Im Angebot: Sendemast, sieben Hektar Land und eine Halle

Nur der kleine Sendemast soll bleiben, geht es nach dem Willen des SWR

Manche Themen bestimmen für einen gewissen Zeitraum die Debatte, verschwinden dann jedoch urplötzlich auf eine ganz andere Ebene, kehren aber genauso überraschend wieder zurück. Ein typisches Beispiel: Das Schicksal des vor acht Jahren stillgelegten Mittelwellen-Senders des SWR in Mühlacker.  Vor allem 2015/16 trieb Menschen in unserer Stadt die Frage um: abreissen oder stehen lassen? Immerhin ist die große rot-weiß lackierte Nadel mit 273 Metern das höchste Bauwerk von Baden-Württemberg, lokales Wahrzeichen, vor allem aber Namensgeber für das schmückende Beiwort Mühlackers: die Senderstadt. Eine Stahlkonstruktion, abgespannt, 1950 errichtet.

Anfang 2015 erklärte das Landesdenkmalamt den langen Lulatsch zum Kulturdenkmal und als der SWR Wochen später bei der unteren Baurechtsbehörde den Abbruchantrag einreichte, lehnte die Behörde im Dezember 2016 den Antrag mit Hinweis auf den neuen Status des Objekts ab. Der SWR legte Widerspruch beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe ein, wohin dann die Akten wanderten. OB Frank Schneider fuhr zur damaligen Regierungspräsidentin Nicolette Kressl (SPD) und ihm gelang es, sie dafür zu gewinnen, den Fall dem zuständigen Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg vorzulegen. Das Verfahren schien vorgezeichnet: Lehnt das Ministerium den Einspruch des Senders ab, so zieht die Sendeanstalt vors Verwaltungsgericht. Akzeptiert es den Abbruch, kann umgekehrt die Stadt nicht dagegen klagen, da ihr Baurechtsamt als untere staatliche Verwaltungsbehörde (des Landes) handelt - sonst würde sich das Land ja selbst verklagen.

Die zum Sparen verdonnerten Rundfunkchefs ließen sich vorsorglich von den SWR-Gremien das Mandat erteilen, bis zur letzten Instanz für den Abriss zu kämpfen, weil Rundfunkgebühren für das Radio- und Fernsehprogramm bezahlt würden und nicht für den Unterhalt ausrangierter Sendemasten. Die Mühlacker Kommunalpolitik rechnete damit, dass irgendwann die Kammer eines Verwaltungsgerichts das Schicksal des Bauwerks festzurrt und nicht sie. Kulturdenkmal hin, Kulturdenkmal her. Der Gemeinderat war plötzlich der Entscheidung, ob die Stadt den Masten kaufen soll, elegant enthoben. Andere kümmerten sich nun ums Thema. Ein Gerichtsurteil, so hieß es, werde auch von den Gegnern des Abbaues eher akzeptiert als eine (Nicht-)Kaufentscheidung des Gemeinderats. Denn Mühlackers Bevölkerung ist in der Abriss-Frage gespalten. Mitte 2015 stoppte der Gemeinderat erste Kaufverhandlungen.

Doch es kommt meist anders als man denkt. Ende August dieses Jahres bot der SWR der Stadt, wie aus heiterem Himmel, den großen Sendemasten, die benachbarte Halle sowie sieben Hektar Wiesen rund um den Masten für mindestens 2,6 Millionen Euro zum Kauf an, reduzierte etwa zwei Wochen später den Preis auf 550.000 Euro, wollte jedoch im Gegenzug die Hälfte der Wertsteigerungen der Grundstücke in den nächsten 50 Jahren bei der Stadt abschöpfen. In seinem Eigentum bliebe noch der Grundstücksteil, auf dem der kleine Sendeturm steht, der so genannte Eiffelturm-Verschnitt. 

Die Gespräche des OB mit dem Wirtschaftsministerium liefen wohl in all den Monaten weiter, wobei er sagt, Ministerin Hoffmeister-Kraut setze sich stark für den Erhalt des Großsenders aus dem Jahr 1950 ein. Über den Widerspruch des SWR ist bis heute nicht entschieden.

Die Kauf-Offerte aus Stuttgart löste in Mühlacker Hektik aus. Mitte September deutete der OB bei einem Gespräch mit der CDU-Ratsfraktion an, dass das Thema zurückgekehrt sei. Der erste Pressebericht erschien, in einem weiteren erfuhr die Öffentlichkeit von der Reduzierung des Kaufpreises auf 550.000 Euro - da war noch nicht einmal der Gemeinderat informiert worden. Die Verwaltung schob kurzfristig den Punkt „Sender - weiteres Verfahren“ für die Tagesordnung des öffentlichen Teils des gemeinderätlichen Verwaltungsausschusses am vergangenen Dienstag nach, blieb aber zunächst die Beratungsvorlage schuldig. Zu den Fraktionssitzungen am Montagabend lag sie dann mehrseitig in den Fraktionsräumen, aber nur in einem einzigen Exemplar, zudem ergänzt durch den für nichtöffentlich erklärten Briefwechsel OB/SWR. Wir mussten das Kopiergerät anwerfen, damit alle sechs Fraktionsmitglieder rasch auf den gleichen Informationsstand kamen. „Informationen“ - ein für diesen Vorgang allzu positives Wort. 

Das Papier ließ viele Fragen offen, der Verwaltungsantrag ging uns entschieden zu weit. Zudem erfuhren wir erstmals von Plänen für eine „Stiftung Sender Mühlacker“, zu der die Idee wohl aus dem Wirtschaftsministerium kam. Die CDU-Fraktion formulierte zehn Fragen,  zu später Stunde mailte ich sie dem OB, der sich morgens telefonisch meldete und eine Beantwortung  für den selben Tag zusagte. Er hielt Wort: Gegen 16.30 Uhr gingen die Antworten als zwölfte Anlage zur Vorlage 253/2019 ein. Sie brachten einiges an Klarheit. Für 18 Uhr und damit eine halbe Stunde vor Beginn der Verwaltungsausschuss-Sitzung traf sich die CDU-Fraktion nochmals, um die neue Lage zu bewerten, für 18.20 Uhr bat der OB die Fraktionsvorsitzenden zu einer kurzen Vorbesprechung. 

Hektik. Doch die Debatte im VA verlief ruhig und sachlich, der OB korrigierte seinen Beschlussantrag, der weitgehend nur noch einen Verhandlungsauftrag für Kaufverhandlungen mit dem SWR und zu Gesprächen über eine Stiftungsgründung beinhaltete und deutlich machte, dass der Gemeinderat nach Abschluss der weiteren Verhandlungen das letzte Wort hat. Dies sei, sagte ich, kein Freibrief. „Es geht darum, die Gesprächsergebnisse abzuwarten, abzuwägen und dann zu entscheiden.“ 

Der SWR verschärfte, wie die Lektüre des Briefwechsels mit dem Mühlacker OB ergab, in den beiden, bis jetzt letzten Schreiben den Ton, zumal Schneider ihn wissen ließ, die Stadt lasse sich nicht unter Zeitdruck setzen. Viele Fragen seien noch offen. Unwirsch reagierte der SWR-Verwaltungsdirektor, lieferte dann doch - wenn auch kurze - Antworten. Er setzte mehrfach eine Frist: Bis 31. Oktober 2019 müsse ein notariell besiegelter Kaufvertrag für Masten, sieben Hektar Land, Halle und weitere Gebäude vorliegen. Wenn nicht, verlange der Sender eine Entscheidung des Landes über seinen Widerspruch gegen die Ablehnung des Abbruchs durch die Mühlacker Baurechtsbehörde.

Das letzte Wort hätten dann die Richter. Aber soweit waren wir 2016 schon einmal. Ob der SWR bei einer Fristverlängerung mitspielt oder hart bleibt, ist jetzt die spannende Frage. Ich zweifle daran. Dann aber wäre der Mühlacker Sender-Deal geplatzt.

Fragen_CDU_Antworten_OB_zu_Sender.pdf

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