Fragen an den Landrat: Fakten gefordert statt der ewigen Leier vom diffusen Infektionsgeschehen in Mühlacker

Bin um 16°° mit dem Fahrrad durch die Enzgärten gefahren. Und konnte es nicht glauben, wieviele Personen dichtgedrängt sich ohne Maske und dergleichen aufgehalten haben. Der Bericht entspricht der Wirklichkeit, schrieb mir heute mein Fraktionskollege im Gemeinderat, Theo Bellon. Er bestätigte somit, was kurz vorher eine Bürgerin mailte, die Alarm schlug: Pfingstsonntag ca. 15 Uhr in den Enzgärten neben dem Skaterpark, ca 20 bis 25 Personen auf Bänken und Steinen eng beieinander sitzend und kein einziger trug eine Maske. Aber es kann sich ja keiner vorstellen woher die hohen Inzidenzwerte kommen?

Zumindest zu den beiden Zeitpunkten keine Kontrolle in den Enzgärten. Dabei wissen alle, dass das ehemalige Gartenschaugelände an schönen Tagen wie ein Magnet wirkt.

Sollen wir von Menschen anderes erwarten, denen täglich die sinkenden Werte der 7-Tage-Inzidenz für den Enzkreis verkündet werden?  Von 144 am vergangenen Montag die Talfahrt auf heute 87,19. Auch wenn erst am Freitag mit 96 die 100er-Schwelle unterschritten war, reicht es nicht zu Lockerungen. Da sind mindestens 100 minus X sieben Tage lang am Stück notwendig. Trotzdem.

Doch die Werte in Mühlacker liegen etwa doppelt so hoch wie die Enzkreis-Zahlen. Am Freitag bei 180. Aber die Zahl taucht in keiner amtlichen Statistik auf, weil sich das Kreis-Gesundheitsamt beharrlich weigert, dies mit dem jeweils aktuellen durchschnittlichen Enzkreis-Stand zu veröffentlichen. Da wird Sternenfels mit seinen 2800 Einwohnern einfach mit Mühlacker und seinen 26.000 Einwohnern verglichen. Manche nehmen’s humorvoll, andere ärgern sich mächtig über diese Verniedlichungspolitik des Gesundheitsamtes - eine Praktik, die der Landrat leider seit Wochen verteidigt.

Ärgerlich: Wer die 7-Tage-Inzidenz für Mühlacker erfahren will, muss selbst rechnen. Mathematische Kenntnisse sind gefragt. Meine Meinung: Die Menschen im Hotspot Mühlacker haben den Anspruch, dass ihnen diese Daten geliefert werden und so die Realität ungeschminkt dargestellt wird. Oder die Stadtverwaltung muss ihre Rechen-Kenntnisse in den Dienst der Einwohner stellen.

Solange der Mühlacker Wert nicht jederzeit abrufbar ist und in den Köpfen sich nur der im Enzkreis-Mittel mit unter 100 festsetzt, wird Abstandhalten und Masken-Einsatz als nicht mehr  als so schwerwiegend für nötig empfunden. Wir waren in Mühlacker in den vergangenen Monaten schon bei 500 und niemand schlug Alarm. Stattdessen die ewige Leier vom diffusen Infektionsgeschehen. Die Menschen stellen Fragen zu den möglichen Folgen der schwierigen Sozialstruktur: Werden alle erreicht?

Viel Zustimmung erhielt ich aus der Einwohnerschaft für meine Kritik an der Informationspolitik von Kreis- und Stadtverwaltung zu diesem Punkt. Die Menschen haben ein sicheres Gespür für die Schwachstellen im Corona-System, vermissen Kontrollen durch die Behörden etwa in der Bahnhofstraße, wenn sich Menschentrauben vor Imbissständen bilden, oder eben an schönen Tagen in den Enzgärten - ein Gespür, das die kommunalen Chefs unterschätzt haben oder nicht wahrhaben wollen. Ich sammle die Anfragen und Anregungen, konfrontiere die Verwaltungen damit, setze meinen kommunalrechtlichen Anspruch auf Beantwortung ein. Veröffentliche die Antworten auch.

Es herrscht bei vielen Menschen das Gefühl, dass Probleme unter den Tisch fallen, absichtlich nicht aufgegriffen werden, obwohl sie sozusagen auf der Straße liegen. Sie haben dieses Thema aufgegriffen und die Problematik auf den Punkt gebracht haben. Das war richtig und mutig, denn wer mit offenen Augen durch Mühlacker geht, sieht wo die Problematik liegt, aber das traut sich ja heutzutage niemand mehr zu sagen. Herzlichen Dank für Ihre klaren Worte.

Am Mittwoch fasste ich die Punkte in einer Anfrage an den Landrat zusammen. Bis heute steht die Antwort aus.

Anfrage nach § 19, Abs. 4 LKrO B-W

1. Ist das Kreis-Gesundheitsamt bereit, wenigsten zwei Mal wöchentlich den 7-Tage-Inzidenz-Wert für Mühlacker zu veröffentlichen, und zwar so lange, bis Mühlacker tägliche Werte hat, die nicht wesentlich vom Enzkreis-Durchschnitt abweichen?

1a. Nach Einbringen meiner Anfrage erfuhr ich, dass das Pfarramt Paulus II in Mühlacker schon am 19. Februar 2021 aktuelle Zahlen für Mühlacker zu bekommen hoffte. Offenbar lagen die Werte teilweise bei mehr als 500. Wie hoch waren die Ausschläge nach oben in Mühlacker seit Beginn der zweiten Welle?

2. Wie erklärt sich das Kreis-Gesundheitsamt die über 400 hinausgehenden Werte in Mühlacker vom 8. April an bis Ende April 2021?

3. Weshalb wurden diese Zahlen nicht zeitnah veröffentlicht?

4. Welche Maßnahmen haben Kreis-Gesundheitsamt und im Einklang damit die Stadt Mühlacker aufgrund der latent erhöhten 7-Tage-Inzidenzen ergriffen? Wurden die Kontrollen ausgeweitet? Welche Schwerpunkte haben die Kontrollen? Wer veranlasst diese?

5. Wie steht Mühlacker im Vergleich mit anderen, größeren Enzkreis-Gemeinden?

6. Mühlacker hat eine schwierige soziale Struktur durch einen relativ hohen Migrantenanteil? Lassen sich unterem anderem damit die 7-Tage-Inzidenzen erklären?

7. Was unternimmt das Kreis-Gesundheitsamt, um Migranten mit den Informationen zu erreichen (auch sprachlich) und sie für das Problem zu sensibilisieren?

8. Weshalb wurde die Testpflicht für Kindertagesstätten in Mühlacker nicht zeitgleich mit der in Pforzheim eingeführt?

Günter Bächle
Kreisrat

PS: Anfrage zur Kenntnis auch an die Stadt Mühlacker

 

 

 

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