute bei der Bürgerprojektbörse der Stadt.Flyer-Buergerprojektboerse.pdf

Managementverfahren: Umgesetzt in sieben Zukunftswerkstätten in allen Stadtteilen, in Dürrmenz und der Kernstadt Ende 2016/Anfang 2017. Manchen Leuten war das seinerzeit ein ganzer Samstag wert. Es waren unterschiedlich stark nachgefragte, moderierte Workshops mit dem ausdrücklichen Wunsch, auch das Undenkbare denkbar zu machen und möglichst über den Tag hinaus am Ball zu bleiben. Also bürgerschaftliches Engagement zu zeigen. Das oberste Ziel kristallisierte sich allen Ortes schnell heraus, ähnelte sich zudem:  Treffpunkte zu schaffen, um die Kommunikation zu stärken. Kurzum: mehr miteinander zu schwätzen und gemeinsam zuzupacken, dafür einen auch räumlichen Rahmen zu schaffen. Und der Gemeinderat lockte mit finanzieller Hilfestellung, stellte in zwei Haushaltsjahren je 100.000 Euro bereit.  Seit April 2018 gibt es Fördersteckbriefe für Stadtteil-Treffpunkte und Bürgerprojekte zur Umsetzung aus den Zukunftswerkstätten, im Dezember 2019 leicht verändert.

Erfolgsgaranten und Nichterreichtes

Aktive Zukunftsgestaltung: Was sich seit 2017 daraus entwickelte, zeigte sich eindrucksvoll heute im Saal der Musikschule Gutmann bei einer Ideenbörse, gleichzeitig Forum für einen Erfahrungsaustausch. Der Einlader: die Stadtverwaltung, die als Folge daraus einen Leitfaden veröffentlichen will. Vorgestellt wurden Bürgerprojekte, die so vielfältig sind wie unsere Stadtteile. Sie pflegen das Wir-Gefühl.

Doch ein weißer Fleck blieb bis jetzt auf dem Stadtplan. Denn leider entwickelte sich kein einziges  Projekt in Dürrmenz oder in der Kernstadt, dort fiel auch die Beteiligung an den Zukunftswerkstätten, gemessen an der Einwohnerzahl, geringer aus. Möglicherweise zündete es bei dem/der einen oder anderen aus Kern-Mühlacker, wo einige interessierte Zuhörer wohnen, die sich heute die Präsentationen anschauten und Lust auf mehr bekamen.

Die Initiativen sollten sich näher kennenlernen, sich über Fördermöglichkeiten informieren, neue Anregungen für eigene Projekte holen und mögliche Projektpartner finden.

Nur die  Initiatoren des Projekts in Enzberg - Spielgeräte auf dem Rathausplatz - hatten keinen Beitrag zum Programm angemeldet, dafür alle anderen - Lomersheim, Mühlhausen und Großglattbach, Lienzingen gar zweimal: mit der Herzenssache sowie mit dem Bierkeller- und Kulturverein e.V., dessen Gründung sich aus Treffen der Herzenssache entwickelte. Auch ein positiver Nebeneffekt. Etwa 50 Zuhörer, darunter OB Frank Schneider und vier Stadträte (davon zwei Projektbeteiligte),  hörten zweieinhalb Stunden lang interessante Berichte, daneben bestand die Möglichkeit zu Gesprächen bei Sprudel, Limo und belegten Wecken.

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Die Kreisverwaltung und ihre gezielte Informationspolitik

Das Landratsamt lässt sich ungern stören
Der immense Informationsvorsprung der Verwaltung ohne Teilhabe der Bürger birgt immer die Gefahr, dass die Bürger sich nur als beliebig gesteuerte Objekte fühlen. Das schrieb schon 2006 der damalige Bremer  Landesbeauftragte für den Datenschutz, Sven Holst. Aber auch gewählte Vertreter der Bürger bewegen sich mit der Verwaltung nicht immer auf Augenhöhe, denn  die Verwaltung hat gegenüber der Politik oft einen Informationsvorsprung - andererseits verfügt sie bei der Umsetzung der vorgegebenen politischen Ziele traditionell über weitgehende Entscheidungsfreiheiten. So Rafael Häcki im Blog Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht. Er beleuchtet zwar den Informationsvorspung der eidgenössischen Verwaltung, doch bestehen viele Parallelen zu unserem Land.  haushaltssteuerung.de, eine Internetplattform der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft, sieht die Aufgabe der Verwaltung in der  Politikvorbereitungsfunktion, die der Entscheidungsunterstützung der Politik diene. Doch wann setzt diese Vorbereitungsfunktion ein?  Die Verwaltung liefere der Politik Informationen. "Die Verwaltung nimmt damit selbst eine quasi-politische Funktion wahr, denn die Selektion der Informationen an sich, die an die Politik gereicht werden, ist bereits Politik. Hierbei verfügt die Verwaltung regelmäßig über einen Informationsvorsprung gegenüber der Politik, den sie aus ihrer Vollzugstätigkeit gewinnt." Ein etwas sperriger Text, aber er bringt es auf den Punkt: Verwaltung steuert über ihre Informationspolitik die Gremien. Drei Beispiele aus dem Enzkreis: 
  • Die Verwaltung startete ein Interessensbekundungsverfahren unter freien Trägern zur Schaffung weiterer Werkstattplätze für seelisch kranke Menschen, legte die Kriterien der Entscheidung fest und nahm eine erste Auswahl vor. Obwohl die Vergabe in die Zuständigkeit des Kreistags fällt, stellte die Verwaltung allein schon durch eigenmächtige Vorgabe der Kriterien die Weichen, ohne den Kreistag einzubeziehen, der zufällig durch Informationen aus dem Kreis der freien Träger von dem Verfahren erfuhr.
  • 2016 sprach die Kreisverwaltung einige Monate lang mit der Stadtverwaltung Pforzheim über eine finanzielle Beteiligung des Enzkreises am geplanten Zentrum für Präzisionstechnik an der Hochschule Pforzheim. Erst durch die öffentlichen Beratungen im Gemeinderat von Pforzheim erfuhr der Kreistag davon, der sich dann allein schon durch die Nicht-Information mit der Entscheidung schwer tat. Die Verwaltung erzeugte Druck, indem sie behauptete, das Zeitfenster für eine Entscheidung schließe sich noch vor Weihnachten 2016  in puncto Antragstellung bei der  L-Bank (es ist ein mit EU-Mittteln gefördertes Projekt). Das Fenster blieb dann doch noch fast sechs Monate offen. Und zur letzten Frist Ende Mai 2017 gibt es nun doch noch eine allerletzte Frist bis Juli 2017, weil die Stadt Pforzheim ihren finanziellen Anteil nicht darstellen kann. Was alles geht, wenn die Verwaltung will. Der Kreistag entschied am 6. April 2017 - innerhalb der letzten Frist, die sich dann doch als die vorletzte erwies. Der Kreistag als Spielball des Zeitdrucks  nach Verwaltungsansage?
  • Im vergangenen Oktober klopfte die Kreisverwaltung beim Regierungspräsidium Karlsruhe wegen einer eventuellen Fusion der beiden Kreisberufsschulen in Mühlacker an. Obwohl der Kreistag erst 2014 einen Schulentwicklungsplan verabschiedet hat, der von weiterhin zwei selbstständigen Schulen (kaufmännisch/gewerblich) ausging, blieb der Kreistag außen vor (wie zumindst eine der beiden Schulen auch). Nach gut fünf Monaten erreichten die Informationen eher zufällig die Gremien. Der Landrat versucht nun, das in die öffentliche Debatte geratene Thema wieder einzufangen und spricht von einer ergebnisoffenen Prüfung. Zweifel sind erlaubt. Wie schreibt Häcki? Die Selektion der Informationen an sich, die an die Politik gereicht werden, ist bereits Politik. Oder ganz banal: Nimmt die Verwaltung den eigenen Schulentwicklugsplan nicht ernst? Schulentwicklung_berufliche_Schulen_Anlage_A_-_B_-_C.pdf
Gerade diese Erfahrungen mit der Selektionspolitik der Kreisverwaltung müssen  dazu führen, dass der Kreistag sich wehrt und wenn dies nur darin besteht, einen Antrag ins Aus zu schicken. Bis die Verwaltungsspitze verinnerlicht, dass die von den Bürgern gewählten Vertreter von Anfang an einzubeziehen sind. Dann wäre es eine Politik auf Augenhöhe. Die Nachteile durch den Informationsvorsprung der Verwaltung würden zwar nicht beseitig, aber etwas entschärft. Das Primat der Politik muss hergestellt werden. Weder Bürger noch ihre Vertreter sollen sich nur als beliebig gesteuerte Objekte fühlen. 

Ja zur Gemeinschaftsschule




Thorsten Bohl

Thorsten Bohl, promoviert und habilitiert, arbeitete früher als Realschullehrer und lehrt inzwischen an der Universität Tübingen. Er soll in einem Gutachten ein vernichtendes Urteil über die Gemeinschaftsschule am Beispiel der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen gefällt haben, schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) und wählt dafür die reißerische Überschrift "Schwäbisches Himmelfahrtskommando". Das Gutachten werde vom baden-württembergischen Kultusministerium unter Verschluss gehalten und trage den Aufdruck "Für den internen Gebrauch". Schon am Sonntagabend verlinkten erste CDU-Politiker auf Facebook zu dem FAS-Text. Heute nun holten CDU- und FDP-Landtagsfraktion den Hammer raus. Das Kultusminister solle die Geheimniskrämerei um die Gemeinschaftsschul-Studie umgehend beenden, verlangte der freidemokratische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Sein christdemokratischer Kollege Guido Wolf weiß schon: „Geheimgehaltenes Gutachten bringt Defizite der Gemeinschaftsschule ans Licht“. Er kennt nur den FAS-Bericht und schlussfolgert trotzdem: Eltern und Schulträger seien bislang getäuscht worden, indem die offensichtlich bekannten Defizite verheimlicht worden seien. Flugs schiebt er einen 7-Punkte-Katalog nach. Rülke schlägt eine ähnliche Tonart an: Angesichts des geradezu als heilsbringend angepriesenen grün-roten Prestigeprojekts hätten die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf, vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse zu erfahren. 


Wolf und Rülke ziehen schon heftige Schlussfolgerungen aus dem Papier, von dem sie fordern, dass es ihnen erst noch vorgelegt werden soll. Aber ihr Urteil fällt vor dem Lesen. Eine umgedrehte Reihenfolge, die dem Landtagswahlkampf geschuldet ist. Und was erklärt der Sprecher des Kultusministeriums im SWR-Fernsehen am Abend? Dem Ministerium liege keine Studie vor, also könne sie der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden. Eine wissenschaftliche Begleitung der Gemeinschaftsschulen sei von Anfang an vorgesehen worden. Die Frage: Für wen hat Professor Bohl nun die Studie geschrieben, hat er möglicherweise die Arbeit an einer einzigen Schule verallgemeinert? Wir wissen es nicht. Doch die Reaktionen der Opposition im Landtag, auf der ständigen Suche nach Munition gegen die Landesregierung, verrät eines: Auch wenn sie für den Fall eines Wahlsieges eine Bestandsgarantie abgibt, auf schleichendem Weg würde versucht, der GMS die Besonderheiten zu nehmen, die sie auszeichnet - das verrät der Wolf'sche 7-Punkte-Katalog. Abschaffung durch Aufweichung. Muss eine Schulform zum Gegenstand ideologischer Grabenkämpfe werden? Nein! Kinder und Eltern müssen darauf vertrauen, dass das Rad nicht zurückgedreht wird. Kommunen gaben (mit Stimmen der CDU-Ratsfraktionen) viel Geld aus, um Gemeinschaftsschulen einzurichten - auch sie haben kein Interesse daran, Opfer einer krampfhaften Abgrenzungspolitik zu werden. Ich werbe in der Union dafür, der Gemeinschaftsschule auch nach einem eventuellen Regierungswechsel alle Chancen zu lassen und weitere Schulen des neuen Typs zuzulassen.


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62 Minuten für den Haushalt 2014




Mühlacker steht im Mittelpunkt.

Einstimmig hat der Gemeinderat von Mühlacker gestern Abend den 75-Millionen-Euro-Etat für 2014 verabschiedet. Dem rein formalen Akt gingen die Stellungnahmen der Ratsfraktionen voraus, in denen auch grundsätzlich die Stadtpolitik kommentiert wurde. 62 Minuten für fünf Fraktionen: CDU 20, SPD 12, FW 11, LMU 9 und FDP Minuten. 



Der Oberbürgermeister zitierte bei der Haushaltseinbringung seinen Vaihinger Kollegen Maisch mit dem Satz, finanziell gehe es ins Tal der Tränen. Ich konnte ihm nun zum Trost sagen mit Psalm 126, Vers 5: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Aber ich stelle eher in Frage, dass wir im Tal der Tränen sind. Was uns ereilt ist die Systematik der Kommunalfinanzen: Weil wir zwei Jahre zuvor gut geerntet haben auf der Einnahmenseite, fließen 2014 höhere Summen in den Finanzausgleichstopf. Gleichzeitig schöpft der Enzkreis über seine Umlage mehr ab, obwohl sie vom Hebesatz her unverändert ist. Aber die Summe macht’s. Die gesamten Steuereinnahmen sind für 2014 mit 25,3 Millionen Euro und damit 1,1 Millionen über dem Vorjahrswert angesetzt. Nach Abzug der höheren Umlagen wird das Ergebnis ins Gegenteil verkehrt: Uns bleibt dann plötzlich rund eine halbe Million Euro weniger als voriges Jahr. Das sind 7,6 Millionen Euro netto. Wenn wir 2012 ein schlechtes Jahr gehabt hätten, würden wir in 2014 durch geringere Umlagen und höhere Zuweisungen des Landes „belohnt“. Das wäre dann wirklich nicht zum Weinen.

Wenn ab und zu gesagt wird, die Stadt habe kein Geld, so ist das unzutreffend. Sie hat Geld, allerdings zu wenig angesichts der Aufgaben, die sie zu bewältigen hat. Und es ist die Frage, für was das Geld ausgegeben wird. Uns beschäftigt deshalb die Frage, wie nachhaltig wir die Finanzlage verbessern können. Dazu gehören  Sparsamkeit und die Beschränkung auf die wirklich wichtigen Aufgaben. Andererseits wissen wir nicht nur durch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg, dass unsere Steuereinnahmen pro Einwohner unter dem Landesdurchschnitt liegen, weil wir eher die Stadt der Arbeitnehmer und nicht der Großverdiener sind. 2014 erreichen wir 90 Prozent des baden-württembergischen Mittelwertes. Trotz dieser Struktur erreichen wir 2014 mit 12,1 Millionen Euro den Rekordwert beim Anteil an der Einkommensteuer – so viel hatten wir noch nie. Der Einkommensteueranteil ist auch der stabilste Faktor bei den Steuereinnahmen Mühlackers: Er bewegte sich in den vergangenen zehn Jahren zwischen 8,1 und 12,1 Millionen Euro, wuchs meist kontinuierlich an. Dagegen verzeichnete die Gewerbesteuer eine heftige Berg- und Talfahrt – die Spanne in den vergangenen zehn Jahren lag  zwischen 4,9 und 10,1 Millionen Euro. 

Die Schlussfolgerung: Der Einkommenssteueranteil ist die stabilste Säule unserer Einnahmen. Entscheidend dafür sind die Einkommen von Menschen, die Einkommens- und Lohnsteuer bezahlen. Deshalb hängt dieser Wert auch von der Einwohnerzahl ab. 

Hier meine Haushaltsrede zum Herunterladen: Haushalt2014Mhlacker.pdf

Bahn-Bashing



Noch nicht barrierefrei: Bahnhof Mühlacker.


Ist es wirklich Erpressung, wenn die Bahn AG eine städtische Beteiligung an den Kosten für einen barrierefreien Umbau des Bahnhofes Mühlacker einfordert? Beim Bahn-Bashing sind manche Mühlacker Stadträte rasch dabei. Ob Frust abgeladen wird über die Niederlage im Streit um Stuttgart 21 oder es nur die Lust am Schimpfen über den Konzern ist? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Natürlich wäre es auch mir lieber, wenn kein kommunaler Anteil an den Kosten für den Bahnsteigumbau eingefordert werden würde. Etwas nach dem Motto "Vogel friss oder stirb" mag schon mitschwingen in der Position der Bahn, die allerdings auf eigene Kosten die Aufzüge einbaut. 1,2 Millionen Euro für die Bahnsteige aus der Stadt-Schatulle werden aber nicht auf einen Schlag fällig, wie der Eindruck erweckt wird, sondern verteilen sich auf auf alle Jahre bis 2017. Natürlich ist die Bahn-Kommunikation verbesserungswürdig. Zuerst sagte sie zu, den Bahnhof Mühlacker bis 2012 barrierefrei zu machen, jetzt sind die Aufzüge 2014 an der Reihe, die Bahnsteige erst 2016/17. Was den Bahn-Kritikern Vorschub leistet ist auch, dass sich das Unternehmen vertraglich nicht auf einen Zeitplan festnageln lässt. Aber auch dafür gibt es eine Begründung. Sie braucht das Eisenbahnbundesamt als Genehmigungsbehörde und diese arbeitet nicht immer sehr rasch (da hat auch die Stadt Mühlacker beim Bau der verlängerten Ziegeleistraße ihre negativen Erfahrungen gemacht). Dass dasselbe Unternehmen seinen Zeitplan beim Bau der Lärmschutzwände an der Strecke Stuttgart-Mühlacker bisher eingehalten hat und such mit den Plänen für Mühlacker im Terminplan liegt, will offenbar niemand wissen, würde beim Bahn-Bashing auch stören.
Also: Es gibt berechtigte Kritik an der Bahn, aber für ein allgemeines Abwatschen taugt sie nicht. Und Erpressung? Das Programm zum barrierefreien Umbau der Bahnhöfe ist nicht allein auf dem Mist der Bahn gewachsen. Darauf haben sich vor einigen Jahren Landesregierung, Bahn und Städtetag Baden-Württemberg verständigt - einschließlich des kommunalen Anteils. Auf der Basis dieses Finanzierungsmodells sind zahlreiche Haltestationen in der Region Stuttgart umgebaut worden. Kommunen haben sich dort zu ihrer eigenen Interessensquote bekannt. Tatsächlich: Auch Mühlacker ist an einem barrierefreien Bahnhof interessiert. Dass die Stadt auf eigene Kosten den Busbahnhof gebaut hat, war in ihrem Interesse - Busunternehmen musstens sich aber finanziell nicht beteiligen. Aber das spielt in der jetzigen Debatte auch keine Rolle: Manche lassen sich beim Schimpfen eben nicht stören.