Zum Nachdenken oder Der Mensch ist das A und O

Man hat öfters den Eindruck, dass bei Unternehmensentscheidungen letztlich die Zahlen im Mittelpunkt stehen und nicht der Mensch. Eine fatale Entwicklung, die ich für verderblich halte. Schon gar, wenn trotz satter Gewinne immer mehr Jobs gestrichen oder in Billiglohnländer verlegt werden. Dazu - und nicht nur, weil morgen Pfingsten ist - eine Meldung von heute.

Papst: Mensch ist A und O der Wirtschaft

"Die Wirtschaft hat Verantwortung für den Menschen. Daran hat Papst Benedikt XVI. junge Unternehmer der italienischen Industrie- und Handelskammer erinnert, die er am Mittag in Audienz empfing. Die Achtung der Menschenwürde sei ihre oberste Pflicht:

„Es ist unverzichtbar, dass der letzte Bezugspunkt wirtschaftlichen Handelns das Gemeinwohl ist, sowie die Erfüllung der legitimen Erwartungen des Menschen. In anderen Worten: Das menschliche Leben und seine Werte müssen immer das A und O der Wirtschaft sein.“

Unternehmer und Betriebschefs hätten aus sozialer Sicht eine zentrale Rolle; bei ihnen liefen technische, kaufmännische und kulturelle Aufgaben zusammen, so Benedikt.

„Bei den großen strategischen Finanzentscheidungen, bei Ein- und Verkauf, bei der Verkleinerung oder des Schließens von Betrieben, in der Fusionspolitik kann man sich nicht nur auf finanzielle oder kaufmännische Argumente beschränken. Die Produktion muss wieder zu einem Bereich werden, in dem der Mensch sein eigenes Potential entwickeln kann, in der seine persönlichen Fähigkeiten Frucht bringen können. Es hängt im großen Maß von euch Unternehmern ab, günstigere Bedingungen dafür zu schaffen.“


Einmal mehr betonte der Papst auch den Schutz der Familien. Das bedeute auch die Sicherstellung einer angemessenen wirtschaftlichen Grundlage."
(Radio Vatikan)

Ich meine: Gerade die Neoliberalen in der deutschen Politik - auch in der Union - sollten das beherzigen. Das würde den Menschen die Angst nehmen, die gerade dann ausgelöst wird, wenn angeblich wichtige wirtschaftspolitische Reformen auf der Tagesordnung erscheinen - die meist einseitig auf den Abbau von Arbeitnehmerrechten abzielen. "Im Mittelpunkt steht der Mensch", ist die Botschaft der christlichen Sozialethtik. Er muss wirklich Mittelpunkt sein - der arbeitende Mensch, ohne den das Kapital nichts ausrichten könnte.

Krippenplätze oder Wahlfreiheit statt Zugzwang

Es ist leichtfertig, wie Mühlackers Stadtpfarrer Claus Schmidt über die Forderung nach mehr Kinderkrippenplätzen im Mühlacker Tagblatt vom 27.2.2007 spricht. Er behauptet in der Antwort auf die erste Frage, dass für jedes Kleinkind ein Krippenplatz geschaffen werden soll, um Frauen unter Zugzwang zu setzen, ihre Kinder in Krippen zu geben. Das ist nicht richtig und eine Verkennung der Wirklichkeit. Es geht nicht um Zugzwang, sondern um Wahlfreiheit.

Die alten Bundesländer bieten im Schnitt nur sieben Prozent Betreuungsmöglichkeiten an. Familienministerin von der Leyen will die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder bis drei Jahren in der kommenden Legislaturperiode auf 750.000 verdreifachen. Dies entspricht einer bundesweiten Quote von 40 Prozent.

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sprach sich die Bundeskanzlerin für Wahlfreiheit der Eltern aus. Mütter und Väter sollten allein entscheiden, ob ihre Kinder innerhalb der Familie oder außerhalb des Elternhauses betreut werden.

Dies setze jedoch die Möglichkeit der Wahl voraus, sagte Merkel. Die Betreuungsquote in den alten Ländern ermögliche nicht jedem Elternteil, der dies wolle, die berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Die Politik habe aber die Pflicht, sich auf die verändernden Wünsche und Vorstellungen junger Paare einzustellen: "Der Staat hat nicht darüber zu befinden, ob die Erziehung außerhalb des Elternhauses oder in der Familie besser für das Kind ist."

Wir haben in Mühlacker zum Beispiel altersgemischte Gruppen eingerichtet:
Kindergarten-Gruppen, in denen auch schon Zweijährige aufgenommen werden.
Wird dadurch ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Druck auf Frauen ausgeübt? Wohl kaum. Müssen sich Mütter oder Väter, die dieses Angebot nutzen, ein schlechtes Gewissen machen? Das wird sich auch Pfarrer Schmidt nicht erhoffen.

Das Elterngeld und die steuerliche Begünstigung von Kinderbetreuungskosten sind wichtige Schritte auf dem Weg, jungen Familien mehr Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten zu bieten. Doch wenn sich beide Elternteile auch für ein berufliches Fortkommen entscheiden oder auf das gemeinsame Einkommen angewiesen sind, brauchen sie vor allem schon frühzeitig eine gute Alternative für die Betreuung ihrer Kinder. Für Alleinerziehende gilt dies in einem besonderen Maße.

Die Entscheidung für Familie und für Kinder und für ihre Betreuung ist immer individuell und privat. Der Staat kann und will jungen Eltern nichts vorschreiben (sollte auch kein Pfarrer und kein Bischof aus Augsburg tun!).
Doch sind heute rund 90 Prozent aller Frauen, in dem Alter in dem sie typischerweise in Deutschland ihr erstes Kind bekommen, berufstätig. Aus diesem Grund steht der Staat in der Pflicht, Bedingungen zu schaffen, die jungen Paaren helfen, in einer modernen Welt noch ihre Familienwünsche zu verwirklichen, ohne dabei in einen Zwiespalt zu geraten.

Wir haben keine volle Wahlfreiheit, weil es an Betreuungsangeboten fehlt. Ich finde es fast schon zynisch, wenn einige jetzt so tun, als ob ein freiwilliges Angebot für einen Kinderbetreuungsplatz ein Zwang sei, sein Kind auch dorthin zu geben. Hier die DDR anzuführen, zeigt doch nur, dass es offenbar eine fremde Welt ist, der Pfarrer Schmidt begegnet. Einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen, ist doch keine Trennung des Kindes von der Familie. Frühzeitige soziale Kontakte haben keinem Kind geschadet.

Nochmals: Es geht um Wahlfreiheit. Es ist Sache der Eltern, sich für den Weg zu entscheiden, den sie für sich und ihre Kinder für richtig halten. Sie brauchen keine Bevormundung. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Entscheidung respektiert wird, egal, wie diese ausfällt - ob Mutter oder Vater die ersten Jahre daheim bleiben oder ob sie Betreuungsangebote nutzen. Nichts anderes ist Ziel der Familienpolitik der Ministerin von der Leyen, der ich weiterhin so viel Überzeugungskraft und Standfestigkeit wünsche wie bisher. Trotz Gegenwindes auch in meiner eigenen Partei. Erfreulich ist, dass die Ministerin sonst aus den Kirchen viel Zustimmung erfährt. In einem Punkt stimme ich Pfarrer Schmidt ausdrücklich zu: Familien müssen deutlich gestärkt werden, auch in finanzieller Hinsicht. Das ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe eines Landes, in dem beklagt wird, dass die Jungen fehlen. Deshalb kann es auch nicht sein, dass den Familien gegeben wird, was man ihnen zuvor nimmt.

Dazu auch das Bundesfamilienministerium

Ein Tag oder Zwischen Pforzheim und Maulbronn

Der Tag geht zu Ende. Ein guter Tag. Zuerst beim Aktionstag des Deutschen Roten Kreuzes auf dem Pforzheimer Messplatz mit vielen positiven Eindrücken von der Arbeit dieser unverzichtbaren Organisation und ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiter. Gespräche mit Vertretern des DRK-Ortsvereins Mühlacker runden die Eindrücke und Erkenntnisse ab. Das DRK muss in einer Stadt wie unserer den gleichen Stellenwert haben wie die Feuerwehr. Beiden ist das Helfen und Retten vordringliches Anliegen.
Dann Tag der offenen Tür der Behinderten-Werkstätte der Lebenshilfe Pforzheim in Mühlacker-Lomersheim. Seit zehn Jahren gibt es diese segensreiche Einrichtung in unserer Stadt. Sie braucht auch Aufträge aus der Wirtschaft. Das Gespräch mit dem Werkstattleiter macht deutlich, wie sehr auch diese Werkstätte das konjunkturelle Auf und Ab spürt. Johannes und Clemens interessieren sich auch. Menschen mit Handikap zu erleben, ist schon für Kinder wichtig und trägt zum Zusammenleben auf Augenhöhe bei.
Dann der Tag der baden-württembergischen Naturparke in Maulbronn. Eine bunte Palette von Angeboten, die Lust auf mehr machen. Und ein gelungenes Fest im Klosterhof, das hoffentlich bald wiederholt wird.

Gefunden oder Ein Experte zur Demoskopie

Obwohl sich die politische Meinungsforschung in Deutschland langsam dem Rentenalter nähert, arbeitet
sie zumeist noch wie in der Gründerzeit. Immer
noch wird das Bild von einfachen, deskriptiven Ergebnissen geprägt: von Sonntags- und Kanzlerfrage,
von der politischen Stimmung, der Wichtigkeit
und Kompetenz politischer Aufgaben. Schon Adenauer wurden entsprechende Ergebnisse präsentiert,
fast 60 Jahre später ist das unter Merkel kaum anders.
Während große Unternehmen durch ausgeklügelte
Instrumente und Modelle für alle Strategieentscheidungen
den Erkenntnis- und Umsetzungswert der Demoskopie optimieren, verharrt die Politik auf Steinzeitniveau.
Es geht auch anders: Längst hat TNS Emnid das Conversion-Modell entwickelt, das Wahlkampfmanager
jederzeit darüber informiert, welche Wähler mit welchen Aktionen noch erreichbar sind, welche der Absprunggefährdeten auf welche Weise noch gehalten werden können.
Längst entscheidet der „Politik-Themen-Check“ (PTT), welche Themen wie dem Wähler nahe gebracht werden sollen, um das Wahlergebnis zu optimieren. Diese können sogar von Wahlkreis zu Wahlkreis völlig unterschiedliche sein. Die „Markenwertanalyse“
liefert längst stichhaltige Informationen,
was der Wähler von seiner Partei erwartet, mit welchen Inhalten der Markenkern stabilisiert, bei welchen kannibalisiert wird und welche Politiker
zur Marke passen bzw. verwirren. Wo 70 Prozent Union und SPD nicht mehr voneinander unterscheiden können, kann nur das Wissen, was man wählt, Wahlsicherheit bieten.
„Semiometrie“ analysiert, ob die im Wahlkampf gebrauchten Slogans und Claims zu Wahlkampf und Wähler passen.
Wenn die Modelle denn durchgeführt würden. Doch ähnlich, wie die Wähler nach ihrem Bauchgefühl
urteilen, planen Wahlkämpfer nach Spontan-eindrücken – und damit oft suboptimal, während im modernen Produkt – und Marketingmanagement
keine strategischen Entscheidungen ohne detaillierte
Modelldaten getroffen werden. Hier sind Profis, dort oft Kommunikationslaien am Werk.
Es wird Zeit, dass die Wahlkampfprofis diesen Quantensprung bewältigen. Die Institute gieren danach zu zeigen, was sie können.
Kolumne
Zeit für den Quantensprung


Klaus-Peter Schöppner
ist seit 1990 Geschäftsführer der TNS Emnid Mediaforschung GmbH & Co. KG. Er ist Autor zahlreicher Studien
und Fachveröffentlichungen und schreibt regelmäßig für verschiedene Tageszeitungen und Magazine. Klaus-Peter Schöppner ist Mitglied des Kuratoriums der PolitikAkademie.



Zitiert aus Politikakademie.de

Zufrieden oder Wenn die Wahlbeteiligung nur höher wäre

Die Schlacht ist geschlagen, der neue Landtag gewählt, an der CDU kommt niemand vorbei, Ministerpräsident Günther Oettinger hat einen verdienten persönlichen Erfolg verzeichnet, unser Enzkreis-Abgeordneter Winfried Scheuermann konnte sein Mandat erfolgreich verteidigen. Alles palletti? Nein, denn die Wahlbeteiligung ist alles andere als schön. Wir Kommunalpolitiker haben uns bei "unseren" Wahlen an eine Beteiligung um die 50 Prozent gewöhnt. Aber diesem Wert nähert sich nun auch die Landespolitik. Gestern beim Wahldienst in Lienzingen hat es sich schon angedeutet, denn die Wähler kamen eher zögerlich, die Staus vor den Wahlkabinen blieben eine Seltenheit. Deshalb ist es nicht ratsam, sich zufrieden zurück zu lehnen: Wir alle müssen verlorenes Vertrauen wieder gewinnen. Auf dass die Menschen sich nicht an der Wahlurne verweigern. Diesmal traf es vor allem die SPD. Es kann aber auch mal wieder die CDU betroffen sein. Dabei sollte Wahlrecht auch Wahlpflicht sein.

Oder fehlte es wegen der Großen Koalition in Berlin nur an der notwendigen Polarisierung, die die Wähler an die Urnen treibt? Wenn Parteien sich nicht bekriegen wie jetzt im Landtagswahlkampf, empfinden die Wähler Langeweile, wenn die beiden großen Parteien sich beharken, ist es auch wieder nicht recht. Das waren noch Zeiten, als Filbinger 1972 mit der Alternative "Freiheit statt Sozialismus" antrat. Das mobilisierte beide Lager. Weshalb wird ein ruhigerer Kurs nicht honoriert? Manche haben aber auch einfach das Gefühl, die Politik nehme sie nicht ernst und löse Probleme nur auf ihre Kosten - an den Infoständen konnte man vor allem bei älteren Menschen dies immer wieder hören. Also wäre es eine Bringschuld der Politik, durch bessere Arbeit die Bürger zu überzeugen.

Ansonsten: Wir können als Union auch lokal und regional zufrieden sein. Die CDU hat in Mühlacker die SPD übertrumpft, trotz des aufwändigen Materialwahlkampfes von Lokalmatadaor und SPD-MdL Thomas Knapp. Das wiederum tröstet: Es kommt nicht nur auf große Plakate und viele Prospekte an, entscheidend ist der allgemeine Trend. Das ist für Knapp sicherlich bitter, aber diese Erfahrung machten auch andere schon. Und dass Rülke von der FDP mit seiner Kampagne "Drei sind besser als zwei" zumindest in einem Maß Erfolg hatte, dass es ihm in den Landtag reichte, muss eingeräumt werden - wenigstens geschah dies nicht allzu sehr auf Kosten der Union. Damit lässt sich es mit dem FDP-Erfolg auch leichter leben. Und die Grünen? Frank Ulrich Seemann bleibt draußen aus dem Landtag. Der Mann, der andere immerzu attackiert und sich als der Gutmensch sieht, war wohl der falsche Kandidat der Grünen, sonst hätte bei der Größe des Wahlkreises ein Mandat für die Partei drin sein müssen. Zumindest zu dieser Niederlage muss man die Grünen und Seemann-Zweitkandidat Walter Appenzeller aus Keltern beglückwünschen. Irgendwie waren sie doch alle nicht glücklich mit ihrem Bewerber.