Stadtbahn: Garantiert staufrei

Die Stadtbahn kommt

Mister Stadtbahn: Michael Sengle, seit vergangenem Mai Kreisrat aus Keltern und mein Fraktionskollege. Anfang September rief er mich an, berichtete von seinem Stadtbahn-Konzept (zusammen mit Dominique Roller ausgearbeitet), ich setzte das Thema auf die Tagesordnung der Kreistagsfraktion und die Ideen stießen dort auf volle Zustimmung. Eine Stadtbahn von Ittersbach durch den westlichen Enzkreis, durch Pforzheim und das Heckengäu bis in den Kreis Böblingen. Eine Tangentiale, die als Querverbindung die Räume Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart verbindet.

Zugegeben, zunächst hört sich das allzu visionär an, doch die Erfolgsgeschichte der Stadtbahnen im Ländle zeigt, dass es sich lohnt, über den Tag und über eine Wahlperiode hinaus zu denken. Der Einstieg: eine Machbarkeitsstudie. Doch das Projekt kann nur dann gelingen, wenn auch die Stadt Pforzheim mitspielt, denn dies ist das Herzstück einer solchen Trasse, wiewohl auch der schwierigste Abschnitt, da sie auf vorhandenen Straßen geführt werden muss, quasi in Konkurrenz tritt. Zwei Gespräche mit unseren CDU-Kolleginnen und Kollegen im Pforzheimer Gemeinderat zeigten, dass wir an einem Strang ziehen. Auch Pforzheims OB Peter Boch bekundete Interesse. Das Ergebnis sind fast gleichlautende Anträge im Gemeinderat von Pforzheim und im Kreistag des Enzkreises. Bei einem Pressegespräch stellten Vertreter beider Fraktionen am vergangenen Freitag das Konzept und die Anträge vor, die Berichterstattung fiel positiv aus, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßte den Vorschlag ausdrücklich. Gestern gab es Interviews für SWR4 und Baden-TV.

Trotzdem: Das alles wird kein Spaziergang sein, langer Atem ist notwendig. Stolpersteine liegen auf dem Weg, wie sich auch bei der Enztalbahn (inzwischen ein Erfolgsprojekt) oder der geplanten Bahnverbindung zwischen Markgröningen und Remseck durch Ludwigsburg zeigt. Andererseits: Die Heilbronner brachten eine innerstädtische Bahnlinie auch fertig und die Karlsruher Stadtbahn rollt seitdem durch die Käthchenstadt ins Hohenlohische.  Wichtig wird sein, in den nächsten Wochen und Monaten eine Mehrheit in beiden Gremien zu erhalten für eine Machbarkeitsstudie. Wenn diese dann vorliegt, müssen die Ergebnisse bewertet werden. So wollen wir nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt vorankommen.

Anfang September 2019 in der CDU-Kreistagsfraktion: Michael Sengle (rechts) und Dominique Roller

Eine Stadtbahn als Zukunftsprojekt: nachhaltig und klimaschonend, aber auch ökonomisch sinnvoll - Gemeinsam von Enzkreis und Stadt Pforzheim auf die Gleise gebracht. Das wär's. Die Zeit ist günstig: Vom 1. Januar 2020 an gelten neue Regeln für die Standardisierte Bewertung, bei der bewusst die Anforderungen abgesenkt werden. Der Landkreis Karlsruhe diskutiert ein Konzept mit einem Stadtbahnzweig von Ittersbach bis Straubenhardt. Es gibt die Erfolgsgeschichte Enztalbahn, die bis in die Innenstadt von Bad Wildbad fährt. Nicht zuletzt fördert ein solches Projekt die aktuellen Klimaschutzziele.

Erste Überlegungen für eine Stadtbahn galten dem Abschnitt Ittersbach, Straubenhardt, Neuenbürg, Birkenfeld, Pforzheim. Dazu die Vorlage 51/2006 für den Kreistag: Vor dem Hintergrund einer dynamischen Siedlungsentwicklung und zunehmender Probleme für den motorisierten Individualverkehr auf den Straßen, die auch den Busverkehr behindern,  entstanden im Jahr 2001 Überlegungen zur Entwicklung eines Stadtbahnprojekts zwischen Ittersbach und Pforzheim. Auch die großen Erfolge der neuen Stadtbahnprojekte im Raum Karlsruhe, sowie die beachtlichen Zuwächse durch die neuen Stadtbahnverkehre auf  vorhandenen Strecken im Raum Pforzheim-Enzkreis und darüber hinaus, gaben Anlass über  eine neue Verbindung nachzudenken.  (...)  Der Bau und der Betrieb einer Stadtbahn von Ittersbach über Straubenhardt, Neuenbürg und  Birkenfeld nach Pforzheim sind technisch und planerisch möglich. Nach den durchgeführten  Prognosen für die optimierte Trasse würden mit der Stadtbahn täglich rund 6.000 Fahrgäste fahren.

Der wesentliche Nutzen des Projekts besteht in der Verlagerung vom Autoverkehr zum ÖPNV, was aus volkswirtschaftlicher Sicht zu niedrigeren Betriebskosten und geringeren Unfall-  und Abgasschäden führt. In Geldwerten ausgedrückt steht dahinter ein Nutzen von rund 2,6 Millionen Euro jährlich. Dieser Nutzen ist immerhin so hoch, dass er die zusätzlichen Betriebskosten gegenüber dem heutigen Busverkehr und die Unterhaltungskosten für die neu zu bauende Schienenstrecke aufwiegt – allerdings reicht er nicht aus, um auch den Kapitaldienst für die rund 65 Millionen teure Schienenstrecke zu decken. Dies wäre notwendig gewesen, um das für eine Förderung durch Bund und Land notwendige Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erreichen.  Soweit die Kreisverwaltung 2006.

Dr. Marianne Engeser (Pforzheim), Günter Bächle und Kurt Ebel (beide Enzkreis) beim Pressegespräch Mitte November

Für eine Straßenbahn von Ittersbach nach Pforzheim ergibt sich nach den Kernaussagen der Gutachter - so die Kreisverwaltung fünf Jahre später - allenfalls eine langfristige Realisierungschance. Zwar konnte der erzielbare Nutzen  durch die neue Trassenführung in Pforzheim, bei der die Strecke nicht mehr auf die Enztalbahn eingeschleift wird, sondern als eigenständige Straßenbahn vom Arlinger über die Innenstadt bis zum Wohngebiet Haidach geführt wird, gegenüber den bisherigen Untersuchungen um ein Mehrfaches gesteigert werden.

Da dem volkswirtschaftlichen Nutzen aber auch hohe Kosten gegenüber stehen, reicht das nunmehr auf 0,5 verbesserte Kosten-Nutzen-Verhältnis immer noch nicht aus um das Projekt als förderfähig anerkannt zu bekommen. (...) Dessen ungeachtet bleibt das Projekt ein Fernziel, das etwa bei entsprechender Siedlungsentwicklung entlang der Strecke oder  grundsätzlich veränderten Bewertungskriterien eventuell doch noch realisiert werden kann.  
 
2013 im Kreistag: Ein Metrobussystem kann durchaus auch ein Vorläufer für ein langfristig weiterhin anzustrebendes Stadtbahnsystem sein. Doch aus der 13 Millionen teuren Zwischenlösung wurde nichts. Denn auch der Metrobus stünde im Stau. Staufrei ist die Stadtbahn und deshalb die attraktive Alternative zum Individualverkehr.

Der Enzkreis wartete auf die Stadt Pforzheim, die sich - vorsichtig gesagt - zierte. Klar war, dass das Projekt nicht auf Dauer in der Schublade verschwinden darf. Wir unternehmen nun einen neuen Anlauf, denken großräumiger und hoffen auf einen besseren Kosten-Nutzen-Grad. Und in Pforzheim hat sich der Wind gedreht, zumindest bei der CDU.

Den Versuch ist's wert. Davon bin ich überzeugt. Mein Kollege Sengle sowieso.

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