Wahrscheinlich war, daß er dißmahl nicht besoffen, so wurde er ehrlich beerdigt den 19. Januar 1762

Das Ortsfamilienbuch Lienzingen, 2023. Stadtarchiv Mühlacker und Kreisarchiv Enzkreis

„7 Kinder, davon noch 2 lebend“, heißt es bei David Görzner aus Lienzingen und Anna Maria, geborene Schleitshafter, aus Schorndorf stammend, Heirat in Lienzingen 1662. „6 Kinder, davon noch drei lebend“ steht bei Abraham Grieß und seiner Frau Anna Dorothea Hafner aus Bad Liebenzell, Heirat 1675 in Lienzingen. Nebenbei: Der Vater von Abraham Grieß, der den gleichen Vornamen trug, wanderte aus Mosenrieth im Berner Land ein.

Die hohe Kindersterblichkeit wird deutlich bei der Lektüre des ersten Ortsfamilienbuches, um das sich Ruth Schneider, unsere Stadtarchivarin Marlis Lippik und Kreisarchivar Huber verdient gemacht haben. Als Lienzinger sage ich herzlich danke schön – auch dem Oberbürgermeister unserer Stadt, Frank Schneider, für seine Begrüßung.

Freud und Leid sind hier eng beieinander. Wer sich für Krankheiten und Todesursachen interessiert, ist hier genau richtig. Aber auch Ahnenforscher, Lokalhistoriker und ganz normale Leute, die sich dafür interessieren, wie ihre Vorfahren lebten. Geschichte reich an Details.

Mit Verlaub - zu Beginn kurze Nachrichten aus dem Ortsfamilienbuch als Text-Probe und zur Einstimmung. So ist zu lesen von

  1. So ist zu lesen von Louise Margarethe Arnold, Tochter des verstorbenen N. Arnold, gewesener Stallknecht, bei S[einer] Durchlaucht Herzog Carl, eine ledige, 36jährige   Dienstmagd, die seit 14 Tagen zu Besuch war bei Johannes Straubens Weib in Lienzingen. Am 4. Juli 1809 raffte sie der Tod hinweg. Die Ursache Brand, also hohes Fieber; Gewebezerfall; Nesselsucht.
"Wahrscheinlich war, daß er dißmahl nicht besoffen, so wurde er ehrlich beerdigt den 19. Januar 1762" vollständig lesen

Gestatten, in Vertretung

Nichts Neues? Immer noch im Urlaub? Der letzte Beitrag vom 18. August? Ging dem Blogger der Stoff aus? Nein! Nichts von alledem. Die Ruhe im elektronischen Tagebuch lässt sich erklären. Am Tag nach 24 mal 24 Stunden Frankreich erwartete mich als Stadtrat eine, wenn auch ungleich reizvolle Aufgabe: Für 16 Tage der Chef im Rathaus von Mühlacker zu sein. Der Oberbürgermeister im Krankenstand, der einzige hauptamtliche Beigeordnete im Urlaub, da musste der erste ehrenamtliche Stellvertreter ran. Nichts Neues für mich, doch nur an maximal fünf Tagen am Stück wurde ich als Vize in der Vergangenheit angefordert, doch diesmal ging es dreimal so lange. Im Oktober folgt eine weitere Vertretungswoche. Ungewöhnlich sicherlich, aber durchaus erfolgreich, was auch im Ehrenamt an der Stadtspitze geleistet werden kann. Tage voller Arbeit für einen Pensionär, so als stehe man noch im Berufsleben.

Mühlacker und Lienzingen stechen heraus. Zusatznamen auf den Ortsschildern. Neben der Mühlacker Vertretung Innenminister Thomas Strobl. (Foto: Ph. Schad)

Einem Stellvertreter obliegen alle Rechte und Pflichten eines (Ober-)Bürgermeisters. Deshalb ist es ratsam, diese Aufgabe ernst zu nehmen. Ich will mir nicht nachsagen lassen, nur den Grüß Gott-Onkel gespielt zu haben. Sitzungen zu leiten wie die von Ältestenrat, Amtsleiterrunde oder gemeinderätlichem Verwaltungsausschusses gehörten genauso dazu wie eine Eilentscheidung über den Kauf von Wohncontainern über 92.000 Euro – zuerst genutzt als Umkleideräume für TSV Phönix Lomersheim, dann von Flüchtlingen.

Aber auch Überraschendes: Handwerker auf der Walz, die überraschend in der Tür zum OB-Zimmer stehen. Was ist zu tun? Die Kämmerin weiß Bescheid. Also auf zur Stadtkasse. Der Pressebericht aus dem Rathaus anderntags wird häufig und gern gelesen. Ich werde häufiger darauf angesprochen als auf das Radhaus. Überhaupt: Wer genau hinschaut, findet interessante Themen für die kommunale Öffentlichkeitsarbeit.

"Gestatten, in Vertretung" vollständig lesen

Zugesagt, beschlossen, finanziert und doch nicht gebaut - der Spielplatz Ulmer Schanz

Trotz klarer Zusagen der Stadtverwaltung und der vom Gemeinderat 2015 bereitgestellten Gelder ist der Spielplatz für das Wohngebiet Ulmer Schanz in Mühlacker nie gebaut worden. Doch bis jetzt zeigte die Verwaltung keinerlei Bemühen – weder schriftlich noch mündlich – den Betroffenen gegenüber zu erklären, weshalb sie ihr Wort brach. Eine Spurensuche. Auf meine Gemeinderatsanfrage vom 11. Januar 2023 antwortete die Stadtverwaltung nun am 25. April (S23-005-60-66). Und siehe da – sie bringt Licht ins Dunkel. In der vom OB unterschriebenen Antwort werden Versäumnisse und Mängel in der Kommunikation eingeräumt. Das trifft auch auf Änderungen eines Teiles des Bebauungsplanes „alte Ziegelei“ zu, in dem nach den ursprünglichen Plänen nur eine kleingliedrige zweigeschossige Bebauung neben der Ulmer Schanz vorgesehen war. Jetzt geht es aber dort deutlich höher hinaus.

Mühlacker: Wo Ulmer Schanz (links) und künftige Ziegelhöhe aneinander grenzen. Ausschnitt aus den Planunterlagen der Stadt Mühlacker (Stand April 2023) mit dem Cluster AO. Ursprünglich war dort ein provisorischer Spielplatz für Ulmer Schanz und Aischbühl vorgesehen. In den ersten Entwürfen fiel zudem die Bebauung niedriger aus - Widerstand kam erst auf, als die Planer in die Höhe gingen

Das Thema ist alt, Kinder sind wohl inzwischen dem Spielplatzalter entwachsen. Im Juni 2011 fasste der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss für den Spielplatz, im Sommer 2014 gab es einen gemeinsamen Antrag aller Ratsfraktionen für eine solche Investition. Doch nix geschah. In schöner Regelmäßigkeit meldeten sich immer wieder Eltern aus der Ulmer Schanz.  Meine Frage an die Stadtverwaltung vom August 2014 war die gleiche wie die der Anrufer: Wie ist der Stand? Die Botschaft aus dem Rathaus daraufhin vor acht Jahren:

Nach derzeitigem Stand bietet sich ein Spielplatzstandort für das Gebiet Ulmer Schanz auf der städtischen Ackerfläche östlich des Hohlweges/Maulbronner Weges hinter dem Sparkassengelände an. Er könnte bei einer Bebauung des Ziegeleigeländes bestehen bleiben und in den an dieser Stelle vorgesehenen Grünzug eingebunden werden. Einen Spielplatz innerhalb des Baugebietes Ulmer Schanz, wie ursprünglich gewünscht, zu schaffen, erwies sich nicht als zweckmäßig.

Doch danach fing die Verwaltung an, bei Anfragen zum Thema einsilbig zu werden, teilweise gar zu verstummen, so zum Beispiel 2019. Jetzt wollte ich es genau wissen und brachte die nun beantwortete Gemeinderatsanfrage ein.  Den erneuten Anstoß gab ein Gespräch mit Kritikern der geplanten und inzwischen zur Hälfte erfolgten Abholzung der Feldhecke zwischen dem neuen Stadtquartier Ziegelhöhe und dem Wohngebiet Ulmer Schanz. Ein Lokaltermin Anfang Januar bei kaltem und regnerischem Wetter, bei dem deutliche Defizite in der Kommunikation der Verwaltung mit den steuerzahlenden Stadtmenschen zu Tage traten.

"Zugesagt, beschlossen, finanziert und doch nicht gebaut - der Spielplatz Ulmer Schanz" vollständig lesen

Neues von den Pferchäckern

Die Stadtverwaltung legt sich noch nicht fest, wann mit der Offenlage für die Öffentlichkeit der nächste Schritt im Bebauungsplanverfahren für das Wohngebiet Pferchäcker in Lienzingen getan wird. Das hänge von der Einigung mit den Grundstückseigentümern ab, so Oberbürgermeister Frank Schneider in einer Antwort auf meine Anfrage im Gemeinderat. In einer früheren Antwort nannte die Verwaltung den Herbst 2023 als Beginn der Erschließungsarbeiten.
Zu einer Verzögerung kam es durch Kritik zweier Eigentümer an der unterschiedlichen Ausrichtung von Baufenstern auf dem Grundstück. Hier gebe es kein pauschales richtig oder falsch, so die Verwaltung. Insbesondere gebe es aber keinen wie auch immer gearteten Anspruch darauf, dass alle Baufenster eines Baugebiets in eine Himmelsrichtung angeordnet sind. Der OB: Im Rahmen der kommunalen Planungshoheit gibt es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung in dem Sinne, dass auf jedem Grundstück eines Baugebiets dieselben Rahmenbedingungen gelten müsste.

"Neues von den Pferchäckern" vollständig lesen

Der Zeisig, die Suche nach Wohnraum und Mühlackers ökologische Kehrtwende

Nehmen wir die drei großen Wohngebiete der Nachkriegszeit in der Kernstadt als Vergleich zum jüngsten, bisher nur auf dem Reißbrett vorhandenen Ziegelhöhe. Mühlacker entwickelte in den Nachkriegsjahren das Heidenwäldle, den Senderhang und den Stöckach als große Siedlungen. Die wohnungssuchenden Menschen warteten auf ein Dach überm Kopf. Die drei Quartiere entstanden nach einem jeweils einheitlichen städtebaulichen Konzept - auf Kosten der Natur. Denn der Siedlung Heidenwäldle fielen in den sechziger Jahren mehr als sieben Hektar Wald zum Opfer, bei Aischbühl und Senderhang wuchsen auf der grünen Wiese Wohnhäuser in die Höhe - alle drei Projekte, zeitversetzt geplant und realisiert, bedeuteten einen gewaltigen Flächenfraß. 

Der Entwurf des Bebauungsplanes alte Ziegelei. Die gesamten Dokumente stehen auf der Homepage der Stadt Mühlacker

Und nun das Contra-Programm: die alte Ziegelei - projektiert auf einer Gewerbebrache. Kehrtwende  zun Nutzen der Ökologie. Wohnungen für voraussichtlich 1400 Menschen, dazu Baumarkt und Einkaufszentrum sowie das Traditionsuntertnehmen Craiss. Seit Jahrzehnten für die Ziegel-Produktion genutzte Fläche - als Industrieareal mit allen Nachteilen für die Umwelt - wird recycelt. Kein einziger Meter grüner Wiese wird in Anspruch genommen. Innentwicklung von der besten Seite. Kein Flächenfraß. Und trotzdem!? 

Noch immer Baustelle: Das Areal der alten Ziegelei (Fotos: Günter Bächle, 12_2023)

Trotzdem: Die Stadt führe mit diesen Ziegeleiplänen einen Krieg gegen die Natur war am Samstag in einer Pressemitteilung des BUND im Mühlacker Tagblatt zu lesen. Krieg? Da fällt mir Putins Überfall auf die Ukraine ein. Ziegelei gleich Ukraine? So einen Unfug habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Tagelang trieb mich diese Entgleisung des BUND um, am Dienstagabend deshalb nach dem letzten Punkt der Tagesordnung meine Wortmeldung im Gemeinderat zum Thema, die wiederum Auslöser war für eine kurze, aber an Klarheit und Eindeutigkeit der Worte kaum zu übertreffende Debatte. OB und Fraktionen wiesen den Vorwurf mit Entschiedenheit zurück.

Bösartiges vom Bund für Umwelt-und Naturschutz (BUND) Mühlacker und Region Nordschwarzwald. Offenbar angestoßen von einem Bewohner der Ulmer Schanz, während der Landes-BUND eine zwar in Details kritische, aber insgesamt zustimmende Kommentierung zum Bebauungsplan vor einiger Zeit vorlegte.

"Der Zeisig, die Suche nach Wohnraum und Mühlackers ökologische Kehrtwende" vollständig lesen

Kanäle, Accounts, Apps: Mühlacker legt zu

Eine Portion Mediales, bittschön - lokal, regional, national.

Offizielle Seite der Stadt Mühlacker

Mühlacker holt bei der Öffentlichkeitsarbeit auf, nachdem man jahrelang auf der Stelle trat (der erste Antrag zur Nutzung der sozialen Medien lag im Frühjahr 2013 vor, eingebracht von der CDU-Fraktion – es erfolgte Kenntnisnahme, eine milde Form der Ablage, deshalb von der Union neu aufgelegt im Mai 2016).

Immerhin: Nach erstem Zögern ist die Stadt jetzt auch auf Instagram aktiv. Der OB an die Stadträte:  Wir wollen diesen Account künftig nutzen, um besonders auch jüngere Personen zu erreichen. Während Twitter für unsere Verwaltung noch kein Medium ist, das sie nutzen will, präsentiert sich Mühlacker auf Facebook schon seit 2013 als junge Stadt (2200 Follower)Noch ist die Zahl der Beiträge und die der Follower bei Instagram auf niedrigem Niveau, der Trend zeigt jedoch nach oben. Momentan bespielen besonders Stadtbücherei und Volkshochschule diesen Kanal.

Apropos Kanal: Stadt Mühlacker heißt einer auf Youtube mit derzeit 37 Abonnenten und zahlenmäßiger schmaler Videokost.

Mit ihren Social-Media-Auftritten ist sie fit, auch wenn der Datenschutzbeauftragte des Landes sich zurückhaltend über ein kommunales Engagement auf diesen Plattformen äußert. Der Vorschlag, wie Pforzheim aktuell aus den Gemeinderatssitzungen zu berichten, konnte nicht begeistern, schon deshalb, weil Kommunen den Medienunternehmen rechtlich nicht ins Gehege kommen sollen – keine wettbewerbsverzerrende Konkurrenz nennt sich diese Vorgabe.

Auch auf dem App-Markt ist die Senderstadt unterwegs. Mit der Stadt-App und ihrem von der Ratsmehrheit erzwungenen Schmalkost-Angebot: Homepage-Inhalt und Mängelmelder (etwa 350 aktive Nutzer, 2021) und die enzJoy-App von Stadtwerken, MT und anderen - mit deutlich höheren Nutzer-Zahl, da sie auch thematisch breiter aufgestellt ist und noch mehr Inhalte plant (zum Beispiel: Herzenssache Lienzingen interessiert sich, ihr Datenmaterial über den Stadtteil so online zu verwerten).

Das alles macht sich nicht von allein oder nachts durch fleißige Heinzelmännchen von Mühlacker.  Die Stadt Pforzheim hat insgesamt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit (ÖA). Die Senderstadt bleibt deutlich hinter der Eins vor dem Komma zurück.

"Kanäle, Accounts, Apps: Mühlacker legt zu " vollständig lesen

Das unscheinbare Herzenhäusle und sein nun gelüftetes Geheimnis

Das Rätsel gelöst, das letzte Kapitel geschrieben, die Dokumentation des Mittelalterarchäologen Tilmann Marstaller der Öffentlichkeit vorgestellt - am Ort des Objekts, das im Februar 2022 der Spitzhacke zum Opfer fiel, und auf dessen Spuren sich der Forscher begab. Es ist die überraschende Geschichte des unscheinbar wirkenden Taglöhnerhauses in Lienzingen. Laut seiner bauhistorischer Kurzuntersuchung steht nun endgültig fest: Das so genannte Herzenhäusle ist nicht erst in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden, wie manche in Lienzingen mutmaßten, sondern ging laut Anfang des Jahres vorgenommener dendrochronologischer Datierung aus einem 1828 erbauten Nebengebäude hervor - einem Heuhaus.

Bei der Vorstellung der Dokumentation zum Herzenhäusle mit Stadtarchivarin Marlis Lippik, Tilmann Marstaller (Zweiter von links) und Amtsleiter Konrad Teufel von der Stadt Mühlacker (rechts). Hinter dem Zaun stand bis Februar 2022 das Objekt der Forschung.

Für die darin dann anno1848 eingerichtete Hafnerwerkstatt bot sich das deutlich vom Ort abgerückte Gebäude mit der größten Grundstücksfläche aller Häuser des Dorfes an, denn der Brennofen des Töpfers hätte durch überspringendes Feuer in der dichten Bebauung höchste Brandgefahr bedeutet. Die Nutzung als Wohnhaus lässt sich von 1863 an belegen. Ein einstöckiges Bauwerk, das sich wegzuducken schien, zu Beginn des 20. Jahrhunderts modernisiert, nach Osten erweitert und neu eingedeckt, so Tilmann Marstaller. Wäre das Gebäude nicht in einem derart desolaten Bauzustand geraten, es hätte in seiner praktikablen Bauaufteilung mit geräumiger Stube, Küche und Nebenraum mit den Tiny-houses von heute konkurrieren können, schreibt der Bauforscher (Seite 9). 

Die Aufteilung - Vorgängerin des heutigen Tiny houses? (Quelle: Dokumentation Marstaller, S. 7)

Eine Dokumentation über ein unscheinbares, marodes Gebäude mit der Adresse Friedenstraße 26/1 oder 26a, jetzt vorgestellt am Platz, auf dem es bis im Frühjahr stand. Die Stadt Mühlacker, seit 2018 Eigentümerin, ließ es notgedrungen platt machen, gerade weil es so heruntergekommen war. Auf meine Bitte als Stadtrat hin machten Oberbürgermeister Schneider und Baubürgermeister Abicht jedoch vorher den Weg frei, um das Häusle  dokumentieren zu können.

"Das unscheinbare Herzenhäusle und sein nun gelüftetes Geheimnis " vollständig lesen