Im Protokollbuch geblättert: Lienzinger Räte, Schneiders Erbe und der Bierkeller

Instandhaltung notwendig: Der 1883 gebaute Bierkeller an der Friedrich-Münch-Straße in Lienzingen

Die Lienzinger kennen ihn wohl zumeist nur als Namensgeber für eine Straße im ihrem Dorf, die hinter der Grundschule hoch führt zu ein paar Häusern oberhalb des Bierkellers und die als Sackgasse endet: Dr.-Ing.  Otto Schneider (1877-1952), der Mann aus der Brauereifamilie, der selbst nie Brauer war, sondern später Chef einer Maschinenbaufirma in Ludwigsburg. Seine Familie zog zwar weg, als er noch Kind war, doch der Ingenieur  blieb seinem Geburtsort immer verbunden, spendete großzügig zum Beispiel für eine Kirchenglocke. 1953 verkauften seine Erben den  gesamten Besitz in Lienzingen an die Gemeinde: die ehemalige Brauerei mit zwei Wohngebäuden, zwei Hektar Land (darunter das Gelände, auf dem die heutige Grundschule steht) und 4,5 Hektar landwirtschaftliche Grundstücke. Zu den von der Kommune erworbenen Erb-Stücken zählte auch ein besonderes Objekt: der Bierkeller.

Hoch gepokert und gewonnen
Ein ganzes Paket voller Land und Immobilien, das der Gemeinderat aber weiterverkaufte. So beschloss er, kaum Eigentümer, zwei Gebäude öffentlich zu versteigern. Gebäude Nr. 43 mit Scheune sowie Nr. 44 mit Scheune und Nebengebäude (heute Knittlinger Straße 13 und 15) brachten bei zwei Anläufen zwei Gebote von zusammen 29.100 Mark. Ein gutes Geschäft. Denn damit sei eine Summe erreicht, der fast die ganzen Kaufkosten für das gesamte Schneider‘sche Anwesen decke, heißt im Protokoll der  Gemeinderatssitzung vom 26. Februar 1954 (Stadtarchiv Mühlacker=STAM, Li B 324, S. 201). Den Zuschlag an die Bieter – beide Lienzinger - erteilten sie trotzdem nicht gleich, sondern erst nach Nachweis der Bonität. Zudem wollte die Männerrunde im Rathaus ein noch besseres Geschäft für die Gemeinde machen. Die anwesenden acht Räte und Bürgermeister Richard Allmendinger beschlossen, einen dritten Versteigerungstermin anzusetzen, verwarfen die Alternative, die Häuser in Gemeindebesitz zu erhalten, obwohl dadurch – wie zu lesen ist - die noch wenigen, aber schwierigen Wohnungsfälle zu bereinigen gewesen wären.

Bierkeller ca. 1903: Historische Aufnahme aus der Sammlung Roland Straub

Schwerer wog für die Ratsherren die Aussage des Bürgermeisters, die Gebäude befänden sich in einem nicht gerade guten baulichen Zustand. Behalte die Gemeinde die Objekte, entstünden erhebliche Kosten für Instandsetzung und zweckmäßigen Ausbau. Das entscheidende Argument, in einem dritten Versteigerungstermin möglichst noch höhere Gebote zu erhalten, wird im Protokoll so formuliert: Aus Gründen der Rentabilität hält es der Gemeinderat für zweckmäßiger, die Gebäude wieder abzusetzen, zumal bereits bei der zweiten Versteigerung ein unerwartet hoher Kaufpreis erzielt wurde. Der Beschluss fiel einstimmig.

Ein Bombengeschäft
Gepokert und gewonnen. „Vermögenszuwachs“ steht im Protokoll der Ratssitzung vom 5. September 1958, bei der Bilanz gezogen wurde: 18.463 Mark als Gewinn, lieber „Mehrerlös“ genannt, die ins allgemeine Kapitalvermögen der Kommune wanderten, zu verwenden für die Finanzierung des Baus von Volksschule und Kinderschule, wie der Bürgermeister in der Niederschrift festhielt und die Genehmigung durchs Landratsamt Vaihingen beantragte (STAM, Li B 325, S. 222f). Die Erben Schneiders hatten für das ganze Paket mit Immobilien und Liegenschaften rund 35.000 Mark erhalten, der schlitzohrige Bürgermeister öffnete das Paket, verkaufte den Inhalt quasi einzeln für mehr als 53.000 Mark. Ein Bombengeschäft von Schultes und Räten zum Vorteil der Gemeindekasse. Als die Schneider-Erben Wind davon bekamen, forderten sie, nachzuverhandeln oder ihnen wenigstens 1000 Mark nachzubezahlen, was Allmendinger schroff von sich wies.

Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Lienzinger Gemeinderates am 30. April 1954. Thema: Nachforderungen der Schneider-Erben. Die Niederschrift hat Bürgermeister Richard Allmendinger verfasst, sie wurde in einer folgenden Sitzung von den Ratsmitgliedern unterschrieben.

Kratzer bekam das Bild von Dr. Otto Schneider als Wohltäter und Förderer seines Geburtsortes, auch wenn er längst in Ludwigsburg wohnte, im April 1954 durch teilweise garnicht so freundliche Worte Allmendingers über ihn. Trotzdem wird das unbeschädigte Bild  des Ingenieurs und Unternehmers auch heute noch in der Öffentlichkeit gepflegt. Deshalb sei ein Blick ins Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 30. April 1954 empfohlen, als die oben erwähnten Nachforderungen der Erben zum Kaufvertrag als zehnter Punkt auf der Tagesordnung standen. Die Schneider-Erben argumentierten, ihr Vater habe sich als ehemaliger Lienzinger Bürger immer heimatlich gefühlt und seiner engeren Heimatgemeinde manches Anerkennungswerte zukommen lassen.  Aus diesem Grunde dürfe es wohl der Gemeinde nicht schwer fallen, auch ohne rechtliche Verpflichtung  eine gewisse Summe für die Grundstücks- und Gebäudeverkäufe nachträglich zu leisten. Gleichzeitig warfen sie dem Bürgermeister vor, sie bei den Kaufverhandlungen irregeführt zu haben, was dieser mit offensichtlich großem Vergnügen ins Ratsprotokoll aufnahm. In der Debatte entgegneten die Räte, die Erben hätten freiwillig ihren Grundbesitz verkauft und nicht unter Zwang.

Otto Schneiders andere Seite: Unnachgiebg -  sagt der Bürgermeister

Klartext sprach Bürgermeister Allmendinger. Otto Schneider habe zwar in kultureller Beziehung für die Gemeinde manches Schöne und Wertvolle gefördert, andererseits sei aber sein unnachgiebiges Wesen für den Ort nicht gerade förderlich gewesen. Besonders wenn es darum gegangen sei, Grundstücke zum Bau von Wohnungen oder Gemeindeeinrichtungen zu gewinnen. Einstimmig lehnte der Gemeinderat die Forderung der Erben ab, den Lastenausgleich - der nicht näher im Protokoll erläutert wird - von 6000 Mark, zumindest aber die Hälfte davon zu übernehmen. Einstimmig lehnte der Gemeinderat selbst die 1000 Mark Nachzahlungen ab, auf die der Rechtsvertreter der Erben, Direktor Vogler aus Stuttgart,  die Erben-Forderung selbst zurückgeschraubt hatte (STAM, Li B 324, S. 210 f). Nichtsdestotrotz benannte der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 10. April 1959 den Ortsweg Nummer 15, einen Seitenweg des Mühlwegs (heute Friedrich-Münch-Straße, bei der Grundschule) nach Dr. Otto Schneider (STAM, Li B 325, S. 259 f).

Immerhin entsprach der Gemeinderat am 4. September 1959 dem Wunsch der Schneider-Erben, eine Dachrinne über der Grabstätte an der Frauenkirche anbringen zu lassen, um die dortige Ruhestätte ihrer Eltern zu schützen. Die Familie sollte aber die Kosten übernehmen und das Denkmalamt müsse der Rinne zustimmen (STAM, Li B 325, S. 289).

Die früheren Gebäude der Brauerei Schneider, heute Knittlinger Straße (Hausnummern 13 und 15). (Foto: Smlg. Günter Bächle)
Die Belegschaft der Brauerei Schneider mit Fässern "Lienzinger Bräu", sitzend ihre Chefs Karl Immanuel und Johann Martin Schneider 1890 (Sammlung Otto Schneider aus Ortsgeschichte Lienzingen, 2016, Seite 161)

Ein geschickter Schachzug des Rathauschefs. Erwerben, für die Gemeinde sinnvoll nutzbare Teile zumindest zunächst im Kommunaleigentum behalten, den Rest verkaufen. Übrigens: 2015 handelte die Stadt Mühlacker ähnlich als sie das Anwesen Friedenstraße 12 erstand, den ehemaligen Friseurladen, die rückwärtigen Garagen als Stellplätze für das Museum im Rathaus abtrennte und  das eigentliche Wohngebäude veräußerte.

Rat stimmte Schneider-Vertrag zu

Die Vorgeschichte des Geschäfts mit den Schneider-Erben: Neu verhandelte Bürgermeister Allmendinger mit den Erben von Dr. Otto Schneider, nachdem dessen Testament für nichtig erklärt worden war. Das Ergebnis findet sich im Kaufvertrag vom 14. November 1953, dem der Gemeinderat am 13. Januar 1954 zustimmte und damit einen Schlusspunkt setzte. Ins Eigentum der Kommune gingen über sämtliche Grundstücke mit 6 ha 38 ar 89 qm, die beiden Gebäude an der heutigen Knittlinger Straße (Hausnummer 13 und 15), ein noch zu vermessender Bauplatz - mit Ausnahme der Baumgrundstücke im Spottenberg mit 19 ar 31 qm beziehungsweise 39 ar und 63 qm, für die die Gemeinde allerdings ein Vorkaufsrecht eingeräumt bekam. 10.000 Mark musste die Kommune sofort bezahlen, den Rest auf 1. Mai 1954. Nach den Vorstellungen des Schultes und seiner Räte sollten die landwirtschaftlichen Grundstücke zum Tauschen eingesetzt werden, um leichter Bauland sowie Flächen für ein Schul- und Sportzentrum, eventuell mit Freibad, zu gewinnen  (STAM, Li B 324,  S. 194).

Drei Stollen
Beim Schneider‘schen Immobilienpaket behielt die Gemeinde zunächst ein lokalgeschichtliches Bauwerk zurück: Das Lienzinger Gewölbe, die bis zu 33 Meter langen drei Stollen des 1883 in den Hang unterm Aichert kunstvoll hinein gebauten  Bierkellers. Das lokalgeschichtlich höchst interessante Bauwerk hängt eng zusammen mit der Lienzinger Braugeschichte, denn der Keller garantierte der örtlichen Brauerei Schneider einen immer gut gekühlten Gerstensaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte Johann Martin Schneider, der von 1829 bis 1903 lebte, eine Brauerei gegründet, die 1903 von seinem Sohn Karl Immanuel übernommen und zehn Jahre später an die Kronenbrauerei in Ludwigsburg verkauft wurde. Der Keller erfüllte im Zweiten Weltkrieg einen ganz anderen Zweck: als Luftschutzbunker für die Lienzinger.  

„Nach wie vor Liebhaber“

An der Frauenkirche unter einem alten Baum: Grabstätte von Otto und Else Schneider. (Foto: Günter Bächle)

Das Erbstück Bierkeller beschäftigte den Lienzinger Gemeinderat immer wieder. In der Ratssitzung vom 26. Februar 1954, in der der dritte Versteigerungstermin beschlossen wurde,  entschied das Gremium im folgenden Tagesordnungspunkt die Vermietung. Eine Anzeige in den Stuttgarter Nachrichten habe zwar keinen Erfolg gebracht, doch sei Küfermeister Mannhardt aus Illingen „aber nach wie vor Liebhaber“ für den Keller, biete ein jährliches Pachtgeld von 100 Mark an und wolle ihn später käuflich erwerben, heißt es im Protokoll. Die Räte stimmten einer Verpachtung zu den angebotenen Konditionen zunächst auf ein Jahr zu, übergingen jedoch die Offerte von M. zum späteren Erwerb kommentarlos – jedenfalls gibt die vom Bürgermeister gefertigte Sitzungsniederschrift dazu nichts her  (STAM, Li B 324, S. 201).

Vertagt!

Das Tauziehen um Verkauf oder Nicht-Verkauf ging zunächst hinter den Kulissen weiter. Am 19. Januar 1955 genehmigte der Gemeinderat einen rückwirkend vom 1. Januar 1955 an gültigen Mietvertrag mit dem Mühlacker Küfermeister Christian Link bei unveränderter jährlicher Pacht von 100 Mark. Ob Mannhardt nicht mehr mieten wollte? Das Protokollbuch hält keine Antwort parat. Schon in der Ratssitzung vom 24. März 1955 steht der eventuelle Verkauf wieder auf der Tagesordnung. Der Pächter habe, trug der Bürgermeister vor, erneut um die käufliche Überlassung des Kellers nachgesucht und bitte die Gemeinde um die Forderung eines angemessenen Kaufpreises. Wörtlich ist zu lesen: „Da bezüglich der käuflichen Abtretung des Kellers innerhalb des Gemeinderates ein Für und Wider herrscht, konnte in dieser Frage keine Einigung erzielt werden.“ Vertagt! (STAM, Li B 325, S. 2)   

Erneuter Versuch

Bis 1958 blieb das Thema tabu. Bei der Gemeinderatssitzung am 5. September 1958 berichtete der Schultes von einem erneuten Kaufangebot des Küfermeisters und Getränkehändlers Link, der dadurch seine Getränkehandlung ausdehnen wolle. Es entspann sich eine rege Aussprache, notierte der Vorsitzende und Protokollführer. Während der überwiegende Teil des Gemeinderats sich für den Verkauf aussprach, wandte sich Gemeinderat Schmollinger vehement dagegen. Man baue dort nun die Volksschule und die Kinderschule. Wenn nun aber auch noch die Turn- und Gemeindehalle und der Sportplatz dorthin kämen, befände sich in diesem Gebiet das gesamte Kulturzentrum. Dort sei dann eine Getränkehandlung fehl am Platz, denn dadurch nehme die Verkehrsbelastung zu, wodurch Kinder gefährdet werden würden. Für Schmollinger wogen die negativen Seiten mehr als der wirtschaftliche Erfolg für die Gemeindekasse. Die Debatte spitzte sich zu, es kam zur namentlichen Abstimmung: Bonnet, Ferschel, Fode, Geiger, Häcker, Heinzmann und Rommel für den Verkauf, Schmollinger dagegen, Straub enthielt sich (STAM, Li B 325, S. 223f).

Somit stand das Thema am 26. September 1958 erneut auf der Tagesordnung. Link bot 7000 Mark. Während sich der östliche Keller noch in einem guten Zustand befinde, seien die beiden westlich sich befindenden Keller weniger gut erhalten, so die Verwaltungsspitze. Die drei Wochen zuvor geführte Debatte wiederholte sich, die sechs Befürworter blieben ihrer Linie treu, während die Gemeinderäte Schmollinger und Straub keine Neigung zeigten, dem Verkauf das Wort zu reden. (STAM, Li B 325, S. 227). Bürgermeister Allmendinger durfte nun verhandeln, kam aber erst am 15. Januar 1960 mit dem Thema in das Ortsparlament zurück. Im Gepäck ein abgewandeltes Angebot, dem hinter verschlossenen Türen letztlich sieben Mitglieder des Rats schriftlich zustimmten, während vier ablehnten:

  • Der Bierkeller - Gebäude Nr. 44/2, Remise mit Benzinlager und Hofraum mit 98 qm unter dem Aichert, wozu noch ca. 10 bis 12 Ar willkürlich angebauter Wald hinzu kamen. Link habe die Absicht, dort eine Bier- und Mineralwasser- sowie eine Getränkeniederlassung zu errichten. Kaufpreis: 6500 Mark sowie 2000 Mark Stiftung für die (damals erst geplante, Anm. des Autors) Turn- und Gemeindehalle, in vier Jahresraten, jeweils auf 1. September, erstmals zum 1. September 1960, zu bezahlen.
  • Bevor der Kaufvertrag beschlossen wurde, lockte der Bürgermeister mit zusätzlichen Einnahmen: Bei dem Vorhaben des Käufers handle es sich um einen Gewerbetrieb, der sicher einmal das Steueraufkommen der Gemeinde stärke. Im Interesse der wirtschaftlichen Steigerung dürfe die Geschichte nicht mehr länger hinausgeschoben werden (STAM, Li B 326, S. 5).

Ob der Käufer mit dem Objekt glücklich geworden ist? Eher nicht. Im Bierkeller entstand keine Getränkehandlung, es gab somit keinen zusätzlichen Gewerbesteuerzahler für Lienzingen, nur zeitweise verwendete der Eigentümer einen Teil des Kellers als Lager. Die Unterhaltslast für den bewaldeten Hang, der einst eine Wiese war, wie Ortschronist Roland Straub durch alte Fotos belegen kann, ging voll auf Rechnung des Eigentümers.

Nichts mit Tanzlokal

Zweimal versuchte er eine Nutzung oder Verwertung des Areals. In meinem ersten Jahr als Stadtrat stellte ein Investor eine Bauvoranfrage für ein Tanzlokal, versicherte, es solle keine Diskothek werden. Anfang Juli 1975 nach Mühlacker zwangseingemeindet, lag nun im November 1975 der Antrag dem zuständigen Gemeinderatsausschuss von Mühlacker vor. Der lehnte ab, auch mit meiner Stimme. Denn die nahe Wohnbebauung, die benachbarte Schule und der Kindergarten gegenüber würden eine Zustimmung verbieten. Das gleiche Schicksal erlitt Jahre später, nach einem Lokaltermin, eine Bauvoranfrage für ein Wohnhaus im Hangbereich über den Gewölbekellern – beides passe nicht zusammen.

Bei großen Vereinsfesten am Sportplatz wie Gaukinderturnfeste lagerten die Vereine ihre Getränke in dem kühlen Keller. Junge Lienzinger wie Roland Straub machten darin einst Musik mit ihrer Band, 1970 sei dort der erste Lienzinger Jugendklub entstanden, sagte er – Roland Straub ist es, der sich stark für die Erhaltung engagiert, die 2018 zur Gründung des Bierkeller- und Kulturvereins Lienzingen e.V. führte. Seine Kellerführungen fanden ein starkes Echo.

Konzept schmort im Rathaus
Im März 2019 legte der Verein der Stadt als neuem Eigentümer ein Nutzungskonzept vor. Es schmort noch im Rathaus. Der Gemeinderat forderte aufgrund eines CDU-Antrags weitere Erhebungen:  „Nachdem bei einer Begehung bereits deutliche Schäden sichtbar waren, wurde ein Statiker für eine Einschätzung hinzugezogen. Dieser untersagte nach Augenscheinnahme sofort die Nutzung von Teilbereichen des Kellers und empfahl die sofortige Sanierung dieses Teilbereiches. Ein erstes Angebot für die Sanierung durch eine Fachfirma liegt vor, dieses beläuft sich auf rd. 45.000,- €.“ Inzwischen schlossen die Stadtwerke den Keller an Strom- und Kanalnetz an, der Hang darüber muss gelichtet, der Druck auf das Gewölbe gemindert werden. Letztlich hängen die Kosten einer Sanierung vom Ausmaß der Nutzung ab. Am günstigsten: einige Führungen im Jahr und sonst nichts. Momentan stockt die Klärung der Fragen.

1882 - Etterdorfbräu Lienzingen, mit der Lienzinger Braugeschichte auf den Etiketten

Ach so, im September 2016 beschloss der Verwaltungsausschuss des Mühlacker Gemeinderats: Die Stadt Mühlacker erwirbt den ehemaligen Bierkeller an der Friedrich-Münch-Straße, Grundstück Flst. 1341 zu 1.065 m², Gemarkung Lienzingen von der Erbengemeinschaft (…). Hinsichtlich der Ortsgeschichte von Lienzingen sei dieser Bierkeller zwecks Veranschaulichung der Bierbrauerkultur erhaltenswert. Mit dem Erwerb sah die Verwaltung auch Kosten für Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Verkehrssicherung auf die Kommune zukommen, insbesondere, wenn der Keller weiterhin zu Führungen, kleineren Lesungen und Konzerten zugänglich gehalten werden soll. Und preislich blieb es im Rahmen der Konditionen von 1960. Das muss man erst einmal schaffen!

Inzwischen ist ein anderes Projekt in aller Munde. Das Lienzinger Bier „1882“ mit einem Anteil Lienzinger Wildhopfen, gebraut in Crailsheim, gefragt selbst in der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin. Auf dem Etikett: Die Geschichte des Bierbrauens in Lienzingen, der Brauerfamilie Schneider und des Bierkellers. Letzterer allerdings ohne die optisch störende Absperrung auf der gesamten Front. Inzwischen herrscht am Vormauerwerk des Kellers Handlungsbedarf, wenn der Bestand nicht gefährdet werden soll.  Alle warten auf die Stadt. Roland Straub: „Wichtig wäre, den weiteren Zerfall zu stoppen. Man sollte zumindest so viel Investieren, dass man die dringendsten Schäden beseitigen kann.“

Info: 

Bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde in Lienzingen Gerstensaft produziert. Standort der Brauerei war das Eckgebäude an der heutigen Knittlinger Straße/Kirchenburggasse, am sogenannten Bierbuckel. 1883 baute Johann Martin Schneider an der jetzigen Friedrich-Münch-Straße einen Bierkeller als Lagerstätte für Eis zum Kühlen des Getränks.

Bezogen wurde das Eis aus dem „Eissee“, der sich gegenüber dem Keller befand und vor gut 60 Jahren trockengelegt worden ist. Heute befindet sich dort der Sportplatz des FVL. An den See erinnere ich mich noch, an das Schilf, die Kaulquappen, der vergebliche Versuch, bei etwas tragfähigem Eis Schlittschuhlaufen zu lernen, was regelmäßig misslang, weshalb ich jeden Spaß daran verlor. Und an das Fangen von Kaulquappen in Gläsern, in der Hoffnung, dass sie auf dem Fensterbrett der elterlichen Wohnung zu Jungfröschen mutieren, was immer erfolglos blieb.

Jedenfalls ist deshalb der Grund und Boden in diesem Areal weniger stabil als von Bauherren gemeinhin gewünscht und beim Bau der Gemeindehalle 1966 mussten zusätzliche Gründungsmaßnahmen ergriffen werden. Eine Erfahrung, die beim jetzt geplanten Bau eines Kindergartens hinter der Halle gleich bei Planung und Kostenberechnung berücksichtigt werden muss.


Noch ein kleines PS: Das ist der erste Streich, weitere werden in unregelmäßigen Abständen folgen. Lienzinger Lokalgeschichte(n) oder Im Protokollbuch des Gemeinderats geblättert. Ja, Lienzingen war bis 1975 selbstständig. Als jüngst bei der Einweihung des Christbaumständermuseums ein Besucher fragte, weshalb Lienzingen ein Rathaus habe und erstaunt drein schaute, als er erfuhr, dass in diesem sogar echte Lienzinger Bürgermeister  amtierten, war für mich klar: Wenigstens das Internet vergisst nichts, auch nicht den einstigen Status unseres Dorfes als politische Einheit. Deshalb diese Serie, zugegebenermaßen geschrieben von einem Lokalpatrioten, dadurch möglicherweise a bissle subjektiv...

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