Geplanter Pferchäcker-Anschluss lenkt Blick auf Chronik leerer Versprechungen des Landes zur L 1134

Lienzingen, Pferchäcker, große Lösung mit Anschluss an die Landesstraße 1134.

Eine bisher verweigerte Dauerlösung statt eines eigentlich auch abgelehnten Provisoriums beim Anschluss von Vorderer Raith und Pferchäcker an die obere Kehre der Landesstraße 1134 zeichnet sich überraschend ab. Diese erfreuliche Nachricht der Stadtverwaltung Mühlacker zum geplanten Wohngebiet Pferchäcker in Lienzingen im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik war so taufrisch, dass sie in der vorher erstellten Ratsvorlage fehlte.2020-05-06_UTA_Top3_Vorlage11.pdf

Die mögliche Anbindung auch der Pferchäcker an die Landesstraße 1134 im Zuge einer dauerhaften Lösung, erstmals vom Regierungspräsidium positiv gesehen, bedeutet ein wesentlicher Fortschritt - somit auch die Zusage des Regierungspräsidiums Karlsruhe, dass die Stadt einen neuen Anschluss im Bereich der oberen Kehre planen, im Bebauungsplan Pferchäcker die Trasse rechtlich absichern und auch bauen kann, jedoch die Kosten vom Regierungspräsidium erstattet erhält. Laut Aussage der Landesbehörde steht der Ausbau der L 1134 zwischen Lienzingen und Zaisersweiher momentan im Maßnahmenplan des Landes, das aber mit der Planung nicht vor 2025 beginnen könne und deshalb der Stadt den Vortritt lasse. Doch das muss in einem genauen und verbindlichen Vertrag zwischen Land und Stadt abgesichert werden.

Denn es gibt eine Vorgeschichte zum schlechten Zustand des Streckenabschnitts Lienzingen-Zaisersweiher der L 1134.

Pferchäcker, kleine Lösung

Der Technische Ausschuss des Gemeinderats Mühlacker stimmte, im Einklang mit dem seinerzeitigen Naturschutzbeauftragten, am 24. März 1987 (Vorlage 66/09/87) den Ausbauplänen des Landes für den Streckenabschnitt Lienzingen-Zaisersweiher der L 1134 zu. Wesentliche Merkmale dieser Planung: Ausbau vor Neubau, also Beibehaltung der Trasse, aber durchgängig 6 Meter breite Fahrbahn (bisher knapp 5,50 Meter) und damit die Möglichkeit zur durchgängigen Mittellinie. Gleichzeitig sollte der Spottenberg Lienzingen erstmals über einen Gehweg sicher erreicht werden können. Baubeginn laut Vorlage: Herbst 1987.

Der damalige Bürgermeister der Gemeinde Sternenfels, Helmut Wagner, erinnerte am 7. März 1996 an die zehn Jahre zuvor geführte Diskussion um den Ausbau der Landesstraße 1134 zwischen Lienzingen und Zaisersweiher – geschehen sei nichts. Dabei handle es sich um eine für den Mittelbereich Mühlacker wichtige Lebensader. Er bat um die Unterstützung aller Verantwortlichen, um einen schnellstmöglichen Ausbau der L 1134 zu erreichen. Wie weit sind wir heute? Ich sage: Keinen Deut weiter. Alles, was gemacht wurde, war Flickwerk.

Letzten Endes Flickwerk an der oberen Kehre der L 1134

1987: Der Staatssekretär im baden-württembergischen Innenministerium, Alfons Maurer, hatte in einer Antwort auf eine Eingabe der CDU-Fraktion im Gemeinderat der Stadt Mühlacker (AZ 10-6-L 1134/42) mitgeteilt, der Streckenabschnitt Lienzingen-Zaisersweiher sei im Generalverkehrsplan des Landes 1986 in der Stufe 1986 -1995 mit einem einfachen Ausbau enthalten. Eine Planung sei vom Straßenbauamt Calw erstellt, Grunderwerbsverhandlungen stünden bevor. Die Maßnahme sei mit 2,8 Millionen Mark veranschlagt, mit dem Beginn der Arbeiten sei nicht vor 1989 zu rechnen.

Im selben Schreiben äußerte sich der Staatssekretär auch zum Streckenabschnitt Mühlacker-Pinache. Der Ausbau vor Neubau der freien Strecke zwischen Dürrmenz und der Waldgrenze solle weiterbetrieben werden. Vordringlich sei die Sanierung der Herrenwaagbrücke sowie der Ausbau der beiden Knotenpunkte an den Brückenköpfen. Die Ortsdurchfahrt Lienzingen, damals von der CDU-Fraktion ebenfalls thematisiert, wurde 1990/91 ausgebaut. Immerhin, wenigstens das. Die Arbeiten an der neuen  Herrenwaagbrücke sollen im Herbt 2020 beginnen. Allein der neue Enzübergang in Dürrmenz offenbart die viel zu langen Planungspozesse.

Die CDU-Fraktion antwortete dem Staatssekretär am 19. August 1987, nachdem Mühlacker und Maulbronn als betroffene Kommunen der Planung des Landes zugestimmt hätten, sei mit dem Baubeginn aufgrund von Verlautbarungen des Straßenbauamtes Calw für 1988 gerechnet worden. Nun stehe diese Maßnahme erst 1989 an. Nachdem nichts geschehen war, wandte sich die CDU-Fraktion an den seinerzeitigen Innenminister Dietmar Schlee, der in seiner Antwort vom 22. Oktober 1990 (AZ: 4-39-L1134/2) den einfachen Ausbau für 1993 ankündigte. Bei einem positiven Verlauf der Grunderwerbsverhandlungen könne der Beginn der Arbeiten auf Anfang 1991 vorgezogen werden, wenn zusätzliche Gelder für den Landestraßenbau zur Verfügung gestellt werden könnten.

Verkehrsminister Hermann Schaufler begründete in einer Antwort an die CDU-Gemeinderatsfraktion am 24. Februar 1994 (AZ: 35-39-L 1134/12) die Verschiebung der Maßnahme mit der Konsolidierung des Landeshaushaltes und dadurch notwendiger deutlicher Einsparungen. Zurzeit bestehe leider keine Möglichkeit, die für den einfachen Ausbau notwendigen 2,8 Millionen Mark bereitzustellen.

Unendliche Geschichte, kein Happy End in Sicht. Erneuter Vorstoß der  Unionsfraktion und auch von Oberbürgermeister Gerhard Knapp vier Jahre später. Der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Ulrich Müller, ließ per Brief am 12. Februar 1998 (AZ: 65-39-L 1134/24) wissen, für die inzwischen mit drei Millionen Mark veranschlagte Baumaßnahme stünden im Doppelhaushalt 1998/99 keine Gelder zur Verfügung. Dabei sei es sicherlich sehr wünschenswert, nach dem im Zuge eines Sonderprogramms Landesstraßenbau vorgenommenen Ausbau des Streckenabschnitts Zaisersweiher-Diefenbach der L 1134 den des Abschnitts Zaisersweiher-Lienzingen anzuschließen. Leider reichten die Finanzen nur für eine neue Tragdeckschicht, um den Zustand der Straße wenigstens auf einfache Art und Weise zu verbessern. Am 10. März 1998 bekräftigte Müller diese Position nochmals (AZ: 65-39-L 1134/24).

 

Die Pferchäcker in Erweiterung von Vorderer Raith
Für den Generalverkehrsplan 2010 wurden landesweit insgesamt 734 Aus- und Neubaumaßnahmen an Landesstraßen geprüft. Dazu meldete das Regierungspräsidium Karlsruhe auch den Ausbau der L 1134 zwischen Zaisersweiher und Lienzingen an. Für den finanzierbaren und ökologisch vertretbaren  Maßnahmenplan hatte das inzwischen unter anderer politischer Couleur stehende Verkehrsministerium alle gemeldeten Vorhaben bewertet und priorisiert. Letztlich waren 123 in den Plan aufgenommen worden. Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder erinnerte in einem Schreiben an die CDU-Gemeinderatsfraktion Mühlacker vom 4. September 2019 daran, dass der Abschnitt Lienzingen-Zaisersweiher zwar berücksichtigt, jedoch aufgrund anderer wichtiger Planungsmaßnahmen nicht in das Planungsprogramm des Landes aufgenommen worden sei. Eine Evaluierung des Maßnahmenplans stehe zur Hälfte der Laufzeit im Jahr 2020 durch das Verkehrsministerium Baden-Württemberg an.

Das ist ein Trauerspiel, eine Chronik der leeren Versprechungen, der nicht eingelösten Zusagen des Landes und immer wieder verschobener Ankündigungen der Landespolitik, egal, welche Partei den zuständigen Minister stellte.

Hinsichtlich der Planung eines Wohngebietes Pferchäcker muss nach diesen Erfahrungen streng auf eine verbindliche Zusage des Landes bezüglich des neuen Anschlusses an der oberen Spitzkehre geachtet werden.

Noch ein weiterer Punkt.

Außenstrecke im Wald nach Zaisersweiher

Das Verkehrs- und Lärmgutachten, von der Stadt im Hinblick auf die Planung Pferchäcker beauftragt, ist richtig und wichtig. Allerdings verwunderte, dass die Stadtverwaltung zunächst – so in der letzten Einwohnerversammlung im März 2017 und der Bürgerbeteiligung – davon sprach, Pferchäcker sollte ausschließlich über die Raithstraße verkehrlich angebunden werden. Diese Position war und ist falsch.

Was wir bei der Diskussion über die Planung Pferchäcker erleben, ist eine Neuauflage der Diskussion bei der Planung Vordere Raith. Ich hatte seinerzeit angeregt, das Baugebiet an die L 1134  eventuell auch über den Feldweg 2251/3 anzuschließen, was dann auch vom Gemeinderat am 8. September 1987 bei der Beratung des städtebaulichen Programms beschlossen worden war. Dies schlug sich nieder in 1991 ergangenen Satzungsbeschluss „Vordere Raith“ (damals noch ohne „h“ geschrieben). In der Vorlage 60/02/91, Anlage 3, Blatt 1, heißt es: Schützinger und Raithstraße seien reine Anliegerstraßen (beide wurden also gleich bewertet). Dann folgt der entscheidende Passus: „Im Norden des Gebietes ist eine zweite Anbindung geplant, die an die Schützinger Straße bzw. L 1134 anschließt. Da eine Direktanbindung nach Westen der Schützinger Straße aufgrund des großen Geländesprunges nicht möglich ist, musste die Trasse so weit über landwirtschaftliche Flächen geführt werden, bis eine sinnvolle Anbindung am Kreuzungspunkt der Schützinger Straße mit dem Feldweg Flurstück Nr.1835/3 erfolgen konnte. Dort ist der Höhenunterschied zur Schützinger Straße nur noch ca. 2 Meter. Wichtiger Gesichtspunkt für diese Anbindung ist, dass dadurch der Hohlweg mit seiner Bepflanzung erhalten bleiben kann.“

Ergo: Dieser Nord-Anschluss war nie als reines Ventil oder Not-Anschluss gedacht, sondern als gleichwertige Anbindung. Das muss auch bei der Erweiterung ins Gebiet Pferchäcker – mit großer oder kleiner Baugebietsvariante – erfolgen. Eine reine Anbindung über die Raithstraße ist abzulehnen und fände auch nicht die Zustimmung der CDU-Fraktion.

Interessant ist in der Vorlage 60/02/91, Anlage 3, auch der Passus zu einer späteren Erweiterung des Wohngebiets Vordere Raith. Im Norden und Osten bestehe die Möglichkeit zur Fortführung der Erschließung, so dass eine mögliche Baugebietserweiterung später möglich sein werde. Zur Begrünung wird ausgeführt, eine starke Begrünung des Gebietsrandes  sei notwendig, um die Abgrenzung zum Außenbereich nicht zu abrupt zu gestalten (Seite 2). Im Internet standen auf der städtischen Homepage vor einiger Zeit der Landschaftsplan und die artenschutzrechtliche Untersuchung – kann es sein, dass diese Unterlagen dem Gemeinderat bzw. UTA noch nicht zur Verfügung gestellt wurden? Aus dem Gedächtnis deshalb die Kritik im Landschaftsplan an der mangelnden Gestaltung des Übergangs von Wohngebiet Vordere Raith zum Außenbereich.

Gute Fahrt auf schlechter Fahrbahn?

Ich stelle die Pferchäcker nicht in Frage, im Gegenteil. Doch in der Rückschau hätte ich mir selbstkritisch eine städtebaulich intensivere Prüfung von Alternativen gewünscht. Denn die Erweiterung des Gebiets Pferchäcker um einen zweiten Bauabschnitt schiebt die Bebauung immer weiter weg vom Dorf, insbesondere von der Ortsmitte mit seiner Infrastruktur. Erzeugt wird, auch angesichts der Topografie, ausschließlich Individualverkehr und somit eine zusätzliche Umweltbelastung. Oder glauben Sie angesichts der restriktiven Politik an eine Anbindung des Wohngebiets an den ÖPNV? Gibt es kleinere ÖPNV-Lösungen?  Dabei müsste hier ein Angebot geschaffen werden. Denn auch die späteren Bewohner des Gebiets werden älter. Aber da kann ich nur auf Gaiern-Neuwiesen verweisen: Busbuchten wurden zwar gebaut, Busse fahren aber keine durchs Wohngebiet.

Die L 1134 von Ortsende Zaisersweiher bis zum Waldbeginn in Richtung Lienzingen ist ausgebaut. Doch dann verließen sie ihn...

Wie stellt sich die Verwaltung langfristig die städtebauliche Entwicklung  von Lienzingen vor? Geht sie davon aus, dass mit Pferchäcker „Ende Gelände“ ist? Eine weitere Ausweitung in richtigen Norden nach dem Motto „Immer weiter weg vom Ort“ kann und darf es nicht geben. Hier verweise ich auf die Vorlage 61/16/82, beraten im TA am 2. März 1982: Bebauungsplan Eichert, Aufstellungsbeschluss und Vorberatung des Erschließungskonzepts. Ich weiß, dass die Bebauung des Höhenrückens damals von den Trägern öffentlicher Belange abgelehnt worden war – wie Jahre später bei der STEP 2020 von den „frischen“ Hausbauern an der Straße Im Buchwäldle. Bringt der geplante obere Anschluss an die L 1134 eine Möglichkeit auf der Höhenlage am Spottenberg? Dieses Thema sollte aber bei der weiteren Planung Pferchäcker, besonders bei der Ausgestaltung des Anschlusses an die obere Kehre der L 1134 mit bedacht werden.

Update 3. Juni 2020:

Antwort der Landtagsabgeordneten des Enzkreises, Stefanie Seemann:

Wir sind da vermutlich gar nicht so weit auseinander. Für den Erhalt der Infrastruktur sind Sanierungen bestehender Straßen auch für uns Grüne ein wichtiges Element. Den Aspekt, die Wartezeit als Kriterium bei der Bewertung aufzunehmen, werde ich einbringen. 

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