Zwölf Jahre und noch ein bisschen mehr - Doch jetzt geht's los!? (Noch nicht ganz!)

Täglich von 11 bis 19 Uhr kostenlos das große Rad drehen. Drei Wochen lang steht das Angebot der Hofkammer. (alle Fotos: Antonia Bächle)

Mehr als 40 mal gebloggt zum Thema altes, aufgegebenes, vor einer neuen Nutzung stehendes, immer wieder verzögertes Umsetzen der Pläne für das  Areal Ziegelei - als Alleinthema oder in einem kommunalpolitischen Allerlei. Beginnend mit einer Sommerloch-Betrachtung im August 2010, nachdem seit Monaten klar war, dass die Zeit der Herstellung Mühlacker Ziegel zu Ende geht. Die Produktion endete 2009.  Im Februar 2010 die inzwischen häufig gestellte Frage: Ziegelei - was wird daraus? Seit Wochen war ein ganz und gar ungewöhnlicher Blick auf das Firmengelände von der Ziegeleistraße her möglich: freie Sicht auf die Betriebsgebäude. Die gewaltigen Stapel mit Ziegeln entlang der Ziegeleistraße waren weg: Die enorme Dimension dieses Areals überraschte dann doch. Knapp ein Jahr zuvor fasste der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Ziegelei 4. Änderung und Erweiterung", um die Entwicklung zu steuern. Wer am Ende wen steuerte?

Der Logistiker Craiss will sich von seinem jetzigen Standort verabschieden - Ergebnis eines mehrjährigen Entscheidungsprozesses im Unternehmen mit immer wieder neuen, überraschenden Varianten, mit Kehrtwenden, die Rat und OB fast verzweifeln ließen

Heute, 13 Jahre später, stehen zwar noch keine Wohnhäuser auf dem Ex-Industrie-Standort, aber ein Riesenrad Typ Movie Star, 38 Meter hoch,  Einen Monat lang: Gratis-Fahrten täglich von 11 bis 19 Uhr. Der Zweck: Um die neuen Dimensionen des Bauens besser  erfassen zu können. Das Gelände des geplanten Stadtteiles mit bis zu 1400 Menschen in einem Blick vor sich zu haben - der jetzige Eigentümer, die Hofkammer des (Herzogs-)Hauses Württemberg, schiebt die Vermarktungsmaschine an, setzt auf Menschen, die dort und damit in Nähe von Bahnhof und Natur wohnen wollen. Wenn nicht viele Gedächtnisse versagen, so ist wohl die Erkenntnis gesichert: Erstmals steht in Mühlacker ein Riesenrad, und dies zwar ohne großen, aber dafür kleinen Rummel. Den Gegenbeweis kann auch Stadtarchivarin Marlis Lippik nicht antreten. Doppelte Premiere also: Das erste Riesenrad, gleichzeitig die erste Werbung fürs Wohnen auf der 20 Hektar großen  Ziegelhöhe. Ein Name als PR-Produkt, entwickelt von der Hofkammer, der Gemeinderat erfuhr erst nach gefallener Entscheidung davon.  So richtige Begeisterung wollte nicht aufkommen. 

Mühlacker, der Bestand, mit Bahnhof

Im Jahr 2013: Einerseits jammert die Stadtverwaltung wegen fehlenden Gewerbebaulandes, gleichzeitig soll das bestehende Industriegebiet Ziegelei fürs Wohnen umgewandelt werden. Nicht alle in der Stadt akzeptierten dies. Gleichzeitig will Mühlacker seine Zentralitätswerte als Einkaufsstadt erhöhen. Aldi, Edeka und der toom-Baumarkt sollen das durch Umzug auf den gewerblichen Teil entlang der Ziegeleistraße richten.

Wald als Kulisse für eine neue Siedlung - oder ist das eine optische Täuschung?

Oktober 2013 - nun geht's los (denkste!):  Der städtebauliche Wettbewerb ist von der Stadt weder ausgelobt noch bezahlt worden, sondern vom Eigentümer des Areals, der Südwest Immobilien GmbH (SWI). Doch die Kommune spricht ein gewichtiges Wort mit. Acht Fach- und sieben Sachpreisrichter bewerteten die 20 eingereichten Arbeiten. Ich war einer der Vertreter des Gemeinderates. Nach zwei Tagen hatten wir ihn vergeben, den ersten Preis - Baurmann und Dürr, Architekten aus Karlsruhe. Nun sollte der Bebauungsplan die Sieger-Arbeit realisierbar machen. Noch halten sich alle zurück bei Antworten auf Fragen, wann die ersten Häusle gebaut werden können. Es ist 2014.

Ziegelhöhe - ein PR-Name wird auf Aufmerksamkeitstour geschickt

Streiflichter eines Abbruchs. Ich ziehe mit dem Fotoapparat im Februar 2015 übers Abbruchgelände, vorbei an Halden mit zerkleinertem Abbruchmaterial. Für die Nachwelt. Wann werden wir uns sonst nicht mehr erinnern, wie das Ziegelwerk aussah. Derweilen steht in der Stuttgarter Zeitung ein positiver Text zu dem Areal: Nah an der Natur- und am Bahnhof. Ein gewaltiger Pluspunkt.

Heute: Gute Laune vor dem Start. OB, Landrat, Hofkammer-Vertreter, Ratsmitglieder, Amtsleiter.

Die Stadt kommt mit dem Projekt nicht voran. Dieser Eindruck verfestigt sich in der Öffentlichkeit. Anfang 2017 rechneten Berater dem bisherigen Eigentümer, der Firma Koramic, deren Chef in Belgien sitzt, eines vor: Die von ihm erhoffte Rendite aus der Verwertung der Industriebrache lasse sich nicht erreichen. Darauf bietet dieser alles der Stadt an wie sauer Bier und die greift nach kurzem Zögern zu. Und beginnt, einen Investor zu suchen.

Gondeln mit Platz

Der Stadtverwaltung fehlten die Kapazitäten, selbst Erschließung und Vermarktung abzuwickeln. Bürgermeister Winfried Abicht deutete bei einem Lokaltermin der CDU-Ratsfraktion Mitte 2018 an, dass die Verwaltungsspitze eine Direktvergabe des ganzen Areals an einen Investor favorisiere. Wann kann denn mit der Wohnbebauung begonnen werden, die ursprünglich für 2017/18 angekündigt war, fragte ich und machte deutlich, dass die CDU-Fraktion von einer frühzeitigeren Umsetzung der Pläne ausgegangen sei. Abicht: In zwei Jahren, wenn alles gut läuft. Denn die Investoren drängten bei erfolgreichen Verhandlungen darauf, rasch beginnen zu können, solange die Kreditzinsen noch niedrig und die Wohnungsnachfrage vorhanden ist.

Heiterkeit bei Sonnenschein und blauem Himmel

Aus dem Baubeginn 2020/21 wird nichts. Da ist noch das Problem mit dem Bodenmanagement: Recyceltes Material werde auf den künftigen Wohnbauflächen aufgebracht, um eine einheitliche Stabilität und ein gleiches Höhenniveau zu schaffen. Denn dort fehle es an gewachsenem Boden, es seien Tongruben vorhanden gewesen, teilweise sei aufgefüllt worden, so die Stadtverwaltung.

Der überarbeitete, aktuelle Bebauungsplan. Noch fehlt der Satzungsbeschluss durch den Gemeinderat.

Mai 2020: Jetzt geht's los!? (Noch nicht ganz!) Jetzt liegt ein überarbeiteter Entwurf des Bebauungsplanes vor, nun folgen die Feinheiten. Der Kernpunkt: Dichter bebauen als ursprünglich vorgesehen. 100 Wohneinheiten (WE) pro Hektar. Der Regionalplan sieht 80 WE pro Hektar in Mittelzentren vor, die wir aber in unseren anderen Neubaugebieten deutlich unterschreiten, so dass das Minus dort mit einem Plus hier ausgeglichen werden kann. Ursprünglich sollten im Wohngebiet alte Ziegelei Platz für 800 bis 1000 Menschen geschaffen werden, jetzt sollen es 1200 werden (im Heidenwäldle leben 1000 Menschen). Für den Investor muss sich der neue Stadtteil rechnen. Das ist der Preis dafür, dass nicht die Stadt selbst das Areal realisiert. Craiss bleibt am jetzigen Standort, ein 15 Meter hoher Lärmschutzwall soll das Wohngebiet schützen vor Beeinträchtigungen durch den 24-Stunden-Betrieb des Logistikunternehmens. Monate später Meinungsänderung bei Craiss. Irgendwie sind alle froh darüber, der Lärmschutzwall schmilzt schon auf dem Plan. Craiss sucht einen neuen Standort.

Das Modell der Ziegelhöhe in der schwarzen Info-Punkt neben dem kleinen Rummel (Foto: Günter Bächle)

12. Januar 2021: Wohl dem Stadtrat und der Stadträtin, die Zeitung lesen. Sie wissen dann manchmal mehr vom aktuellen Stand als sie wissen sollten. Zum Beispiel, wann der Vertrag über den Verkauf des Areals der alten Ziegelei an die Hofkammer in Ludwigburg von Stadt und Käufer unterschrieben wird. Irgendwie ging ich vom Januar 2021 aus, denn da soll der Vertrag im Gemeinderat beraten und über ihn entschieden werden. Jetzt lese ich, die Unterzeichnung geschehe wohl nicht vor März 2021. So war es auch. 

Diskussion um bezahlbaren Wohnraum. Vor einem Jahr:  Zehn Prozent der Wohnungen auf dem Areal alte Ziegelei sind als öffentlich geförderte, das heißt vergünstigte Mietwohnungen geplant. Auch das bringt uns einen großen Schritt weiter. 

Edel und vertrauensvoll - Württembergs Ex-Könighaus

1. April 2021. Kein Aprilscherz: Historisch? Sehr wohl - wie vor fast 60 Jahren der Bau der Wohnsiedlung Heidenwäldle. Der Gemeinderat billigte jetzt den Verkauf des Areals alte Ziegelei, seit 2017 in städtischem Eigentum, für zwölf Millionen Euro an die Hofkammer Projektentwicklung GmbH (HKPE). Deutlich mehr als vier Millionen Euro über dem von der Kommune dem früheren Eigentümer bezahlten Einkaufspreis. Die Hofkammer legt einen Zahn zu. Ich title: Da würde auch der Herzog gerne wohnen... Der Tradition verpflichtet – der Zukunft zugewandt. Das Motto der Hofkammer des Hauses Württemberg, die private Vermögensverwaltung des herzoglichen Hauses Württemberg mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee im Schloss. Schwerpunkte  bilden die Bereiche Immobilien, Projektentwicklungen, Finanzanlagen, Beteiligungen, Land- und Forstwirtschaft sowie Weinbau. Chef des Hauses ist Carl Herzog von Württemberg. Bis 1918 war es das Königshaus Württemberg. Das böte sich doch ein flotter Werbeslogan für unseren geplanten Stadtteil an: Herzogstadt? Wohnen wie bei Königs? Oder: Da würde auch der Herzog gerne wohnen . . .

Gewaltige Erdbewegungen vor dem ersten Spatenstich

Geschosswohnungsbau, Einzel-, Ketten- und Mehrfamilienhäusern, mit Kindertagesstätte und Seniorenzentrum, öffentlichen Plätzen, Einkaufsmärkten und Büros aussehen - wann wird begonnen? Im Herbst starten die Erschließungsarbeiten samt Bodenmanagement und Geländemodellierung. Rund 400 000 Kubikmeter Erde werden dabei bewegt. 30 bis 40 Millionen Euro investiert die Hofkammer allein in die Geländeentwicklung, bevor sie mit dem Bau von Häusern und Wohnungen beginnen kann. 2023? 2024?

Die Zinsen ziehen wieder an, die Baukosten auch.. Der Bedarf an Wohnraum bleibt. Noch nicht ganz ausdiskutiert sind Punkte, die der VCD ins Bebauungsplanverfahren einbringt - denn erst jetzt läuft die Beteiligung der Öffentlichkeit am Verfahren.

https://youtu.be

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