Die Sache mit der gelben Farbe: Vorrang oder Vorbehalt



Gesehen in Lomersheim an der Fuchsensteige


Seltenes Bild heute bei der Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbandes Nordschwarzwald im Ratssaal der Stadt Pforzheim: gutbesetzte Zuhörerränge. Sie interessierten sich für die Beratung der Stellungnahmen zum Entwurf des Teilregionalplanes Landwirtschaft. Doch diese Debatte fiel mager aus, denn erst wenige Tage vor der Sitzung meldete sich das Landesministerium für Verkehr und Infrastruktur mit einer Stellungnahme zum Textteil des Entwurfs. Zu lange ließ sich das Ministerium für die Äußerungen in der nun schon zweiten Anhörung Zeit, aber es handelt sich immerhin um die Genehmigungsbehörde. Wortglaubereien und wichtige Klarstellungen mischten sich.

Die Aufmerksamkeit des Ministeriums galt sechs Blättern mit der prickelnden Überschrift: "Neuer Plansatz 3.3.3 des Regionalplans 2015 und Begründung" und bunten Karten, auf denen sattes Gelb die Vorranggebiete, ein ganz helles Gelb Vorbehaltsgebiete  für die Landwirtschaft kennzeichnen. Die Landwirte hätten mehr Vorranggebiete (VRG), die die Flächen für sie sichern - darauf darf nur Landwirtschaft stattfinden. Die Vorbehaltsgebiete (VBG) bedeuten einen geringeren Schutz: Hat die Kommune gute Argumente, können darauf trotzdem Wohn- oder Gewerbegebiete ausgewiesen werden. Basis sind die digitalen Flurkarten mit Vorrangflur I und II, also um die besten Böden. Mehr als 91 Prozent der Vorrangflur I und über 94 Prozent der Vorrangflur II sind als VRG oder VBG im Entwurf des Teilregionalplans ausgewiesen. Von 31.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in den Kreisen Calw, Freudenstadt und Enz sowie in der Stadt Pforzheim sind 12.000 Hektar als Vorrang- und 19.000 Hektar als Vorbehaltsgebiet vorgesehen. Bisher gibt es diesen Schutz nicht. Erstmals sollen diese Flächen gesichert werden - da ist die Region Nordschwarzwald der Vorreiter, auch wenn darüber zehn Jahre lang diskutiert wurde - viel zu lange.

Die 345 Stellungnahmen und Anregungen aus der zweiten öffentlichen Anhörungsrunde zeigen: Die Bauernverbände wollen mehr Vorranggebiete, die Kommunen wie Empfingen möchten gar keine Sicherung oder höchstens Vorbehaltsgebiete wie Mühlacker für einen Geländestreifen südlich der Waldäcker über der B 10 oder Niefern-Öschelbronn für 22 Hektar bei Öschelbronn. In Mühlacker gibt es dafür einen Gemeinderatsbeschluss, in Niefern-Öschelbronn war - so der Vorwurf - das Thema angeblich nicht im Gemeinderat.

Die beiden größten Konflikte dokumentieren sich in 314 Einwendungen gegen die Abstufung der Fläche bei Öschelbronn und in 22 Einwendungen gegen die Abstufung südlich der B10 in Mühlacker vom VRG zum VBG. Den Kommunen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Nutzung durch die Landwirtschaft mit anderen Interessen (zum Beispiel dem Bedarf für ein Gewerbegebiet) ab- und wegzuwägen. Die Gemeinde Wurmberg wiederum befürchtet durch VRG und VBG unzulässige Einschränkungen ihrer kommunalen Planungshoheit. Überhaupt zeigen sich durch die Einsprüche gerade im Heckengäu - auch gegen die Ausweitung von Porsche in Mönsheim - und im Bereich Mühlacker die starken Konflikte durch unterschiedliche Nutzungsansprüche im dicht besiedelten Gebiet. Ein Kommentar zum Sprung über die B 10: „Fremdnutzungen müssen ausgeschlossen werden“. Sind Unternehmen Fremdnutzungen?

Der Bauernverband Enzkreis wirft dem Regionalverband vor, das Wunschkonzert der Gemeinden  zu spielen und gelangt zum Schluss, den Kommunen stünden genug andere Flächen für Wohnen und Gewerbe zur Verfügung. Wiederum der BUND attackiert den Regionalverband und hält ihm vor, der Propaganda just dieses Bauernverbandes erlegen zu sein, weil als Merkmale für regional bedeutsame Höfe mindestens 50 Großvieheinheiten oder 50 Hektar Fläche gefordert werden und die AG bäuerliche Landwirtschaft meint, hier habe sich der Stärkere gegen die Schwächeren durchgesetzt. Dabei werden diese 406 Höfe nur nachrichtlich in die Raumnutzungskarte aufgenommen - der Bauernverband möchte den verbindlichen Schutz eines 300-Meter-Radios, das Ministerium sieht dafür keine rechtliche Handhabe.

Heute ging es nicht an Eingemachte, sondern nur um den textlichen Überbau ohne Beschlüsse. Die Zuhörer werden wohl enttäuscht gewesen sein. Aber Mitte Februar kommt der Planungsausschuss zur Sache. Übrigens: Zu den Stellungnahmen gehörte auch die des Verbands Region Stuttgart, die den Teilregionalplan Landwirtschaft als beispielhaft lobte. Und was schrieben die Architektenkammer Baden-Württemberg und eine Abteilung des Regierungspräsidiums Freiberg? Die Landwirtschaft sei auch ein bedeutender Umweltbelaster, Intensivlandwirtschaft gefährde das Grundwasser.

Die vier Hefte mit den Stellungnahmen, Einsprüche und Anregungen zum Entwurf sind eine Fundgrube für viele Argumente, die sich widersprechen. Alles Gehörte (Gelesene) zu erhören, ist ausgeschlossen. Dem Regionalverband bleibt seine angestammte Aufgabe: Er muss abwägen und entscheiden. 

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.