Ein Arzt für Lienzingen! Verwaltung muss Ratsbeschluss zügig umsetzen

Das Aus für ihre Lienzinger Filiale steht fest. Doch auf der Homepage der Bubeck-Praxen findet sich die Nachricht (noch) nicht. Dafür liegen Infoblätter in den Arzträumen in der Neuwiesenstraße aus. Die Botschaft: Wir ziehen um zum 1. Juli 2021, aber nicht in Lienzingen wie zuerst geplant, sondern in die Industriestraße nach Mühlacker. Denn die Pläne, am bisherigen Standort neue Praxisräume zu gewinnen, stecken fest. Bis jetzt zeigt sich keine Lösung. Seit Allgemeinmediziner mit der Bereitschaft zur eigenen Praxis eher spärlicher auf dem Markt sind, müssen Kommunen damit rechnen, dass bei ihnen der Wunschzettel abgegeben wird nach dem Motto: Such mal für uns! Das mag einem passen oder nicht. Politik beginnt beim Betrachten der Wirklichkeit. Auch hier passt der Satz von Erwin Teufel.

MT berichtete am 6. Mai 2021

Die Kommunalpolitik wird immer mehr gefordert, in solchen Fällen in Vorleistung zu treten, den Weg freizumachen im Interesse des öffentlichen Wohls und der Daseinsvorsorge. Das ist die Wirklichkeit. Tendenziell nimmt das in Nach-Coronas-Zeiten wohl noch zu. Mühlacker erlebt einen Vorgeschmack davon. Wenn aber im Rathaus nicht rasch genug gehandelt wird, ist die Praxis weg – wie jetzt in dem 2100-Einwohner-Stadtteil Lienzingen. Oder kommt kein Arzt. Am Ende will es keiner gewesen sein.

Nach 38 Jahren keine Arztpraxis mehr im Dorf. Das darf kein Dauerzustand sein. Wir brauchen wieder einen Allgemeinmediziner im Flecken. Aber ohne den aktiven und flotten Einsatz der Kommune wird dieses Ziel nicht erreicht. Bitte mehr Tempo, die Bevölkerung erwartet diesen Einsatz.

Für mich ist die Lösung des sich abzeichnenden Allgemeinärztemangels weit wichtiger als der Neubau einer Kulturhalle oder die Schaffung neuer Gewerbeflächen. Dies schrieb mit ein Lienzinger Ende 2016. Damit rückte er die Prioritäten zurecht. Ein kluger Gedanke. Und dieser ist gerade höchst aktuell.

Im Interesse der Lienzinger Bevölkerung ist zu hoffen, dass diese Praxis entgegen dem Trend, kleinere Privatstandorte aufzugeben, erhalten bleibt.  Mit diesem Satz schloss Dr. Johannes Bastian seinen Beitrag Ortsbuch Lienzingen zur medizinischen Versorgung des Ortes (Dussel, Konrad: Ortsbuch Lienzingen. 2016. Verlag Regionalkultur, S. 222 ff). Der Wunsch ist derzeit aktueller denn je. Bastian war der erste Arzt, der in der Gemeinde 1983 eine Praxis eröffnete. Der Doktor om's Eck nom, wie er selbst notierte, fand 2012 in Dr. Katja Riegel eine Nachfolgerin. Sie wollte Ende 2016 die 120 Quadratmeter große Praxis aufgeben, doch die Vaihinger Bubeck-Praxen Ende 2016 ermöglichten den Fortbestand: Sie übernahmen, Riegel ließ sich dort anstellen und hatte nun mehr Zeit für die eigene Familie. Damals schrieb ich von einem Glücksfall.

Bald darauf erklärten die Bubeck-Kooperative dem Mühlacker Oberbürgermeister, am Standort Lienzingen festhalten zu wollen, gar hier in eine neue und größere Praxis zu investieren. Das ist nun hinfällig. Oder doch nicht? Eine Rückkehr sei nicht auszuschließen, heißt es. Ein schmaler Silberstreif am Horizont. Ob es mehr wird? Die Konditionen dürften sich für die Stadt verschlechtern. Wenn alles geklärt wäre und es eine klare Perspektive gäbe, sind wir immer ansprechbar, so die Bubeck-Praxen laut MT.

Das Bubeck-Motto: Wir bieten moderne Hausarztmedizin. In acht Praxen mit Stammsitz in Vaihingen/Enz seien 19 Ärzte und zirka 50 medizinische Fachangestellte sowie zahlreiche Auszubildende im Einsatz. Ziel ist die langfristige Erhaltung von Hausarztversorgung vor Ort. Nun, jetzt geschieht erst einmal ein Abbau.

Der Umzug in das Gebäude von Händle an der Industriestraße empfinde ich als einen herben Verlust für Lienzingen und vor allem für die Menschen, die älter und weniger oder gar nicht mobil sind. Es wurde im Rathaus viel zu lange herumgegeigt, die To-do-Liste hätte rascher abgearbeitet werden müssen. Meine Kritik gilt noch stärker der mangelnden Geschwindigkeit, mit der das Kindergartenproblem in Lienzingen angegangen wird. Kürzlich blätterte ich meinen Ordner zum Friedrich-Münch-Kindergarten durch – die baulichen und anderen Mängel stehen seit sechs Jahren auf der Agenda. Wenigstens jetzt zeichnet sich eine Lösung ab – bin gespannt, mit welcher Geschwindigkeit sie umgesetzt wird.

Das Mühlacker Tagblatt zitierte in seinem Bericht in der gestrigen Ausgabe Frank Breckwoldt, Sprecher der Bubeck-Praxen. Ohne eine klare Perspektive für neue Räumlichkeiten sei die Praxis im Stadtteil Lienzingen, die sehr gut laufe, nicht aufrechtzuerhalten. Die Nachteile zeigten sich in der Corona-Zeit umso deutlicher, wenn bei begrenztem Platz und großem Andrang Patienten auf der Straße warten müssten. Die Praxis sei eigentlich eine Wohnung.

Der Bürgermeister und Baudezernent der Stadt sieht keine schuldhafte Verzögerung bei der Stadtverwaltung. Jede Idee und jeder Vorschlag sei an die Bubeck-Praxen weitergegeben und dort gesammelt worden. Offenbar gab es nicht immer eine Rückmeldung.

Dokumentiert >>>>

Hier Stationen des Scheiterns der Suche nach neuen Praxisräumen in Lienzingen:

9. Mai 2019

Der Amtsleiter antwortete auf meine Anfrage. Im O-Ton:  Wir haben kommende Woche ein Abstimmungsgespräch mit der Stadtbau. Ziel ist es, die Möglichkeiten des Standortes auch im Hinblick auf eine Arztpraxis/Kindergarten etc. zu prüfen. Anschließend wollen wir diese Möglichkeiten für das Gremium darstellen und das weitere Vorgehen beschließen. Ein Architektenvertrag ist noch nicht abgeschlossen, es wurden aber bereits Gespräche mit Architekten geführt

17. Dezember 2019

CDU-Antrag A-19-56-23-40 im Gemeinderat zu den Bauplänen: Die Verwaltung: Die Planungen wurden bisher nicht weiter konkretisiert. Dies geschah aus verschiedenen Gründen. Zum einen konnten weitere Grundstücke in diesem Bereich erworben werden, zum anderen liegt eine konkrete Anfrage für eine weitere Nutzung vor. Dies ist der Neubau einer Arztpraxis sowie die Errichtung von barrierefreien Wohnungen. Aktuell steht die Verwaltung mit drei Interessenten für die Errichtung eines Gesamtkomplexes in Verhandlungen.

17. Januar 2020

Ich habe meine alten Kontakte in den Kreis Ludwigsburg genutzt…:Antwort eines Bauträgers, erfahren in solchen Projekten: Wenn ein Kindergarten und eine Arztpraxis mitgebaut werden sollen, dann kann die Stadt beide ins Eigentum übernehmen. Günstiger und vor allem schneller wird es bei einer öffentlichen Ausschreibung nicht gehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir der Stadt ein gutes Angebot unterbreiten zu können. In Abstatt bauen wir einen Teil der neuen Ortsmitte und die Gemeinde baut mit.

10. Juli 2020

Meine Mail an Eltern meiner Schüler zu Kindergarten- und Arzthausplänen in Lienzingen. Hatte mich dafür eingesetzt, dass die Entscheidungen noch vor der Sommerpause 2020 des Gemeinderats getroffen werden. Drei Investoren zeigen Interesse an dem Kombi-Bau Kindergarten, Arztpraxis und eventuell altengerechte Wohnungen. Der Gemeinderat muss das Auswahlverfahren in Gang setzen. Ich habe gefordert, diese Entscheidung noch im Juli 2020 zu treffen. Parallel dazu läuft das Bebauungsplanverfahren. Die Ärzte machen auch Druck.

28. Juli 2020

Gemeinderatsbeschluss:

Der Gemeinderat stimmt 1. den Überlegungen der Verwaltung (2- gruppiger Kindergarten, Hausarztpraxis und Wohnen) zu.

2. Die Verwaltung wird beauftragt die notwendige Ausschreibung vorzubereiten und dem Gremium vorzulegen. 

Aus der Vorlage für den Gemeinderat in dieser Sitzung: Die Verwaltung konnte zwischenzeitlich den Grunderwerb abschließen. Dadurch ergeben sich verschiedene Möglichkeiten einer Bebauung. Derzeit ist der Neubau eines 2-gruppigen Kindergartens als Ersatz für den abgängigen Kindergarten Friedrich-Münch sowie der Bau einer Arztpraxis vorgesehen. Ergänzt werden könnte dies noch durch ein Wohnnutzung (unter Berücksichtigung des angrenzenden Sportplatzes) wie zum Beispiel betreutes Wohnen. Das Gutachten zeigt, dass Fußballspielen und Wohnen im Bereich Sportplatz/Gemeindehalle/Scherbentalbach zu Konflikten führen können. Deshalb: Keine Wohnungen dort.

Die Verwaltung steht in engem Kontakt zu den Betreibern der örtlichen Hausarztpraxis, hier wurden verschiedene Lösungen besprochen. Eine Interimslösung ist nicht möglich, der Aufwand hierfür wäre zu groß. Der Verwaltung liegt inzwischen ein Raumprogramm für die notwendige Ausschreibung vor.

1. Februar 2021

Meine Gemeinderatsanfrage S21-003-60, Zitat aus der Antwort der Verwaltung: Es handelt sich um eine Baulücke im Innenbereich, die innerhalb des HQ100 (genau genommen auch des HQ50) liegt. Sie ist dann bebaubar, wenn die Voraussetzungen des § 78 Abs. 5 Wasserhaushaltsgesetz kumulativ vorliegen. Dazu Anfrage vom 8. Januar 2021: Wir sind uns einig, dass das Grundstück der Stadt, auf dem sich derzeit unter anderem der Spielplatz befindet, für ein Ärztehaus genutzt werden soll. Inwieweit liegt dieses Grundstück nun in dem Überschwemmungsgebiet nach HQ100?

24. Februar 2021

Der Gemeinderat beschließt:

1. Die Teilfläche des Grundstücks beim Kindergarten Ringstraße in Größe von ca. 1.250 m² wird den interessierten Investoren, zum Bau einer Arztpraxis optional mit barrierefreien Wohnungen, zum Kauf angeboten.

2. Die Verwaltung wird beauftragt den Neubau eines 6-gruppigen Kindergartens vorzubereiten und dem Gemeinderat zeitnah die Realisierung (Investorenlösung oder Vergabeverfahren) zur Beschlussfassung vorzulegen.

3. Die Verwaltung wird beauftragt mit der evangelischen Kirchengemeinde Lienzingen in Verhandlungen zur Trägerschaft einzutreten.

Aus der Begründung der Stadtverwaltung in der Sitzungsvorlage zum Punkt Arztpraxis: Die Realisierung muss laut Aussage der Betreiber schnellstmöglich erfolgen. Die Patientenzahlen und die derzeitige räumliche Situation lassen keine weitere Verzögerung zu. Benötigt werden zirka 200 bis 250 Quadratmeter Praxisfläche, barrierefrei und mit ausreichenden Stellplätzen. Alternativ besteht für den Betreiber die Möglichkeit die Praxisräume in Mühlacker/Industriestraße zu integrieren. Kindergarten: Der Bedarf an Kindergartenplätzen ist ansteigend. Die Geburtenzahlen zeigen auch, dass der Bedarf in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

6. April 2021

Meine Anfrage im Gemeinderat: In der Liste der Baugenehmigungen, die dieser Tage versandt wurde, findet sich eine Genehmigung für den Umbau zu einer Arztpraxis im Anwesen Händle, Industriestraße. Hat das Auswirkungen auf das geplante Ärztehaus in Lienzingen? - Als ob ich es geahnt hätte.

26. April 2021

Die CDU-Fraktion an Dezernenten und Fachämter: Der OB drängt seit Monaten – mit unserer Unterstützung – auf eine Klärung des Standortes für ein Ärztehaus in Lienzingen. Wie ich heute erfahre, sind die Bubeck-Ärzte abgesprungen, auch weil alles zu lange dauerte. Das wird in Lienzingen zu einer Diskussion führen. Wir können nachvollziehen, dass den Bubeck-Ärzten alles nicht schnell genug ging.

5. Mai 2021

An die Verwaltungsspitze der Stadt: Wir sind wieder an dem entscheidenden Punkt: Es schleppt sich hin.

Der Gemeinderat hat am 24. Februar 2021 beschlossen:

1. Die Teilfläche des Grundstücks beim Kindergarten Ringstraße in Größe von ca. 1.250 m² wird den interessierten Investoren, zum Bau einer Arztpraxis optional mit barrierefreien Wohnungen, zum Kauf angeboten und damit den Weg frei gemacht für die Ausschreibung des Grundstückes an der Ringstraße.

Wenn ich die Antwort der Verwaltung richtig interpretiere, ist bisher nichts ausgeschrieben worden. Oder sehe ich das falsch? Wenn nicht, wann wird ausgeschrieben, in welcher Form und welche Fristen werden dem Anbieter gesetzt?

5. Mai 2021

Meine Mail an den OB: Jetzt wird die Schließung zum Thema bei den Leuten. In der Praxis liegen Handzettel aus, dass sie zum 01.07.2021 geschlossen wird und umzieht in die Industriestraße (Hermle). Sind denn die Pläne an der Ringstraße für ein Arzthaus noch realistisch? Was hat das Baudezernat konkret unternommen? Ich meine: Wir müssen diese Pläne zügig umsetzen und eine Arztpraxis vorsehen.

Fragen bleiben. Wir brauchen rasch Antworten und zügige Umsetzung der Beschlüsse zum Standort an der Ringstraße. Was unternimmt die Verwaltung? Wann wird der Ratsbeschluss umgesetzt? Eine Sache für die Wiedervorlage. Denn das Ziel bleibt: Ein Arzt für Lienzingen! Als eine der Bubeck-Praxen oder ein Mediziner, der gerne dort arbeitet, wo andere Leute Ferien machen und Erholung suchen.

 

 

 

 

 

 

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