Zweite Lehrerstelle bringt Gemeinde mächtig unter Druck

Wie lässt sich ein zweiter Schulmeister unterbringen? Die Geschichte über ein Raumproblem im Jahr 1873 und seine Folgen. Der Streit um die Kosten bis hinter die Kommastellen: Wie hoch darf der Standard bei den Lehrerwohnungen sein? Ein rebellischer Gemeinderat, der sich letztlich den Kirchenoberen in Stuttgart beugen muss. Und dazu Statistik - die Entwicklung der Schülerzahlen  in 180 Jahren.

Platzprobleme im Jahr 1837 gebauten Lienzinger Schulhaus sorgen für eine nicht unbedingt fieberhafte Suche nach Lösungen. Aber kein räumlicher Engpass wegen steigender Schülerzahlen, sondern weil das Dorf einen zweiten Schulmeister erhalten sollte. Der Wohnraummangel löste einen Gutachter-Streit aus um die Kosten des Einbaues einer weiteren Wohnung im Schulgebäude (heute Kirchenburggasse 15). Die Realisierung verzögerte sich deutlich. Druck machte das Königlich gemeinschaftliche Oberamt Maulbronn/Knittlingen. Im Brief an die Gemeinde vom 4. Februar 1875:

Blatt 124: Mahnschreiben des Königlichen evangelischen Consitoriums vom 19. Juli 1875. (StAL FL 20-18 Bü 503) an das K[öniglich] gem[einschaftliche] Oberamt Maulbronn / Knittlingen. Das Consistorium weist auf die “Aeußerungen des Bauraths Stahl“ hin, die er zu den vorgelegten Bauplan (Erstellung einer 2. Lehrerwohnung) gemacht hat, und bittet um „sorgfältige Beachtung der drin niedergelegten Bemerkungen. Außerdem soll zum 15.9. über den Stand des Projekts berichtet werden. Diese Info und Aufforderung soll weitergegeben werden an die Ortsschul- und Gemeindebehörde Lienzingen. Unterzeichnet: Stuttgart 19.7.1875 „für den Präsidenten“, Schickhardt

Der Originaltext:

Die Lehrer und ihre Familien wohnten einst unterm Dach des 1837 erbauten Schulhauses, das heutzutage ausschließlich Wohnzwecken dient (Foto: Günter Bächle 11/2022)

Aus dem Bericht des Bez[irks] Schulinspektors vom 8. Januar, betreffend die Erledigung der ersten Schulstelle in Lienzingen, hat die Oberschulbehörde ersehen, daß die alsbaldige Wiederbesetzung dieser Stelle darum nicht möglich ist, weil es an einer disponiblen Mietwohnung für den zweiten Lehrer fehlt, und die Gemeinde im Frühjahr diesem Mangel durch Aufsetzen eines zweiten Stoks auf das Schulhaus abhelfen will. Das gem[einschaftliche] Oberamt wird daher beauftragt, dafür Sorge zu tragen, daß die nöthige Einleitung zu diesem Bauwesen von der Gemeindebehörde sofort getroffen und spätestens bis zum 1. Aprild[ieses] J[ahres] ein Riß über die herzustellende zweite Lehrerwohnung nebst den Beschlüssen der Gemeindebehörde hierher vorgelegt werde.

Schon 1873 hätte der zweite Lehrer an der Volksschule seinen Dienst antreten sollen. Doch die Stelle wurde erst drei Jahre später besetzt, denn erst nach dieser Wartezeit war die Wohnungsfrage gelöst.

Zwei Pädagogen, das war über Jahrzehnte Lienzinger Standard. Jedoch in Kriegszeiten weniger: 1915 und somit im Ersten Weltkrieg gab es nur einen – der unständige Lehrer Schwarz musste 160 Kinder unterrichten. Während des Zweiten Weltkriegs versorgten zeitweise die Pädagogen aus Mühlacker die Schule in Lienzingen mit, weil diese sonst lehrerlos geblieben wäre.

Erstmals 1928 entspannte sich die Lage: Die Volksschule hatte nur noch 91 Schülerinnen und Schüler. Doch ein Zeit-Schnitt aus dem Jahr 1948 belegt: Die Zahl der Schüler war erneut auf 160 gestiegen, die Folge des Zuzugs häufig kinderreicher vertriebener oder geflüchteter Familien. Immerhin gab es nun drei Lehrer (Quelle: Konrad Dussel, Lienzingen, Ortsbuch 2016. Verlag Regionalkultur.  S. 227 ff). Den Protokollen des Gemeinderats ist zu entnehmen, dass von 1955 an Lienzingen um die dritte Lehrerstelle kämpfen musste. Ich kann mich erinnern, dass wir zu Beginn meiner schulischen Karriere 1957 die Lehrer Wilhelm Wagner, Karl Kießling und Hermann Oppenländer (letzterer seit September 1956) hatten.


Lienzinger Geschichte(n) - die Serie im Blog. Ein weiteres Kapital zur Volksschule, die seit 1968 Grundschule ist. Quelle vor allem die Bauakten im Staatsarchiv Ludwigsburg: FL 20/18 I Bü 503


Das Oberschulamt in Stuttgart plante, zu Ostern 1955 die dritte Stelle wegen Rückgangs der Schülerzahl nicht mehr zu besetzen. In der Ratssitzung vom 24. Februar 1955 zeigte sich eine völlig einmütige Meinung im Gremium: Die dritte Stelle muss bleiben (STAM, Li B 325, S. 11). Trotzdem ordnete das Oberschulamt am 16. April 1955 die Streichung an, worauf der Gemeinderat am 6. Mai 1955 ein Gegenangebot beschloss: Die dritte Stelle nicht aufzuheben, sondern zunächst unbesetzt zu lassen, sie somit beim Schulstellen-Beitrag nicht zu berücksichtigen (STAM, Li B 325, S. 25).  Der dritte Lehrer blieb, doch im Frühjahr 1958 erlebte die Auseinandersetzung darüber eine Neuauflage. Denn das Oberschulamt unternahm einen weiteren  Anlauf, die Stelle zu streichen, was in der Ratssitzung am 28. März erneut auf Widerstand stieß. Heutzutage gibt es fast paradiesische Zustände: sieben Lehrkräfte und zwi kirchliche Lehrkräfte (Auskunft kommissarische Schulleiterin Rapp, 24. November 2022).

Blatt 124 links: Aktennotiz - K[önigliches] gemeinsch[aftliches] Oberamt Maulbronn Wird in Folge vorstehender Aufforderung berichtet, daß Herr Oberamtsbautechniker Link in Mühlacker schon längst beauftragt wurde, den Ueberschlag über das projectierte Schulhausbauwesen gemäs dem Baurath Stahl’schen Gutachten zu modificiren. Er wurde unterm 4. d. M. und heute wiederholt monirt. Solange Herr Link seinen Auftrag nicht vollzieht, kann in der Sache nicht weiter verhandelt werden. Sämtliche Acten wurden letzterem zum geeigneten Gebrauch zugestellt. Hochachtungsvoll - Lienzingen, d[en] 31. Aug[ust] 1875 - Gemeinsch[aftliches] Amt Frohnmeyer Fischer (StAL FL 20-18_Bü 503)

Dagegen hatte rund 80 Jahre zuvor die Gemeinde wegen ihrer starren Haltung in der Wohnungsfrage die Verdoppelung der Lehrerzahl zunächst gebremst  Die Offerte der Schulverwaltung – eine zweite Lehrerstelle für Lienzingen – ließ sich nicht gleich umsetzen. Der Standard der neuen Wohnung blieb zwischen Schulverwaltung und Kommune strittig, die beiden Gutachter zweifelten gegenseitig ihre Kostenschätzungen an. Der Fall ist zu entnehmen der besagten Schulbau-Akte Lienzingen aus dem Fundus des Staatsarchivs Ludwigsburg (StAL, FL 20-18_Bü_503, Blätter 89-130).  Die Dokumente belegen allerdings auch: Zähe Debatten, viel Bürokratie, Aufträge für Gutachter – kommt einem 2022 irgendwie bekannt vor.  

Schulaufsicht bei der evangelischen Kirche

Zurück ins Jahr 1875.  Schon am 3. März meldete sich das Königliche evangelischen Consistorium – der heutige Oberkirchenrat – beim gemeinschaftlichen Oberamt, gebildet aus dem weltlichen Oberamt in Maulbronn und dem kirchlichen in Knittlingen (später evangelisches Dekanat Mühlacker). Die Schulaufsicht, die bei der evangelischen Kirche lag, gab aufgrund des Berichts vom 20. des Vormonats - betr[effend] die Erstellung einer Wohnung für den zweiten Schulmeister in Lienzingen - zur weiteren Eröffnung zu erkennen, daß die Absendung eines Amtsverwesers nach Lienzingen vor Georgii (23. April)  unmöglich ist, an Georgii aber, wenn die Gemeinde es wünscht, ein Amtsverweser geschickt werden kann:  eine definitive Besetzung der ersten Schulstelle aber wäre vor Beendigung des Bauwesens, während dessen vielleicht keiner der beiden Schulmeister im Schulhause bleiben könnte, nicht rathsam. Es wird daher der Einsendung des Bauplanes der Gemeinde in Bälde entgegengesehen.

Das Konsistorium in Stuttgart wies das Oberamt auf die Aeußerungen des Bauraths Stahl hin, die er zu dem vorgelegten Bauplan zur Erstellung einer zweiten Lehrerwohnung gemacht habe, und bat um sorgfältige Beachtung der drin niedergelegten Bemerkungen. Außerdem solle zum 15.9. über den Stand des Projekts berichtet werden. Diese Info und Aufforderung solle weitergegeben werden an die Ortsschul- und Gemeindebehörde Lienzingen. Der Brief vom 19. Juli 1875 ist unterzeichnet für den Präsidenten, Schickhard. Der Präsident des Evangelischen Konsistoriums Württemberg war von 1870 bis 1876 Karl Ludwig von Golther.

Tage zuvor informierte das Konsistorium das Oberamt, dass der Bauplan bereits am 6. April des Jahres an Baurat Stahl übersandt worden sei. Er sei am 21. Mai und am 3. Juli gemahnt worden, sich dazu zu äußern.  Wiederum die Gemeinde berichtete daraufhin über das Oberamt dem Konsistorium, Oberamtsbautechniker Link in Mühlacker sei schon längst beauftragt worden, den Überschlag über das projectierte Schulhausbauwesen dem Baurath Stahl’schen Gutachten zu modificiren. Er sei am 4. Mai und heute daran erinnert worden. Solange Herr Link seinen Auftrag nicht vollzieht, kann in der Sache nicht weiterverhandelt werden. Sämtliche Acten wurden letzterem zum geeigneten Gebrauch zugestellt. Hochachtungsvoll Lienzingen, d[en] 31. Aug[ust] und 1875 - Gemeinsch[aftliches] Amt Frohnmeyer     Fischer

In der Sitzung vom 27. September 1875 debattierten die sieben Mitglieder des Gemeinderats von Lienzingen über die von Oberamtsbautechniker Link am 12. März 1875 präsentierte Planung und überschlägige Kostenberechnung, die mit 1682 M[ark] 15 d[inar] abschloss. Auf Geheiß des Konsistoriums hatte die Hohe Oberschulbehörde den Link-Entwurf vom Höheren Techniker, Baurat Stahl in Stuttgart, begutachten lassen. In seiner Stellungnahme vom 10. Juli 1875 empfahl Stahl, zwei weitere heizbare Zimmer unter dem Dach einzubauen, weil die vorhandenen Wohnungen etwas engräumig seien und dem Sinne der Verfügung vom 22. Februar 1867 als kaum entsprechend angesehen werden könnten. Außerdem forderte Stahl einen zweiten Lehrerabtritt (Toilette).

Die Gutachter: Oberamtsbautechniker Link gegen Baurat Stahl aus Stuttgart

Die muthmasslichen Baukosten belaufen sich nach diesem neueren Überschlag auf die hohe Summe von 3556 M. Ein Betrag, der den Ratsmitgliedern offenkundig einen Schrecken einjagte. Nach dem Begleitungsschreiben des Oberamtsbautechnikers Linck währen die bedeutenden Kosten hauptsächlich von der großen Veränderung des Dachstuhls herrührten, in welchem nunmehr die Einrichtung von zwei Wohnzimmern und 2 gegipsten Kammern nebst dem erforderlichen Bretterverschlag zu Aufbewahrung von Brennmaterialien vorgesehen ist. Beide Überschläge standen nun in der Ratsitzung zur Debatte.

Der Gemeinderat ging auf Konfrontationskurs. Die im zweiten Stock vorhandenen Wohnungen für beide Lehrer wären nach Meinung des Gremiums nicht zu engräumig, da noch zwei weitere gegipste Kammern im Dachraum hergestellt werden würden. Jedenfalls wolle sich der Gemeinderat sich auf die Einrichtung zweier weiterer heizbarer Zimmer unter Dach nicht einlassen. Wenn auch die bedeutenden Veränderungen im Dachstuhle jetzt vorgenommen werden wollten, so ist doch vorauszusehen, daß in einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren wegen Erstellung einer 3. Lehrerwohnung ein weiterer Stock auf das Schulhaus aufgesetzt werden muß und die mit den jetzigen bedeutenden Veränderungen im Dachstuhle vorhandenen Kosten wären dann umsonst aufgewendet.

Das Gremium billigte dagegen die im überarbeiteten Bauplan vorgesehene Vergrößerung der zweiten Küche und den Bau eines zweiten Lehrer-WC. Die neu vorgesehenen zwei Zimmeröfen sollten, auf die in der ersten Zeichnung des Oberamtsbautechnikers Link eingezeichnete Weite im zweiten Stock gesetzt werden, und zwar der eine in dem Zimmer neben der Küche zur ersten Lehrerwohnung und der zweite in dem Zimmer neben der Küche zur zweiten Lehrerwohnung. Der vorhandene Raum zu dem Bretterverschlag für Aufbewahrung des Brennmaterials sei unter Dach vorhanden.

Dass die Sache dem Konsistorium nicht rasch genug voranging, zeigen immer neue schriftliche Mahnungen 1875 und 1876 mit Fristsetzung ans Oberamt, die förderliche Behandlung des Schulbauprojekts im Auge zu behalten.

Nachbarn hatten keine Einwände gegen Baupläne

Allerdings findet sich schon unter dem Datum vom 20. September 1875 der Eintrag im Bauschau- und Untergangsprotokoll der Gemeinde Lienzingen 1874-1896. Danach beabsichtige die hiesige politische Gemeinde im bestehenden örtlichen Schulgebäude eine zweite Lehrerwohnung mit einer neuen Küche im zweiten Stock und neuen Zimmeröfen einzurichten. Als Nachbarn werden Christian Geiger und Dorothea, Friedrich Geigers Witwe, genannt. Sie werden mit der Aussage zitiert, nichts gegen den Bauwunsch einzuwenden zu haben. Insoweit war nach diesem Ergebnis der Nachbaranhörung eine erste Hürde aus dem Weg geräumt (STAM: Li B 136).

Die Meinungen zwischen Link und Stahl als den beiden Gutachtern über die Kosten der zweiten Wohnung gingen deutlich auseinander. Link hatte die Mehrkosten des Vorschlags von Stahl mit 1874 Mark errechnet, wiederum Stahl schätzte dieselbe vielmehr kaum halb so hoch. Ueberdieß findet Baurath Stahl den vom Gemeinderath gegen das neuere Project geltend gemachten Grund, daß, wenn später für einen 3ten Schulmeister Wohnung zu schaffen sei, man die jetzt im Dachstuhl herzustellende Arbeit abreißen und einen neuen Stock aufsetzen müsse, nicht stichhaltig, weil die jetzt für die Dachstockzimmer herzustellenden Wände samt und sonders beibehalten werden können. Auch muß bezüglich jenes Grundes bemerkt werden, daß als dritter Lehrer nicht ein weiterer Schulmeister, sondern ein Lehrgehilfe angestellt werden würde.

Letztlich setzte sich der Stuttgarter Baurat durch. Die Oberschulbehörde bestand auf dem Bau der zwei heizbaren Zimmer im Dachstock. Bei einem Verzicht darauf bekämen die beiden Schulmeister nur sehr mangelhafte Wohnräume. Das gemeinschaftliche Oberamt erhielt deshalb den Auftrag, hiernach der Ortsschulbehörde und dem Gemeinderat weitere Eröffnung zu machen und die baldige Ausführung des Bauwesens, sobald die Witterung des künftigen Frühjahres sie gestattet, zu veranlassen. Auf den 1. Mai d. J. wird die Berichte des gemeinschaftliche Oberamtes über den Stand des Bauwesens entgegengesehen.  Stuttgart, den 10. Januar 1876

Wiederum der Gemeinderat änderte daraufhin seinen Kurs. Er berichtete hochachtungsvoll am 2. Februar 1876 in Folge des Erlasses vom 29. d. M. betreffend die Verbesserung und der Wohnung für den 1. Schulmeister und die Einrichtung einer Wohnung für den 2. Schulmeister im hiesigen Schulhause, daß die Baukosten im muthmaßlichen Betrag von 3193 M[ark] 36 d (Dinar = Pfennig)  das von den baar vorhandenen Revenuen    (= Überschüssen) der Gemeindepflege aufgebracht werden können.

Das Schreiben trägt die Unterschriften der Gemeinderäte:

Fischer

Schmidgall

Brüstlen

F. Springmann

F. Heinzmann

Däubler

Schmollinger

Münzinger

Blatt 129: Aktennotizen

Die Differenz in den beiden Kostenschätzungen hatten im Vorfeld Baurat Stahl auf den Plan gerufen. Link gab die notwendigen Ausgaben bei seinem Plan mit 1682 Mark und 15 Dinar an (Basis war wohl die ursprüngliche Position des Gemeinderats) und errechnete für den Stahl-Entwurf 3556 Mark und 24 Dinar.  Von dieser Differenz (1874 M 09 d) sei er selbst frappirt, so Stahl. Deshalb habe ich mir beide Überschläge genauer durchgesehen, u[nd] komme auf Grund dieser Durchsicht zu dem Resultat, daß die oben angegebene Differenz in Wirklichkeit entfernt nicht vorhanden ist, den es sind in dem zweiten Überschlag manche Posten in zu hohem Betrag aufgenommen, u[nd] es finden sich in demselben auch verschiedene andere Posten, welche ganz oder theilweise auch in den ersten Überschlag hätten aufgenommen werden sollen, welche aber dort fehlen.

Solcher Beispiele könnte ich noch mehrere anführen

Ein heißes Papier: Darin nahm der Stuttgarter Baurat die Zahlen des Oberamtsbaumeisters Link aus Mühlacker auf acht Seiten buchstäblich auseinander. Seine Stellungnahme trägt das Datum vom 27. Dezember 1875:

Ich illustrire diese Behauptung durch einige Beispiele, indem ich 1, 2 u[nd] s[iehe] f[olgende] für die im ersten u[nd] 1a, 2a u[nd] s. f. für die im zweiten Überschlag enthaltenen u[nd] dort roth bezeichneten Posten einführe. (…)

Ein Posten von 59 M. 50 d für Umdecken des ganzen Daches auch an den von den Zwerchhäusern   nicht berührten Stellen. Im ersten Überschlag ist diese Arbeit nicht vorgesehen.

3. 3 a 44 a Es sind hier die voraussichtlich nothwendigen neuen Ziegel u[und] Schindel verrechnet. Nach dem ersten Projekt soll man nur 300 neue Ziegel brauchen, nach dem zweiten aber, das zweimal mehr neue Dachfläche zeigt, deren 2000. Im Verhältniß zu den Dachflächen gerechnet, wäre die Hälfte dieser Zahl mehr als genug u[nd] ebenso wäre es bei den Schindeln.

5. a Es sind hier im zweiten Überschlag 25 M ausgeworfen für nothwendig werdende Reparaturen an den Decken im Wohnstock, sowie für Ausbesserung des Bestichs (=Putz) im Hausöhrn u[nd] Weißnen (=weiß streichen) desselben. Im ersten Überschlag ist für diese Arbeiten nichts vorgesehen, obwohl sie in beiden Fällen gleich nothwendig sind.

6. 6 a Für Wegnahme der Dächer an denjenigen Stellen, welche in die Dachkammern fallen, sind im ersten Überschlag   7 M 71 d gerechnet, im zweiten Überschlagdagegen bei nur zweimal größrer Dachfläche 56 M, d[as] h[eißt] 8 mal mehr.

7. 7 a  7 b  7 c  7 d Im zweiten Überschlag ist angenommen, daß (7a) der ganze Dachstuhl weggenommen, u[nd] wieder aufgestellt werden müsse, sowie daß außerdem noch (7 b) eine besondere  Versprießung (=Verschalung, abstützen)  im Innern des Dachstuhls herzustellen, u[nd] daß derselbe (7 c u. 7 d) neu einzulatten sey; es ist für 7 a, 7 b, 7 c u[nd] 7 d zusammen:  405 M 50 d ausgeworfen. Im ersten Überschlag ist diese Arbeit mit 25 f (= 42 M 86 d) angesetzt, da nun das Wegnehmen des Dachs u[nd]das Versprießen wohl umgangen werden kann, so wäre ein Ansatz von etwa 150 M  gerechtfertigter als der von 405 M 50 d.

8. 8 a Im ersten Überschlag sind die 55 ctm (=Zentimeter) Balken über den Dachkammern 17/19 ctm 55 stark á 42 Kr. (= 1 M 20) per lfd. Meter verrechnet, im 2ten Überschlag dagegen 18/21 ctm stark á 1 M 50 d per  laufenden Meter, obwohl das erstere Maß auch im zweiten Fall genügen würde, da diese Balken ja keine Last über sich haben.

Außerdem ist in 8 a gesagt, man Brauche 110 m solcher Balken, was zuviel ist; man braucht nemlich über dem mittlern Querhaus 4 Balken á 8,7 m = 34,8 m dazu die in 8 verrechneten Balken über den Seitenquerhäusern mit 38,0 m, gibt zus[ammen] 72,8 m (u. nicht 110 m). Rechnet man diese Balken 17/19 cm stark á 1 M 20 per Meter, so erhält man eine Summe von 87 M 36 d anstatt er in 8 a angesetzten von 165 M.

9 a Im zweiten Überschlag sind für Abschneiden des Dachgesimses an den 3 Querhäusern u[nd] Herstellen der Giebelgesimse an denselben:  80 M vorgesehen. Im ersten Überschlag ist hiefür nichts enthalten, obwohl gegen früher nur ein Querhaus mehr aufzusetzen ist.

10 a Im zweiten Überschlag lauft hier eine Summe von 10 M für Herstellung von Brettern zur Unterlage der Hohlkehlrinnen. Im ersten Überschlag ist hiefür nichts ausgesetzt, obwohl auch damals schon 2 Zwerchhäuser in Rechnung waren. Es wird also anzunehmen sein, daß früher diese Unterlage als durch die Latten gebildet angenommen war, was ganz wohl möglich ist. Hiernach wären diese 10 m außer Rechnung zu lassen.

11 11 a Hier ist im zweiten Überschlag die 56 Querhaus 57 ?m ( = Quadratmeter)  Lattenverschaalung der 4 Dachzimmerdecken mit zus[ammen] 80 ?m 57 in Rechnung gestellt, während die Schreinerarbeit (sub 11 b) des Maß für den mit den Decken gleich großen Fußböden im richtigen Meßgehalt von nur 61 ?m enthält. Hier wären also 19 ?m  zu viel gerechnet, u[nd] außerdem ist der Preis per  Quadratmeter von 52 Kr. (= 1 M 49 d) auf auf 1 M 70 d (in 11 a ) hinaufgesetzt worden. Rechnet man 61 ?m  á 1 M 49, so erhält man anstatt der im zweiten Überschlag heraus gerechneten 136 M  nur:  90 M 89 d.

12 a Für Ausbessern des alten Dachbodens ist im zweiten Überschlag 10 M, im ersten Überschlag dagegen nichts ausgeworfen, u[nd] doch ist diese Arbeit in beiden Fällen wahrscheinlich gleicherweise nöthig.

13 a Ganz dasselbe wie oben gilt von dem Posten von 80 M für Herstellung von Lattenverschlägen im Keller u[nd] unter Dach. Dieser Posten ist nur in dem zweiten Überschlag eingestellt, im ersten fehlt er u[nd] ist doch dort ebenso nöthig.

4 a  14 b Der Blendboden im Abtrittanbau ist in 14 a mit 10 ?m Meßgehalt aufgerechnet. Nach der Zeichnung mißt er nur 4,5 x 0,9 = 4,05 ?m u[nd] es ist auch bei der Maurerarbeit (14 b) vom Verfertiger des Überschlags selbst nur mit 4 ½ ?m eingestellt.

15  15 a Im zweiten Überschlag sind für Ausbesserung von Brustlambris 58 u[nd] Fußsockel im Wohnstock zusammen 15 M ausgeworfen, während im ersten Überschlag  3 f (= 5 M 14 d) für dieselbe Arbeit als genügend erachtet sind.

16 a Hier sind für 5 Paar Jalousieläden an die Fenster der Dachstockzimmer u[nd] Kammern 36 M 80 d ausgeworfen. Es sind also nicht blos den drei neuen Fenstern des mittleren Querhauses Jalousieläden zugedacht, sondern auch den zwei früher schon vorhandenen Kammerfenstern, - wovon jedoch im ersten Überschlag nicht die Rede ist.

17  17 a Für die beiden Kuchekästen (= Küchenschrank) ist im zweiten Überschlag eine Summe von 60 M ausgeworfen, während im ersten Überschlag für dieselbe Arbeit:  32 f. (= 58 M 86) als genügend erachtet sind.

18 a  19 a Für Ausbessern von Böden u[nd] Thüren im ganzen Haus sind im zweiten Überschlag bei der  Schreiner=Arbeit:  10 M u[nd] bei der Schlosserarbeit  5 M ausgeworfen; im ersten Überschlag ist hiefür nichts vorgesehen.

20  20 a Für nothwendige Ausbesserungen an den alten Fenstern sind im zweiten Überschlag 10 M ausgeworfen; im ersten 58 eine auf den unteren Bereich einer Wand beschränkte Verkleidung in Innenräumen 59 Küchenschrank. Überschlag sind dafür 4 f (= 6 M 86 d) als genügend erachtet.

21   21 a  21 b Die Positionen 21 a u[nd] b sind mit zus[ammen] 30 M für ganz dieselbe Arbeit eingesetzt, für welche früher (21):  16 f 40 = 28 M 57 d genügen sollten. 22 a  22 b In der Schlosserarbeit (22 a) laufen 20 neue Fensterflügel á 80 d in Rechnung, während es deren nach  22 b (Glaserarbeit) nur 10 sind.

23 a Stürzene [?] Dachkehlen sind im zweiten Überschlag mit 15 M 20 vorgesehen; im ersten Überschlag, der doch auch schon zwei neue Zwerchhäuser enthält, ist hiervon nichts erwähnt.

24   24 a Der anzuschaffende eiserne Herd ist im zweiten Überschlag mit:  90 M, im ersten nur mit 44 f (= 75 M 43 d) eingesetzt.

Solcher Beispiele könnte ich noch mehrere anführen, es werden aber schon die vorstehenden genügen, um meine Eingangs aufgestellte Behauptung zu beweisen, daß die durch beide Überschläge heraus gerechnete Differenz zwischen den Kosten des frühern u[nd] des jetzigen Projekts in Wirklichkeit entfernt nicht in dem berechneten Betrag von 1874 M 09 d vorhanden ist; ich schätze sie kaum halb so hoch. Hiernach erlaube ich mir den Antrag, es möge höher Oberschulbehörde gefallen, vom Vorstehendem den Gemeindebehörden von Lienzingen Kenntniß zu geben u[nd] sie zur Äußerung darüber zu veranlassen. (…)

Dazu auch thematisch passend:

Der Bau des zweiten Lienzinger Schulhauses 1837 und seine Startprobleme 

Ein weiterer Lehrer - und keine Wohnung (1873/76) 

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