Was Schloss Dwasieden in Sassnitz und die Ex-Bijoutterie in Dürrmenz gemeinsam hatten

Dolphin Trust, der Fall für den Staatsanwalt. Dolphin Trust? Da war doch was... Dürrmenz und Bijouterie? Und was haben beide mit dem maroden Schloss Dwasieden in Sassnitz auf der Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) zu tun? Die Antwort: Dolphin Trust hatte bei beiden Projekten die Finger im Spiel.

Stadthäuser an der Brunnengasse: Ersatz für die untergegangene Bijouterie. (Foto: Günter Bächle, November 2022)

Aber im Unterschied zur Dürrmenzer Liegenschaft an Brunnengasse und Krumme Gasse gehörte Dwasieden zur Konkursmasse, aus der heraus kürzlich 15 Immobilien für zusammen 86,5 Millionen Euro verkauft wurden, so eine Mitteilung der Kanzlei BBL vom September 2022. Darunter Dwasieden, in den Jahren 1873 bis 1877 im Auftrag von Adolph von Hansemann, Inhaber der Disconto-Gesellschaft in Berlin und einer der reichsten Männer der Bismarckzeit, erbaut. Heute mehr oder minder Ruine. 

Die ehemalige Bijoutterie in Dürrmenz. Foto: Günter Bächle, 2012

Trotzdem: Die Staatsanwaltschaft Hannover   forderte jetzt, wie zu hören ist, auch bei der Stadt Mühlacker die zu dem Fall vorhandenen Akten an. In Niedersachsens Hauptstadt ermittelt die Justiz gegen das Unternehmen wegen des Verdachts auf Betrug.

Zu dem Fall Dolphin Trust bloggte ich am 11. Mai 2021 und am 15. Dezember 2016.

Wer ist eigentlich Dolphin Trust? Jetzt wissen wir es ganz genau, denn sie machte bundesweit Negativ-Schlagzeilen. Aber in Mühlacker besteht offensichtlich kaum Interesse an der Geschichte. Der Skandal schlug lokal nicht auf, weil im Rathaus rechtzeitig die Reißleine gezogen wurde und zudem die Entscheidungen meist nichtöffentlich fielen. Ein Musterfall der Schadensabwehr - ein wichtiger Erfolg der Stadt.

Exakt und schnell wickelten  Stadtverwaltung und Gemeinderat den Fall Dolphin-Trust ab, bewahrte die Kommune vor Schaden, das Quartier davor, Teil der Konkursmasse von Dolphin Trust zu werden.

Die Dolphin Trust hatte vom Voreigentümer Sax (Tübingen), zunächst ohne Wissen der Kommune, das Areal übernommen. Die Stadt wunderte sich, als sie davon erfuhr, hatte auch Zweifel an der Seriosität des neuen Eigentümers, zumal dieser unter der Adresse in Langenhagen (Sitz des Unternehmens) nur schlecht zu erreichen war. Die Stadt hatte an Sax verkauft, die extra für dieses Vorhaben die Bijouterie Dürrmenz Projekt GmbH & Co. KG gründete. Im September 2015 vertröstete Sax die Mühlacker Kommunalpolitik um ein weiteres Jahr, hielt die vereinbarten Termine für Planung und Realisierung nicht ein. 

In dieser Phase erfuhr die Stadtverwaltung eher zufällig, dass Sax die Projekt-GmbH inzwischen an Dolphin Trust verkauft hatte. Deren neue Tochter musste bis 30. August 2016 gegenüber der Stadt belegen, dass Bauarbeiten beauftragt worden sind. Der Nachweis ging ganz knapp zu Fristende im Rathaus ein. Doch still ruhte das Gelände weiterhin, sehr zum Ärger der Dürrmenzer. Statt der ursprünglich geplanten Erhaltung und Sanierung der früheren Bijoutterie war der Komplex vollends abbruchreif geworden.

Der Gemeinderat beschloss im Oktober 2015: Der Kaufvertrag mit der Bijouterie Wohnmanufaktur GmbH wird rückabgewickelt. Bisher gewährte Zuschüsse aus den Sanierungsmitteln werden zurückgefordert. GmbH und Muttergesellschaft Dolphin Trust akzeptierten dies ohne große Reaktionen, was seinerzeit manchen wunderte. Der Gemeinderat wähnte sich zwar rechtlich auf der sicheren Seite, konnte jedoch ein Restrisiko nicht ausschließen, von dem niemand sagen konnte, wie groß es sein könnte. Letztlich zahlte sich der Mut aus.

Dolphin Trust heißt seit 2019 The German Property Group. Die Gesellschaft verkaufte an Anleger Schuldscheine (sogenannte Notes) und warb damit, in werthaltige deutsche Immobilien zu investieren. Am 22.05.2019 brachte die Sendung Kontrovers (Bayerischer Rundfunk) einen ausführlichen Bericht über Dolphin, ebenso der britische Sender BBC 4. Als Experte dazu befragt: Rechtsanwalt Mattil aus München. Eine Immobilienfirma aus Hannover kauft denkmalgeschützte Häuser in Bayern auf, um sie zu sanieren. Doch auffallend viele der Gebäude verfallen. Gleichzeitig bangen ausländische Anleger um ihr Geld. So Kontrovers als Ergebnis der Recherchen von BR, HR und der BBC. Hierzu auch Panorama 3.

Der Brite Mark Hambling spricht für eine Gruppe von 2000 Anlegern (Handelsblatt, 13. April 2021). Sie steckten ihr Erspartes in Immobilien der German Property Group (GPG), um es sicher anzulegen oder für ihr Alter vorzusorgen. Nun ist das meiste Geld verloren. Am 23. Juli 2020 ordnete das Gericht die vorläufige Insolvenz an, seit dem 15. Oktober 2020 läuft das reguläre Insolvenzverfahren. Gläubiger der German Property Group fordern fast zwei Milliarden Euro. Der Großteil des Geldes dürfte weg sein.

Marta Orosz von Business Insider fasste in einem Beitrag vom 2. Juni 2021 die entscheidenden Punkte zusammen. Betriebsprüfer des Finanzamts Hannover hätten bereits 2017 festgestellt, dass es sich bei der Immobilienfirma German Property Group (GPG) um ein klassisches Schneeballsystem handle. Das Unternehmen durfte trotzdem weiter Geschäfte machen. In einem internen Aktenvermerk, der Business Insider vorliegt, hielten Steuerbeamte die wichtigsten Verdachtsmomente fest, schickten ihn an die Staatsanwaltschaft Hannover. Weil die Staatsanwaltschaft nach einem halben Jahr die Ermittlungen eingestellt hat, durfte das Unternehmen weiterhin Geld einsammeln. 

In der Liste der Projekte tauchte die  frühere Bijouterie im Ortskern von Dürrmenz nicht auf. Dank der aktiven Trennungspolitik von Stadtverwaltung und Gemeinderat. 

Das Ende des Gebäudes der Ex-Bijoutterie in Dürrmenz (Foto: Günter Bächle, 2017)

Für den Gläubigerausschuss der DC 80 (Dolphin Capital 80. Projekt GmbH & Co. KG) und der Muttergesellschaft AS German Property Group GmbH (GPG) berichtete der Insolvenzverwalter den Vertretern der Gläubiger der insolventen Immobiliengruppe über den erfolgreichen Verkauf von bisher 15 der insgesamt rund 50 Immobilien der GPS. Diese erste Tranche von Liegenschaften war dem breiten Markt im Rahmen eines strukturierten Bieterverfahrens mit Hilfe einer professionellen Immobilienvermarktung durch CR Investment Management angeboten worden, steht in der Pressemitteilung von BBL Brockdorff, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Potsdam. Die 15 Objekte erzielten demnach ein Gesamttransaktionsvolumen von 86,5 Mio. Euro.

Bei den verkauften Liegenschaften handelt es sich unter anderem um eine denkmalgeschützte ehemalige Brauerei in Bad Aibling (Bayern), eine historische Villa in Fürstenberg/Havel (Brandenburg), ein Baugrundstück direkt an der Havel in Berlin-Spandau und das wahrscheinlich bekannteste Objekt, das Schloss Dwasieden in Sassnitz auf der Insel Rügen (Mecklenburg-Vorpommern). Die restlichen Liegenschaften des GPG-Portfolios sollen dem Markt zu Beginn des nächstens Jahres in einer zweiten und gegebenfalls auch dritten Tranche angeboten werden. 

Ob Dolphin Trust das Schloss Daswieden zur alter Herrlichkeit sanieren wollte?

Eine wesentliche Herausforderung bei der Veräußerung des Immobilienportfolios sind, so eine Kanzlei-Sprecherin,  die zahlreich in die Grundbücher eingetragenen Grundpfandrechte, die auf ihre Wirksamkeit oder Anfechtbarkeit zu prüfen gewesen seien. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht waren eine Vielzahl von Sachverhalten zu ermitteln und Rechtsfragen zu beantworten. Vor diesem Hintergrund habe die Insolvenzverwaltung innerhalb der Kanzlei ein eigenes Recherche-Team von sechs Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eingesetzt, das bisher zirka 20 Grundpfandrechtsgläubiger ausfindig gemacht habe, die die Veräußerung der Immobilen aktuell noch blockieren. In 40 Fällen habe der Insolvenzverwalter die Eintragung der Grundpfandrechte angefochten. Es seien auch bereits zwei Klagen gegen sechs Beteiligte anhängig.

Allein diese Erfahrung von BBL zeigt, was Mühlacker zum Glück erspart blieb.

Dwasieden, der Marstall, im Jahr 2016. Foto: Unukorno

 

 

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