Wenn das Engagement nachlässt

Jeder zweite Deutsche ist Mitglied in einem Verein, viele gleich in mehreren. Mit fast 600.000 Organisationen sind Vereine die häufigste Rechtsform der organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland. Doch Nachwuchssorgen und Wettbewerbsdruck bereiten vielen Vereinen Sorgen, wie Forscherinnen und Forscher der Projektgruppe Zivilengagement des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in ihrem neuen WZBrief Zivilengagement beschreiben. Manches kommt uns bekannt vor, wenn wir lesen, dass nicht mehr alle Posten in einem Verein besetzt werden können. In Mühlacker mit seinen rund 180 Vereinen sind die Zusammenschlüsse wichtige Aktivposten.
Der WZBrief Zivilengagement präsentiert mehrmals im Jahr aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Zivilengagement am WZB.

Zum Lesen dieser Bestandsaufnahme des deutschen Vereinslebens bitte hier klicken:  WZBriefZivilengagement072013_alscher_dross_priller_schmeisser.pdf

Schönheitskonkurrenz der Landschaften - wissenschaftlich erfasst



Streiflicht aus dem Enztal

Schönheit ist berechenbar, fanden Forscher der Universität Regensburg heraus. Das ideale Gesicht kommt aus dem Computer. Die ideale Landschaft offenbar auch. Stimmt es also nicht mehr, dass die Schönheit im Auge des Betrachters liegt? Bundesumweltminister Peter Altmaier findet Windkraftanlagen schön, eine Bürgerinitiative in Baiersbronn sieht in Windmühlen eine Verschandelung ihrer Landschaft. Welcher Maßstab zählt? Was ist überhaupt schön? Tatsächlich ist die Übereinstimmung größer als gedacht. Das zeigt ein Pilotprojekt des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart. Weil das Landschaftsbild ein Gegenstand der Planungen nach dem Landesnaturschutzgesetz ist, ließen sechs Regionalverbände Baden-Württembergs von dem Institut klären, wie sich das Landschaftsbild im Hinblick auf Vielfalt, Eigenart und Schönheit erfassen und bewerten lässt.
Erste Stufe: Eine GIS-gestützte Modellierung der landschafts-ästhetischen Qualität von (Teil-)Räumen, in die eine Vielzahl von Parameter einfloss, wie Topografie, Reliefunterschiede, Fernsicht, Gewässer und visuell störende Elemente wie Hochspannungsleitungen.
Zweite Stufe: Etwa 250 Menschen schauten sich 300 Fotos typischer Landschaften an. Sie sollten die Bilder in einer elfstufigen Skala bewerten. Das überraschende Ergebnis: eine große Übereinstimmung in der Wahrnehmung und in der Bewertung verschiedener Landschaften in ihrer visuellen Qualität. Nicht überraschend sind aber die Kriterien für eine schöne Landschaft. Die subjektive Fotobewertung versuchten die Wissenschaftler durch Kartenanalyse zu objektivieren. Grünland, Streuobstwiesen, Wälder, Gewässer und Gehölzgruppen werden als schön bewertet. Dagegen leidet ein Bild in der Betrachtung durch Hochspannungsleitungen, große Straße und Gewerbeflächen.
Die Ergebnisse für die Region Nordschwarzwald, mit denen sich der Planungsausschuss des Regionalverbandes am Mittwoch in Alpirsbach beschäftigen wird: Einzelne Kammlagen des Höhenschwarzwalds, beispielsweise in den Bereichen Baisersbronn/Bad Rippoldsau-Schapbach oder bei Bad Wildbad und Bad Herrenalb, gelten bei den Befragten als besonders schön. Einen mittleren Platz nehmen die weniger strukturierten Plateauflächen des Schwarzwaldes und die stark agrarisch geprägten Teile der Gäue und des Kraichgaus ein. Ausgeprägte (Gewerbe-)Bebauung, Infrastrukturanlagen und intensive Landwirtschaft lassen Teile des Kraichgaus, des Enztales und der Gäulandschaften in dieser Betrachtung an Boden verlieren. Kommen zusätzlich störend empfundene Elemente wie Hochspannungsleitungen hinzu, sinkt das Schönheitsempfinden sehr stark ab, so die Wissenschaftler. Und wenn Windräder dazu kommen? Aber: Windmühlen bringen nur dort etwas, wo auch der Wind bläst. Da bieten die Kammlagen des Schwarzwaldes mehr als die Niederungen des Enztals.
Ich finde: Auch das Enztal kann in der Schönheitskonkurrenz mithalten. Die Landschaft mit den Enzschleifen bei Mühlhausen schon gar. Aber wahrscheinlich fehlten ausgerechnet davon die Fotos. Diese Schönheit ist wirklich berechenbar.

Mitgliedschaft bleibt eine feste Größe in unserer Bürgergesellschaft

Mal wieder Untersuchungsergebnisse aus Berlin: Das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZG) hat erhoben, wie sich das Engagement in Vereinen, Parteien und anderen Organisationen verändert hat. Eine wichtige Frage für unsere Gesellschaft gerade auch in den Kommunen. Die frohe Botschaft: Die Mitgliedschaft bleibt eine feste Größe. Engagement-Forscher sagen: Es gibt eine stabile, aber sozial differenzierte
Beteiligung. Kleine Parteien und Umweltorganisationen gewinnen, große Parteien, Gewerkschaften und die großen Kirchen verlieren Mitglieder. Wer Mitglied ist, ist auch jenseits der „eigenen“ Organisation häufiger aktiv. Die Mitgliedschaft als Form der sozialen Beteiligung bleibt also wichtig. Manche Bevölkerungsgruppen sind häufiger Mitglied einer Organisation als andere. Frauen, Jugendliche und Arbeiter sind unterrepräsentiert, während die Mittelschicht und vor allem die Bildungselite die Mitgliederstrukturen zunehmend dominieren. Die Organisationen könnten sozial exklusiver werden, wenn sie keine Wege finden, möglichst alle Schichten einzubeziehen.

Große Parteien und Gewerkschaften haben über Jahre massive Mitgliederverluste zu verzeichnen. Die Grünen, Die Linke und die FDP konnten in den vergangenen fünf Jahren dagegen viele neue Mitglieder gewinnen. Auch Umweltschutzorganisationen verzeichneten Erfolge. Beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dem Naturschutzbund und Greenpeace stieg die Zahl der Mitglieder seit 1991 zusammen um 60 Prozent. Insgesamt ist die Zahl der Mitgliedschaften in Deutschland konstant: 1991 wurden 6,39 Millionen Mitgliedschaften gezählt, 2009 sind es 6,43 Millionen. Das alles fanden die WZB-Forscher Dietmar Dathe, Eckhard Priller und Marleen Thürling heraus.

Die Praxis sogenannter Schnuppermitgliedschaften in Organisationen – es handelt sich um eine Mitgliedschaft auf Zeit, mit vollen Rechten, aber ohne Beitragsverpflichtung – oder der projektbezogenen Mitwirkungsmöglichkeit belegt, dass Bewegung in die traditionellen Muster gekommen ist, schreiben die Autoren. Und wie stark engagieren sich die Mitglieder, nachdem wir immer hören, wie schwierig ist, zum Beispiel Helfer oder gar Vorstandsmitglieder zu gewinnen?

Die Stärke des Zusammenhangs zwischen Mitgliedschaft und Engagement variiert, je nach gesellschaftlichen Bereichen und Themen der betreffenden Organisationen. Mitglieder in Jugendorganisationen sind beispielsweise zu 85 Prozent in irgendeiner Weise engagiert, Mitglieder in einem schulischen Förderverein zu 78 Prozent und in einer Partei zu 77 Prozent. Mitglieder anderer Organisationen, beispielsweise von Sportvereinen, sind nur zu 64 Prozent aktiv. Im Bereich Umwelt und Tierschutz oder Wohltätigkeitsorganisationen ist ein Engagement bei 64 bzw. 65 Prozent der Mitglieder vorhanden. Bei der Betrachtung spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Engagement in der Mitgliedsorganisation handelt oder dieses in einem anderen Zusammenhang bzw. Engagementbereich außerhalb der eigenen Organisation erfolgt. Gleichwohl wird deutlich, dass in einigen Organisationsbereichen die Mitgliedschaft ein darüber hinausgehendes Engagement offenbar eher fördert als in anderen Bereichen.Das Leben in unseren Städten und Gemeinden braucht diesen Einsatz dringend, weil dadurch unsere Gemeinschaft gestaltet und belebt wird.


Hier der Beitrag im aktuellen WZB-Heft: opr073SS.pdf 


In den Bonner Querschnitten

Lange Jahre Augen verschlossen vor Integrationsproblemen - das war kürzlich Tenor eines Vortrags der Islamwissenschaftlerin Professor Dr. Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz in einer Veranstaltung der Blumhardt-Schule in Mühlacker-Lomersheim. Mein Beitrag dazu hier im Blog findet sich jetzt in den Bonner Querschnitten des Martin Bucer Seminars als Ausgabe 131.

Hinweis für alle, die sich über Integrationsfragen vertieft informieren wollen.

Lange Jahre Augen verschlossen vor Integrationsproblemen

Die Islamwissenschaftlerin Professor Dr. Christine Schirrmacher vom evangelischen Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz sprach heute Abend in einer Veranstaltung der Blumhardt-Schule in Mühlacker-Lomersheim, zu der auch der Evangelische Arbeitskreis der Kreis-CDU eingeladen hatte. Das Thema: Islam und christlicher Glaube im Vergleich. Ein interessanter Vortrag, der auch auf starke Resonanz stieß. Die Hochschullehrerin vertrat die Prinzipien der Toleranz, Demokratie und Meinungsvielfalt. Das christliche Menschenbild verpflichte dazu, alle Menschen in Würde zu achten. Das Postulat des Instituts: gegenseitiger Respekt, Fairness, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt. In diesem Rahmen riet sie dazu, auf Anhänger des Islam zuzugehen, das Gespräch zu suchen und auch gemeinsam Glaubensfragen zu besprechen, damit gegenseitiges Verständnis zu schaffen, auch um den Einfluss extremistischer Kräfte des Islams den Nährboden zu entziehen.

Die Professorin beklagte, dass jahrzehntelang in Deutschland - die ersten türkischen Gastarbeiter kamen 1961 aufgrund der Anwerbung durch die deutsche Wirtschaft - mehr oder minder die Augen verschlossen wurden vor den Integrationsproblemen. Eine Beschäftigung mit den sich anbahnenden Problemfeldern sei lange ausgeblieben, die durch den dauerhaften Verbleib, den weiteren Zuzug und das sich selbst Überlassenbleiben der muslimischen Gemeinschaften entstand sei. Wenn man sich doch dieser Thematik annahm, dann meist zaghaft und halbherzig. In diesen ersten 20, 30 Jahren sei nicht erkannt worden, dass die zweite und dritte Generation der Arbeitsmigranten besondere Förderkonzepte gebraucht hätte, dass auf der anderen Seite aber auch an manchen Stellen Moscheekulturen und politische Netzwerke entstanden seien. Sie sprach inzwischen entstandene türkischen Parallelgesellschaften an.

Nur eine fundierte Ursachenforschung werde Wege zur konstruktiven Integration eröffnen: Wer nicht definieren könne, was die tragenden, unverzichtbaren Fundamente der eigenen Kultur und Wertegemeinschaft sind, dem müsse zwangsläufig unklar bleiben, was er von der Zuwanderergemeinschaft einfordern und wo er die kulturelle Vielfalt als Bereicherung des eigenen Horizonts genießen kann.

Ein interessanter Abend, der zum Nachdenken anregte und dazu, sich vertiefender mit diesen Themen zu beschäftigen.

Staat bekommt Gesellschaft oder Der Monopolist a.D.

In der jüngsten Ausgabe (Nr. 121) der "Mitteilungen" des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) wird die Funktion des Staates durchleuchtet. Gunnar Folke Schuppert spricht von dem Staat, der Gesellschaft bekommt. Und Bernhard Zangl vom Monopolisten a.D.

Wir spüren auch auf kommunaler Ebene die Veränderungen: Das Pro und Contra um öffentlich-private Partnerschaft - privates Kapital wird zur Erledigung öffentlicher Aufgaben eingesetzt und verdient damit daran wie jetzt beim Bau der Alfons-Kern-Berufsschule in Pforzheim - sowie um die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen an Entscheidungen. Zur "Produktion von Sicherheit" (Schuppert) bedienen wir uns nicht mehr nur der Polizei als staatliches Instrument, sondern - wenn auch, wie in Mühlacker, in bescheidenem Umfang - eines privaten Sicherheitsdienstes, um Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhindern.

Im Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise wird andererseits nach dem Staat gerufen, der das Funktionieren gewährleisten soll. Selbst an die Beteiligung des Staates an Banken denkt die Bundesregierung. Man meint, sich verhört zu haben. Denn die Landesbanken haben doch auch ihre Probleme und Milliarden-Ausfälle (Sachsen LB, West LB, Bayern LB). Und wer ist dort beteiligt? Die jeweilen Bundesländer. Also der Staat als Sicherheit fürs Bankenfunktionieren? Man darf zweifeln.

Hier die Texte aus dem WZB-Heft zum Nachlesen:
WZB.11-14.pdf
WZB.15-17.pdf