Baulandpreise in Mühlacker: Große Sprünge statt Trippelschritte? Markt allein sorgt nicht für bezahlbare Wohnungen

Explodieren die Quadratmeter-Preise für Wohnbauland in Mühlacker? Jedenfalls zeigt die Tendenz nach oben. Überraschend kam diese Information schon. Bisher gab es eine Art der schleichenden Erhöhung. Nun: Große Sprünge statt Trippel-Schritte? Zumindest lassen sich die Angaben aus dem Rathaus so werten. In der heutigen Ausgabe des MT wiederholte der zuständige  Amtsleiter, was er schon vor dem Bodenordnungsausschuss des Gemeinderates  vor zwei Wochen sagte. Für gute Lagen werden inzwischen bis zu 700 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Nur Einzelfälle? Eher ,mehr.

Anziehende Bodenpreise werden den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Mühlacker weiter verschärfen. Davon sind die Gemeinderatsfraktionen von CDU, LMU und SPD überzeugt. Mit meinen Vorsitzenden-Kollegen Klemens Köberle und Jürgen Metzger bin ich mir einig: Hier ist es Aufgabe der Stadt entgegenzusteuern, gleichzeitig müssen aber Bund und Land die öffentliche Förderung von Mietwohnungsbau spürbar anheben. Für uns heißt dies, die Stadtbau Mühlacker GmbH als Instrument zur Schaffung von günstigeren Mietwohnungen mehr als bisher einzusetzen. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass der Markt allein das Problem nicht löst, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Fraktionsvorsitzenden von heute, die hier nachzulesen ist.

Dass genügend Wohnraum in einer Kommune zur Verfügung steht, der auch für alle Menschen erschwinglich ist, gehört zur kommunalen Daseinsvorsorge und ist somit eine Grundaufgabe jeder Kommune, schreiben die drei Fraktionen, bekennende Verfechter der Stadtbau.  Vor allem der dringend benötigte günstige Wohnraum sei Mangelware.

Dass wir von realen Problemen sprechen, belegen auch Zahlen, die unser Ratskollege Ulrich Seibold, Mitarbeiter des Job-Centers Enzkreis, zusammengestellt hat. Die Kernaussagen:

  • Es handelt sich nicht nur um Wohnraum für Obdachlose und sozial benachteiligte Menschen. Seit längerem spüren dies auch Menschen in mittleren Positionen
  • In Mühlacker gibt es seinen Angaben zufolge 500 Bedarfsgemeinschaften, die Arbeitslosengeld II beziehen. Das seien etwa 1000 Menschen. Mit etwa zehn Euro liege die durchschnittliche Kaltmiete auf dem lokalen Mietwohnungsmarkt deutlich über der als angemessen bezeichneten Kaltmiete, die das Jobcenter akzeptiere. Bei der Warmmiete seien es 12,40 Euro im Mittelwert.
  • Das ist selbst für mittlere Beamte, Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Mühlacker - schon gar nach Abzug von Sozialversicherung, Steuer und Krankenkasse - kaum finanzierbar, wenn überhaupt eine Wohnung zu finden ist. Und auch dies: Nicht wenige der Rentner bekommen nur 1200 bis 1800 Euro im Monat.

Meine feste Überzeugung, auch nach meinen eigenen Erfahrungen als junger Mensch: Wir haben hier eine besondere Aufgabe, denn das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht, festgeschrieben in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Jeder Mensch hat danach ein Anspruch auf angemessenen Wohnraum. Doch für viele Menschen ist es schwer, eine Wohnung in geeigneter Größe und Ausstattung zu finden.

Erschwerend kommt hinzu, dass laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg selbst die Zahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude generell in Mühlacker 2020 und damit im bisher letzten erfassten Jahr gegenüber den beiden Jahren zuvor zurückging: von 40 (2018) über 43 (2019) auf 36 Gebäude 2020. Das sind 2019 genau 87 Wohnungen, 2018 und 2020 jeweils 60, so die Statistiker. Wer ein Haus baut, macht in der Regel eine Wohnung im Bestand frei. Der Höchststand war 2012 mit 52 Gebäuden gewesen.

Doch darunter sind kaum Sozialwohnungen. Insgesamt förderte L-Bank im Jahr 2019 genau 176 Wohneinheiten, wohlgemerkt im gesamten Enzkreis  - davon 94 Wohneinheiten in der sozialen Wohnraumförderung des Landes (36 Wohneinheiten in der sozialen Mietwohnraumförderung)

Ihre Fierberkurve hat mehr Zacken

Der Einbruch bei den Baugenehmigungen ums Jahr 2000 ist zwar keine Mühlacker Spezialität, fiel aber im Vergleich zu den statistischen Daten fürs Land Baden-Württemberg grasser aus. Während die Veränderungen im Südwesten generell sich verhaltener zeigten, bewegte sich die Stadt Mühlacker schneller auf der Berg- und Talstrecke. Ihre Fierberkurve hat mehr Zacken, das Wachstum verlor rascher und gewann auch rascher hinzu.

Kommunen wie Oberderdingen und Bretten gründeten vor Jahren gut funktionierende Wohnungsbaugesellschaften, die unter anderem bezahlbare Mietwohnungen bauen.  Die  2016 gegründete Stadtbau in Mühlacker begann durchaus hoffnungsvoll, doch sie geriet zum kommunalpolitischen Streitfall. Leider. Zeit, Kraft und Energien in der Festigung dieser 100-prozentigen städtischen Tochter zu stecken, wäre besser und vor allem im Interesse der Wohnraumsuchenden gewesen. Sei`s drum: Wir müssen nun durchstarten, um vorhandene städtische Wohnungen in Schuss und vor allem den Bau von neuem Wohnraum auf den Weg zu bringen. Statt kontroverser Debatten wäre in diesem Fall ein Konsens im gesamten Gemeinderat hilfreich. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass sich die ändert.

Die Stadtbau nicht nur mit acht Mietwohnungen (Stuttgarter Straße) wie bisher am Markt zu haben,  ist das Ziel auch von Oberbürgermeister Frank Schneider. Gemeinsamen auf Kurs. Schließlich weiß niemand – dies kommt erschwerend hinzu -, wie die Flüchtlingswelle aus der Ukraine sich lokal auswirkt. Klar ist aber auf jeden Fall, dass der Handlungsdruck nicht nachlässt, sondern zunimmt.

Kontroversen und den Glauben an den reinen Markt können wir uns bei dieser Lage nicht leisten. 2010 brachte die Diakonie in Mühlacker den Mangel an Sozialwohnungen auf die Agenda. Die CDU griff das Thema damals in einem Antrag auf. Letztlich gab es sechs Jahre nur Vertröstungsworte aus dem Rathaus. 2016 brachte dann die Gründung der Stadtbau. Kommunalpolitisch umstritten und somit auf einem holprigen Weg. Nicht gerade gute Voraussetzungen.

Thema auch im Kreistag

Jetzt brachten die Fraktionen von CDU und SPD getrennte Anträge auch im Kreistag ein. Wir stützen uns auf unseren Vorstoß für mehr bezahlbaren Wohnraum im Enzkreis von 2018. Hat sich seitdem in der Substanz etwas getan? Interessant ein neues Modell des Kreises Ludwigsburg, derzeit dort auf der Agenda des Kreistags.

Wer suchet der findet…. zum Beispiel ein Modell für eine Bürgergenossenschaft Wohnen. Ein innovatives Projekt des Landkreises Ludwigsburg. Somit wird unterschiedlich großen Kommunen die Möglichkeit gegeben, gemeinsam bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das ist ein Instrument für einen Landkreis (S. 3, Absatz 3 f).  Wir haben in Mühlacker mit der Stadtbau GmbH eine passgenaue Lösung für unsere Stadt. Doch auch wir können aus dieser Vorlage für den Sozialausschuss des Kreistags Ludwigsburg Honig saugen:

1. Deutlich wird, dass wir Lösungen über die 10-jährige Bindungszeit hinaus brauchen (Punkt IV, S. 4). Dauerhaft günstige Mietwohnungen anbieten zu können, ist mit der Stadtbau möglich (Eigentümer). Private tun dies nicht

2. Geschäftsbesorgung (S. 5) - als Hinweis zu unserer aktuellen Diskussion bei der Stadtbau und eine Möglichkeit der Starthilfe

3. Finanzierung (S. 5) - dieser Abschnitt zeigt die verschiedenen Varianten und Grundsätze auf. Der Inhalt belegt aber auch, dass ebenfalls hier gilt: wer suchet der findet. Leider führte der Finanzbedarf unserer Stadtbau bei manchem in Gemeinderat und  Verwaltung zur Behinderung der Stadtbau nach dem Motto: Miar henn koi Geld - was zur sofortigen Lähmung führt und zum Unterlassen jeglichen Nachdenkens über eine vielleicht doch erreichbare und vertretbare Lösung.

Die Vorlage So_A 04/2022 hier zum Herunterladen: SoA-Vorlage_04_2022.pdf

Die Antwort der Stadtverwaltung auf meine Gemeinderatsanfrage zu dem Thema: S22-028-60_Wohnungsbau_Vergleich.pdf

 

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