Auch mal neue Gedanken zulassen oder Das Heimatmuseum und die Löffelstelz

Heimatbücher werden schon längst nicht mehr als chronologische Darbietung von Fakten verfasst, sondern sind thematisch gegliedert. Die Autoren stellen die Daten in den geschichtlichen Zusammenhang, ordnen sie ein, erschliessen dem Leser ein Zeitfenster, durch das er auf Vergangenes blicken kann, um ein Gesamtbild zu erhalten. Inzwischen wenden Museums-Macher diese didaktischen Änderungen auch auf Ausstellungen an. Das war auch Thema eines Besuches der CDU-Stadträte bei den "Scherbabuzzern" und dem Archäologen Tillmann Marstaller, über den ich im Weblog berichtet habe.

Ergebnis der Gespräche vor Ort war ein Antrag der CDU-Fraktion im Gemeinderat. HeimatmuseumundLffelstelz.pdf, der am Dienstag, 1. April beraten wird.

Doch die Stellungnahme der Verwaltung drückt das aus, was schon gemunkelt wurde: Das Amt für Bildung und Kultur will zwar auch eine Dauerausstellung mit den neuesten Funden von der Burgruine Löffelstelz, doch damit soll es gewesen sein. Keine Neuausrichtung, keine neuen Erkenntnisse über Museums-Gestaltung, nicht einmal der Blick eines externen Fachmanns zur Aufbereitung der sehenswerten Exponate ist erwünscht. Lieber wird im eigenen Saft geschmort. Hier die Argumente in der Sitzungsvorlage der Verwaltung: Museum.pdf.

Eine interessante Diskussion wird es darüber im Gemeinderat geben. Denn das Heimatmuseum in seiner jetzigen Art der Darbietung ist mehr als ein Vierteljahrhundert alt. Darüber nachzudenken, wie für noch mehr Menschen die Sammlung in der historischen Kelter interessant gemacht werden kann, sollte eigentlich Pflicht auch für eine Verwaltung sein. Möglicherweise gibt es neue Ideen. Denn Heimatgeschichte steht hoch im Kurs - die Menschen wollen dabei Orientierung.

Löffelstelz und die Funde oder Echt gut, die Geschichte

Archäologe Tilmann Marstaller (links) erläutert die Funde, wie sie aufbereitet und erfasst werden. Eine interessante Geschichtsstunde bei den Scherbabuzzern.


Heute Abend gab es einen spannenden Termin bei den Scherbabuzzern in ihrem Domizil am Leoweg in Mühlacker-Dürrmenz. Um Zeitzeugen der Löffelstelz-Geschichte ging es beim Gespräch mit der ehrenamtlichen Helfertruppe der Archäologen während der Grabarbeiten auf der Burg. Alterturmsforscher Tilmann Marstaller sowie der Sprecher der Scherbabuzzer, Bernd Wellinger, informierten über den aktuellen Stand der Aufbereitung der Funde. Der Aufwand für die Zeitzeugen der Ruine hoch über dem Enztal hat sich als Basis der neuen Erkenntnisse sowie für die populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Auswertungen gelohnt. Ziel ist nun eine repräsentative und selbsterklärende Darstellung der Zeit des Spätmittelalters im Heimatmuseum.

Unsere Fraktion unterstützt den Plan, 2009 in der Schriftenreihe der Stadt einen Band über die Forschungsergebnisse zur Löffelstelz zu veröffentlichen. Im selben Jahr sollte auch eine Dauerausstellung im Heimatmuseum über das Spätmittelalter eröffnet werden. Dies kann die Chance sein, das Museum nach den neuesten didaktischen Vorstellungen auszurichten. Die Exponate müssen stärker in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang gestellt werden. Dadurch kann das Museum nur gewinnen. Statt einer reinen Sammlung sollten die Gegenstände in Zeitfenstern zusammengefasst werden, wobei auch die Geschichte der Stadtteile einbezogen werden muss – beim Spätmittelalter zum Beispiel die der Wehrkirchen von Lienzingen und Großglattbach.

Insgesamt sind von den Scherbabuzzern in ihrem Domizil am Leoweg zwischen 30.000 und 40.000 unterschiedliche Funde aufbereitet worden. Jedes Stück hat man fünf- oder sechs Mal in die Hand nehmen müssen – vom Ausgraben über das Säubern und Sortieren bis zur Erfassung in einer extra dafür von Marstaller angelegten Datenbank und der Verpackung. Bisher sind etwa 11.000 Stücke in der elektronischen Kartei registriert worden und damit etwa ein Viertel. Marstaller rechnet damit, dass diese Arbeiten in den nächsten Monaten abgeschlossen werden können. Er erfasst die Stücke, wiegt sie, fertigt mit dem Scanner jeweils ein Bild an und die Scherbabuzzer liefern notwendige Zeichnungen mit Größenangaben und Querschnitten, mit denen der Computer ebenfalls gefüttert wird. Das war ganz beeindruckend. Die Laien hätten sich inzwischen selbst gute Fachkenntnisse angeeignet, ein solches Engagement sei einmalig, sagte Marstaller: „Dadurch konnten weitaus mehr Funde gesichert und erfasst werden als bei einer Ausgrabung allein mit hauptamtlichen Kräften.“ Ein solcher Zeitaufwand ehrenamtlicher Kräfte sei selten im Land.

Derzeit erfolge die archäozoologische Bestimmung und die Auswertung der Tiefknochenfunde durch eine Expertin.

Die Funde landen im Archäologischen Landesarchiv Rastatt, das allerdings bereit ist, Stücke als Dauerleihgabe für eine Ausstellung im Heimatmuseum der Stadt zu überlassen. Eine Chance, die genutzt werden sollte. Da waren wir uns alle einig. Es ist wichtig, die Exponate plastisch darzustellen und dem Betrachter den Alltag der Menschen in der Zeit, als das Löffelstelz-Areal bewohnt war, nahezubringen. Was den Fundkomplex so wertvoll mache, seien nicht die einzelnen Scherben, Knochen oder Metallstücke, sondern seine Vollständigkeit, welche die seltene Gelegenheit auch für eine statistische Auswertung des Fundmaterials biete, die wiederum Rückschlüsse auf das Leben der Menschen zulasse, sagte Marstaller uns.

Zahlreiche Teile von Ofenkacheln belegen den Wohnkomfort in den Stuben, die mit Kachelöfen beheizt wurden. Scherben von Kochgefäßen geben Zeugnis von der Kochkunst des 13. bis 15. Jahrhunderts. Eierspeisen bereitete man in Dreifußpfännchen zu, der mittelalterlichen Vorläuferin der Bratpfanne. Stellvertretend für die vielen Metallfunde steht ein gut erhaltenes Türschloss aus dem 15. Jahrhundert. „Nun lässt sich das Spätmittelalter in seinen ganzen Facetten darstellen – nicht wie es allgemein war, sondern ganz konkret in unserer Heimat“, fasste Wellinger zusammen. Er hat recht. Die Funde von der Löffelstelz brachten viele neue Erkenntnisse und bedeuteten heimatgeschichtlich fast einen Quantensprung. Echt gut, die Geschichte!