Lienzinger Geschichte(n) um die neue B10: Zuerst keine Einwände, dann doch ein hartnäckiger Abwehrkampf

Die Hart, unversehrte Landschaft südlich der B35, weil die einstigen Pläne für eine neue B10 scheiterten. Jetzt sichert der Regionalplan den Freiraum. Trotzdem werfen Planer gerne ein Auge drauf. (Fotos: Günter Bächle)

Die Hart zieht Planer magisch an. Die 30 Hektar große Fläche im Süden von Lienzingen, sich zwischen Bundesstraße 35 und Wald erstreckend, hätten aktuell manche gerne als neues Gewerbegebiet für Mühlacker. Wie übrigens schon in den neunziger Jahren. Nicht zum ersten Mal werfen Planer ein Auge darauf. Denn wären 1962 vorgelegte Pläne des Straßenbauamtes Besigheim, einer Landesbehörde, verwirklicht worden, würde heute die Bundesstraße 10 die flache Talmulde durchschneiden - als Nordumgehung von Mühlacker. Und  ergänzt mit einem prägnanten Kreuzungsbauwerk nördlich des Heidenwäldles an der Landesstraße 1134 Mühlacker-Lienzingen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang  geisterte das Projekt durch die politische Landschaft. Verwirklicht wurde es nie. In jedem neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWPl) stand die Tangente auf einem der hinteren Plätze der Liste des weiteren Bedarfs.  Bis sie mit dem 2016 aufgestellten, jetzt noch gültigen  BVWPl beerdigt wurde und darin nicht einmal mehr als Fußnote auftaucht.


Lienzinger Geschichte(n) heute von einer Straße, die geplant war, die aber nie gebaut wurde. Die neue Bundesstraße 10 als Nordumgehung von Mühlacker ab Illinger Eck zusammen mit der B35 bis Lienzingen, dann weg durch die Hart, das Schönenberger Tal, den Stöckach bis zur alten B10 beim Steinbruch Fegert kurz vor Enzberg. Für 33 Millionen Euro. "Mit kollegialem Gruß" dem "lieben Erich" die Meinung gesagt. Lienzingen im Abwehrkampf. Dazu in Akten und Ratsprotokollen geblättert (Serie)


Das sah am 13. Juli 1962 noch anders aus, als der Gemeinderat von Lienzingen in seiner regulären Sitzung erstmals über den zweibahnigen Ausbau der Bundesstraßen 10 und 35 informiert wurde. Bis 1970 stand das Thema mehr als ein halbes Dutzend Mal auf der Tagesordnung  der Bürgervertretung der 1500 Einwohner zählenden  Kommune. Allerdings schwankte die Haltung der Räte zwischen halber Zustimmung, verbunden mit kleineren Änderungswünschen auf der eigenen Markung, und strikter Ablehnung, wobei das Nein sich letztlich durchsetzte.

Südöstlich von Lienzingen: Nach dem beidseitig der Bundesstraße stehenden Wald sollten B35 und B10 wieder geteilt werden. Die B10 wäre nach Süden in die Hart abgeschwenkt, die B35, teilweise auf einer neuen Trasse, weiter geradeaus geführt worden. Das alte Stück der B35 wäre für einen geplanten Verbindungsweg zwischen Lienzingen und Illingen (gelb) verwendet worden. (Quelle: STAM, Li A 847)

In ein paar Jahren vierspuriger Verkehr durch den Kreis Vaihingen, lautete der Titel über einem Zeitungsartikel, undatiert (wahrscheinlich Februar 1965) und ohne Angabe über die Zeitung, in der der Text erschien. Er findet sich in den Akten der früheren Gemeinde Lienzingen, die nun im Stadtarchiv Mühlacker aufbewahrt werden. Zum Zeitplan heißt es in dem Bericht: Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte der Ausbau in den Jahren 1971 bis 1973 erfolgen. Das sollte die Nordumfahrung von Mühlacker werden. Die bestehende Bundesstraße 10 zwischen Illinger Eck und Mühlacker-Kernstadt einschließlich der innerstädtischen Pforzheimer Straße und Stuttgarter Straße in Mühlacker hätten die staatlichen Behörden danach vom jetzigen Status einer Bundesstraße abgestuft zur Landes- oder Kreisstraße. Der überörtliche Durchgangsverkehr wäre nicht mehr durch Mühlacker gerollt, sondern an Lienzingen, Heidenwäldle, Ulmer Schanz, Ötisheim und Stöckach vorbei.

Die Planer sahen vor, die B10 von Illingen bis Lienzingen zusammen mit der B35 - quasi im Paket - zu führen, sie am Ende des Waldrandes südöstlich von Lienzingen abzutrennen und auszuleiten über die Hart und den Stöckach bis zum Steinbruch Fegert kurz vor Enzberg, um sie dort in die alte B10 einfädeln zu lassen. Zum Projekt Vierspurigkeit gehörte auch der vierspurige Ausbau der Enzweihinger Steige im Zuge der  B10 und einer in zeitlicher Ferne zu bauenden Umgehungsstraße für Enzweihingen - der jetzige Vaihinger Stadtteil wartet heute noch darauf, auch wenn es inzwischen konkrete Planungen gibt (Stadtarchiv Mühlacker=STAM, Li A 847).

Gegen zweite Trasse keine besonderen Einwände

Das Teilstück nach Illingen in Richtung Lienzingen: An die vorhandene B35 sollte die B10 bis Lienzingen angedockt werden. Der Vorentwurf aus dem Jahr 1962, der fünf Jahre später vom Regierungspräsidium Nordwürttemberg - auch gegen den Widerstand von Illingen und Lienzingen - genehmigt wurde.(Quelle: STAM, Li A 847)

Bei der ersten Beratung im Lienzinger Gemeinderat am 13. Juli 1962 berichtete Bürgermeister Richard Allmendinger über Feinheiten der beiden Vorentwürfe des Straßenbauamtes Besigheim zum zweibahnigen Ausbau von B35 und B10: Vom Illinger Eck in gerader Linie in westlicher Richtung, im Tal zwischen Lienzingen und Illingen in einer weiteren Schleife durch die Wiesen, dann durch den Hartwald. Überraschend freundlich fiel die Aufnahme der Pläne bei den Bürgervertretern aus, denn der Zustand der beiden Bundesstraßen entspreche nicht mehr der wachsenden Motorisierung, weshalb gegen die zweite Trasse keine besonderen Einwände erhoben würden. Zwei Vorschläge gab es zum Detail: Die neue B10 solle so frühzeitig von der B35 getrennt werden, dass die Straße durch den östlich der Markung Lienzingen angrenzenden Staatswald verlaufen würde. Wiederum die B35 sei beim Schmiebach so weit anzuheben, damit dort eine Unterführung gebaut werden könne, damit das Feldwegenetz besser zu erreichen sei (STAM, Li B 326, S. 157 f).

Kehrtwende innerhalb von sechs Wochen

Bereits am 31. August 1962 beschäftigte sich der Gemeinderat wieder mit den Plänen, schwenkte nun aber auf den Kurs der Ablehnung ein. Der Bürgermeister, so der Beschluss, solle mit den zuständigen Stellen verhandeln, um die Markung Lienzingen vor der B10 zu verschonen. Die Räte beklagten die Verlegung zweier Bundesstraßen auf eine Markung als eine unzumutbare Härte, die in gar keinem Falle hingenommen werden dürfe. Lienzingen würde eine sehr einschneidende Waldeinbuße erleiden, da die B10 durch den Hart- und Schelmenwald geführt werden solle. Der Schultes gab das Ziel aus: Das Vorhaben muss zum Scheitern gebracht werden. Erstmals deutete Allmendinger einen Alternativvorschlag für die neue B10 an. Sie solle hart entlang der Bahnlinie Illingen-Mühlacker gebaut werden, weiter an der Ortsettergrenze Mühlacker in einer Schleife entlang der Markungsgrenze Lienzingen-Mühlacker, vorbei an der Firma Behr, auf das Markungsgebiet Ötisheim (STAM, Li B 326, S. 163).

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Gedächtnis Mühlackers logiert im Rathaus-Untergeschoss

Einer von fünf Kartons: der CDU-Fundus

Besuch im Archiv. Erstes Untergeschoss, Rathaus, Mühlacker. Auf dem Weg zum Geschichtsbuch der Stadt. Oder - um ein anderes Bild zu wählen: Das Gedächtnis Mühlackers logiert im Keller. In eher beengten Räumen, mit personeller Minimalbesetzung, teilweise mit ehrenamtlichen Kräften. Manchmal unterschätzt, gelegentlich verkannt, weil Informationen fehlen, welchen Fundus diese kleine kommunale Einrichtung zu bieten hat.  Die Infos auf der städtischen Webseite ist kärglich.

Derzeit sitze ich öfters im Archiv und stöbere für meine Blog-Serie Lienzinger Geschichte(n) in Akten der Verwaltung und Protokollen des Gemeinderats der bis 1975 selbstständigen Gemeinde Lienzingen. Für ein anderes Projekt gab Archivleiterin Marlis Lippik indirekt den Anstoß, weil sie bei jeder Wahl die Parteien und Wählervereinigungen Mühlackers bittet, dem Archiv eine Sammlung  Kandidatenprospekte, andere Flyer und Plakate als zeitgeschichtliche Dokumente zu überlassen. Daraus entwickelte sich, dass vor drei Jahren ein Stoß Aktenordner von  Stadtverband und Gemeinderatsfraktion der CDU Mühlacker ins Archiv wanderte, das auch die Arbeit politischer Parteien auf lokaler Ebene dokumentieren will. Nach der SPD gibt es nun ebenfalls Bestände der örtlichen Christdemokraten, strukturiert gelagert in fünf grauen Kartons.

Von 1956 bis 2004

Jetzt informierten sich Vertreter der Union bei Archivleiterin Marlis Lippik über die Aufarbeitung der Bestände. Sie umfassen die Zeitspanne von 1956 bis 2004. Darunter sind unter anderem Briefe, Wahlprospekte und -ergebnisse, Protokolle, Anfragen an die Verwaltung, aber auch ein Schriftverkehr mit dem damaligen Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Lothar Späth, von 1974 zur Gemeindereform oder mit dem Bundestagsabgeordneten Lutz Stavenhagen 1982 wegen Tieffluglärm.

„Wesentliche Teile der kommunalpolitischen Arbeit von Mühlacker Parteien und Fraktionen zu dokumentieren, ist auch Aufgabe des Stadtarchivs“, sagte Lippik, die die erste, von Archivmitarbeiterin Sandra  Schuster gefertigte Inventarliste der CDU-Bestände überreichte. Verbunden war dies mit einer zweistündigen Inforunde: lesen, schauen, hören. über das Gedächtnis der Stadt, das für künftige Generationen in Mühlacker wertvoll ist.

 

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Koalieren und reservieren

Rot-Grün, selten gewordene Kombi

Was der gestrige Tag so alles brachte: Nachmittag ICE ab Karlsruhe nach Hamburg-Altona überfüllt. Wer keine Reservierung hatte, sollte in Göttingen in einen anderen Zug umsteigen, empfiehlt mehrmals der Zugbegleiter (oder war es der Lokführer? Pardon, heißt dieser noch so?) per Durchsage in alle Wagen. Er lockt mit einem Gutschein über 30 Euro, den sich die Wechselwilligen abholen könnten. Schön gewagt von der Bahn. Mein Glück: Wagen 7, Platz 91, reserviert. Als ich - und viele andere - in Hannover aussteige, atmet die Armada in den Gängen des ICE 72 Stehenden auf - und stürzt sich auf die frei gewordenen Sitze. Bis der nächste zugestiegene Passagier kam und mit Blick auf seinen schriftlichen Nachweis sagte: "Entschuldigung, ich habe diesen Platz reserviert." Merke: Reservierung ist das halbe Leben. Zumindest in der Bahn-Welt.

Was bei der Deutschen Bahn öfters vorkommt, ist als Farbkombinationen inzwischen - politisch - selten geworden. Rot-Grün. Am Thielenplatz in Hannover erwische ich eine und halte sie im Foto fest: Grün lackierter Bus und ein großes Haus in Rot. Apropos rot: Passt zum Wahlabend in Thüringen. Erstmals in einem Bundesland sind die Linken als Partei die Nummer 1 geworden. Soll die CDU mit Ramelow  & Co koalieren, um eine stabile Regierung für den Freistaat zu erreichen? Unverkennbar der Wille des CDU-Spitzenkandidaten Mike Mohring, diese Variante auszuloten. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak  blockt aus dem fernen Berlin via Fernsehen ab: Keine Koalition mit Linken oder AfD. Weshalb spielen sich die Berliner Großkopfeten der Union so auf - versauen Landtagswahlen durch ihre offensichtlich unbeliebte Politik, mehr noch die Art der Politik, und wollen dann noch Ratschläge geben?! Mohring  wird es sich nicht nehmen lassen, das zu tun, was er für richtig hält. Und da ist gut so.

Erinnern wir uns: Jahrelang erklärte die CDU eine Koalition mit Grünen zum Tabu. Nix damit! Ist des Teufels! Und heute?  Wir koalieren flott mit den Grünen. Find ich richtig. Aber weshalb immer das gleiche Stickmuster? Zuerst strikt zurückweisen und dann doch gemeinsame Regierungen bilden. Zugegeben, ich habe auch meine Probleme mit einem Regierungsbündnis mit den Linken, der Partei, die einst SED hieß. Aber vielleicht braucht es der Osten als ein Stück der Versöhnung, die eventuelle Zusammenarbeit zwischen Linke und CDU. Wenigstens gemeinsam abklopfen sollten beide Parteien, ob sie miteinander können. In Thüringen.

Umsteigen in die Opposition kann die Union dann immer noch. Wie bei der Bahn.

Was mich aber traurig stimmte: In Mühlackers thüringischer Partnerstadt Schmölln kam die AfD mit rund 30 Prozent auf den ersten Platz, das Direktmandat im Wahlkreis Altenburger Land ging auch an die Rechtsaußen. 

Die (fast) unendliche Geschichte des Ausbaus der Höhenstraße

Ortstermin der CDU Mühlacker im Mai 2019 in der Höhenstraße

In der Kommunalpolitik ist es nicht anders als im sonstigen Leben: Manche Themen kehren immer wieder, ergeben eine lange Geschichte und ein Ende ist nicht absehbar. Dazu gehört der seit Jahren umstrittene, bekämpfte und doch auch geforderte Ausbau der Höhenstraße im Stadtteil Enzberg. Seit den siebziger Jahren schieben Gemeinderat und Stadtverwaltung den Ausbau vor sich her, scheiterten die Pläne am Widerstand der Anlieger, die bei der Umsetzung der Pläne erstmals Erschließungsbeiträge bezahlen müssten. Der Zustand der Straße, die stellenweise einem Feldweg gleicht, verschlechterte sich, die Verkehrsbelastung nahm zu, trotzdem genehmigte die Stadtverwaltung in jüngster Zeit neue Wohngebäude, von denen allerdings zumindest zwei bisher nicht realisiert worden sind. Dass der Ausbau ein heißes Thema ist, zeigte sich schon an der großen Zahl der Bürger, die zum Ortstermin der CDU-Kandidaten vor der Kommunalwahl am vergangenen Mai erschienen. Inzwischen gründete sich eine Bürgerinitiative. 

Wenn ich in meinem Computer das Stichwort "Höhenstraße" eingebe, erscheint eine Liste mit 182 Dokumenten, die freilich nicht alle den Ausbau betreffen. Darunter die Antwort des damaligen OB aus dem Jahr 2003 auf meine Anfrage: Seit 1981 liege eine detaillierte Straßenplanung für die Höhenstraße vor, die damals unter der Prämisse einer größtmöglichen Sparlösung vom Enzberger Ingenieurbüro Erlenmaier erarbeitet wurde (Fahrbahnbreite überwiegend 3,50 Meter, auf der Gesamtlänge von zirka 550 Meter  seien lediglich vier Ausweichstellen vorgesehen). Ein noch sparsamerer Ausbau wäre schon aus verkehrstechnischer Sicht nicht zu vertreten, so der seinerzeitige OB. Diese Straßenplanung sei im Bebauungsplanverfahren Höhenstraße mit den Bürgern und betroffenen Grundstückseigentümern in einem umfangreichen und detaillierten Beteiligungsverfahren abgestimmt und daraufhin im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Höhenstraße festgesetzt worden. Sie sei selbstverständlich jederzeit im Rathaus einsehbar.

Die Stadtverwaltung ließ zumindest immer wieder Schlaglöcher beseitigen und schrieb mir Mitte 2008 zu den Kosten: Für das Ausbessern der Fahrbahnschäden werden jährlich zirka 1.000 Euro ausgegeben, im letzten Jahr für eine etwas größere Aufwendung 12.500 €. Wenn die Straße erstmals ortsüblich ausgebaut wäre, würden der Stadt für zwei bis drei Jahrzehnte keine Ausbesserungsaufwendungen entstehen. 

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Das war's für fünf Jahre

Inzwischen liegen die landesweiten Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 26. Mai 2019 vor. Hier nun die Stimmenanteile im Land und in Mühlacker mit den jeweiligen Veränderungen zu 2014. Als Wert für die Grünen wird in Mühlacker die Liste Mensch und Umwelt (LMU) gesetzt, zumal Kandidaten der LMU bei der Kreistagswahl unter der Fahne der Grünen segeln.

 

Für die CDU heißt der Vergleich: Leicht besser bei den Stimmenanteilen als im Land, dafür einen etwas höheren Verlust.

 

Hier die Stimmenzahlen der Mühlacker Gemeinderatskandidaten aller 6 Listen in den einzelnen Wahlbezirken. In der Liste stehen die Stimmbezirksnummern - welche Gebiete sich dahinter versteckt, findet sich hier auf der städtischen HomepageKopie_von_Gesamtergebnis-H-Gemeinderatswahl-2019_04_06_19-135815.pdf

Zurück geblickt bis 1975: Wie Mühlacker damals und heute kommunal wählte

Da leistet eine Fraktion wie die CDU in Gemeinderat und Kreistag gute Arbeit, sie ist fleißig, bringt Ideen in die Kommunalpolitik ein - und verliert bei der Wahl drei (netto: zwei) Sitze. Nur weil die Große Koalition in Berlin nicht so arbeitet wie es sich manche Bürger wünschen. Da werden die Parteien, die die Bundesregierung tragen, nicht nur bei der Wahl zum Europäischen Parlament abgestraft, sondern zeitgleich die Ehrenamtlichen in den Rathäusern und Landratsämtern. Ich finde: Das ist unfair. War aber schon immer so. Die politische Großwetterlage wirkt sich auf die kommunale Ebene aus, heißt das. Nun dürfen wir uns diesmal mit der SPD die Wunden lecken, obwohl beide Parteien versuchten, mit einem engagierten Wahlkampf gegenzusteuern. Trotzdem will ich für die andere Seite der Medaille dankbar sein: für rund 7000 Voten - ich bin wieder Stimmenkönig. Offenbar differenziert der Wähler bei den jeweiligen Lokalmatadoren,die er kennt und wohl auch schätzt, sie als Aktivposten würdigt. Aber die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen seit 1975 zeigen auch in Mühlacker: Der Stimmenkuchen muss unter immer mehr Listen aufgeteilt werden und die großen Volksparteien verloren fast stetig an Boden wie im Bund auch.

Stabil zeigten sich FDP und FW.  Die Liberalen plakatierten viel, ihren Spiitzenkandidaten (der die FDP zu Kibele machte) und den OB. Die FW tat es der CDU gleich und organisierte Ortsbegehungen und Infostände. Die  SPD versuchte, in roten Jacken an Infoständen und Rundgängen  sowie mit viel Kopfplakaten zu punkten. Die LMU hatte Wahlkämpfe auch schon aktiver betrieben, schwamm auf der allgemeinen grünen Welle und schaftte mit dem geringsten Aufwand den höchste Zuwachs. CDU und LMu verzichteten auf Plakatwerbung.

Man muss nur im Trend liegen - so wie die AfD, die nicht einmal alle ihre sechs GR-Kandidaten in ihrem Flyer mit Bild vorstellte. Haben wohl eine Phobie vor Fotografen oder vor dem Ablichten. Wer aus Protest ihr die Stimmen gibt, stört das freilich nicht. "Zurück geblickt bis 1975: Wie Mühlacker damals und heute kommunal wählte" vollständig lesen

Kehrtwende bei der Wahlbeteiligung

Ein Auf und Ab: Das Interesse in Mühlacker an den Gemeinderatswahlen erreichte 2014 den Tiefstpunkt. Diesmal stieg die Wahlbeteiligung deutlich an, erreichte aber nicht die im Vergleich höchsten Werte früherer Urnengänge. Mal so gesagt: Die gleichzeitige Wahl zum Europäischen Parlament ist kein Garant für eine hohe Beteiligung an Kommunalwahlen - im Gegenteil. Gleichzeitig überlagert die jeweilige politische Großwetterlage auch die Parteienentscheidung beim parallelen kommunalen Urnengang. Ich finde: Gemeinden, Landkreise und Regionen sind so wichtig, dass ihnen ein eigener Wahltag guttun würde, damit nicht Brüssel, Berlin, Stuttgart und Mühlacker vermengt werden.

Der Hohenheimer Wahlforscher und Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider äußert zurecht Zweifel am Sinn des Super-Wahltags: Bei der Abstimmung am Sonntag hätten übergeordnete Themen wie der Klimaschutz stark auf die Kommunalwahl durchgeschlagen, lokale Themen seien in den Hintergrund getreten. „Durch eine Entkoppelung der Wahlen würden auch die Wahlmotive wieder entzerrt."

Hinzukommen solche Alltagsprobleme: Alle Wahlberechtigten erhalten Tage vor den Kommmunalwahlen die Stimmzettel für Gemeinde- und Kreistagswahl frei Haus, können sie in Ruhe ausfüllen, die angekreuzten Stimmen ohne Zeitdruck addieren und dann am Wahltag im zuständigen stimmokal abgeben. Der Stimmzettel für die Europawahl sei vergessen worden, erreichten auch mich Anrufe. Freilich, Letzterer lag erst im Wahllokal parat - trotz einer stattlichen Länge, die ihn nicht gerade überschaubar machten, bundesweitt 41 Listen geschuldet. Es sei denn, Briefwahl wurde beantragt, dann konnten die Stimmzettel für alle drei Wahlen am Küchen- oder Stubentisch genau studiert und ausgefüllt werden: maximal 26 Stimmen für den Gemeinderat Mühlacker, sieben für den Kreistag, einen für das EU-Parlament.

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