Der Münchsee - Opfer der DIN 19700?



Die Urkarte von 1835 (Stadtarchiv Mühlacker)


Von den Mönchen des Klosters Maulbronn angelegt, unter der Ägide der Stadt Mühlacker beseitigt? Und alles nur, weil das Landratsamt Enzkreis auf einer DIN-Vorschrift besteht. Gleichzeitig wird der historische Ortskern von Lienzingen - zurecht - als Etterdorf ausgewiesen, als Rarität im Regierungsbezirk Karlsruhe. Klammheimlich soll aber ein historischer See verschwinden. Das kann doch nicht sein!

Der Münchsee (oder Mönchsee?) ist ein Stück Lienzinger Geschichte. Da waren die eisigen Wintertage, an denen Generationen sich auf dem See beim Schlittschuhlaufen vergnügten.

Beim Stadtarchiv Mühlacker gibt es die Urkarte von 1835, die es vom Vermessungsamt bereits digital bekommen hat. Dort ist der Teich die Parz-Nummer 2443. Die Karte enthält zwar Gewann-Namen, aber die Teiche haben leider keine Bezeichnung. Nachdem der Teich jedoch mindestens schon 200 Jahre alt ist, könnte die Bezeichnung Mönchsee tatsächlich zutreffend sein - es sei denn, die Bezeichnung ist nur umgangssprachlich und Jagdpächter Friedrich Münch hat an dem Teich noch Veränderungen vornehmen lassen, die dann zur umgangssprachlichen Namensgebung geführt haben, meint Archivarin Marlis Lippik.

Eine weitere Variante schrieb Martin Walter auf meiner Facebook-Seite: "Falls der See Mönchsee (statt Münchsee) heißen sollte, könnte dies schlciht darauf hineisen, dass er einen Mönch hat, also abgelassen werden kann, was zur Funktion als Feuersee passen würde."

Zur früheren Bedeutung für Lienzingen schreibt Naturparkführer Roland Straub:
„Man hat immer von drei Feuerseen geredet. Belegen lassen sich aber nur zwei. In der Kieserschen Forstkarte von 1684 sind zwei Seen eingezeichnet. Der Mittel-See und der Unter See (Münch-See). Man kann auf der Karte auch sehr gut die Staumauern erkennen. Der Mittel-See war größer als der Unter-See.

In Lienzingen gab es einen Feuerreiter, dessen Aufgabe war es bei einem Brand in den Katzenwald zu reiten und die Fallen der Feuer-Seen zu öffnen. Im Ort bei der Scherbentalbach- Brücke wurde eine Falle errichtet und der Bach angestaut. Mit Leder-Eimer wurde das Wasser dann zur Brandstelle gebracht. Problem war natürlich die große Entfernung. Bis das Wasser endlich kam, war meist alles abgebrannt.

Die Feuer-Seen gab es sehr lange. Mein Vater (geb.1922) kannte die noch und hat mir oft davon erzählt. Auch den Mittel-See kann man heute noch sehen. Ich glaube es wäre falsch, den Münch-See zu beseitigen, da er schon immer See war und kein Bach.“

Der Münchsee ist mangels Interessenten bereits seit 2004 nicht mehr als Fischgewässer verpachtet (im Gegensatz zum vorderen, eingezäunten See). In der Folgezeit kam es durch den starken Laubeintrag zur Eutrophierung des Sees und dem Einsturz eines Teilstücks des Damms.



Münchsee-Idylle


Im Jahr 2012 antwortete die Stadtverwaltung auf meine Gemeinderatsanfrage: "Da in den 50er Jahren oberhalb des Münchsees eine wilde Müllkippe bestand, wurden Ende 2009 mehrere Sedimentproben gezogen und auf Schadstoffe untersucht. Das Ergebnis war negativ, so dass eine landwirtschaftliche Nutzung des Sediments möglich wäre. Im weiteren Verlauf wurde mit dem Umweltschutzamt des Enzkreises vereinbart, den See zu sömmern bzw. zu wintern, um so eine Austrocknung und Reduzierung des Sediments zu erreichen. Danach sollte das Sediment ausgehoben und auf landwirtschaftliche Flächen verbracht werden. Hierauf waren die Reparatur des Damms und eine anschließende Verpachtung des Gewässers an einen hiesigen Angelsportverein angedacht. Nach mehreren Gesprächen mit Regierungspräsidium, Landratsamt, Forst, BUND und Angelsportvereinen, Bauunternehmern sowie den Kommunen Sachsenheim und Rot am See (Kreis Schw. Hall) wurde die Machbarkeit in mehreren Lösungsmöglichkeiten untersucht".

In einer Sitzungsvorlage aus dem Herbst 2012 kommt die Stadtverwaltung zu diesem Fazit: "Nach wie vor besteht das Landratsamt auf einer Neuerbauung des Damms unter Einhaltung der DIN 19700, dadurch belaufen sich die Kosten auf ca. 300.000 €. Dieser Erhalt des Münchsees als Fischwasser steht in keinerlei Kosten-Nutzen-Relation. Deshalb schlägt die Verwaltung vor, den inzwischen abgelassenen Münchsee in ein ursprüngliches Fließgewässer rückzubauen, die vorherige Seefläche als feuchte Hochstaudenflur oder Erlenbruch anzulegen, den Damm komplett zu entfernen und durch eine naturnahe Geländegestaltung zu ersetzen und zusätzlich einen Amphibientümpel anzulegen. Diese hochwertige Ökologische Maßnahme wird sich nach ersten Kostenschätzungen für ca. 25.000 – 35.000 € realisieren lassen. Die Maßnahme ist in ihrer Gesamtheit auf das Ökokonto anrechenbar und somit refinanzierbar."

Wir müssen dieses Thema aber auch unter geschichtlichen Gesichtspunkten  betrachten (auch vor dem Hintergrund Etterdorf). Den Lienzingern ist der Verzicht auf den Münch-See nicht egal. Fast alle Stimmen, die ich höre, waren ablehnend. Die Tendenz: Lieber so lassen wie der See ist und warten, bis man Geld hat, ihn zu richten. In diese Richtung sollte die Verwaltung sich nochmals Gedanken machen. Oder der See wird als (Natur-)Denkmal behandelt.

Ein Bürger hat mir geschrieben (ich hatte ihm die Beratungsvorlagen überlassen): „Als Hauptargument für die Aufgabe des Sees werden Kosten angeführt.  Ich gebe zu bedenken, dass der Erhalt des Sees durch Reparatur des Dammes und des Mönchs dem Ziel einer historischen Landschaftspflege eher entspricht und in seiner ökologischen Wirkung durch einen Tümpel nicht annähernd ersetzt  werden kann."


Die Entscheidung des Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik wurde vor der Sommerpause zurückgestellt. Es sollte untersucht werden, ob der Münch-See im Rahmen des Hochwasserschutzes als Rückhalt für den Scherbentalbach eine Funktion hat. Das wird inzwischen von den Behörden verneint. Kommenden Dienstag steht das Thema erneut auf der Tagesordnung des Ausschusses. Die Verwaltung beantragt wieder, den Münchsee zum Fließgewässer umzugestalten und als Amphibientümpel anzulegen. 

Ich werde das ablehnen. Heimatgeschichte einer DIN zu opfern, geht mir zu weit. Lassen wir die DIN beiseite und suchen nach kostengünstigeren Lösungen, die ein Stück Lienzinger Geschichte sichern.

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