Spaziergang durch Kreis-Themen mit Kreis-Kunststücken - quasi ein Kreis-Lauf

Station. Schwarz. Eine Arbeit von Eckhard Bausch (2011): Wie Schwarzseher die Kassenlage des Landkreises beurteilen und fast so undurchsichtig wie manche Teile des Enzkreis-Haushaltsbuchs 2021 (Fotos: Günter Bächle)

Eine stramme Tagesordnung in Rekord-Tempo vom Kreistag abgehakt. Stolze 30 Punkte in 34 Minuten erledigt, einschließlich Haushaltsverabschiedung mit Klärung der Streitfrage, wie viel Prozent der Steuereinnahmen die 28 Städte und Gemeinden des Enzkreises 2021 dem Landratsamt in Pforzheim überweisen werden müssen. Die Zeit-Fresser fielen in der Remchinger Kulturhalle weg: die Haushaltsreden der Fraktionen. Die Etat-Sprecher gaben ihre nur zu Protokoll. Alles wegen der Pandemie. Lange Sitzungen erhöhen die Gefahr, mit Corona infiziert zu werden. So die Angst. Weil niemand weiß, wann wieder Präsenzsitzungen stattfinden, brauchten wir vor allem eines: Ein Budget fürs kommende Jahr, um arbeitsfähig zu sein und eine Änderung der Hauptsatzung, um problemlos virtuelle Beratungen und Entscheidungen ansetzen zu können.

Ohne Titel. Kunst von Erich Reiling, 1985. Ins kommunale Auge gegangen

Die Verwaltung hatte bei der Kreisumlage im Vorfeld den eigenen Antrag um einen halben Punkt auf 27,2 Prozent abgesenkt. CDU und FDP beharrten auf den 26,5 Prozent wie 2020. Die Grünen wollten die zuerst von der Verwaltung geplanten 27,7. Beide Anträge scheiterten, und so wurde der Kompromiss mit 27,2 Prozent bei 18 Gegenstimmen aus CDU und FDP verabschiedet. So viel Nein-Voten bei der gab es noch nie in den vergangenen 41 Jahren, in denen ich dem Gremium angehöre. Folge einer Ungeschicklichkeit der Verwaltung: Sie verband die Zustimmung zu den 27,2 Prozent mit der zum ganzen Budget. Doch zumindest die Fraktionen von CDU und FDP dachten da differenzierter, wollte gesondert in einer Schlussabstimmung über das gesamte Zahlenwerk befinden. Durften nun aber nicht. Aber das braucht unser Problem kaum zu sein. Allerdings hat damit Mühlacker ein Problem: Im städtischen Budget musste knapp eine halbe Million Euro nachfinanziert werden. Wahrlich keine leichte Sache.

Alle Haushaltstexte stehen auf der Enzkreis-Webseite. Dieser Blogbeitrag wird mit Fotos von Kunststücken aus der Sammlung des Landratsamtes ergänzt. Ein Kunst-Stück misslang erstmals seit Jahren:  Die Einigung der Fraktionsvorsitzenden vor der entscheidenden Kreistagssitzung auf einen gemeinsam vertretenen Satz des Landkreis-Oboluses. Übrigens: Im Budget 2021 stehen wiederum 18.000 Euro für Kunstankäufe. Viel? Wenig?

Hier der etwas andere Spaziergang durch Kreis-Themen mit Kreis-Kunststücken - quasi ein Kreis-Lauf oder Kreis-Läufe. Fangen wir mit dem Stellvertreter an. Nein, nicht dem des Landrats, der Erste Landesbeamte, der automatisch ständiger Vize im Amt ist. Sondern im Erdgeschoss des Landratsamtes, links vor der Information, mit der Arbeit „Stellvertreter“, die Anne Römpp eigens für ihre Ausstellung im Landratsamt Enzkreis entwickelt hat, die sie als Trägerin des Gerlinde-Beck-Preises 2015 zeigen konnte (mehr darüber im Band "Profil einer Sammlung" auf Seite 140). Was darin nicht erwähnt wird, ist, dass die Künstlerin dem Landkreis das Werk geschenkt hat. Römpps Arbeit wirkt auf den Betrachter chaotisch und strukturiert zugleich.

Die Lage ist da, sagte einst Konrad Adenauer. Weil die Lage da ist, verständigten sich die Fraktionen im Vorfeld auf das kurze Protokoll-Verfahren. Die CDU-Fraktion nahm sich vor, möglichst auch ohne zusätzliche Wortmeldungen auszukommen, lieferte ihre Stellungnahmen zum Haushalt sowie zu Inklusion und Kliniken-Planung vorab, zudem der CDU-Antrag auf Beibehaltung des Hebesatzes der Kreisumlage 2020 auch in 2021 sowie ein Antwortschreiben der Regierungspräsidentin wegen des Spielraumes der Kommunalaufsicht bei der Genehmigung von Haushaltsplänen in Corona-Zeiten.

Heiko Genthner

Mein Fraktionskollege Heiko Genthner, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Bürgermeister in Königsbach-Stein, und ich teilten uns in die Texte fürs Protokoll. Er schrieb die angestammte Haushaltsrede mit all unseren Kernpunkten. Ich lieferte ein Kapitel Atmosphäre der Etatgespräche, garniert mit ein paar Ausflügen in verwandte Themen wie etwa über den Anachronismus, dass der Innenminister den allgemeinen Stellvertreter des Landrats ernennt, der Kreistag aber kein Sterbenswörtchen mitzureden hat.

Hier mein Fazit als Fraktionsvorsitzender nach den Gesprächen im Vorfeld der Verabschiedung des Haushaltsplans 2021: Manchen der Spitzenbeamten und -angestellten (sprachlich gemeint in weiblicher und männlicher Form) im Landratsamt täten einige Monate Praxis in einem Rathaus oder einige Jahre im kommunalen Ehrenamt ganz gut.

Im Landratsamt prallen – wie mir scheint – öfters zwei Welten aufeinander, die der Landes- und die der Kreisbeamten beziehungsweise der Kreisräte. So nebenbei: Dass Erste Landesbeamte in jedem der 35 Landkreise vom Innenminister des Landes bestellt werden, was bald im Enzkreis wieder ansteht, aber ohne Mitspracherecht des jeweiligen Kreistages, ist ein landesfürstlicher Anachronismus. Denn Landesbeamte sind, gerade als einflussreiche Dezernenten, nicht nur im staatlichen Bereich tätig, sondern betreiben handfeste Kreispolitik, ohne von den Vertretern der Einwohnerschaft gewählt worden zu sein. Zu besichtigen auch im Enzkreis. Da wird auf Formalien beharrt, da bleiben Themen im Dunkeln, da muss der Landkreis zum Beispiel die Niederlage im Vergabestreit um die Buslinien im westlichen Enzkreis ausbaden - nicht das Land. Die Kritik gilt generell. Es ist eine Kritik an diesem überholten, beinahe vordemokratischen System. 

Der Stellvertreter. Die Landesbeamten auf dem Karriereweg?

Beim virtuellen Treffen der Fraktionsvorsitzenden des Kreistags wehrte sich die Spitzen-Runde gegen meinen  Vorwurf, in einer landratsamtlichen Blase zu leben. Aber solche Eindrücke stützten sich nicht nur auf die Erfahrungen rund um den Etatentwurf, sondern auch auf das, was zwischen Gemeinden und Landkreis wegen der Allgemeinverfügung zur Eindämmung der Pandemie zu hören ist: Es fehle immer häufiger an einer durchweg schnellen und offenen Kommunikation mit den Kommunen. Der Landrat sei präsent, sei im ständigen Kontakt, aber andere würden zumindest den Eindruck der Ferne vermitteln - absichtlich oder unabsichtlich sei dahingestellt. Sie geben sich ministerial.

Zurück zum Haushalt. Dabei ist sich die Kreisverwaltung selbst am nächsten. Der Landrat und sein Motto: Das Wir gewinnt. Wer ist das Wir? Der Apparat? Ich habe zunehmend den Eindruck, dass der Landrat durchaus in guter Absicht handelt und den Landkreis ehrlich als Teil der kommunalen Familie versteht. Doch beim Haushaltsentwurf 2021 galt das nach Empfinden der CDU plötzlich nicht mehr. Der Apparat war bei diesem Punkt stärker. Die Dezernenten führen weitgehend ein Eigenleben, jede/r nimmt die Etatberatungen unterschiedlich wahr, arbeitet nach eigenem Schema. Die Rolle des Moderators in einem solchen Verteilungskampf reicht für einen Landrat nicht! Er sieht die teilweise höchst schwierigen Probleme auch der Kommunen, darf nicht nur Verständnis haben, sondern muss das auch in aktive Politik umsetzen. Ein Landrat muss führen - dabei hat er die Rückendeckung unserer Fraktion. Er und wir der Kreistag, die Kommunen - in diesem Sinne: Das Wir kann gewinnen. Der Apparat darf nicht siegen.

Die Antwort der Regierungspräsidentin auf ein Schreiben der CDU-Kreistagsfraktion zur grundsätzlichen Frage, wie es die Kommunalaufsicht zu Corona-Zeiten mit der Anwendung des Haushaltsrechts hält, zeigt meines Erachtens deutlich: Das RP sieht in der ohne Frage schwierigen aktuellen Phase mehr Spielraum als die Kreisverwaltung bereit ist zu nutzen. Das pauschale Nein der Kreisverwaltung zur Anwendung des Instruments der globalen Minderausgabe ist nicht zu halten. Es sei denn, es ist höchstes Ziel der Kreisverwaltung, Musterknabe in Sachen Haushaltsrecht zu sein. Egal, was das die Gemeinden kostet.

Auch die Passagen der Antwort des RP zur Liquidität stärken uns in unserer Haltung, dass hier mehr möglich wäre als die Verwaltung bereit ist zuzugestehen. Der entscheidende Punkt auch hier: Gegenüber jenen Kommunen, denen es nur zum Krisenhaushalt reicht, wird zwar Anteilnahme bekundet, aber keine aktive Unterstützung durch den Verzicht auf die Erhöhung der Kreisumlage. Wieder einmal: Der Landkreis ist sich selbst am nächsten. Dass der harte Widerstand gerade auch der CDU-Fraktion gegen eine von der Kreisverwaltung beantragte Anhebung des Umlage-Volumens um 3,4 Millionen Euro zu einer Halbierung dieses Betrags führte, sehen wir als Teilerfolg. Doch mehr wäre besser. 77,9 Millionen Euro wie 2020 wären ein reichlich bemessenes Volumen ausreichend auch in 2021.

Weedstack VII. Von Manuela Tirler, 2014. Heftzwecke oder Recycling ist das Gebot der Enzkreis-Abfallwirtschaft

Der Landkreis hat ausreichend Geld, die Unterstützung aus einzelnen Fraktionen zu einem Umlage-Volumen von 79,7 Millionen Euro sind die falschen Signale. Denn sie sichern dem Landkreis das Spielgeld für die kleinen Freuden des Alltags. Das erlaubt dann die Anschaffung eines Q5 als Kommandowagen für den neuen Kreisbrandmeister, nur weil er den 5er-BMW seines Vorgängers nicht mehr will, der wiederum einst auf Wunsch des damaligen Kreisbrandmeisters angeschafft wurde. Die Begründung dafür ist nicht überzeugend. Da werden Dinge bestellt, die sich die Kommunen längst nicht mehr leisten können, die vom Spielgeld nur träumen können, die aber große Probleme haben mit der Erfüllung von Pflichtaufgaben. Im Landratsamt wird noch zu häufig ein Wunschkonzert gespielt.

Die CDU-Fraktion fordert nicht pauschal eine Überprüfung der Freiwilligkeitsleistungen des Landkreises, sondern eine Konzentration auf eine Überprüfung solcher Leistungen in Bereichen, in denen der Landkreis keine eigene Handlungsebene hat. Zum Beispiel: Integration von Migranten. Eine wichtige Arbeit, die in den 28 Städten und Gemeinden des Landkreises geleistet wird, denn dort leben die Migranten, dort müssen die Aufgaben finanziert werden. Der Landkreis hat keine „eigenen“ Migranten. Wir sagen das durchaus selbst kritisch: Die CDU-Fraktion wird künftig die Frage, wo die Musik spielt, zum Maßstab machen. Momentan suchen die einschlägigen Stellen des Landkreises ihre Aufgaben in den Rathäusern zusammen. Wir stellen auch die vom Kreistag beauftragte und von uns seinerzeit unterstützte Erarbeitung eines Integrationskonzepts in Frage.

Ein weiterer Punkt: Heute stand das Bündnis für Inklusion mit dem Konzept für G- und K-Schulen auf der Tagesordnung. Die CDU-Fraktion bekennt sich zur Inklusion. Aber sie ist der Auffassung, dass die Konzeptentwicklung nicht losgelöst von der Finanzierungsfrage gesehen werden kann. Aber so läuft es, Fragen nach den Kosten werden im jetzigen Stadium von manchen an der Spitze der Kreisverwaltung derzeit fast schon als unanständig eingestuft. Irgendwann werden wir davon eingeholt und die Kreisverwaltung präsentiert uns die Umlage-Rechnung. So haben wir nicht gewettet! Die Anregung der CDU-Fraktion, eine begleitende Arbeitsgruppe aus Vertretern der Kreistagsfraktionen zu bilden, entstand mit dem Willen, dass das Konzept gemeinsam mit der Arbeitsgruppe entwickelt wird. Inzwischen wird in der Arbeitsgruppe nur verkündet, was die Kreisverwaltung schon eingefädelt hat. Das ist keine Begleitung, sondern ein Abnicken.

Maternita. Mario Pavesi, 2007. Kommunale Familie?

Zugestimmt hat die CDU-Fraktion heute der Unternehmensplanung 2021 der Enzkreis-Kliniken. Wir akzeptieren, dass wegen der Pandemie die finanziellen Dinge nicht ihre normalen Bahnen nahmen. Froh wir gerade in dieser Zeit der Corona-Krise, leistungsfähige Krankenhäuser zu haben. Mit der Geschäftsführung der Kliniken sind wir uns einig, schon jetzt ins Visier zu nehmen die Entwicklung der Häuser nach Corona. Hier versprechen wir uns von der Klausurtagung des Aufsichtsrates im Frühjahr 2021 positive Zeichen. Ich habe einen Fragenkatalog dazu in die Diskussion eingebracht. Erste Antworten lösten vorsichtigen Optimismus aus. Unser Ziel muss sein: Die drei kommunalen Kliniken in ruhige wirtschaftliche Bahnen mit einem für den Kreishaushalt überschaubaren finanziellen Aufwand zu bringen.

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