Drei Nationen, ein Ziel

Drei Nationen, ein Ziel: Die kommunalen Partner aus dem Enzkreis, dem ungarischen Komitat Györ-Moson-Sopron und dem polnischen Myslowice wollen im Dialog bleiben. Das Bild zeigt die Delegationen bei der offiziellen Begrüßung in der Komitatsverwaltung in Györ durch Präsident Zóltan Németh (Mitte). Den Enzkreis vertraten die Kreistagsmitglieder Karlheinz Oehler FDP (Zweiter von rechts, daneben:), Christine Danigel (Grüne), Dr. Wolfgang Ballarin (FWV), Hans Vester (SPD), Günter Bächle (CDU) sowie Landrat Karl Röckinger (Fünfter von links).

Mehr als doppelt so viele Einwohner wie der Enzkreis und mehr als sechs Mal so groß – und dennoch steht das im Nordwesten Ungarns gelegene Komitat Györ-Moson-Sopron, zu dem der Enzkreis gemeinsam mit der Stadt Pforzheim seit zehn Jahren eine offizielle Partnerschaft unterhält, vor ähnlichen Herausforderungen und Aufgaben wie sein deutscher Partnerkreis. Das wurde bei einem zweitägigen Treffen deutlich, zu dem neben Landrat Karl Röckinger und Vertretern der Kreistagsfraktionen auch eine hochkarätige Delegation aus der polnischen Partnerkommune des Enzkreises, dem oberschlesischen Myslowice, nach Györ gereist war. 

„Wir kamen schnell auf das Thema Flüchtlinge zu sprechen, wobei allerdings sehr unterschiedliche Sichtweisen deutlich wurden“, wie Röckinger berichtet. So habe Komitatspräsident Zóltan Németh, der der ungarischen Regierungspartei  angehört, auf die ungarische Position verwiesen, das Dublin-Übereinkommen strikt umzusetzen, aber auch auf die Probleme im Komitat als Durchgangsstation vieler Flüchtlinge.  

Während die Myslowicer, mit denen der Enzkreis im vergangenen Jahr 20-jähriges Partnerschaftsjubiläum feiern konnte, von einem großen Zustrom an Flüchtlingen aus der Ukraine in ihr Land berichteten – in ihrer rund 75.000 Einwohner zählenden Stadt leben etwa 1.000 - hofft Röckinger auf die neue Bundesregierung: „Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz ähnlich wie Kanada oder die Schweiz, das Menschen eine geregelte Zuwanderung nach Deutschland ermöglicht.“ Von dieser „gesteuerten Migration“ zu unterscheiden sei die humanitäre Hilfe, die in Folge der Flüchtlingsbewegungen vielerorts vonnöten sei. In der Bundesrepublik Deutschland gebe es einen Konsens – und damit appellierte der Kreischef vor allem an die ungarischen Partner – dass man nicht die Augen verschließen dürfe vor  dem teilweise großen Elend, das sich in der Welt und an Europas Grenzen abspiele. Dabei sei aber auch klar, dass Deutschland alleine völlig überfordert und alle Mitgliedsländer der EU verpflichtet seien, Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten, die die Union erreicht haben, auf Zeit Schutz zu bieten. „In der EU darf Solidarität keine Einbahnstraße sein“, so Röckinger. 

Das ungarische Partnerkomitat des Enzkreises grenzt an die Donau. Hier ist im Bereich der Schüttinseln eines der größten Naturschutz-Projekte Europas zu bestaunen. Das Bild zeigt eine Treppe, die dem Niveauausgleich dient. (enz)

Weniger konträr als die Flüchtlingshilfe diskutiert wurden bei dem trinationalen Treffen andere Themenfelder: So konnte die Delegation aus dem Enzkreis große Übereinstimmungen mit den ungarischen und polnischen Partnern bei Strategien zur Bewältigung des Fachkräftemangels oder des demografischen Wandels und damit verbunden einer nachhaltigen Förderung kinderreicher Familien feststellen. „Auch in Sachen Klimaschutz und Erneuerbare Energien bewegt sich in den drei Kommunen vieles“, ergänzt Röckinger. Ein besonders beeindruckendes Beispiel sei das Geothermie-Kraftwerk am Stadtrand von Györ, das 60 Prozent des Energiebedarfs eines in der Nähe befindlichen Werkes eines großen Automobil-Herstellers deckt und 24.000 Haushalte versorgt.

Während für Myslowice, das in Struktur und Aufgabenzuschnitt einem deutschen Stadtkreis vergleichbar ist, laut Stadtpräsident Edward Lasok Infrastruktur, die Förderung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie die Beteiligung der Bürger an der Stadtentwicklung derzeit große Themen sind, sieht die ungarische Komitatsverwaltung ihre wichtigste Zukunftsaufgabe in der Regionalentwicklung. So sollen in der Region um die Städte Györ, Mosonmagyaróvár, Sopron und Kapuvar in den nächsten Jahren – zum Teil aus europäischen Mitteln gefördert – neue Industrieparks, regionale Märkte für landwirtschaftliche Produkte, Kindergärten oder Arztpraxen entstehen sowie die Infrastruktur saniert und energetisch auf Vordermann gebracht werden. 

Ebenfalls mit EU-Mitteln ermöglicht wurde an der nördlichen Grenze des Komitats eines der größten Naturschutzprojekte in Europa: Die Delegation konnte sich bei einer Bootsfahrt davon überzeugen, dass hier seit Jahren alles unternommen wird, um im Haupt- und in den Nebenarmen der Donau den ursprünglichen Wasserstand und damit verbunden wieder ein funktionierendes Ökosystem herzustellen: Die reiche Tier- und Pflanzenwelt am zweitlängsten Fluss Europas war über Jahrzehnte im Bereich der Schüttinseln durch den Bau eines Flusskraftwerkes im slowakisch-ungarischen Grenzgebiet schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. 

Dieses „Wasserstands-Rehabilitations-Projekt“, wie es vor Ort tituliert wird, hat aber noch ganz andere Hintergründe: „Wir versuchen auf diese Weise, so verheerende Hochwasser wie zuletzt im Jahr 2013 zu verhindern“, berichtete Komitatspräsident Németh. Und falls es doch einmal zu Überschwemmungen kommen sollte, sei das Komitat ebenfalls gut vorbereitet: Die Katastrophenschutz-Einheit verfüge über einen modernen Fuhrpark und ausgereifte Informations- und Kommunikationssysteme. „Zudem arbeiten wir eng mit örtlichen Kräften zusammen. Sie helfen im Ernstfall zum Beispiel bei der Verteilung der Sandsäcke. Aber auch das muss natürlich koordiniert und trainiert werden.“

Hier helfe unter anderem auch der enge Fachaustausch mit den Feuerwehren der polnischen und deutschen Partner, unter dessen Dach seit vielen Jahren auch gemeinsame Camps in den Sommerferien veranstaltet werden. „Auch auf vielen anderen Gebieten können wir voneinander lernen und profitieren“, so Röckingers Fazit. „Und je schwieriger die politische Großwetterlage auf internationaler Ebene, für desto wichtiger halte ich es, dass wir auf kommunaler Ebene im Dialog bleiben.“
(Text: Landratsamt Enzkreis) 

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