Eigentum verpflichtet - aber wenn das Geld fehlt?

Akuter Handlungsbedarf: marodes Kulturdenkmal
Kann verhindert werden, dass ein Kulturdenkmal dem Verfall preisgegeben wird? Eine Frage, die in historischen Ortskernen wie in Lienzingen immer wieder gestellt wird. Ich habe sie als Gmeinderatsanfrage eingereicht. Die Antwort  der Stadtverwaltung hier im Original, ohne Kommentierung meinerseits. Der Text aus dem Rathaus ungekürzt:
  • Die Erhaltungspflicht ergibt sich aus § 6 Denkmalschutzgesetz:  „Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen haben diese im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten und pfleglich zu behandeln. Das Land trägt hierzu durch Zuschüsse nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bei.“
  • Grundlage dieser gesetzlichen Regelung ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gem. Art. 14
  • Abs. 2 Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
  • Grundsätzlich sind hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Ansprache der Eigentümer folgende
  • Fallkonstellationen zu unterscheiden:
  •  
  • a) Kulturdenkmale in Sanierungsgebieten
  •  
  • In Sanierungsgebieten werden alle Grundstückseigentümer auf die finanziellen Möglichkei-
  • ten im Rahmen der Sanierung angesprochen. Dies erfolgt mehrfach und umfassend z.B. im
  • Rahmen von Bürgerinformationsveranstaltungen, Fragebögen und Einzelberatungen. Im
  • Zuge dessen erfolgt standardmäßig bei Eigentümern von Kulturdenkmalen auch ein Hinweis
  • auf die Erhaltungspflicht. Bei Bedarf (d.h. schlechtem Gebäudezustand und mangelndem
  • Modernisierungsinteresse) wird auch mehrfach nachgefasst. Dennoch sind manche Eigen-
  • tümer nicht zu baulichen Maßnahmen bereit. Dies liegt aber nicht an mangelnder Informati-
  • on über die Erhaltungspflichten, sondern in der Regel trotz großzügiger Fördermittelbereit-
  • stellung an den zu geringen finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer. 
  • Erneute Hinweise auf die Erhaltungspflicht sind deshalb aus Sicht der Verwaltung nicht zielführend.
  • Dies insbesondere, weil es keinerlei Durchsetzungsmöglichkeiten gibt.  
  •  
  • b) Kulturdenkmale außerhalb von Sanierungsgebieten in gutem Zustand
  •  
  • Dies ist der Regelfall, in dem es keinen Bedarf an einer Ansprache gibt. Im Gegenteil dürfte
  • der interessierte Eigentümer, der sein Denkmal pfleglich behandelt, eher irritiert oder sogar
  • verärgert reagieren, wenn er ein Schreiben solchen Inhalts erhält. Er wird daraus nämlich
  • den Schluss ziehen, dass er aus Sicht der Denkmalverwaltung nicht genug für die Erhaltung
  • des Denkmals tut. Eine pauschale schriftliche Ansprache aller Eigentümer von Kulturdenkma-
  • len wäre deshalb aus Sicht der Verwaltung eher kontraproduktiv.
  •  
  • c) Kulturdenkmale außerhalb von Sanierungsgebieten in schlechtem Zustand
  •  
  • Diese Fallgruppe ist besonders kritisch, weil der Erhalt von Denkmalen bedroht ist, die Stadt
  • aber finanziell keine Unterstützung leisten kann. Anreize können deshalb nur sehr begrenzt
  • (Sonderabschreibung) gesetzt werden. Natürlich könnte die Verwaltung von Zeit zu Zeit pau-
  • schal darauf hinweisen, dass der Besitzer eines Kulturdenkmals gesetzlich zu dessen Erhalt
  • verpflichtet ist. Gängige Praxis der unteren Denkmalschutzbehörde ist stattdessen eine fall-
  • bezogene Reaktion auf eigene Feststellungen oder Anzeigen Dritter mit persönlicher Anspra-
  • che der betroffenen Eigentümer. Häufig ist es allerdings so, dass die Eigentümer schlicht
  • nicht über hinreichende finanzielle Mittel verfügen, um das Gebäude fachgerecht zu erhal-
  • ten. Eine Pflicht zur Erhaltung ist unter diesen Rahmenbedingungen nicht durchsetzbar.
  • Es ist nicht befriedigend, dass bei dieser Vorgehensweise nicht die Erhaltung sämtlicher Kul-
  • turdenkmale gelingt. Voraussetzung für die flächendeckende Erhaltung wäre allerdings eine
  • weitaus bessere finanzielle Ausstattung der Denkmalförderung, die seit Jahrzehnten chro-
  • nisch unterfinanziert ist. Der in § 6 S. 2 DSchG zum Ausdruck kommenden Verpflichtung des
  • Landes, den im öffentlichen Interesse liegenden Anteil am Erhalt von Denkmalen auch aus
  • öffentlichen Mitteln zu fördern, kommt das Land mangels entsprechender Haushaltsmittel
  • nicht nach. Eine wie auch immer geartete über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende
  • moralische Verpflichtung der Eigentümer zum Erhalt ist deshalb im Übrigen auch nur schwer
  • argumentierbar.
Update 12. September 2018: Netzwerk Fachpartner Denkmalpflege und Fachwerk

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