Difu legt neues Panel vor: Zitterpartie bei Kommunalfinanzen geht 2021 weiter - Bezahlen Kultur, Sport und Soziales die Zeche?

Eine Umfrage unter meinen Kolleginnen und Kollegen der Städtegruppe B im Städtetag BW hat dasselbe Ergebnis gebracht. Bis auf wenige, glückliche, Ausnahmen gehen die Großen Kreisstädte von einem starken Rückgang der Investitionstätigkeit aus, kommentierte Mühlackers Oberbürgermeister Frank Schneider das Kommunalpanel 2021, erstellt vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) für die KfW-Bankengruppe. In einer Vorab-Mitteilung der KfW hört sich die Botschaft vorerst noch nicht so heftig an: Es zeigt sich, dass die öffentliche Investitionstätigkeit in Städten und Gemeinden noch der Krise trotzt. Doch die Einschränkungen folgen sogleich: Allerdings trübt sich das Bild gerade bei finanzschwachen Kommunen deutlich ein. Und Mühlacker gehört nicht gerade zu den finanzstarken Kommunen, leidet seit Jahren unter einem  landesweit gesehen pro Einwohner unterdurchschnittlichen Steueraufkommen. Vor Jahren war dies schon ein Thema für die Gemeindeprüfungsanstalt. Seinerzeit hieß die Losung: Mehr Besserverdiener in die Stadt holen. Als ob man nur mit einem Lasso ausziehen müsste, um Betuchte eizufangen.

Mittelfristig besteht nach Auffassung der Panel-Ersteller die Gefahr, dass es vor allem bei den Ausgaben für freiwillige Aufgaben zu spürbaren Einsparungen kommt. Freiwillige Aufgaben in den Bereichen Kultur, Sport und Soziales sind für die Daseinsvorsorge und die Lebensqualität in Deutschland von großer Bedeutung – gerade auch in einer Post-Corona-Zeit, betont Difu-Projektleiter Christian Raffer. Die Unwägbarkeiten für Kommunalhaushalte drohen, sich langfristig negativ über die Zeit der Krise hinaus auszuwirken, wenn es nicht gelingt, finanzielle Planungssicherheit für Kommunen zu schaffen. Woher soll sie kommen, die Planungssicherheit? Da bleibt die Untersuchung Antworten schuldig.

Denn auch an Heftigkeit zunehmen wird meiner Meinung nach der Verteilungskampf zwischen kreisangehörigen Städten und Gemeinden einerseits, den Landkreisen andererseits. 2022 gilt als besonders schwieriges Jahr beim Finden eines für alle Beteiligten hinnehmbaren Umlagesatzes, den die aus diesem Hebesatz errechnete Summen von den Rathäusern den Landratsämtern überwiesen werden müssen. Die Quadratur des Kreises auch im Enzkreis.

Wie repräsentativ für die Entscheider in den Rathäusern und Landratsämtern sind die Erkenntnisse? Das Difu hat im Zeitraum von September bis Dezember 2020 zunächst insgesamt 2.205 Kommunen um die Teilnahme am KfW-Kommunalpanel 2021 gebeten. In einer Ergänzungsstichprobe wurden von Oktober an weitere 1.450 Kommunen befragt. Die Auswahl der Kommunen folgt dabei einer seit 2009 weiterentwickelten Methode, um für alle Städte und Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern sowie alle Landkreise repräsentative Ergebnisse erzielen zu können. Die Rücklaufquote liegt mit 659 Kommunen bei 29,9 Prozent bezogen auf das ursprüngliche Sample und mit weiteren 106 Kommunen bei 7,3 Prozent bezogen auf die Ergänzungsstichprobe. Insgesamt nahmen somit 765 Kommunen teil. KfW-Kommunalpanel-2021_Praesentation-Vorabauswertung-Corona1.pdf

Digitalisierung: Anschlüsse und Kabel an einem neuen, energieeffizienten Server (Quelle: KfW-Bildarchiv / photothek.net)

Rund 73 Prozent der Kommunen geben bei der aktuellen Befragung an, dass sich die Finanz- und Haushaltslage – bezogen auf die Einnahmen – schlechter oder sogar deutlich schlechter darstellt, als noch zu Beginn der Krise zu befürchten war. Auch bezogen auf die Ausgaben hat ein erheblicher Anteil der befragten Kommunen eine pessimistischere Einschätzung als noch im Frühjahr. Zwar gehen rund 54 Prozent der Kommunen davon aus, dass die Ausgabensituation im Vergleich zur Einschätzung im Mai 2020 unverändert ist. Zugleich bewerten jedoch auch 43 Prozent die aktuelle Ausgabensituation als schlechter oder sogar deutlich schlechter. Dabei hat sich bei über einem Drittel der Kommunen sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabensituation verschlechtert. Insgesamt rechnen aktuell 85 Prozent der befragten Kämmereien – im Vergleich zur Haushaltslage vor der Pandemie – mit sinkenden Einnahmen für 2021 und die Folgejahre. Soweit die Darstellung von Difu.

Die Investitionen verschieben sich zugunsten der Digitalisierung, so ein zentrales Ergebnis der Umfrage. Unter den Kommunen, die sich an der Befragung beteiligten, rechnen 64 Prozent mit eher bzw. sogar stark steigenden  Investitionsausgaben für die Digitalisierung. Die Zeche bezahlen wohl andere Bereich: Hart wird es voraussichtlich den Kultur- und Sportbereich treffen, prognostiziert die Difu. Angesichts der zu erwartenden Mindereinnahmen infolge der Corona-Pandemie gehen 42 Prozent (Kulturbereich) beziehungsweise 32 Prozent (Sportbereich) der Städte, Gemeinden und Landkreise davon aus, dass sie künftig weniger Geld für Kultur- und Sportangebote ausgeben werden. Auch für sonstige soziale Angebote, wie zum Beispiel für Jugendliche oder Senioren, die nicht bereits über die Leistungen der Sozialhilfe rechtlich fixiert sind, gehen 27 Prozent der Kommunen von einer reduzierten Ausgaben aus.

Es besteht die reale Gefahr, dass sich die seit Jahren bestehenden Ungleichheiten zwischen den Kommunen in Deutschland erneut verschärfen werden, so die Einschätzung von Difu-Wissenschaftler Christian Raffer.

  1.     Kommunale Haushaltslage hat sich weiter zugespitzt
  2.     Drei Viertel der Städte, Gemeinden und Kreise mit noch geringeren als zuvor erwarteten Einnahmen
  3.     Ausgabensituation bei vier von zehn Kommunen schlechter als zu Beginn der Pandemie befürchtet
  4.     Finanzierungslücken gehen zulasten freiwilliger Kultur-, Sport- und Sozialausgaben

Wir sind 2020 unvermittelt hineingeschlittert, auch als Stadt Mühlacker, in eine Krise, die plötzlich wegen eines unbekannten Virus da war. Doch die Zitterpartie geht 2021 weiter, prophezeit KfW Research in einer Analyse, die sich auf die Difu-Umfrage-Resultate stützen. Die Corona-Krise habe Deutschland weiter fest im Griff und ihre wirtschaftlichen Folgen hinterlasse immer tiefere Spuren in den Kassen der öffentlichen Haushalte. Bei über einem Drittel der befragten Kommunen (36 Prozent) habe sich sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabensituation seit Mai 2020 – dem Zeitpunkt der ersten KfW-Befragung zur Corona-Betroffenheit – weiter verschlechtert. Ein weiteres Drittel (34  Prozent) sei mit geringeren Einnahmen bei unveränderten Ausgaben konfrontiert. Nur 15 Prozent hätten von weitestgehend stabilen Einnahmen und Ausgaben berichtet. Die Schere geht somit weiter auf.

Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW (Quelle: KfW-Bildarchiv / Thorsten Futh)

Die mit Beginn der Corona-Pandemie aufgekommene Befürchtung erheblicher Einnahmeeinbrüche in den kommunalen Haushalten hat sich vielerorts bestätigt, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Ihre Diagnose: Die vollen Auswirkungen der Krise auf die kommunalen Finanzen werden sich erst mit zeitlicher Verzögerung offenbaren. Mittelfristig sind neben zu erwartenden Mindereinnahmen die gleichzeitig steigenden Ausgaben zur Bewältigung der Krise eine Herausforderung. Hohe Haushaltsdefizite sind absehbar.

Ein Minus gibt es bei den Steuereinnahmen, wobei hier insbesondere die Gewerbesteuer schrumpft. Für 70 Prozent der befragten Kommunen fallen die Steuereinnahmen schlechter oder sogar deutlich schlechter aus – trotz der bereits zugesagten Kompensationszahlungen von Bund und Ländern (uns traf es hart bei der Gewerbesteuer, aber auch bei den Einkommensteuer-Anteilen - und trotzdem erreichten wir den Hof). Mit Blick auf die Ausgaben schätzen rund 54  Prozent der Kommunen ihre Lage im Vergleich zur Einschätzung im Mai 2020 unverändert ein. Zugleich bewerten jedoch auch 43 Prozent die aktuelle Ausgabensituation als schlechter oder sogar deutlich schlechter. Hier schlagen bei einem Großteil der Kommunen (60 Prozent) vor allem höhere Sachkosten, etwa für pandemiebedingte Schutzausrüstung oder Homeoffice-Ausrüstung zu Buche.

Die Finanzierungslücken, so erwarten die Finanzexperten, treffen vor allem die freiwilligen kommunalen Aufgaben, denn nur hier seien Konsolidierungen, anders als bei anderen Ausgabenposten - insbesondere bei Personal und Soziales -  überhaupt umsetzbar. Investitionen in Querschnittsaufgaben wie Digitalisierung, Klimaschutz oder Demografie zeigen sich in der Krise als überraschend robust, bilanzieren die Kfw-Fachleute.

Etwas aufgehellt hat sich die mittelfristige Perspektive für die kommunalen Investitionen: Während knapp 26 Prozent der befragten Kommunen von steigenden Investitionen infolge der Krise ausgehen, sehen 22  Prozent  sinkende Investitionen vorher (im Mai 2020 war das Verhältnis noch 26 zu 31 Prozent). 57  Prozent würden niedrigere Investitionen zumindest erwarten, wenn die Einnahmen weiter sinken. Somit erschwert die aktuelle Unsicherheit die Investitionsplanungen für die nächsten Jahre. Wenn die kommunale Investitionstätigkeit an Fahrt verliert, wird es schwieriger, nach der Krise wieder Tempo aufzunehmen und die gesamtstaatlichen, transformativen Herausforderungen anzugehen. Deshalb brauchen die Kommunen die erforderliche finanzielle Planungssicherheit, so die KfW-Chefvolkswirtin.

Was wollen uns diese Zahlen sagen? Nehmen die Kommunen dieses Schicksal als gegeben an? Gerade einmal jede zweite Kommune  stimmt der Aussage zu, dass es durch die Digitalisierung mittelfristig zu einer Entlastung von Verwaltungsprozessen kommen wird, beispielsweise weil Abläufe einfacher oder kostengünstiger organisiert werden können.

Eine strukturelle Anpassung der Finanzmittelverteilung gilt als Maßnahme, um die Kommunalkassen zu stützen. Hierunter fallen sowohl ein höherer gemeindlicher Anteil an den Gemeinschaftssteuern als auch Reformen der kommunalen Finanzausgleichssysteme. Doch dies käme nur mittelfristig, wenn überhaupt. Ein neuer Verteilungskampf.

Die Politik hat den Kommunen schnelle finanzielle Entlastungen zugesagt. Von 64 Prozent der befragten Kommunen wird dies auch an erster Stelle der kurzfristig hilfreichen Maßnahmen genannt. Die Entlastung bei den Sozialausgaben, zum Beispiel in Form der Übernahme von 74 Prozent der Kosten der Unterkunft (KdU),12 wird hingegen von deutlich weniger Kommunen als wichtiger Beitrag zur unmittelbaren Krisenbewältigung wahrgenommen. Letztlich wird es entscheidend sein, wie schnell die Konjunktur wieder boomt und die Steuerquellen kräftig sprudeln. Alles andere bedeutet Überbrückung eines Haushaltslochs - etwa durch super-billige Darlehen.

 

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