Lienzinger Geschichte(n): Spätes Wappen, das umgedrehte S und die Kirchenburg als Modell

Das Lienzinger Wappen, hier markanter Teil von Wanderwegeschildern

Wap·pen/Substantiv, Neutrum [das]- in stilisierender Darstellung und meist mehrfarbig gestaltetes, meist schildförmiges Zeichen, das symbolisch für eine Person, eine Familie, eine Dynastie, eine Körperschaft und anderer steht. So die Definitionen von Oxford Languages. Ein Wappen light führte die Gemeinde Lienzingen viele Jahre. Soll heißen: Ihm fehlte der amtliche Segen. Erst im Frühjahr 1965 nahm sich der Gemeinderat des Themas an. Die Kommune führe schon lange ein Wappen, von dem aber nicht einmal das Innenministerium Baden-Württemberg sagen könne, ob es jemals offiziell verliehen worden war, schrieb Bürgermeister Richard Allmendinger im Protokoll der Sitzung vom 5. März 1965 - in Rot ein goldenes (gelbes) Fleckenzeichen in der Form des umgekehrten Buchstabens S, woraus sich die Flaggenfarben Gelb-Rot (Gold-Rot) ergeben.


Lienzinger Geschichte(n) - heute nicht monothematisch. Dafür kommunalpolitisches Allerlei. Von fischschwanzähnlichen Enden, einem Blitzableiter, von Biwaks und einem gewinnbringenden Heimatfest. In den Protokollbüchern der Ratssitzungen und in Akten der bis 1975 selbstständigen Gemeinde Lienzingen geblättert


Das umgedrehte S erschien erstmals als Fleckenzeichen im Kieserschen Forstlagerbuch von 1684.Kieser-Ortsansicht Lienzingen 1684 (Quelle: Landesarchiv Hauptstaatsarchiv, H 107 Nr. 147

Das Innenministerium erkannte nur offiziell verliehene Wappen an, die verliehen wurden oder schon vor dem 1. April 1935 gültig waren. Also beantragte der Gemeinderat beim Ministerium ein Wappen, bestellte beim Karlsruher Wappenmaler Antonius Hauser drei Varianten als Zeichnungen, bat die Archivdirektion in Stuttgart um eine gutachterliche Äußerung zu dem Wappen. Nicht einmal zwei Monate später lag die Stellungnahme der Fachleute vor. Das Wappen sei nunmehr inhaltlich begründet und heraldisch einwandfrei, schrieb die Archivdirektion am 1. Juni 1965 dem Bürgermeister und verfeinerte die Beschreibung: In Rot das goldene (gelbe) Fleckenzeichen in Gestalt eines umgekehrten Großbuchstabens S mit fischschwanzähnlichen Enden, wie der Schultes in der Sitzung vom 2 Juli 1965 vortrug. Dieses Zeichen erscheine erstmals als Fleckenzeichen im Kieserschen Forstlagerbuch von 1684. Zwar sei die ursprüngliche Bedeutung unbekannt, doch es sei in dem in den Jahren vor 1930 gebräuchlichen Schultheißen-Amtssiegel genauso enthalten wie in allen seither geführten Gemeinde-Dienstsiegeln. Die Farben seien angeblich von einer Feuerfahne aus dem Jahr 1760 übernommen worden, von der die Lienzinger vermuteten, dass diese im Heimatmuseum Mühlacker aufbewahrt werde.n Jedenfalls akzeptierte die Gemeinde dieses Wappen sozusagen ganz offiziell und beantragte beim Innenministerium formal die Verleihung (Stadtarchiv Mühlacker=STAM, Li B 327, S. 8, 29, 30).

  • Für 100 Mark das Modell der Kirchenburg

Recht günstig kam die Kommune zu einem Modell der Kirchenburganlage Lienzingen, das jedoch nach der Eingemeindung abtransportiert wurde und seitdem im Heimatmuseum Mühlacker – in der historischen Kelter – zu sehen ist. Fast geschenkt erhielt im Herbst 1973 die Gemeinde das Modell vom Ludwig-Uhland-Institut für empirische Kulturwissenschaften der Universität Tübingen. Dort herrschte Raummangel, es bot deshalb das gute Stück für 100 Mark der Gemeinde an, die diese Offerte auch akzeptierte. In der Niederschrift der Sitzung vom 28. September 1973 steht zu lesen, das Modell sei sicherlich interessant und wohl auch begehrenswert. Ganz unbürokratisch konnte der Transport abgewickelt werden: Gemeinderatsmitglied Ulrich Bäuerle holte das Exponat mit seinem Kombiwagen in Tübingen ab (STAM, Li B 328, S. 243).

Das Modell der Kirchenburg Lienzingen im Stadtmuseum Mühlacker

  • Blitzableiter an der Frauenkirche: 60 Mark für Instandsetzung

Der bürgerlichen Gemeinde gehört zwar nicht die Kirchenburg, dafür die Frauenkirche, ehemalige Wallfahrtskirche des Klosters Maulbronn, jetzt Konzertsaal und Aussegnungshalle in einem.  Im Protokoll der Ratssitzung vom 13. April 1953 wird über die notwendige Instandsetzung der Blitzableiter-Anlage an der Kirche berichtet. Die Kosten betrugen 60 Mark. Die Räte konnten sich nicht dazu aufraffen, die überschaubare Summe zu genehmigen, sondern vertagten wegen den augenblicklich undurchsichtigen wirtschaftlichen Verhältnissen die Entscheidung bis zu den Beratungen des Haushaltsplanes 1953. Zu vermuten ist, dass die Kommune von dem Betrag finanziell nicht aus der Bahn geworfen worden wäre. Doch sie wollte einen Zuschuss des Landesamtes für Denkmalpflege in Stuttgart, den die Behörde jedoch ablehnte. Der Gemeinderat missbilligte diese unverständige Haltung dieses Amtes, denn bei der Frauenkirche handle es sich doch um ein anerkanntes und seltenes Kulturdenkmal, das erhalten bleiben solle. Wiederum die seinerzeitige Württembergische Gebäudebrandversicherungsanstalt sagte am 18. März 1953 eine Beteiligung an den Kosten zu (STAM, Li B 324, S. 162).

Blitzableiter an der Frauenkirche

Die Vorgeschichte: Am 30. Mai 1912 schlug der Blitz ein in den Turmchor der Kirche und fuhr, einen starken Eisenträger zersplitternd, wohl durch die Seilscheide hinab in die Kirche, wo er zwar nicht zündete, aber am Wandbewurf Schaden stiftete, wie Friedrich Wißmann im Lienzinger Ortsbuch berichtet. Der Schaden: 500 Mark. Um die Blitzspuren zu beseitigen, bewilligte das Landeskonservatorium einen Zuschuss von 250 Mark. Nun ließ die Gemeinde das Dach umdecken und durch Dachdeckermeister Schnappauf aus Pforzheim einen Blitzableiter einbauen (Friedrich Wißmann, Lienzingen, 1970, Walter-Verlag Ludwigsburg, S. 47 f).

  • 4780 Mark für eine Feuerwehr-Steigleiter

Dazu passt thematisch die Zustimmung des Gemeinderats in seiner Sitzung vom 6. Mai 1960 zum Kauf einer fahrbaren Anhängerleiter, ganz aus Stahl, mit einer Steighöhe von zwölf Meter, für die Freiwillige Feuerwehr Lienzingen. Der Preis: 4780 Mark. Die Wehr verfüge nur über eine alte Stehleiter, die den aktuellen Anforderungen längst nicht mehr entspreche. Zudem fehle es der Kommune an einer Leiter unter anderem zur laufenden Unterhaltung der Straßenbeleuchtung. Das Angebot der Firma Magirus sei zwar etwas teurer als das niedrigste Gebot, jedoch hätten Feuerwehrkommandant Erich Hanle und der frühere Kommandant Erwin Schmollinger die teure Variante empfohlen, zumal die Gemeinde dafür einen Zuschuss des Landes erwarte. Hinweise auf die Preise der konkurrierenden Angebote finden sich im Protokoll nicht (STAM, Li B 326, S. 34).

  • Widerstand gegen Biwakübungen der US-Streitkräfte

Ganz auf Widerstand war der Gemeinderat am 10. September 1957 gebürstet, als er den Bürgermeister beauftragte, Biwakübungen der US-Streitkräfte im Wald zwischen Lienzingen und Schönenberg (die Gewanne Schelmenwald, Trinkwald und Welschenhau) zu verhindern. Sie sollten ein- oder zweimal im Monat stattfinden, so das Landratsamt Vaihingen an der Enz in einem Erlass, der drei Tage zuvor geschrieben worden war. Lienzingens Bürgervertreter argumentierten, das Münchsträßle sei erst wenige Wochen zuvor für 14.000 Mark instandgesetzt worden. Die übrigen Waldwege seien nur Erdwege, zudem das ganze Gebiet feucht. Außerdem stehe im Spätherbst der Holzeinschlag an. Die Gemeinde befürchte schwere Schäden für ihr Waldwegenetz. Allerdings findet sich in den folgenden Protokollen kein Hinweis darauf, ob der Einspruch zum Erfolg führte (STAM, Li B 325, S. 164).

  • Ab aufs Sparbuch für die geplante Gemeindehalle

Noch eine gute Nachricht. Das Heimatfest 1958 in Verbindung mit dem 60-Jahr-Jubiläum des Turnvereines spülte einen Reinerlös von 3471 Mark und 85 Pfennig in die Gemeindekasse. Die Räte beschlossen am 6. März 1959: Der Betrag geht in die Rücklage für den Bau der Gemeinde- und Turnhalle (STAM, Li B 325, S. 250).

Bei dieser Gelegenheit: Liebfrauenkirche, Innenraum nach Osten, aus dem Fundus des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg: Fotosammlung, Glasplatten 18/24 / Ca. 1920-ca. 1960. Bestand EL 228 a II

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