Fröhlich-Silvaner, Kelter-TÜV und Affentaler - Lienzinger Schultes Karl Brodbeck agiert als Weinbau-Manager - Ältestes Schriftstück von 1925

1939: Für Lienzinger Wein wirbt das Bürgermeisteramt

Dieses Ensemble ist zeitlos auch in der Werbung: Mundelsheim mitsamt Neckarschleife und Rebenhängen am Käsberg. Eine nachgerade idealtypische Kombination aus Genuss für Auge und Gaumen. Das war im Jahr 1939 nicht anders als heute. Seinerzeit im September, als Hitler den Zweiten Weltkrieg auslöste, schien in der württembergischen Weinlandschaft die Welt noch friedlich zu sein.

Karl Brodbeck im Jahr 1934, Bürgermeister von Lienzingen 1920 bis 1945. (Foto: Smlg_Kuno_Brodbeck_im Fundus Stadtarchiv Mühlacker)

Bürgermeisterämter bemühten sich um Kunden für ihre Wengerter. Und so erschien Das Buch der Weinorte Württembergs mit kurzem Vorwort, aber viel Reklame. Gemeinschaftswerbung der Weinbau-Gemeinden, Weingärtner-Genossenschaften und Weingüter steht im Untertitel, in handlicher Form hergestellt in der Buchdruckerei Fr. Späth, Waiblingen-Stuttgart. Da hatte die große Weinbaugemeinde wie Mundelsheim – als Maßstab die Hektar-Zahl des jeweiligen Rebengebietes – genauso ihren Platz wie Lienzingen als eine der kleineren Ortschaften mit deutlich geringener Fläche.


Lienzinger Geschichte(n) – zweiter Beitrag zum Weinbau im Dorf, seinen Höhen und Tiefen. Der Bürgermeister als Werbemanager und Organisator von Neuanpflanzungen. Ein Angebot der Oberamtssparkasse Maulbronn anno 1925 und andere Fundstücke aus der Sammlung Karl Brodbeck. Im Fundus des Stadtarchivs Mühlacker (STAM).


Musterbeispiele für Weinwerbung, sammelte jedenfalls Karl Brodbeck (1886 – 1967), Bürgermeister von Lienzingen 1920 bis 1945, zeitweise gleichzeitig auch von Zaisersweiher, davor von Schützingen. Alle drei waren und sind Weinbauorte. Die hellbraune, eher unauffällige Mappe von Brodbeck liegt jetzt im Stadtarchiv Mühlacker. Sie überlebte die Nachkriegszeit und die Jahre, in denen das Lienzinger Gemeindearchiv eher einem wohl geordneten Durcheinander von Schriftstücken glich. Während Haushaltspläne einzelner Jahre verloren gingen, ist die schmale Akte mit der Aufschrift Weinwerbung noch vollständig.

Bei der Weinlese am Lienzinger Eichelberg vor gut 50 Jahren, fotografiert von Pfarrer Gerhard Schwab
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Aufschwung am Eichelberg: Wie die Wengerter und der Schultes den Weinbau retteten - Der rote Lienzinger aus Diefenbach

Sorten sortiert: Der Rebenaufbauplan für die Weinberge der Gemeinde Lienzingen, dem Gemeinderat vorgelegt im Januar 1956 (STAM Li A 990). Von da an ging's bergauf.

Ist und Soll klafften weit auseinander. War er nun bedeutend oder ohne jegliches Gewicht, der Weinbau in Lienzingen? Nur noch wenige betreiben intensiven Weinbau, viele Grundstücke lägen brach, würden als Wiese genutzt oder als Baumstück. Der Ertrag hieraus sei meist gering. Die Bestandsaufnahme im Lienzinger Gemeinderat am 13. April 1954 fiel wirklich nicht ermutigend aus. Doch den Weinbau abzuschreiben, das wollten die sieben anwesenden Ratsmitglieder und Bürgermeister Richard Allmendinger nicht. Das Zauberwort hieß Rebenaufbauplan, der im Januar 1956 endlich vorlag. Seitdem wuchs nicht nur die Zahl der Wengerter und die der Rebflächen, sondern auch die Qualität des Rebensaftes von den Südhängen des Eichelbergs. Doch der Weg dahin war steinig.


Lienzinger Geschichte(n) – Neue werden hier erzählt. Über den Weinbau im Dorf, einen Rebenaufbauplan und einen Bürgermeister, der den Rebenanbau aus Gründen der kommunalen Steuereinnahmen forcierte. Quellen sind wiederum die Protokolle des Rates der bis 5. Juli 1975 selbstständigen Gemeinde sowie aus Akten und amtlichen Berichten. Aus all den Daten lässt sich auch eine Bild des Lienzingens von vor mehr als 65 Jahren gewinnen.


Am Anfang stand eine Bekanntmachung: Auf Grund höherer Weisung wird bekanntgegeben, dass jedes beabsichtigte Aushauen von Rebstöcken in reblausverseuchten Gemeinden vor Beginn der Ausführung dem Bürgermeisteramt anzuzeigen ist. Näheres ist am Rathaus angeschlagen. Lienzingen, den 15.11.1949. Allmendinger.

Lienzingens Weinberge jedenfalls litten unter dem Angriff einer Reblausherde im Jahr 1951 so sehr, dass der Oberleiter des Staatlichen Reblausbekämpfungsdienstes in Weinsberg, Raab, am 16. Juni 1952 in einem Brief per Einschreiben dem Bürgermeisteramt zwei Gutscheine für den kostenlosen Bezug von Pfropfreben zusandte, auszuteilen an die Bezugsberechtigten gegen Empfangsbescheinigung (STAM, Li A 134).

Der Eichelberg, Lienzingens Weinberg - seit September 1971 offizielle Lagebezeichnung (Fotos: Günter Bächle)
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Echt gut! Einer von 52 Musterfällen im Ländle

Knittlinger Straße in Lienzingen (Foto: LBBW Kommunalentwicklung)

Was haben Alt-Haslach in Freiburg, der alte Schlachthof in Karlsruhe, die Altstadt in Reutlingen, Klein-Venedig in Konstanz, der  Ortskern von Wolfach und die Bahnstadt in Heidelberg mit dem historischen Ortskern von Lienzingen gemeinsam? Sie gehören zu den 52 Musterfällen der Städtebauförderung in Baden-Württemberg in den vergangenen 50 Jahren, präsentiert auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Garniert mit Videos.

Die Stadt Mühlacker ist seit 1971 in den Programmen der Städtebauförderung vertreten. Bei der städtebaulichen Erneuerungsmaßnahme „Ortskern Lienzingen“ (seit 2006) liegt der Fokus darauf, die historische Ortsanlage zu erhalten und die zahlreichen denkmalpflegerisch wertvollen Gebäude zu modernisieren. Die Maßnahme wurde mit Finanzhilfen des Landes in Höhe von 2,9 Millionen Euro sowie Finanzhilfen von Bund und Land in Höhe von rund 300.000 Euro für die Sanierung der Festhalle unterstützt, schreibt das Ministerium in dem Steckbrief Ortskern Lienzingen - und da läuft derzeit einiges. Eine Frage: Wie geht es weiter nach 2022?

Mittelalterliche Struktur erhalten geblieben

Der Dorfkern gilt als einzigartig. Experten ermittelten nicht nur eine Vielzahl von denkmalgeschützten Häusern und Scheunen, sondern auch den einzigartigen Konservierungsgrad. Es hat den prägnanten Ortsrand (Etter). Das Gebiet der Gesamtanlage Etterdorf Lienzingen umfasst  den historisch belegten und auch heute noch ablesbaren Ortskern wie im Primärkatasterplan von 1835. Diese Urkarte aus dem 19. Jahrhundert und der heutige Ortsplan übereinander gelegt, belegt, dass die Struktur erhalten geblieben ist.

Fachwerk: Herzenbühlstraße / auch -gasse und/oder Hintere Gass'. (Fotos: G. Bächle, 2021)
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Die Schwester mit dem weißen Häubchen versorgte auch den Nachbar Schmie - Lienzingen drohte mit Kündigung, wollte mehr Geld

Marie Schneider, von ca. 1950 bis ca. 1968, Gemeindeschwester in Lienzingen (Bild ca. 1968, Foto: Gerhard Schwab)

Politische Gemeinde und evangelische Kirchengemeinde - beide hatten ihr eigenes Gesicht, das für sie stand: Richard Allmendinger bis 1975, Gerhard Schwab bis 1977. Sie arbeiteten seit 1947 neben- und miteinander, hatten thematische Berührungspunkte - Kindergarten, Glocken, Pfarrholz, eine Brücke und die Hilfe für Kranke.

Lienzinger Geschichte(n) – die lokale Serie im Blog geht weiter mit der Zusammenarbeit von bürgerlicher und evangelischer Gemeinde. Ein Kapitel in drei Teilen, hier Teil  3 mit dem Schwerpunkt kranke Menschen pflegen

Immer wieder ein gemeinsames Thema von politischer und kirchlicher Gemeinde: die Brücke zur Kirchenburg

Eines der immer wiederkehrenden Themen in Lienzingen, bis in die heutige Zeit hinein: die Instandsetzung der Kirchenburgbrücke. Der Gemeinderat inspizierte am 24. April 1959 vor Ort den Zustand vor allem der Fundamente, beauftragte den Maurer Ernst Schmid, aufgrund seines Angebots für 1200 Mark die notwendigen Arbeiten zu erledigen (STAM, Li B 325, S. 263). Die Brücke kehrte als Thema immer wieder auf die Tagesordnung zurück, auch nach der Eingemeindung. Ungeklärt schienen die Eigentumsverhältnisse.

Im Jahr 2020 recherchierte ein Mitarbeiter des Umwelt- und Tiefbauamtes der Stadt Mühlacker, dass der Übergang – trotz allgemeiner öffentlicher Nutzung – der Evangelischen Kirchengemeinde Lienzingen gehört. Nachdem dieser jedoch keine Gelder aus dem Sanierungstopf des Landes zustanden, wiederum die Kirchengemeinde die Investitionen nicht allein stemmen konnte, einigten sich Stadt und Kirche. Der Gemeinderat von Mühlacker stimmte im Dezember 2020 dem Kauf der Brücke durch die Kommune zu, die damit auch den Winterdienst übernahm – damit war ein weiteres Streitobjekt abgeräumt (Vorlage 236/2020 für die Gemeinderatssitzung am 15. Dezember 2020).

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Online und live: Quer durch den Enzkreis und die Zeitepochen - Zwei Stunden mit Jeff Klotz auf digitaler Tour

Fotoschau: Jeff Klotz mit einem Foto der Liebfrauenkirche in Lienzingen

Und immer wieder Lienzingen bei der heutigen virtuellen Denkmalfahrt kreuz und quer durch die Zeitepochen und den Enzkreis. Online und live mit dem Publikum auf Reise. Da ist die hübsche Geschichte vom Ablass der Sünden für alle, die im August zu jener, der Gottesmutter Maria geweihten wunderbaren Liebfrauenkirche in Lienzingen pilgerten, eine von den Mönchen des Klosters Maulbronn errichtete Wallfahrtskirche. Wenn heutzutage das Stadtmarketing so etwas anzubieten hätte – Erfolg wäre ihm garantiert. Außergewöhnlich auch die zu den bundesweit 100 schönsten Kirchenburgen zählende Anlage rund um die Lienzinger Dorfkirche mit ihren Gaden, der Brücke und den hohen Mauern. Einmalig gut der  Zustand des mittelalterlichen Ortskerns. Bauteile original aus dem 15. Jahrhundert schmücken einzelne Gebäude. Bei der digitalen Tour wird der Nachtwächter, Restaurant und Hotel in der Knittlinger Straße, zum quasi rhetorischen Haltepunkt. Für den realen Fahrtenleitet vor der Kamera im Bauschlotter Schloss steht fest: Lienzingen ist das schönste Fachwerkdorf im Enzkreis und eine Sensation. Er schreibt gerade an einem Ortsführer über diese Perle des Unterlandes.

Er, das ist Jeff Klotz, mit dem heute 140 Zuschauer auf eine virtuelle Denkmalfahrt gingen.

Virtuelle Denkmalfahrt druch den Enzkreis.mp4 from Jeff Klotz on Vimeo.

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Bahnstation Sternenfels: Vom Königreich Württemberg abgelehnt - Vom Enzkreis fast 120 Jahre später doch noch umgesetzt?

Macht der Kreistag des heutigen Enzkreises 2021/22 möglich, was die Abgeordnetenkammer des Königreichs Württemberg vor jetzt 117 Jahren ablehnte? Der Bau einer Bahnstrecke von Leonbronn bis Sternenfels. Das Thema steht jedenfalls aktuell auf der Agenda der Gremien gleich dreier Landkreise: Karlsruhe, Heilbronn und Enz. Ob die Pläne wieder an Topographie, Geld und Unwirtschaftlichkeit scheitern? Ein Versuch wäre es wert, sagte sich die Grünen-Kreistagsfraktion Enzkreis und erhielt die einmütige Unterstützung des Kollegiums für ihren Antrag zur Zabergäubahn. Der nächste Schritt ist noch nicht getan: Ein Fachbüro mit einer Machbarkeitsstudie zu beauftragen. Das Paket: Reaktivierung der Zabergäubahn Lauffen-Leonbronn, eventuelle Fortsetzung über Oberderdingen, Knittlingen bis Bretten, möglicherweise einen Stich bis Sternenfels oder Maulbronn. Gesagt, aber noch nicht getan.

Anlage 1 zur Sitzungsvorlage 84/2020 der Verwaltung des Enzkreises: Mögliche Varianten Zabergäu- und Strombergbahn

Jedenfalls schickte mir jüngst der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Ex-Lienzinger und fünf Jahre lang mein Fraktionskollege im Mühlacker Gemeinderat, Matthias Lieb, die Kopie eines interessanten Protokolls und wünschte eine angenehme Lektüre. Die hatte ich tatsächlich, zeigte die Niederschrift doch, dass sich zwar die Randbedingungen und Begründungen verändert haben, nicht jedoch die Angst von Politik und Verwaltung vor zu hohen Defiziten. Doch der Reihe nach.

Württembergische Kammer der Abgeordneten, Beilage 335, 31. Mai 1904. Punkt 9: Bitte der bürgerlichen Kollegien von Sternenfels, OA Maulbronn, um Fortsetzung der Zabergäubahn Lauffen-Leonbronn bis Sternenfels, vom 4. April 1903, gerichtet an die Ständeversammlung: Berichterstatter war Hermann Stockmayer, Abgeordneter des Wahlkreises Marbach am Neckar und der Demokratische Volkspartei (DVP), die von 1900 bis 1906 mit 24,6 Prozent der Stimmen und 27 Abgeordneten (von 93) die größte Fraktion stellte. In deren Tradition steht die FDP/DVP.

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Der Unbürokrat

Manches bleibt einfach im Gedächtnis hängen. So zum Beispiel ein Schreiben, das mir Heinz Reichert, der damalige Landrat in der Antwort auf einen Beschwerdebrief schickte: Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, man muss sie billig hören beede. Ich hatte mich in einer Anfrage einseitig auf eine Information gestützt. Und da gab er dem jungen Kreisrat (seit 1979) mit diesem Satz, der zum Beispiel im Frankfurter Römer zu finden ist, einen klugen Ratschlag mit auf den Weg. Ich habe diese Mahnung nicht vergessen.

Der Architekt, Gestalter, Kümmerer schreibt die Pforzheimer Zeitung in einem Nachruf. Heinz Reichert starb am Samstag im Alter von 88 Jahren am Samstag in Pforzheim, mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Abschied als erster Landrat des Enzkreises, des Gebildes aus ehemals badischen und württembergischen Gemeinden.

Dr. Heinz Reichert (Foto: Enzkreis)

Heinz Reichert kannte ich seit Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als er Erster Landesbeamter im Landratsamt Vaihingen an der Enz war und ich seit April 1969 Volontär der Bezirksausgabe Vaihingen der Pforzheimer Zeitung, dem Württembergischen Abendblatt. Er war es, der damals die Idee hatte, die Schönheit unserer Landschaft für die Naherholung zu nutzen. Reichert ist quasi der Urvater des Tourismus Kraichgau-Stromberg. Der erste Werbespruch, den er damals im Rahmen einer Kampagne im Landratsamt Vaihingen vorstellte: Wasser, Wälder, Wein, laden in den Stromberg ein. Vergessen ist dieser Satz bis heute nicht.

Seinerzeit leitete ich die Junge Union im Kreis Vaihingen und verpflichtete ihn mindestens zweimal zu Referaten, obwohl er sicherlich nicht unbedingt auf der Linie der CDU lag. Aber er stand für frische Ideen, für neue Gedanken, hielt nicht an alten Zöpfen fest, versuchte neue Wege zu erproben.

Ich war ein Reichert-Fan und deshalb zog ich mir auch den Ärger der Altvorderen in der Kreis-CDU nach der Kreisreform zu als ich ungefragt und öffentlich namens der Jungen Union im Altkreis VAI die Wahl von Reichert 1972 zum Amtsverweser des jungen Enzkreises empfahl, obwohl die Union mit Manfred Oechsle, dem späteren Oberbürgermeister von Reutlingen, einen eigenen Bewerber hatte. Ein Jurist und Kreisverordneter der Union aus Mühlacker ließ mich daraufhin wissen. man sei nicht unbedingt auf meinen Rat angewiesen.

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