Passendes schulisches Angebot

Tag der offenen Tür in der Gemeinschaftsschule Mühlacker

Die Real- und Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg wurden leider grundsätzlich in ein Konkurrenzverhältnis zueinander geschickt – spätestens, seit dem die Realschulen auch den Hauptschulabschluss anbieten müssen. Das Kultusministerium unter Ministerin Susanne Eisenmann (CDU) bezieht mit seiner unklaren Haltung nicht eindeutig Stellung und lässt somit die Gemeinschaftsschulen mit der Wettbewerbssituation allein. Die CDU-Landtagsfraktion handelt nach dem Motto "Lieber nicht darüber reden" und hofft, so die von ihr ungeliebten Gemeinschaftsschulen, von denen es immerhin mehr als 300 im Land gibt, totschweigen zu können. Und alles nur, weil diese neue Schulform unter Grün-Rot eingeführt wurde. Fünf Jahre nach dem Start werden so Schüler, Lehrer, Eltern und Kommunen wie Mühlacker als  Schulträger allein gelassen. Dünn, diese bildungspolitische Strategie der Union im Landtag, durch die sie auch ihre Ministerin einbremsen.
Gleichzeitig klagen die Realschulen bei uns über Überforderung, weil sie für die nötige Differenzierung der heterogenen Schülerschaft nicht ausreichend Personal und Räume haben. Die Realschulen werden von einem immer größeren Anteil von Kindern mit Hauptschulempfehlung besucht.

Wer also für sein Kind eine soziale, kulturelle und bildungsorientierte Durchmischung nicht wünscht, ist bei den Realschulen auf keinen Fall an der richtigen Stelle. Hier findet sich alles: Vom Kind mit Hauptschulempfehlung bis zum Kind mit Gymnasialempfehlung, dessen Eltern das G8 am Gymnasium ablehnen. Gleichzeitig kann die Realschule diesen Ansturm pädagogisch wie auch räumlich nicht ihrem Wunsch entsprechend verwirklichen.
Zugespitzt könnte man sagen: Die Realschulen sind von der Schülerschaft her die neuen Gemeinschaftsschulen, nur mit den schlechteren Rahmenbedingungen, also ohne die aufwendige und angemessene personelle wie räumliche Ausstattung.
 
Die Gemeinschaftsschulen hingegen sind mit ausreichend Räumlichkeiten wie auch der passenden Lehrerversorgung ausgestattet. Hier unterrichten Hauptschul-, Realschul und Gymnasiallehrer. Sogar Sonderpädagogen werden hinzugezogen, wo dies erforderlich ist.
 
Die Kommunen als Schulträger haben diese Situation nicht zu verantworten. Wir sind allein darum bemüht, für alle Schülerinnen und Schüler ein passendes schulisches Angebot vorzuhalten. In diesen Bemühungen –  setzen wir selbstverständlich aus guten Gründen stark auf die Gemeinschaftsschulen. Schülerinnen und Schülern mit Hauptschulempfehlung ist nicht damit gedient, dass sie in Klasse 5 und 6 zusammen mit Kindern mit Realschulempfehlung auf Realschulniveau unterrichtet werden und nach der zu erwartenden Reihe frustrierender schlechter Schulnoten ab Klasse 7 in einer gesonderten Hauptschulklasse zusammen gefasst werden. Dadurch werden sie zusätzlich zum Frust noch stigmatisiert.
Genau so aber funktioniert die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss an Realschulen.
 
In den Gemeinschaftsschulen lernen Kinder von Anfang an (ab Klasse 5) auf ihrem Lernniveau. Dieses jedoch kann in den unterschiedlichen Fächern variieren. Ein Kind kann beispielweise in Deutsch und Sprachen auf Gymnasialniveau lernen (heißt hier erweitertes Niveau/E-Niveau), während es in Mathematik auf Realschulniveau (= mittleres Niveau) oder gar Hauptschulniveau (= Grundniveau) lernt.

In der Gemeinschaftsschule Mühlacker, die unterdessen in der 8. Klassenstufe angelangt ist, lernt rund die Hälfte der Kinder in mehreren Fächern auf E-Niveau und in den übrigen Fächern auf M-Niveau. Etliche lernen in mehreren Fächern auf M-Niveau und in anderen auf G-Niveau und natürlich gibt es auch die, die in allen Fächern nur auf G-Niveau lernen und am Ende der 9. Klasse den Hauptschulabschluss machen werden. Der Rest macht am Ende der 10. Klasse den Realschulabschluss, mit dem sie, je nachdem in wie vielen Fächer bereits in E-Niveau gearbeitet wurde, gut auf den Übergang in die Sekundarstufe 2, also eine gymnasiale Oberstufe an einem beruflichen oder allgemeinbildenden Gymnasium - beides ist in Mühlacker vorhanden - vorbereitet sind oder eine gute Berufsausbildung anschließen können.

 

Gleichzeitigkeit haben diese Schülerinnen und Schüler bereits viele Kompetenzen erworben, die im späteren Leben wichtig sind: Soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit, Selbständigkeit. Davon konnte man sich beim Tag der offenen Tür selbst überzeugen. Besucher haben sich von Schülern der 7. Klassenstufe mit Migrationshintergrund erklären lassen, wie das mit dem selbständigen Lernen funktioniert. Sie waren angetan über die ruhige, überlegte, selbstbewusste Art des Vortrags und die Kompetenz der Antworten, die sie auf ihre Fragen bekamen. Ich konnte es auch an meiner Tochter sehen, einer Achtklässlerin, die ihrem ältesten Bruder von ihrem Schulalltag berichtete - mit Begeisterung! Sie lernt, je nach Fach, auf M- oder E-Niveau. Wir hatten uns bewusst für die Gemeinschaftsschule entschieden. Zurecht!
 
Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass in den Gemeinschaftsschulen die Hauptschulkinder nicht unter die Räder kommen. Sie werden optimal gefördert. Dazu trägt die gute pädagogische Ausstattung der Gemeinschaftsschule entscheidend bei.Mit zur Einführung der Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg hatte beigetragen, dass Handwerk und Industrie über nicht ausbildungsfähige Schulabänger geklagt hatten. Und in der Tat: In den Hauptschulen in Baden-Württemberg verließen viele Schülerinnen und Schüler die Schule ohne oder mit einem zu schlechten Schulabschluss.
Industrie und Handwerk äußerten die Meinung, dass sich das unsere Gesellschaft nicht leisten darf. Zu weit fortgeschritten ist bereits der zu erwartende Fachkräftemangel. Zudem kosten Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss den Staat immens viel Geld, ohne dass man den Menschen durch soziale Alimentierung auch nur irgendwie einen Gefallen tut.
 
Dieses Geld wäre in den Schulen gut aufgehoben.
Die Gemeinschaftsschule ist für das Land die teuerste Schulart. Vermutlich steckt dahinter der Wunsch, die Gemeinschaftsschulen nicht weiter auszubauen.
Gleichwohl: Aus Sicht des Schulträgers ist Geld in Schulen grundsätzlich immer gut angelegt.
Baden-Württemberg ist so ein reiches Land. Und in Sachen Bildung stellt es sich überspitzt gesagt, tatsächlich ständig selbst ein Armutszeugnis aus.

 

 

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