Längst fällige Wende: Die Neuen setzen auf regionale Philosophie

Die erste Reihe im Pforzheimer Ratssaal, in dem die Regionalräte tagten: Von links die Fraktionsvorsitzenden Volker Schuler (FWV, Ebhausen) und Günter Bächle (CDU, Mühlacker) sowie die Christdemokraten und Oberbürgermeister Peter Boch (Pforzheim) und Jürgen Großmann (Nagold), dann Calws Landrat Helmut Riegger, auch Mitglied der CDU-Fraktion. Foto: Regionalverband

Alles drehte sich um eine Person: Wer wird neuer Vorsitzender des Regionalverbandes Nordschwarzwald? Die Personalfrage beschäftigte seit den Sommerferien die Fraktionen in  der Verbandsversammlung, Sachthemen rückten in den Hintergrund. Die Freien Wähler legten einen Schnellstart hin und präsentierten als ihren Kandidaten den jungen Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau (39). Doch ihre Hoffnung, wie schon 2014 die fraktionslosen Regionalräte an sich zu binden und damit größte Fraktion zu werden, scheiterte. Zwei der drei, die ein politisches Alleindasein hätten führen müssen, schlossen sich den Grünen an (darunter die einzige Vertreterin der Frauenliste Freudenstadt, die in den vergangenen fünf Jahren bei den Freien Wählern Unterschlupf gefunden hatte). Einer aus dem Trio bildete eine Zählgemeinschaft mit der CDU: der einzige Regionalrat der Jungen Liste Pforzheim, gleichzeitig Kreisvorsitzender der Jungen Union Enzkreis/Pforzheim.

Damit liegt die Union um zwei Sitze vor den Freien Wählern und erhob als größte Fraktion den Anspruch auf den Vorsitz. Denn es ist gute Übung auch in den anderen Kommunalparlamenten, nach der Größe der Fraktionen die Besetzungen vorzunehmen - SPD und FDP sahen dies ebenso, teilweise auch die Grünen, mit Verzögerung folgte die FWV. Letztlich einigten sich CDU und FWV nach diesem Grundsatz auf Klaus Mack (CDU) als Vorsitzendem und auf Rosenau als seinen ersten Stellvertreter (der zweite stand den Grünen zu).

Dass der 46-jährige Mack mit 90 Prozent Zustimmung nun neuer Regionalpräsident ist, verrät drei Dinge. Erstens: Den Regionalräten fiel ein Stein vom Herzen, dass es zu keiner Neuauflage der Kampfabstimmung im Jahr 2014 um den Vorsitz kam, bei dem Mack unterlag. Zweitens: Obwohl der ehrenamtlich tätige Vorsitzende die Verbandsverwaltung und die Sitzungen der Gremien zu leiten hat,  den Verband nach außen vertritt und  die Geschäfte der laufenden Verwaltung zu erledigen hat. Er soll, ja muss auch Impulsgeber für die Region sein. Mack, Bürgermeister von Bad Wildbad, ließ in seiner Bewerbungsrede ("Ich brenne für die Region") erkennen, dass er nicht zu jener Kategorie seiner Kollegen gehört, die den Regionalverband nur auf seine Pflichtaufgabe, die Regionalplanung, beschränken wollen und alles andere als Sache des Teufels sehen. Drittens: Mack und Rosenau liegen wohl auf einer (regionalen) Linie, betonen das regionale Wir-Gefühl.

Das lässt hoffen: Die jüngere Generation der Bürgermeister denkt stärker auch in regionalen Kategorien. Mack, Rosenau & Co sprechen von der Kraft einer ganzen Region. Sie wollen in der Region etwas bewegen. Lokal und regional in einem: Ich bringe die kommunale Erfahrung aus einer kleineren Kommune und einem Mittelzentrum mit. Ich stehe für den regionalen Gedanken, sagt der Bad Wildbader Bürgermeister. Der Regionalverband ist eine wichtige Klammer, die unsere Kreise und Kommunen verbindet.

Das ist das eigentlich Neue, eine entscheidende (Zeiten-)Wende. Das ist der dringend notwendige Abschied vom Formalismus, dem engen Denken in Paragrafen der Zuständigkeiten, alles andere abzuwehren, der Planungsverband in seiner trockensten und reinsten Form, aber auch kein Komma mehr. Und nun die Neuen, die wollen, dass der Regionalverband auch Anstöße gibt, Partner für die Verwirklichung seiner Ideen sucht, das Wir-Gefühl und die Region mit ihren mehr als 600.000 Einwohnern (Stadt Pforzheim, Enzkreis und die Kreise Calw und Freudenstadt) stärken. Eine dringend notwendige Wende in puncto Regionalpolitik.

Ganz nüchtern betrachtet

Klaus Mack formuliert das so: Ganz nüchtern betrachtet, ist der Regionalverband natürlich in erster Linie ein reiner Planungsverband. Die wesentlichen Entscheidungen werden in den Kommunen vor Ort getroffen. (...) Aber wir sind hier gewählte Vertreter der gesamten Region Nordschwarzwald. Und deshalb sollten wir auch die Chance ergreifen, uns mit regionalen Themen auseinanderzusetzen. Der Regionalverband kann auch Ideen- und Impulsgeber sein.Und im Bewusstsein einer regionalen Philosophie die richtigen Weichen stellen. Und Rahmenbedingungen setzen.
 

Neuer Vorsitzender: Klaus Mack (links). Rechts neben ihm Verbandsdirektor Dr. Matthias Proske.

Ganz neue Töne, für die höchste Zeit ist. Da fällt mir ein: Anno 2002 startete ich als damals neuer Sprecher der CDU-Fraktion einen ersten Vorstoß zur Weiterentwicklung der Region. Der Regionalverband sollte „die Meinungsführerschaft in der Region“ bekommen. Im Juli 2005 beantragte ich für die CDU-Fraktion, welche Vorschläge zur Umsetzung des Kapitels 6.1 des Landesentwicklungsplanes 2002 „Stärkung der regionalen Eigenkräfte – Regionalplanung, Umsetzung der Regionalplanung“ speziell für das Gebiet des Regionalverbandes Nordschwarzwald sinnvoll sind und diese in die Beratung der Gremien einzubringen. In meinen Notizen von damals fand ich drei Thesen, die ich vortrug: Die Region Nordschwarzwald liegt im Windschatten, da müssen wir heraus. das setzt aber voraus: Dies als Region auch zu wollen. Und sich als Region zu verstehen. Die Region muss wenigstens in die Köpfe, auch wenn es schwer ist, sie in die Herzen zu bringen.

Bremser und Formalisten

Doch der Vorstoß ging letztlich ins Leere, die Anträge versandeten, die Bremser und Formalisten siegten, liefen gleich zur Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium ("dürfen die das?") und die hob mit ernstem Gesicht und warnend den Zeigefinger hebend: "Das dürfen die nicht." Obwohl selbst schon der Landesentwicklungsplan 2002 die Regionalverbände in einer Beratungs-, Moderations- und Koordinationsfunktion sieht. Selbst als zehn Jahre später CDU und SPD einen gemeinsamen Vorstoß unternahmen, den Regionalverband auch zur Kulturregion zu machen, hebelte eine Mehrheit diesen Antrag zunächst mit Formalien ("keine Zuständigkeit") aus - erst Ende 2018 waren die beiden Fraktionen am Ziel.

Die breite Öffentlichkeit nahm  die jetzige Personaldebatte um die Verbandsspitze kaum wahr, die kommunalen Würdenträger und die Pforzheimer Zeitung dafür um so mehr, die diese Funktion auch noch gelegentlich überhöhten. Nein, wir suchten weder einen Landrat noch einen Ministerpräsidenten, sondern einen Vorsitzenden der Gremien des Regionalverbandes, demokratisch legitimierten Fürsprecher und Kämpfer für die Region. Mit Geduld die Entwicklung der Personaldiskussionen abzuwarten, nicht in Hektik zu verfallen, das Gespräch mit anderen Fraktionen zu suchen, den Ball flach halten - das war mein Vorsatz als Fraktionsvorsitzender, den ich bis zum Ende durchhielt. Nach fünf Jahren steht nun wieder ein CDU-Mann an der Spitze der Region, dies im Team mit dem Enzkreis-Landrat von der FWV als seinem ersten Vize. Beide gewählt auf einem gemeinsamen Ticket der beiden größten Fraktionen. Gemeinsamkeit real. Das muss man wollen! Und das klappte nach einigen klärenden Mails. Auch Dank meines Kollegen Volker Schuler, Fraktionschef der FWV und knitzer Bürgermeister von Ebhausen im Kreis Calw.

Masterplan Klimaschutz

Nach diesem famosen (Wahl-)Start müssen wir uns wieder um die Sacharbeit kümmern. Die Region und der Klimaschutz: In derselben Sitzung plädierte die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Nordschwarzwald im Pforzheimer Ratssaal, einen "Masterplan Klimaschutz" zu erarbeiten. Vor Wochen unternahm die CDU-Fraktion den ersten Vorstoß und beantragte - unter Beifall der Grünen - einen Masterplan, also einen Entwicklungsplan. In einem ersten Schritt soll, so der Beschluss der Regionalräte, eine energetische Bestands- und Potenzialanalyse erarbeitet werden. Inhalt dieser Analyse wäre insbesondere eine detaillierte Darstellung der Strombereitstellung (Produktion) und der Stromnutzung (Verbrauch). In einem zweiten Schritt erfolgt die Ermittlung der Flächenpotenziale für die Erneuerbaren Energieträger.

Nach deren Bewertung könnten diese dann in den Prozess zur Gesamtfortschreibung des Regionalplans einfließen, die sich nochin einem frühen Stadium befindete. Um dem Anspruch an einen „Masterplan für den Klimaschutz“ gerecht zu werden, sollten Vorschläge zu einem Umsetzungsmonitoring erarbeitet werden. 20.000 Euro lässt sich der Regionalverband das Projekt kosten. Nicht nur Windkraft, sondern auch Photovoltaik und andere erneuerbaren Energien werden bewertet und beziffert. Letztlich wird der Masterplan aber noch breiter angelegt.

Klaus-Mack-Bewerberrede-Vorsitz-RV-Vorsitz-2019.pdf

 

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