Herzenssache: Unstrukturiert und doch ganz schön mit gewachsenen Strukturen

Jetzt durften sich die Lienzinger, die sich für die Anti-Corona-Impfterminaktion für die Ü80 sowohl beim Terminieren als auch beim Fahren engagierten, über ein kleines Präsent an Backwaren zum Kaffee freuen. Ein herzliches Dankeschön an die Lienzinger Senioren, denen wir Impftermine und teilweise auch einen Fahrdienst vermitteln konnten, für die Spenden, die wir Organisatoren des Seniorenclubs, des Arbeitskreises Herzenssache Lienzingen und HELLO e.V. Lomersheim erhalten haben.

Ein herzliches Dankeschön für die Helfer der Impfterminaktion aus Lienzingen

Alles begann mit einer Mail des HELLO-Vorsitzenden Georg Henle unter anderem an Herzenssache Lienzingen, das im Handumdrehen nicht alltägliche Aktivitäten auslöste. Natürlich würden die Lienzinger sich daran beteiligen, Impftermine für die über 80-Jährigen zu vereinbaren und ihnen damit eine große Hürde wegzuräumen. Eine ähnliche Nachricht schrieben Aktive des Bürgertreffs alte Schreinerei in Mühlhausen. Daraus entstand über Nacht eine Hilfsaktion, die zeigt, wie ausgeprägt das Wir-Gefühl in den einzelnen Stadtteilen ist.

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Difu legt neues Panel vor: Zitterpartie bei Kommunalfinanzen geht 2021 weiter - Bezahlen Kultur, Sport und Soziales die Zeche?

Eine Umfrage unter meinen Kolleginnen und Kollegen der Städtegruppe B im Städtetag BW hat dasselbe Ergebnis gebracht. Bis auf wenige, glückliche, Ausnahmen gehen die Großen Kreisstädte von einem starken Rückgang der Investitionstätigkeit aus, kommentierte Mühlackers Oberbürgermeister Frank Schneider das Kommunalpanel 2021, erstellt vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) für die KfW-Bankengruppe. In einer Vorab-Mitteilung der KfW hört sich die Botschaft vorerst noch nicht so heftig an: Es zeigt sich, dass die öffentliche Investitionstätigkeit in Städten und Gemeinden noch der Krise trotzt. Doch die Einschränkungen folgen sogleich: Allerdings trübt sich das Bild gerade bei finanzschwachen Kommunen deutlich ein. Und Mühlacker gehört nicht gerade zu den finanzstarken Kommunen, leidet seit Jahren unter einem  landesweit gesehen pro Einwohner unterdurchschnittlichen Steueraufkommen. Vor Jahren war dies schon ein Thema für die Gemeindeprüfungsanstalt. Seinerzeit hieß die Losung: Mehr Besserverdiener in die Stadt holen. Als ob man nur mit einem Lasso ausziehen müsste, um Betuchte eizufangen.

Mittelfristig besteht nach Auffassung der Panel-Ersteller die Gefahr, dass es vor allem bei den Ausgaben für freiwillige Aufgaben zu spürbaren Einsparungen kommt. Freiwillige Aufgaben in den Bereichen Kultur, Sport und Soziales sind für die Daseinsvorsorge und die Lebensqualität in Deutschland von großer Bedeutung – gerade auch in einer Post-Corona-Zeit, betont Difu-Projektleiter Christian Raffer. Die Unwägbarkeiten für Kommunalhaushalte drohen, sich langfristig negativ über die Zeit der Krise hinaus auszuwirken, wenn es nicht gelingt, finanzielle Planungssicherheit für Kommunen zu schaffen. Woher soll sie kommen, die Planungssicherheit? Da bleibt die Untersuchung Antworten schuldig.

Denn auch an Heftigkeit zunehmen wird meiner Meinung nach der Verteilungskampf zwischen kreisangehörigen Städten und Gemeinden einerseits, den Landkreisen andererseits. 2022 gilt als besonders schwieriges Jahr beim Finden eines für alle Beteiligten hinnehmbaren Umlagesatzes, den die aus diesem Hebesatz errechnete Summen von den Rathäusern den Landratsämtern überwiesen werden müssen. Die Quadratur des Kreises auch im Enzkreis.

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Geldsegen vom Land für Lomersheimer Grundschule

Gute Nachricht in schwierigen Zeiten aus Stuttgart: Mühlacker erhält vom Land Baden-Württemberg 650.000 Euro, um die Wendler-Grundschule in Lomersheim baulich aufzuwerten. Geplant sind dort die energetische Sanierung, die Erneuerung der Haustechnik, die Innensanierung und der Einbau eines Aufzugs. Die Kosten für das Projekt, einschließlich Planung, wurden in einer Machbarkeitsstudie vom Dezember 2019 auf circa 2,9 Millionen Euro geschätzt.

Die im Jahre 1950 erbaute Wendlerschule beherbergt derzeit ca. 130 Grundschüler in fünf Klassen sowie zwölf Lehrkräfte und weist eine Nettogrundfläche von zirka 1500 Quadratmeter auf. Trotz zurückliegender Investitionen in die Immobilie gelten große Teile des 70 Jahre alten Gebäudes als stark überholungsbedürftig. Durch ein zukunftsorientiertes Planungskonzept soll das Schulgebäude baulich als auch pädagogisch den zukünftigen Anforderungen gerecht werden. Frühere Ortsbegehungen auch meiner Fraktion zahlen sich so aus, genauso Anfragen und Anträge - allerdings ist Geduld notwendig.

Mittendrin: Wendlerschule mit reichlich Sonnenenergie vom Dach

Aktuell läuft noch das Europaweite Vergabeverfahren für die Planungsleistungen technische Gebäudeausrüstung und Objektplanung, so die Stadtverwaltung heute in einer Mitteilung. Nach Abschluss des Verfahrens können die ausgewählten Planer dann beauftragt werden und mit den detaillierten Planungen im Frühjahr beginnen. Voraussichtlich werden diese dann bis Herbst/Winter 2021 andauern. Der tatsächliche Baubeginn ist für das Jahr 2022 vorgesehen.

Die Sanierung der Schule ist zwar formal nicht Teil des parallel laufenden Förderprogramms Ortskernsanierung, so OB Schneider; da sie aber inmitten des Sanierungsgebiets liegt, hoffe ich auf eine Vorbildwirkung auch für private Sanierungswillige im Ortskern. Und vielleicht hilft das auch, dass sich für die seit längerer Zeit vakante Rektorenstelle auch einmal jemand bewirbt. Zur Lomersheimer Grundschule gehört auch die Grundschule Mühlhausen.

Jedenfalls eine ordentliche Summe für die Lomersheimer Schule. Gut so! Womit sich die Frage aufdrängt, wie viel Geld wir vom Land für die Umsetzung unserer Investitionspläne auf dem Bildungscampus Lindach (Gemeinschaftsschule und Mörike-Realschule) bekommen würden. Ob wir da mal weiterkommen? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Machen wir endlich Grund beim Bildungscampus Lindach. Wir wissen nicht, was die einzelnen Maßnahmen kosten, wir wissen nicht, wie hoch die Zuschüsse des Landes sind, wir wissen nicht, wie sich die Maßnahmen zeitlich priorisieren lassen, wir wissen also nicht, was die Zukunftsaufgabe Schulen im Lindach den städtischen Haushalt netto kosten, um dann beurteilen zu können, was geht und was nicht geht - die Verwaltung verweigert dem Gemeinderat die Klausur. Diese brauchen wir dringend.

Der Zuschussbescheid für Lomersheim ist somit auch ein gutes Zeichen für die Lindach-Schulen. Denn erstmals fördert das Land auch Sanierungen von Schulgebäuden. Dazu mehr auf der Webseite des Kultusministeriums B-W.

 

Bus-Desaster hat noch kein Ende: Juristische Ratgeber patzten beim Rechnen

Pleite Nummer 2 bei der Vergabe des Auftrags (genauer: zweier Aufträge) für die Buslinien im Bereich Straubenhardt/Birkenfeld: Sie ist heute überraschend geplatzt. Dabei schien alles klar zu sein: Busunternehmer Eberhardt aus Engelsbrand sollte den einen Auftrag, die Firma Engel in Mühlacker den anderen erhalten. Ein dritter, namentlich uns nicht bekannter Bieter, zog den Kürzeren. Doch letztlich gingen alle drei leer aus. Den juristische Berater des Enzkreises patzten beim Rechnen.

Denn am Vormittag bemerkte die Kreisverwaltung einen Ausschreibungsfehler, gestand diesen am Nachmittag bei der medienöffentlichen Videokonferenz des Umwelt- und Verkehrsausschusses des Kreistages (UVA) ein. Die vorherige Vergabe war im November 2020 vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe als rechtswidrig aufgehoben worden. Deshalb musste das Landratsamt Enzkreis in Pforzheim den Linienauftrag neu ausschreiben - und diese Ausschreibung wanderte heute wegen dieses Fehlers in den Schredder.

Am späten Nachmittag informierte die Kreisverwaltung über die peinliche Panne mit die Dinge glättenden Formulierungen. Aufgrund eines Fehlers konnte über die vorgesehene Vergabe der Buslinien im westlichen Enzkreis am heutigen Mittwoch nicht entschieden werden. Nun wird – wie bereits im Dezember – eine übergangsweise Notvergabe im Februar erfolgen. Dazu werden alle Unternehmen im VPE-Gebiet um ein Angebot gebeten. Was fehlerhaft war, erfuhr der Leser nicht.

Auf ein Neues: Parallel wird das nun gescheiterte Verfahren neu gestartet. Die Busse rollen weiter, so dass für die Fahrgäste im westlichen Enzkreis keine Lücke entsteht. Die Zusammenarbeit mit der beauftragten Kanzlei sei mit sofortiger Wirkung beenden worden. Der Kreis prüfe die Möglichkeit, die juristischen Berater aus Bremen in Regress zu nehmen, so die angeführten Fakten. Übrigens: Ein Büro, das auch die Stadt Mühlacker bei der europaweiten Ausschreibung des Stadtbusverkehrs juristisch zur Seite stand. Problemlos.

Buslinien im westlichen Enzkreis sind im Gespräch

Für die Zeit ab Dezember 2022 bis Ende 2030 wird der Verkehr für den westlichen Enzkreis dann regulär europaweit ausgeschrieben. Für die Beratung in diesem Verfahren wird nun eine neue Kanzlei gesucht - doch sie sind rar.
Das Bus-Desaster hat noch kein Ende! Mein Fraktionskollege Kurt Ebel, Sprecher der Union im UVA, bringt es in einer Mail auf den Punkt. Das beratende Anwaltsbüro hat in einem peinlichen Anfängerfehler die Ausschreibungsfrist falsch berechnet (um 11 Stunden zu kurz – aber zu kurz ist eben zu kurz!), so dass in Abstimmung mit der Stadt Pforzheim keine Vergabe möglich ist.

Neuer Fahrplan für einen weiteren Vergabeversuch: Kurzfristige weitere Notvergabe wie nach OLG-Entscheid für Februar bis Mitte/Ende März, dann eine Entscheidung wie für heute geplant (für den Anschlusszeitraum bis Ende 2022) mit anschließender regulärer Vergabe. Nicht auszumahlen, so mein Kollege, wenn dann ein anderes Ergebnis herauskommt – und die, die heute nicht zum Zug kamen sich dann dagegen wehren würden …

Meine Stellungnahme für die Fraktion am frühen Abend:

  1. Wenn die Kreistagsfraktionen von CDU und FDP nicht gefordert hätten, Medienvertreter an der heutigen Videokonferenz des Ausschusses für Umwelt und Verkehr des Kreistages zuzuschalten, wäre dieser Akt von Pleiten, Pech und Pannen vor der Öffentlichkeit verheimlicht worden.
  2. Bereits nach dem Urteil des OLG KA hatte die CDU-Fraktion im Ausschuss für Umwelt und Verkehr gefordert, sich von dem beratenden Anwaltsbüro zu trennen. Die Verwaltung hat sich darüber erhaben hinweggesetzt.
  3. Es gibt nicht nur eine Verantwortung des beratenden Anwaltsbüros, sondern auch der Zuständigen im Landratsamt, die nicht zum ersten Mal eine Ausschreibung über Buslinien begleitet haben. Insoweit muss darüber auch im von CDU, Grünen und FDP beantragten und vom Kreistag am 14. Dezember 2020 bereits beschlossenen Ausschuss für Akteneinsicht gesprochen werden. Wir erwarten, dass der Landrat umgehend mit den Fraktionen sich auf das Verfahren der Einsichtnahme verständigt.
  4. Der Landrat muss Ordnung im eigenen Haus schaffen und den eigenmächtig operierenden Apparat zurechtstutzen.

Übrigens: Der zeitlich parallel das selbe Thema beratende Werksausschuss des Gemeinderats Pforzheim tagte hinter verschlossenen Türen.

Die Vorgeschichte: Die Vergabe von Buslinien mit Schwerpunkt im westlichen Enzkreis war rechtswidrig. Der 15. Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe unter dem Vorsitz von Dr. Hannelore Hemmerich-Dornick hat diese Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg, die am 31. Juli 2020 auf Antrag der Müller Reisen GmbH & Co. KG aus Birkenfeld ergangen war, mit Beschluss vom 4. Dezember 2020 bestätigt. Eine Ohrfeige erster Güte. Vernichtende Niederlage in allen Punkten.

Das muss aufgearbeitet, die Verantwortlichkeiten müssen klargelegt werden. Ein Antrag auf Akteneinsicht stellten die Fraktionen von CDU, Grünen und FDP Anfang Dezember. Mitte Dezember setzte der Kreistag bei seiner Sitzung in der Kulturhalle Remchingen den entsprchenden Ausschuss mit je einem Mitglied aus jeder Fraktion ein. Bis heute ist allerdings das erste Treffen noch nicht terminiert.

Städtischer Weihnachtsbaum erstmals bunt – Lienzinger gegen Eintönigkeit

Buntes im Lichterglanz: Lienzingens Weihnachtsbaum (Fotos: Antonia Bächle)

Auf ihre beliebten Weihnachtsgaden in der historischen Kirchenburg mussten die Lienzinger diesmal zum größten Bedauern verzichten. Und die Christbaumständer-Ausstellung im Museum altes Rathaus bleibt zunächst noch geschlossen. Ganz so wie es die aktuelle Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg fordert. Aber dann wollten sie wenigstens dem von der Stadt auf dem Dorfplatz vor der Kelter aufgestellten Weihnachtsbaum eine besondere, weil bunte Note bescheren. Sozusagen mehr als die sonst übliche Kombination aus Baum und elektrischem Licht. Ein Blickpunkt für die Passanten.

Die Idee entstand bei einem voradventlichen virtuellen Treffen der Herzenssache Lienzingen. Rasch entwickelte sich eine Gemeinschaftsaktion mit Grundschule und Kidsclub, die nicht minder rasch ein Konzept präsentierten: Von den Grundschülern selbst gemachte Kugeln  sollen den Baum schmücken und dabei so leichtgewichtig sein, dass kein Schaden entsteht, wenn sich mal eine Kugel löst und zu Boden geht. Dies garantieren die verwendeten Kunststoffkugeln, jeweils Halbschalen, innen mit buntem Papier beklebt.

Farbtupfer durch Kunststoffkugeln

Angefragt: die Stadtverwaltung. Zum Glück entschärften die vorgesehenen Leichtgewichte an den Zweigen die Haftungsfrage. Ein Bürgermeister und ein Amtsleiter prüften, duchaus angetan, fragten  wegen Details zurück, machten aber dann das Schmücken des Baumes und somit eine Premiere in der Stadt doch möglich. Zuerst plagte sie jedoch die grundsätzliche Frage nach dem Präzedenzfall. Was ist, wenn das auch andere Stadtteile abschauen? Bis jetzt stellt der Bauhof die Weihnachtsbäume immer rechtzeitig vor dem ersten Advent auf, hängt die Lichterketten dran, sorgt für Strom. So auch diesmal in Lienzingen. Ob es Nachahmer gibt? Lassen wir uns doch überraschen und freuen uns über aktive Gruppen.

In der Lienzinger Grundschule gingen nach dem Ja aus Mühlacker die Kinder mit Begeisterung zur Sache, bastelten und bemalten die runden Dinger, in Privatinitiative wurden die Kugeln dann auf Kordeln in eine feste Beziehung zueinander gebracht. Dank der Unterstützung durch die Firma Wiltschek hängen seit vorgestern die Kordeln mit etwa 200 roten Kugeln am Baum. Es entstand ein Schmuckstück als Zeichen der Gemeinsamkeit für alle Lienzinger. Der jüngste Stadtteil Mühlackers – seit 1975 - lenkt mit solch außergewöhnlichen Aktionen inzwischen die Blicke auf sich, gilt als ausgewiesen aktive Ortschaft.

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Wir sollten uns bei allem Jammern den Optimismus nicht klauen lassen

Mühlackers Gemeinderat verabschiedete gestern Abend im Uhlandbau einstimmig den Haushaltsplan der Stadt für 2021. Alle mit FFP2-Masken vor Mund und Nase. Gut zwei Wochen nach der Einbringung des Entwurfs durch den OB. So schnell ging es noch nie. Die Stellungnahmen der fünf Fraktionen wurden zu Protokoll gegeben, ganz wie am Tag zuvor im Kreistag. Alles ist der Pandemie geschuldet. In einer halben Stunde war das halbe Dutzend Punkte der Tagesordnung erledigt, die Sitzung aus.

Für die CDU-Fraktion schrieb ich in der Stellungnahme zu Etat und kommunalem Alltag in Corona-Zeiten:

Ohne Frage: Die Finanzlage der Stadt Mühlacker ist aktuell schlecht. Aber hat jemand in der Zeit der Corona-Krise anderes erwartet? Leider sind auch in der Kommunalpolitik nun die Pessimisten, Besserwisser und destruktiv Denkenden unterwegs. Sie sehen ihre Zeit gekommen. Aber wir sollten uns bei allem Jammern den Optimismus nicht klauen lassen. Wir haben Krisen kommen, aber auch wieder gehen sehen. Dann legen wir eben einmal ein Jahr ein, in dem weniger passiert. Wir haben dann auch mehr Zeit fürs Nachdenken, Diskutieren und Planen zum Beispiel zu Innenstadtentwicklung, Auswirkungen der Bebauung der Ziegelei, über Zukunftsthemen wie Schulen, Glasfaser-Ausbau, Klimaschutz und Integration beziehungsweise Teilhabe. Alles Themen, die in Mühlacker gerne auf der Strecke bleiben, weil man angeblich keine Zeit hat. Aber die haben Gemeinderat und Stadtverwaltung nun.

Meine Kommentare für die Fraktion zum Haushalt 2021: Auf Schlagworte verdichtet

Die Situation bietet also auch Chancen. Bisher kamen nach schlechten Zeiten immer wieder gute Zeiten. Das wird diesmal nicht anders sein. Wenn die Wirtschaft die Produktivität der Zeit vor Corona wieder erreicht hat, fließen die Steuern kräftiger. Immer wieder heißt es: sieben! Schauen, was notwendig und was weniger dringlich ist. Andere Gemeinderäte legen die Prioritäten in Klausurtagungen fest. Bei uns klappt das nie, weil immer Einspruch aus der zweiten Bank kommt und sich die Verwaltungsspitze dadurch lähmen lässt.

Die große Linie des Etatentwurfs der Stadtverwaltung für 2021 ist richtig. Deshalb stimmt die CDU-Fraktion dem Entwurf heute bei diesem ungewöhnlichen, aber aus naheliegenden Gründen zu vertretenden Verfahren der Haushaltsverabschiedung ohne Probleme zu. Denn angesichts der Corona-Pandemie wissen wir nicht, wann die nächste Präsenzsitzung sein wird. Gerade deshalb müssen wir handlungsfähig sein und bleiben. Das A und O des Handelns ist der Haushaltsplan.  Wir können nächstes Jahr, wenn sich Bedarf herausstellt, korrigieren über einen Nachtragsplan.

Was im bisherigen Entwurf fehlte, war das Engagement der Stadt für bezahlbaren Wohnraum. Hier hat die Stadtverwaltung inzwischen nachgebessert. Endlich werden die Hausaufgaben angepackt, nämlich die konkreten Schritte zum Beispiel der Übertragung städtischen Wohnraums auf die Stadtbau GmbH. Was eine Kommune hier auf die Beine stellen kann, zeigen zahlreiche Kommune. Ich muss nicht auf Bretten, Vaihingen und Oberderdingen verweisen, sondern kann auch Fellbach nennen, deren Stadtbaugesellschaft zwei Jahre nach unserer entstand und boomt. Vor Gründung der Stadtbau ist in Mühlacker keine einzige öffentlich geförderte Wohnung gebaut worden. Wo blieben die Investoren? Hätten alle Möglichkeiten der Welt gehabt.

Die Schulen im Lindach werden immer wieder vertröstet

Auf die Fragen aus der CDU-Fraktion zum Haushaltsentwurf ergibt sich, dass von den 13,1 Millionen Euro für Investitionen in 2021 mehr als 25 Prozent auf verschiedene Ausgaben für die Feuerwehr entfallen. Das ist jeder vierte Euro. Dieser Anteil zeigt, dass die Relationen nicht mehr stimmen. Nicht nur die Feuerwehr ist Pflichtaufgabe, auch Schulen und Kindergärten gehören zur Pflicht. Hier erwarten wir, die Dinge neu zu ordnen und zu gewichten. Nehmen wir die Pläne für den Bildungscampus Lindach. Wir wissen nicht, was die einzelnen Maßnahmen kosten, wir wissen nicht, wie hoch die Zuschüsse des Landes sind, wir wissen nicht, wie sich die Maßnahmen zeitlich priorisieren lassen, wir wissen also nicht, was die Zukunftsaufgabe Schulen im Lindach den städtischen Haushalt netto kosten, um dann beurteilen zu können, was geht und was nicht geht - die Verwaltung verweigert dem Gemeinderat die Klausur. Diese brauchen wir dringend.

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Mühlacker Fabrikant Friedrich Münch und seine Lienzinger Geschichten

Der Ehrenbürgerbrief, getextet vom Bürgermeister, gebilligt vom Gemeinderat

Friedrich Münch und seine Liebe zu Lienzingen. Er war alles in einem: Großspender, Mäzen, Namensgeber eines Kindergartens, einer Straße, eines Waldweges und eines kleinen Sees, Pächter der Jagd und aller kommunaler Fischgewässer, Bauherr des an exponiertester Stelle des Dorfes stehenden Hauses, Ehrenbürger. Münch beschenkte ganze Konfirmanden-Jahrgänge mit Geldbeutel und Täschchen. Der Fabrikant aus der Nachbarstadt erkor das knapp 1000 Einwohner zählende Lienzingen am Rande des Strombergs bald nach Kriegsende zu seinem Refugium. Nicht weit weg von seiner Villa an der Schillerstraße in Mühlacker, aber mit gut vier Kilometern Distanz weit genug, um Ruhe zu finden vom hektischen Alltag im Unternehmen. Etwas unterhalb des 1925 errichteten herrschaftlichen Hauses, in dem der gebürtige Birkenfelder und gelernte Kaufmann, mit Ehefrau Berta, geborene Schleeh (1935-1980) sowie den Kinder Susanne (1959-2018) und Friedrich (geboren 1964) wohnte, stand seine Firma. Ihre Adresse: Goldshaldenstraße 20. Begraben ist Friedrich Münch (1896-1967) auf dem Lienzinger Friedhof, neben der Frauenkirche, wiederum in besonderer Lage.


Lienzinger Geschichte(n) heute von der Vorliebe des Mühlacker Fabrikanten Friedrich Münch für Lienzingen. Auch wenn das Dorf nicht offiziell sein Wohnort war (obwohl das manche dachten): Bürgermeister Richard Allmendinger und die Gemeinderäte bescheinigten ihm nimmermüde Hilfsbereitschaft zum Vorteil der Kommune. Die Quellen: Sechs Protokollbände des Ortsparlaments (1944 bis 1975), die im Stadtarchiv Mühlacker (STAM) stehen, belegen den fortwährenden Lobgesang auf ihn. Diktion und Stil der Niederschriften wurden bewusst beibehalten. Zitate in kursiv gesetzt.


Vor 100 Jahren gründete Münch seine Firma, die sich auf die Herstellung von nicht geschweißten Ringgeflechten und Schuppengeflechten für Börsen, Handtaschen und Accessoires spezialisierte. Er hatte in einer Schmuckwarenfabrik in Pforzheim gelernt, war zehntes von zwölf Kindern des Bahnwärters August Münch in Birkenfeld. Im Jahr 2008 siedelte das Familienunternehmen mit seinen rund 100 Mitarbeitern von der Goldshalde ins Mühlacker Gewerbegebiet Waldäcker um, auf dem vormaligen Betriebsareal genehmigte die Stadt 2013/14 die Errichtung von Wohnhäusern.

Friedrich Münch: Pächter der Lienzinger Jagd von 1933 an

Fast ein halbes Hundert Mal taucht Friedrich Münch - respektive nach seinem Tod 1967 Witwe Berta - zwischen 1948 und 1975 namentlich in den Protokollen des Gemeinderats von Lienzingen auf. Belege eines Beziehungsgeflechts zu allseitigem Nutzen.

Doch die Anfänge liegen weiter zurück. Schon 1933 bahnte sich der Beginn einer wachsenden Freundschaft an, wenn zunächst auch auf wenig euphorische Art. Die Kommune hatte die Jagdpacht ausgeschrieben. Doch ihr war das Gebot des Firmenchefs aus der jungen Senderstadt mit 1000 Mark jährlich zu niedrig, also setzte Bürgermeister Karl Brodbeck im Benehmen mit dem Gemeinderat eine Frist bis 15. März für Nachgebote. Münchs großes Interesse an dem Revier drückte sich in der Bereitschaft aus, seine Offerte um 200 Mark anzuheben. Weitere Nachgebote lagen nicht vor, so dass in der Ratssitzung vom 7. April Münch den Zuschlag erhielt. Mit Schreiben vom 5. April 1933 benannte er als stellvertretende Jagdpächter zwei Fabrikanten-Kollegen: Friedrich Schuler aus Mühlacker und Willy Schenk aus Maulbronn (STAM Li B 322, S. 324).

Das war wohl noch nicht ganz der Beginn eines Beziehungsgeflechts zu allseitigem Nutzen. Doch es wuchs kräftig nach der Befreiung 1945. Somit könnte als Überschrift über diesem Kapitel stehen: Lienzingen – Privates Kapital und seine kommunalpolitische Wirkung, ein dörfliches Beispiel. Einerseits eine Win-Win-Situation für beide Seiten, allerdings auch bei manchmal fragwürdigen Kompensationen. Ganz offen bekannte sich, ausweislich der Protokolle der Sitzungen, das Ortsparlament zu einem natürlichen Vorrecht für Reiche. Denn Münch setzte durch, in erstklassiger Lage ein Wohnhaus bauen zu dürfen. Es sei immer schon so gewesen, so die Bürgervertreter, dass gut situierte Leute gerade sich den besten Platz für die Erstellung ihres Heimes aussuchen (Sitzung vom 11. März 1953). Sollte heißen: das sei zu akzeptieren. Dicke Spenden an die Kommune, aber auch an Kirchengemeinde und Vereine winkten. Und Münch zeigte sich großzügig. Wiederum das Ortsparlament revanchierte sich, ließ in all den Jahren die Wünsche und Anträge des Mäzens aus der Nachbarstadt reibungslos passieren – bis hin zum 1957 gefassten Beschluss, prüfen zu lassen, ob das Gewann Spottenberg in Münchberg umbenannt werden kann.

Der Name Münchberg wurde übrigens auf dem Etikett des hauseigenen Mirabellenschnapses geführt, der bis kurz vor seinem Tod, von seinem Schwager und Jagdaufseher Kurt Schleeh produziert wurde (Hnweis Marco Rettstatt, Mühlhausen/Enz, 14. November 2020). Nicht nur das. Martin Walter erinnert sich: Münchberg als Bezeichnung für den Spottenberg ist mir aus Kindertagen ein Begriff. Und dazu noch eine Anekdote: Meine Oma hat in den 1960er Jahren mit anderen Frauen zusammen bei der Mirabellenernte auf dem Münchberg gearbeitet. Ich durfte als kleiner Junge mit. Bei Münchs gab es damals am Tor schon eine Gegensprechanlage. Die Frauen schickten mich vor, um die zur Ernte erschienenen Frauen anzukündigen, was ich auch tat. Mit den Worten: d' Rebelle-Weiber send do (Kommentar auf meiner Facebookseite, 15. November 2020).

  • Wird aus dem Spottenberg der Münchberg?
Zumindest auf dem Ettiket: Mönchberg statt Spottenberg. (Foto: Marco Rettstatt)

Sein Haus auf der Bergnase. Denn auf dem Spottenberg und damit in exponiertester Lage oberhalb des Dorfes hatte der Unternehmer ein Landhaus in Schweizer Baustil in einmalig schöner Lage errichtet. Nirgend woanders in Lienzingen lebt es sich schöner: mit maximaler und garantierter Fernsicht – bei bestem Wetter bis zum Stuttgarter Fernsehturm. Freilich, bei Stürmen pfeift es gar heftig und laut um den Giebel. Auch wenn die Ziegel festgenagelt sind; manchmal ist die Naturgewalt stärker als die Widerstandskraft des Nagels.

Münchs Pläne für ein Domizil auf dem Spottenberg lösten teilweise heftigen Widerstand von Behörden und Naturschutz aus. Denn das Areal war Außenbereich pur und damit für eine Bebauung tabu. Er wusste dies, reichte trotzdem ein Baugesuch ein und löste damit ein höchst ungewöhnliches Genehmigungsverfahren aus. Der Fabrikant schuf Fakten, bevor das den Behörden auffiel und sie die Arbeiten einstellen ließen. Er wusste, dass er Bürgermeister und Gemeinderat voll auf seiner Seite hatte. Doch der Reihe nach.

  • Bürgermeister lobte großherziges Angebot
Die Jagdhütte auf dem Spottenberg, genehmigt 1948, nach den Plänen des Mühlacker Architekten Jakob Buck (StAL FL 20--18 II_Bü 1421_0021)

Friedrich Münch, Jagdpächter seit 1933, stellte, als akute Wohnungsnot in der Gemeinde herrschte, seine im Trinkwald gelegene Jagdhütte zur beliebigen Verwendung zur Verfügung, wie es Bürgermeister Richard Allmendinger im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 20. Februar 1948 formulierte. Diese eigne sich gut als Wohngelegenheit für eine Familie. Es solle versucht werden, sie an einen geeigneten Platz im Dorf zu versetzen. Der Schultes lobte das großherzige Angebot (STAM, Li B 323, S. 66). Wenige Wochen später informierte der Verwaltungschef die Räte, der Flüchtling Johann Grässle interessiere sich besonders für die Jagdhütte und würde sie gerne auf dem Grundstück seines zukünftigen Schwiegervaters aufstellen. Allmendinger hielt dagegen, das Holz-Objekt könne im Tausch gegen Bauland für die Gemeinde eingesetzt werden, was zu einer kontroversen Diskussion führte, die ohne konkreten Beschluss endete (STAM, Li B 323, S. 79). Das Thema tauchte später nicht mehr auf.

Inzwischen hatte Friedrich Münch seinen Blick auf ein besonders schönes Stück der Lienzinger Markung gerichtet – den Spottenberg. Das Landratsamt Vaihingen an der Enz genehmigte ihm am 4. Juni 1948 dort auf den Parzellen mit den Nummern 2297 und 2298/1 eine neue Jagdhütte – wohl deshalb schickte er gut drei Monate zuvor die  Offerte an die Gemeinde, die bisherige Jagdhütte im Trinkwald in den Ort zur Unterbringung einer wohnungssuchenden Familie umsetzen zu dürfen.

  • Kreisbaumeister Aeckerle: Kleines unbedeutende Bauwesen

Der Mühlacker Architekt Jakob Buck entwickelte die Baupläne für die Jagdhütte auf dem Spottenberg-Rücken, das der Fabrikant aus Mühlacker nicht einmal sein Eigentum nennen konnte. Das ergibt sich aus der Bauakte mit der Nummer 174/1948, die im Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrt wird (StAL FL 20--18 II_Bü 1421_0021).  Die beiden Grundstücke gehörten dem Lienzinger Maurermeister Adolf Ölschläger, der davon rund 60 Quadratmeter für den Bau gegen eine einmalige Pauschale von 200 Reichsmark an Münch verpachtete, wie sich einer Abschrift der Vereinbarung vom 13. Februar 1948 ergibt, deren Richtigkeit am 8.Mai 1948  von Bürgermeister Allmendinger mit Stempel und Unterschrift bestätigt wurde. Münch beauftragte Ölschläger mit den Maurer-, die Gebrüder Kälber mit den Zimmererarbeiten. Weder Gemeinde noch Nachbarn erhoben Einwände gegen das kleine unbedeutende Bauwesen, wie es Kreisbaumeister Aeckerle in seiner Begutachtung zur Prüfung des Baugesuchs am 20. Mai 1948 formulierte. Es bestand aus einer Stube, einem winzigen Schlafraum und einer kleinen Garderobe.

Lageplan aus dem Bauantrag von 1955: Rechts die untere Kurve der Landesstraße, rot das geplante Wohnhaus, davon östlich das Haus Bammesberger (Flurstück 2294), der Weg zur Landesstraße befindet sich noch heute im Eigentum Münch (STAM, Li A 82-16)
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