Wir wollen doch steuern und nicht sägen

Neues von der Hecke zwischen früherem Ziegelei-Areal (jetzt Ziegelhöhe) und dem Wohngebiet Ulmer Schanz. Eine lokale Geschichte, die das Zeug zum Zwist hat.  Der Stoff, aus dem Ärger, Konfrontation und Streit wachsen kann. Trennendes statt Einigendes. Die Hecke: Zuerst acht Jahre lang nach geballtem Behördenverstand (Landratsamt, Regierungspräsidium, Landesanstalt für Umwelt) sowie des von der Stadt mit der Umweltprüfung beauftragten Fachbüros als nicht schutzwürdig eingestuft, weshalb sie als solche im Entwurf des Bebauungsplanes fehlt. Der soll noch im März rechtskräftig werden. Auf dieser Basis geschah die Offenlage des Plans, also die Beteiligung der Öffentlichkeit, die kurz vor Weihnachten 2022 zu Ende ging. Und nun die abrupte Kehrtwende.

Rot umrandet: die umstrittene Hecke. (Quelle: Stadt Mühlacker)

Was sich bei der Bürgeranhörung im Uhlandbau im Rahmen der Offenlage Ende November 2022 schon abzeichnete, brach im neuen Jahr richtig auf: Zweifel an dem angeblich nicht vorhandenen Schutzstatus der Hecke. Das Wort von der Schlamperei fiel. Letztlich räumten das Regierungspräsidium und die untere Naturschutzbehörde beim Enzkreis ein, eine Position verfochten zu haben, die sich auf den letzten Metern des Verfahrens als inzwischen falsch erwies. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen des Falls haben sich geändert. Wahrscheinlich würden die Behörden weiterhin ihren alten Standpunkt vertreten, hätte nicht eine Bewohnerin eine Umweltmangel-Anzeige ins Karlsruher Regierungspräsidium geschickt, dessen Naturschutzabteilung von einer Stunde auf die andere die Schutzwürdigkeit entdeckte. Also nichts mit dem Abholzen vor Beginn der am 1. März eines jeden Jahres beginnenden Vegetationsperiode, die solche Eingriffe in den Naturhaushalt nur von 1. März bis zum 30. September erlaubt.

Vor wenigen Tagen platzte in einem Leserbrief eine kleine Bombe. Das Pflanzen dieser Hecke vor 26 Jahren war selbst eine Ausgleichsmaßnahme für einen Natureingriff - weil das damals noch florierende Ziegelgeschäft dem Unternehmen eine Erweiterung ratsam erscheinen ließ. Der, der dies schrieb, musste es wissen, denn er war seinerzeit beim Pflanzen dabei.

Mit der Aufgabe der Ziegelproduktion im Jahr 2009 endete nach 169 Jahren ein Stück Mühlacker Historie. Der Eigentümer, ein belgischer Konzern, wollte das mehr als 20 Hektar große Areal selbst für Wohnungen und Handel vermarkten, bot es dann aber – weil die zu erwirtschaftende Rendite ihm zu gering war – 2017 der Stadt an, die es Ende 2018 übernahm und nun ihrerseits einen Investor suchte, der seriös ist, kapitalkräftig und Referenzen vorlegen kann: Das war letztlich die Hofkammer des Hauses Württemberg. Im Mai 2021 unterschrieben Stadt und Hofkammer den Kaufvertrag. Eine erste Rate des Kaufpreises fließt aber erst dann in die Stadtkasse, wenn der Bebauungsplan rechtskräftig ist. Der dazu notwendige Satzungsbeschluss steht in den nächsten Wochen an.

Der Bogen ist hier absichtlich weit gespannt - 2010 fasste der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Ziegelei 4. Änderung und Erweiterung", um die Entwicklung zu steuern. Wer am Ende wen steuerte? Fast vergessen ist, dass nach dem städtebaulichen Wettbewerb 2013 zunächst ein Quartier für 700 Menschen entstehen sollte,  aktuell wird von 1400 ausgegangen. Ein Verdichtungswert laut Regionalplan in einem Mittelzentrum, der den für ein Oberzentrum übertrifft. Nun wird stärker verdichtet. Nicht allen passt das. Dass sich die Kritiker in der Ulmer Schanz damit erst in den vergangenen Monaten zu Wort meldeten, lag an diesem Wachstum und ist nur folgerichtig.

Letztes Haus der Ulmer Schanz, Weg, geschützte FFH-Wiese, inzwischen auch geschützte Hecke. (Fotos: Günter Bächle)

Das letzte Stück des Planungswegs ist holpriger als gedacht, Hals- und Beinbruch drohen. Inzwischen nicht nur durch die Hecken-Debatte, sondern auch durch den Lebensraum des Kammmolchs. Die Hecke ist das jüngste Schutz-Stück in Mühlacker. Aber rasch entdeckt die Stadt ein Schlupfloch, nämlich eine Ausnahmegenehmigung bei der unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt zu beantragen, was prompt geschah. Einhergehend mit der Zusicherung einer Ersatzpflanzung. Seit Dienstag wartet das Fachamt im Rathaus auf das für ihn erlösende Ja zur Ausnahme, auf dass gleich anderntags das Rodungsteam ausrücken soll. Doch der Brief aus Pforzheim kam am Mittwoch nicht, am Donnerstag nicht, am Freitag nicht. Die Zeit bis zum 1. März verfliegt so im Nu. Es riecht nach einer Entscheidung am Montag, wenn die zuständige Dezernentin des Landkreises aus dem Kurz-Urlaub zurück ist. Ein Tag vor der letzten Möglichkeit zum Fällen. Ja oder Nein?

Nein, sagt der BUND Nordschwarzwald. Aufgrund der ihm von den Behörden überlassenen Daten zum Kammmolch ist aus seiner, der naturschutzfachlichen Sicht das Resultat eindeutig: Es liegen für den Winterzeitraum und das zeitige Frühjahr (Beginn der Wanderperiode) schlicht keine Daten zur Hecke als Lebensraum vor. Es sei keine Aussage zum Kammmolch möglich und damit auch kein Eingriff in die Hecke zum jetzigen Zeitpunkt. Die Untersuchungsmethode des Fachbüros weiche stark von der guten fachlichen Praxis ab und orientiere sich mit Blick auf Zeitrahmen und Methodik stark an der LAK-Kartieranleitung für ehrenamtliche Natur- und Umweltschützer*innen. Das Fazit des BUND:  Ein Eingriff in die geschützte Feldhecke unter diesen Umständen ist nicht zulässig. 

Inzwischen unter Druck, erscheint eines möglich zu werden, was ursprünglich im Rathaus schroff zurückgewiesen wurden - Kompromisse. Offiziell ist der Gemeinderat an der ganzen Hecken-Story nicht beteiligt, was auch wundert. Informationen liefert die Verwaltung nur häppchenweise und dann nur auf Nachfrage. Sei‘s drum. In persönlichen Gesprächen im Hintergrund mit dem Fachamt gab es Ratschläge aus dem Rat an die Verwaltung. Kompromisse? Wir ziehen das durch, so die erste Ansage. Und was ist nun möglich? Mal schauen, was in der Sitzungsvorlage steht. Aber angeblich soll zunächst nur ein Teilstück der Hecke gefällt werden, der andere Teil im Herbst. Und dann ist die Verwaltung beim Pflanzen von Ersatz-Hecken plötzlich großzügig. Unterm Strich womöglich mehr Hecke als vorher? 

Man höre und staune: Nun lässt sich angeblich auf dem Plan gar eines Stücks der West-Bebauung eine Idee nach Osten verschieben, um dahinter einer Heckenpflanzung zur geschützten FFH-Wiese Raum zu verschaffen. Die Hofkammer spielt da mit. Das, wenn auch generell, hatte die IG Ulmer Schanz schon angeregt.  Ein Stückchen Erfolg.

Diskussionsstand heute Mittag. Ich weiß nicht, ob die Verwaltung einen solchen Kompromiss auf den Weg bringt. Alles nur vom Hörensagen. Aber klug wäre es. Denn wir brauchen dringend Wohnraum, auch öffentlich geförderter, wie von der Hofkammer geplant. Das muss Leitschnur sein beim Lösen von Konflikten.
 

Bürgerbeteiligung am Bebauungsplanverfahren alte Ziegelei Ende November 2022 im Uhlandbau.

Bleibt doch die Frage, die sich aufdrängt: Weshalb sind unsere Stadtoberen so scharf aufs Hecken-Fällen? Verstehe ich nicht. Wir steuern doch über den Bebauungsplan, sagt uns der OB immer wieder. Sonst nix. Recht hat er.  

Fein und nobel hält sich die Hofkammer zurück. Sie werde nicht abholzen, sie wolle Wohnungen verkaufen, lasse sich das durch Schlagzeilen über solche in der Öffentlichkeit negativ angesehenen Natur-Eingriffe nicht behindern. Kurzum: Sie scheut den Image-Schaden fürs Gesamtprojekt, das hoffentlich bald in die Umsetzung geht. Formal gehört das Areal immer noch der Stadt, weil noch kein Geld floss. Aber: Mit Steuern über den B-Plan hat das Fällen nichts zu tun.  Unser Geschäft ist das rechtlich einwandfreie Abwägen von Anregungen und Bedenken im Verfahren. Das ist entscheidender für den Investor als eine Hecke. Wir brauchen einen wasserdichten Satzungsbeschluss. Darauf allein muss unser Sinn und Trachten gehen. Nicht den Ersatz-Abholzer für den Investor zu spielen.

Info: Gutachten zum Artenschutz alte Ziegelei 7_3b-Beck-und-Partner-Artenschutzrechtliche-Pruefung-03.11.2020-mit-Formblaettern.pdf

 

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